Interview Winfried Holz Atos Deutschland

"Ende 2013 schreiben wir intern keine E-Mail mehr"

04.05.2013 von Martin Bayer
2011 kündigte Atos-Chef Thierry Breton das "Zero Email Project" an und sorgte damit für großes Aufsehen. Deutschland-Geschäftsführer Winfried Holz erläutert im Interview, wie weit der Dienstleister damit ist.

CW: 2011 hat Atos angekündigt, die E-Mail intern abzuschalten. Wie weit sind Sie damit?

Winfried Holz, Atos Deutschland: "Ende 2013 schreiben wir intern keine E-Mail mehr."
Foto: Atos Deutschland

Holz: Wir stecken aktuell in den letzten Phasen der abschließenden Verhandlungen mit den Arbeitnehmervertretungen. Das ist aus meiner Sicht auch sehr wichtig für das gesamte Projekt. Wir wollen schließlich mit einem allgemeinen und vollen Konsens in dieses Vorhaben hineingehen. Viele Dinge, die wir hier bezogen auf die neue Kommunikations- und Collaborations-Kultur regeln, haben schließlich wichtige mitbestimmungsrelevante Hintergründe. Das Ganze soll ja auch einen gewissen Referenzcharakter haben für andere Projekte, die wir dann hoffentlich auch in Deutschland haben werden.

CW: Wie sieht Ihr weiterer Zeitplan aus?

Holz: Wenn wir die Verhandlungen in diesem Quartal abgeschlossen haben, geht es konkret in die Umsetzung. Es gibt bereits eine Pilotvereinbarung, die Tests laufen und die ersten Mitarbeiter beginnen damit zu arbeiten. Der gesamte Rollout für alle Mitarbeiter in Deutschland soll dann ab dem 1. Juli starten. So sieht der Umsetzungszeitplan aus.

CW: Wie haben Sie die Umstellung vorbereitet?

Holz: Das Projekt, das mit der Ankündigung im Februar 2011 eingeläutet wurde, hat im Grunde mehrere Phasen. Die erste Phase bestand aus einer Analyse. Hier haben wir das E-Mail-Verhalten bei Atos intensiv untersucht und gemessen. Daraus konnten wir wichtige Erkenntnisse gewinnen. Parallel dazu haben wir uns auf dem Markt nach Tools umzuschauen. Wir wollen die E-Mail durch ein Enterprise Social Network (ESN) ablösen. Die Zahl der Tools hat uns allerdings überrascht - wir haben insgesamt über 200 Werkzeuge gefunden. In der Endauswahl haben wir uns mit zwei Tools intensiver beschäftigt. Dafür gab es dann auch Pilot-Communities mit jeweils über 500 Mitarbeitern. Schließlich haben wir uns für BlueKiwi entschieden, ein französisches Startup-Unternehmen, das wir letzten Endes auch erworben haben.

CW: Was hat die Analyse des E-Mail-Verhaltens denn ergeben?

Holz: Aufbauend auf der Analyse des E-Mail-Verkehrs, haben wir mit so genannten Awareness-Trainings begonnen. Dabei ging es um grundlegende, ganz offensichtliche Dinge, wie: Wenn ein Mitarbeiter eine E-Mail bekommt, sollte er sich, bevor er auf den Antworten-Knopf drückt, überlegen, an welche Personen er diese Antwort schickt. Man sollte grundsätzlich darüber nachdenken, welche Verteilerkreise jede E-Mail erreichen soll.

Im Prinzip also einfache Verhaltenstrainings, wie Mitarbeiter mit E-Mails umgehen sollten. Das haben wir in einigen Bereichen sehr intensiv getan und dann auch die Resultate gemessen. Beispielsweise konnten wir den E-Mail-Verkehr damit teilweise um 30 Prozent reduzieren - einfach nur durch dieses Awareness-Training. Es gilt, sich bewusst zu machen, was man eigentlich mit einer E-Mail macht, oder eben nicht.

