Elektrosmog: Gefahren durch Mobilfunk?

12.01.2001 von PROF. MATTHIAS WUSCHEK 
Das Thema Elektrosmog erregt die Gemüter und polarisiert die Öffentlichkeit. Die Diskussion bewegt sich zwischen Hysterie und Verharmlosung. Wie gefährlich ist die von Handys und Mobilfunksendern ausgehende elektromagnetische Strahlung wirklich?

In den letzten drei Monaten sorgte das Thema Elektrosmog immer wieder für Schlagzeilen. Einem Bericht der britischen Times vom 27.12.2000 zufolge wollen amerikanische Handybesitzer, die an einem Gehirntumor erkrankt sind, den größten US-Mobilfunkkonzern Verizon Wireless verklagen und Schadensersatz in Milliardenhöhe fordern. Nur eine Woche vorher gaben zwei voneinander unabhängige US-Studien Entwarnung. Sie konnten keine Verbindung zwischen dem Auftreten von Gehirntumoren und dem Telefonieren mit Handys nachweisen.

Im November 2000 verfügte die Regierung in London, dass alle britischen Mobiltelefone künftig nur noch mit Hinweisen auf eine mögliche Gesundheitsgefährdung verkauft werden dürfen. Diese sind nicht den Warnungen auf Zigarettenschachteln vergleichbar. Vielmehr sollen Kinder darauf hingewiesen werden, die Benutzung von Handys auf ein Minimum zu reduzieren. Nahezu zeitgleich durfte die Telekom-Tochter T-Mobil nach einem Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt/Main einen Mobilfunksender in Oberursel wieder in Betrieb nehmen. Die Richter des OLG hoben damit ein Urteil des Landgerichts Frankfurt auf, das zuvor die vorläufige Abschaltung der Anlage wegen befürchteter Gesundheitsrisiken durch Elektrosmog verfügt hatte.

Das Thema Elektrosmog spaltet die Geister. Strahlungsquellen elektromagnetischer Felder gibt es viele, vom Mikrowellenherd, dem TV-Gerät über Computermonitore bis hin zu Rundfunk- und Fernsehsendern. Stein des Anstoßes sind heute jedoch insbesondere Handys und der flächendeckende Ausbau des Mobilfunknetzes.

Das Mobilfunknetz

Dank immer neuer Preissenkungen für Gesprächszeit und Handy greifen in Deutschland inzwischen mehr als 50 Millionen Teilnehmer zum Mobiltelefon - Tendenz steigend. Um die Versorgung dieser stark anwachsenden Kundenzahlen flächendeckend sicherzustellen, müssen die Anbieter ein feinmaschiges Netz von Mobilfunk-Sendeanlagen knüpfen.

Anders als bei Rundfunk und Fernsehen, deren Sendetürme (Leistung bis zu 500.000 Watt) ein sehr weites Gebiet von bis zu 100 Kilometern Umkreis versorgen, bauen T-Mobil, Mannesmann & Co. für den Mobilfunk ein so genanntes "zellulares Netz" mit einer Vielzahl von kleinräumigen, nahtlos verbundenen Funkzellen auf. Die Basisstationen überziehen insbesondere Ballungsgebiete feinmaschig mit Abständen bis hinunter zu hundert Metern und sind zum Beispiel auf einem Mast, einem Schornstein oder dem Dach eines Gebäudes installiert. Sie funken in den Frequenzbereichen 935 bis 960 MHz (GSM-900, D-Netz) und 1805 bis 1880 MHz (GSM-1800, E-Netz). Die künftigen Standards GPRS und UMTS liegen im Frequenzbereich von 1900 bis 2200 MHz.

Aufgrund der physikalischen Gesetze der Wellenausbreitung im Frequenzbereich des Mobilfunks und der begrenzten Sendeleistung des Handys ist der Radius einer derartigen Funkzelle sehr beschränkt. Er reicht auf dem Land bis zu etwa 15 Kilometern. Daher macht es keinen Sinn, die Sendeleistung der Basisstation zu erhöhen, um die Reichweite zu vergrößern. Damit können zwar auch weiter entfernte Handys angesprochen werden, diese besitzen wegen ihrer beschränkten Sendeleistung von etwa 2 Watt jedoch nicht die Möglichkeit, dem Mast zu antworten.