Das Ende der E-Mail in der Unternehmenskommunikation
Ergebnisse eine Atos-internen Mitarbeiterbefragung zum Thema E-Mail und wichtige Eckdaten zum Zero Email Project.
E-Mails sind zu einer Belastung bei der Arbeit geworden!
Ergebnisse eine Atos-internen Mitarbeiterbefragung
E-Mail Bearbeitung ist ein Zeitfresser!
Ergebnisse eine Atos-internen Mitarbeiterbefragung
Welche Vorteile bringt die Kollaboration?
Das Zero email Projekt: Kultureller Wandel
Das Zero email Projekt: Technischer Wandel
Das Zero E-Mail Projekt: Meilensteine

CW: Verändert sich Ihre Organisation durch das Abschalten der E-Mail?

Holz: Zur Vorbereitung des Rollout gehört auch, die entsprechende Community-Struktur aufzubauen. Dabei gilt es im Prinzip, die künftigen virtuellen Organisationsstrukturen zu definieren und zu designen. Dafür gibt es sogenannte Community-Verantwortliche: Die überlegen sich, wie die Communities aussehen sollen und übernehmen dann auch die Verantwortung, ihre Communities mit den notwendigen Tools zu betreuen - in Bezug auf Trainings und die effiziente Nutzung der Werkzeuge.

CW: Entsprechen diese Communities den bestehenden Organisationseinheiten von Atos, also einer Marketing- und HR-Abteilung, oder funktionieren diese Communities auch abteilungsübergreifend?

Holz: Im Grunde beides - zum einen gibt es auch künftig sicher weiter noch die Linienorganisation, in der natürlich auch die neue Kommunikationsform genutzt werden soll. Aber - und das ist der entscheidende Punkt - es sind gerade die virtuellen übergeordneten Communities, die nicht in einer Line-Organisation abgebildet sind und von denen wir uns entscheidende Produktivitätsvorteile versprechen. Gerade in unserer Branche bilden sich im Zuge von Projektarbeiten die Teams immer wieder neu. Wenn es um große Deals geht, arbeiten 100 oder 200 Leute über die ganze Welt verteilt in einem Team zusammen.

CW: Sie sorgen mit diesem Konzept also für mehr Flexibilität?

Holz: Exakt, und genau da sehen wir auch das Riesenpotenzial unseres Community-Konzepts. Dann wird eben genau für so ein Projekt-Team eine Community gegründet. Es werden einfach die Teilnehmer benannt und die Regeln festgelegt. Da sehen wir mit der ESN-Plattform rund um BlueKiwi einen wesentlichen effizienteren Austausch in der Zusammenarbeit.

CW: Wie haben denn Ihre Mitarbeiter reagiert, als sie von den Zero-E-Mail-Plänen erfahren haben?

Holz: Im Grunde genommen haben unsere Mitarbeiter genauso reagiert wie die Öffentlichkeit, als Thierry Breton 2011 das Vorhaben ankündigte. Intern haben sicher viele gelächelt und sich gefragt: Was ist denn jetzt da los? Was haben die sich denn schon wieder ausgedacht? Mittlerweile haben auch in Deutschland viele Mitarbeiter in Communities mitgearbeitet. Da gibt es erste Erfahrungsberichte und die klangen wirklich begeistert. Aufgrund der intensiven Verhandlung mit den Betriebsräten mussten wir am Ende das Engagement einer Reihe von Mitarbeiten bremsen. Daran sieht man, wie gut das Werkzeug angenommen wurde.

CW: Wie urteilen Ihre Leute denn heute?

Holz: Durch den Hype und die Wirbel, die das Thema verursacht hat, und die Tatsache, dass wir uns als Atos eng mit dem Thema verbunden haben und uns auch damit identifizieren, hat sich das Bewusstsein gewandelt. Die Leute stellen heute fest: Ich glaube, das was wir hier machen, ist richtig. Da entwickelt sich inzwischen auch ein gewisser Stolz. Aber eins muss man auch ganz klar sagen: Es gibt natürlich auch noch eine gewisse abwartende Haltung, weil wir es eben noch nicht ausgerollt haben.

CW: Laut einer Gartner-Untersuchung scheitern die meisten Social-Media-Initiativen daran, dass die Verantwortlichen einfach ein Werkzeug in die Organisation kippen und dann beten, dass es irgendwie genutzt wird. So einfach funktioniert das Ganze aber wohl nicht?

Holz: Vollkommen richtig. Das viel wichtigere Element ist die Kulturveränderung im Unternehmen, die stattfinden muss. Schließlich führen wir das neue Werkzeug ein und schalten zugleich die E-Mail ab. Auch das halte ich für eine wichtige Grundprämisse. Sonst besteht nämlich die Gefahr von zwei verschiedenen Welten, wenn Sie ein Tool zusätzlich parallel zur E-Mail einführen. Dann muss man immer hin- und herschalten und ist im Grunde weniger produktiv.

Deshalb halten wir am Grundsatz unserer Einführungsstrategie fest. Es wird sicher eine kurze Einführungsphase geben, in der die Systeme parallel neben her laufen. Aber Ende 2013 schreiben wir intern keine E-Mail mehr - Punkt. Da müssen wir zwar noch technisch noch ein bisschen dran arbeiten, weil wir nach wie vor externe E-Mails haben werden, die wir verarbeiten müssen - aber dieser Plan steht.

CW: Wie haben Sie das mit den externen Mails gelöst?

Holz: Dafür wird es entsprechende Schnittstellen geben. Das ESN stellt ja eine Art Cockpit dar - so lässt es sich wohl am besten beschreiben. Es wird auch künftig andere Plattformen und Tools geben wie Sharepoint und Wikis. All diese Themen haben wir heute schon - sie werden übrigens noch nicht so intensiv genutzt, wie wir es uns wünschen würden. Diese Plattformen lassen sich dann künftigen über das ESN steuern beziehungsweise ansteuern. Mit den externen E-Mails ist es dann vergleichbar, auch diese werden dann sinnvoll in das System eingebunden.

Die Geschichte von Atos und SIS
Mit der Übernahme von SIS durch Atos Origin endete eine lange Leidensgeschichte der einstigen Siemens-IT-Sparte. Ein Rückblick mit Bildern.
SIS Zentrale München-Perlach
SIS entstand 1995 aus der Ausgliederung von Siemens-internen IT-Abteilungen der Bereiche in eine eigene Gesellschaft namens Siemens Business Services GmbH & Co. OHG (SBS) unter Leitung von Friedrich Fröschl.
Friedrich Fröschl
Friedrich Fröschl wollte SBS unter die Top fünf der IT-Dienstleister bringen und die globale Expansion durch einen Börsengang finanzieren. Doch ein Outsourcing-Projekt in Großbritannien erwies sich als Fass ohne Boden. Nach Rekordverlusten musste Fröschl 2001 gehen.
Paul Stodden
Fröschls Nachfolger wird Paul Stodden, der zuvor bereits Fujitsu-Siemens Computers saniert hatte. Durch straffes Kostenmanagement mit Stellenabbau führt er SBS wieder in die Gewinnzone.
Adrian van Hammerstein
Doch die Situation für SBS blieb kritisch. Stoddens Nachfolger Adrian von Hammerstein strich bis Ende des Geschäftsjahres 2005 1.000 Stellen. Zusätzlicher Druck kam vom seit April 2005 amtierenden neuen Siemens-CEO Klaus Kleinfeld. Er verpflichtete SBS auf eine Marge von über fünf Prozent in genau zwei Jahren.
Christoph Kollatz
Im September 2005 folgte Christoph Kollatz auf von Hammerstein. Unter seiner Ägide kündigte SBS an, innerhalb von zwei Jahren 1,5 Milliarden Euro zu sparen und 5.400 Stellen zu streichen. Zudem verkaufte SBS den Geschäftsbereich „Produktnahe Dienstleistungen" (PRS) an den PC-Hersteller Fujitsu Siemens.
Siemens
In den folgenden Monaten forcierte Siemens den Umbau seines verlustreichen IT-Dienstleisters. SBS sollte noch enger mit dem sonstigen Siemens-Geschäft verzahnt werden. Nichtsdestotrotz häuften sich die Spekulationen über die Zukunft von SBS. Auch Atos Origin wurde 2006/2007 bereits als potenzieller Käufer genannt.
SIS-Niederlassung in Dubai
Im Jahr 2007 entschloss sich Siemens, SBS nicht zu verkaufen, sondern mit vier weiteren IT-Sparten unter dem Dach der neu geschaffenen „Siemens IT Solutions and Services“ (SIS) zusammenzulegen.
Peter Löscher
Im Dezember 2009 kündigte Siemens-CEO Peter Löscher an, SIS als eigenständiges Unternehmen aus dem Konzern auszugliedern. Der langjährige SIS-Chef Christoph Kollatz verließ das Unternehmen daraufhin im Streit.
Christian Oecking
Unter der Leitung seines Nachfolgers Christian Oecking wurde SIS als GmbH ausgegründet. Im Zuge der Ausgliederung strich SIS weltweit 4.200 der 35.000 Jobs. Der Weg für die Übernahme durch Atos Origin war bereitet.
Atos Origin – altes Logo
Atos Origin entstand im Jahr 2000 durch die Fusion von Atos und Origin.
Atos Origin Headquarter in Essen
Im Januar 2004 erwarb Atos Origin von Schlumberger die Sema-Gruppe und formte damit eines der größten europäischen Unternehmen für IT-Dienstleistungen.
Standort Atos Origin Meppen
In den Folgejahren sorgten Akquisitionen und Outsourcing-Deals für weiteres Wachstum. Atos Origin übernahm den Rechenzentrumsbetrieb von Itellium, die IT-Sparte von E-Plus, Teile der IT des Fernsehsenders Premiere und der Dresdner Bank.
Verlängerung Olympia-Vertrag mit dem IOC am 25.05.2009
Seit den Olympischen Winterspielen 2002 in Salt Lake City ist Atos Origin weltweiter IT-Partner des Internationalen Olympischen Komitees (IOC). Im Bild die Vertragsverlängerung bis zu den Olympischen Sommerspielen 2016 in Rio de Janeiro.
Thierry Breton
Thierry Breton ist seit Februar 2009 Vorsitzender und CEO des Atos Origin Konzerns. Unter seiner Ägide wird Atos Origin mit der Übernahme von Siemens IT Solutions & Services (SIS) zum zweitgrößten IT-Dienstleister in Europa.
Logo Atos
Seit 1. Juli 2011 ist Siemens IT Solutions and Services (SIS) vollständig in Atos Origin integriert. Das verschmolzene Unternehmen trägt den neuen Namen Atos.
Winfried Holz CEO Atos Detuschland
Winfried Holz ist CEO von Atos Deutschland. Einer seiner Schwerpunkte soll der Ausbau des Cloud-Computing-Angebots sein.
Für künftiges Wachstum ...
... hat Atos zudem weitere Schritte hin zum Cloud Computing-Unternehmen unternommen. Seit Anfang des Jahres gibt es Canopy, ein neues Unternehmen für Cloud Computing-Services, das aus der strategischen Allianz für Open Cloud Computing zwischen Atos, EMC und VMware hervorgegangen ist.
Ergänzend dazu ist Atos ...
... auch an Yunano beteiligt, einem Joint Venture, das im November 2011 aus einer Partnerschaft von Atos mit dem chinesischen Softwarehaus Ufida hervorging. Das Angebot von Yunano umfasst CRM- und ERP-Cloud-Computing-Services für mittlere und Großunternehmen in Europa, Afrika und dem Nahen Osten.
Bei Olympia 2012 aktiv
Seit 2002 ist Atos IT-Partner des IOC (hier ein Bild aus dem Kontrollzentrum der Olympischen Spiele 2012 in London). Mittlerweile laufen bereits die Vorbereitungen für die Olympischen Spiele 2016 in Rio auf Hochtouren. Erstmalig bei Sommerspielen werden die zentralen Planungssysteme in Rio per Cloud bereitgestellt, einschließlich der Systeme für Akkreditierung, Sportanmeldung und Qualifizierung, Personalmanagement sowie für das Freiwilligenportal. Zu den Olympischen Winterspielen 2018 in Pyeongchang sollen alle IT-Dienstleistungen über Canopy, die Atos Cloud-Tochtergesellschaft, verfügbar sein.
Kampagne 'Zero E-Mail'
Atos hat mit seinem im Jahr 2011 gestarteten „Zero-Emai“-Projekt weltweit für Aufsehen gesorgt. Ziel des Programms war es, binnen drei Jahren interne E-Mails durch moderne Collaboration-Anwendungen zu ersetzen. Das erfordert einen Wandel der Unternehmenskultur: Informationen sollen gemeinschaftlich erzeugt und weiter bearbeitet werden. Mittlerweile nutzen die Atos-Mitarbeiter E-Mails meist nur noch bei rechtlichen Vorgaben oder zur Kommunikation mit externen Kontakten. Im Mai 2014 erhielt Atos für Zero Email sogar den 'Forrester Groundswell Award' for Excellence in Social Collaboration in der Kategorie “Business-to-Employee: Employee Collaboration”.
Weiterhin gute Zahlen
Im ersten Halbjahr 2014 erfüllte Atos mit einem Umsatz von 4,176 Milliarden Euro und einem Netto-Ergebnis von 76 Millionen Euro seine Erwartungen. Das Unternehmen hat in diesem Zeitraum unter anderen den Börsengang von Worldline abgeschlossen, des Mitte 2013 ausgegliederten Tochterunternehmens. Worldline bündelt alle Zahlungs- und Transaktionstätigkeiten von Atos und ist der führende europäische Anbieter von e-Payment Transaktionsservices.
Übernahme von Bull
Eines der wichtigsten Ereignisse für Atos im Jahr 2014 war die Übernahme des französischen Wettbewerbers Bull für rund 620 Millionen Euro. Damit steigt Atos zu einem führenden Unternehmen für Cloud Computing, Cyber Security und Big Data auf. Gemessen am Cloud-Umsatz wird Atos durch die Fusion weltweit zur Nummer zwei nach Amazon und vor Microsoft.
Bestwerte bei Experton
Die Experton Group untersuchte für den „Cloud Vendor Benchmark“ 2014 mehr als 400 Anbieter für Cloud-Software, -Infrastruktur, -Services und -Sicherheit im deutschen Markt. Canopy (Atos) liegt hier gemeinsam mit IBM in der Kategorie „Cloud Transformation“ an der Spitze. Gründe sind unter anderen ein umfangreiches Portfolio an Beratungs- und Integrations-Services im Cloud-Umfeld sowie eine starke Marktdurchdringung in Deutschland.

CW: Auf welche Aspekte galt es bei dem ESN-Tools besonders zu achten?

Holz: Das Entscheidergremium, welches Tool genutzt werden soll, bestand aus unseren eigenen Mitarbeitern. Übrigens: Breton hat kurz nachdem er zu Atos kam, intern eine Scientific Community eingeführt. Das sind heute über 90 Kollegen aus dem gesamten Unternehmen, überwiegend junge innovative Leute. Er hat damit so eine Art Think Tank aufgebaut. Aus diesem Kreis kam auch die Idee mit der E-Mail-Ablösung. Dort hatte man sich überlegt: Was machen wir eigentlich mit den ganzen Hochschulabsolventen, wenn die nur noch Facebook nutzen? Teams aus dieser Scientific Community haben schließlich auch den Auswahlprozess begleitet.

CW: Wie ging es dann mit BluKiwi unter dem Dach von Atos weiter?

Holz: BlueKiwi war ja ein kleines Startup-Unternehmen mit rund 30 Mitarbeitern, die schon einige Kunden gewonnen hatten, vor allem in Frankreich. Nachdem wir das Unternehmen übernommen hatten, haben wir sehr schnell die Entwicklungsmannschaft verstärkt - um zwei Dinge zu tun: Einmal um das Tool weiterzuentwickeln, damit es unsere Anforderungen erfüllt, und auch um die Cloud-Fähigkeit sicherzustellen. Wir bieten BlueKiwi als eine unserer ersten Lösungen voll Cloud-fähig an. Wir werden auch selbst BlueKiwi aus der Cloud nutzen und es unseren Kunden aus der Cloud anbieten. Da mussten wir auf der technischen Seite einiges an Entwicklungsarbeit hineinstecken.

CW: Damit entsteht aus der Geschichte eine Lösung, die Sie dann auch Ihren Kunden im SaaS-Modell anbieten können?

Holz: Exakt - wir haben bereits eine Consulting-Practice in Deutschland dafür aufgebaut, die auch unser Projekt zunächst intern begleitet. Diese Erfahrung wollen wir dann aber auch in neues Geschäft umsetzen. Es gibt auch bereits erste Kunden, die Interesse gezeigt haben.

CW: Wie sieht denn die Resonanz im Markt aus?

Holz: Das Interesse ist gewaltig. Jeder Kunde ist interessiert. Einige so sehr, dass sie schon jetzt konkret anfragen, ob wir bereits Pilotinstallationen von BlueKiwi vermarkten.

CW: Wie haben denn die Anbieter von E-Mail-Lösungen reagiert? Gab es da Anfeindungen?

Holz: Nein, gar nicht. Man muss ja sehen, dass sich die großen IT-Player ebenfalls weiterentwickeln und immer stärker Werkzeuge für das Social Enterprise anbieten. Nur ein Unternehmen hat sich meines Wissens nach kritisch dazu geäußert hat und meinte, es sei alles Quatsch, was Atos da vorhabe. Ansonsten haben viele meiner Kollegen bei den anderen IT-Anbietern natürlich erst einmal geschmunzelt, wie sie davon gehört hatten. Mittlerweile, so glaube ich, ärgern sich aber viele, dass sie nicht selbst auf so eine Idee gekommen sind.

CW: Beobachten Sie generell eine Abkehr von der E-Mail?

Holz: Wir bewerten in unserem Ascent Journey 2016 Trendbericht die aus unseren Sicht wichtigen Themen für die kommenden Jahre. Da gehört Collaboration eindeutig dazu. Es hat angefangen mit der "Foundation IT", der klassischen horizontalen IT, dann kam die "Business-enabling IT". Das war die Zeit, in der wir viel über Geschäftsprozesse gesprochen haben. Jetzt kommt das Thema "Collaborative IT". Das wird ebenso für einen Umbruch sorgen, wie wir es bei den Stufen zuvor gesehen haben.

CW: Manche Mitarbeiter horten ja gerne ihr Wissen, um sich so für das Unternehmen möglichst wichtig und unentbehrlich zu machen. War es denn schwierig, Ihre Leute dahin zu bekommen, dass sie ihr Wissen teilen?

Holz: Das ist ein absoluter Kernpunkt. Meine These ist, dass in dieser neuen Welt der Collaborative IT das Thema Knowledge Management an Bedeutung zunimmt. Daran arbeitet man ja schon viele Jahrzehnte - an sich mit wenig Erfolg. Ich kenne kein Unternehmen, das dieses Thema wirklich erfolgreich gelöst hat. Ich glaube aber, dass es sich mit unserem Ansatz lösen lässt. Die Frage nach Expertenwissen im Unternehmen und Kopfmonopolen ist berechtigt.

Wir haben das oft genug im Rahmen unserer Projekte bei Kunden gesehen, wenn es um das Thema Knowledge-Transfer ging, wie schwer das ist. Im Rahmen unseres Vorhabens ist mir das Thema allerdings noch nicht als Barriere begegnet. Hier stehen die Kommunikationsmöglichkeiten in Teams und Communities im Vordergrund. Sicher folgt daraus, dass damit Wissen faktisch viel transparenter und auch leichter zugänglich wird. Ob und was das für Auswirkungen auf einzelne Mitarbeiter hat, ist allerdings zumindest bis dato noch kein Thema.

CW: Aber es geht schon um diese beiden Grundpfeiler: Kommunikation und effizienterer Austausch von Wissen?

Holz: Richtig - das sind aus meiner Sicht die beiden wichtigen Effekte, die wir uns von dem Projekt versprechen. (mhr)