Da eine bestimmte Sendefrequenz von den Netzbetreibern in mehreren Funkzellen gleichzeitig genutzt wird, ist zudem bei zu großer Leistung der Basisstation mit erheblichen Störungen des Netzbetriebs zu rechnen (Gleichkanalstörungen). Die Netzbetreiber setzen daher auf viele kleine Funkzellen mit schwachen Sendern, deren Leistung zwischen 50 und 100 Watt liegt.

So entstehen Grenzwerte

Nach herrschender Ansicht sind für die hochfrequenten elektromagnetischen Felder nur thermische Wirkungen auf den menschlichen Organismus belegt. Mediziner nutzen diese sogar zur Heilbehandlung, indem sie durch Wärmebestrahlung rheumatische Leiden oder Entzündungen kurieren. Ab einer bestimmten Intensität der Felder sind jedoch auch negative Auswirkungen auf die Gesundheit denkbar.

Um die Bevölkerung vor den Wirkungen elektromagnetischer Felder zu schützen, werden Immissionsschutz-Grenzwerte festgelegt. Wie die meisten Länder folgt die Bundesrepublik Deutschland dabei den Empfehlungen der Internationalen Kommission zum Schutz vor nichtionisierender Strahlung (ICNIRP). Diese wird auch von der Weltgesundheitsorganisation (WHO), der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) sowie der EU als normgebende Institution anerkannt.

Bei ihrer Bewertung stützt sich ICNIRP auf gesichertes Wissen und reproduzierbare Ergebnisse. Hypothesen und unklare Befunde dagegen müssen so lange durch Forschungsarbeiten geprüft werden, bis sie entweder gesichert oder widerlegt sind. Anschließend haben politische Institutionen zu entscheiden, ob sie diesem wissenschaftlichen Ansatz folgen oder davon abweichende Regeln festlegen.

Die Grenzwerte selbst werden mit einem Sicherheitsabstand (der im wesentlichen die Unsicherheit der Datenlage für den Worst-Case berücksichtigt) unterhalb der letzten als relevant angesehenen Wirkung festgelegt. Das heißt: Ein geringfügiges Überschreiten muss nicht unmittelbare gesundheitliche Schäden nach sich ziehen, bietet den Betroffenen aber eine rechtliche Handhabe, um gegen die Verursacher vorzugehen.

Entscheidend: Thermische Wirkung

Grundlage für die Beurteilung der biologischen Wirkungen hochfrequenter elektromagnetischer Felder ist der vom menschlichen Körper aufgenommene Energieanteil. Die absorbierte Energie wird größtenteils in Wärme umgewandelt und führt daher zur Erwärmung des Humangewebes (thermischer Effekt). Als Bezugsgröße bei der Festlegung des Grenzwertes dient daher die so genannte spezifische Absorptionsrate (SAR), die aufgenommene Leistung pro Kilogramm Körpermasse. Sie wird in Watt/Kilogramm angegeben.

Aus diesem Basisgrenzwert für hochfrequente Felder werden aufgrund von Körpermodellen so genannte "abgeleitete Grenzwerte" in den messtechnisch zugänglichen Größen ermittelt. Diese sind nach Kriterien für den Worst-Case festgelegt, damit sichergestellt ist, dass bei Unterschreitung der abgeleiteten Grenzwerte auch die Basisgrenzwerte eingehalten werden.

Als abgeleitete Grenzwerte verwendet man bei hochfrequenten Feldern die elektrische Feldstärke E (Volt/Meter) und die magnetische Feldstärke H (Ampere/Meter). Für Frequenzen über 30 MHz wird auch die Leistungsflussdichte S (Watt/Quadratmeter) verwendet. Der Leistungsflussdichte 100 W/qm, die in biologischem Gewebe zu einer Temperaturerhöhung von 1 Grad Celsius (gilt als gesundheitlich unbedenklich) führen kann, liegt eine SAR von 4 W/kg im Mobilfunkbereich zugrunde.

Um die Erwärmung des Körpers für die Allgemeinbevölkerung deutlich unter 0,1 Grad zu begrenzen, legte die 26. Bundesimmissionsschutz-Verordnung (BImSchV) einen SAR-Wert von 0,08 W/kg zugrunde. Dies entspricht maximalen elektrischen Feldstärken von 42 beziehungsweise 58 V/m. Für UMTS gilt eine maximale Feldstärke von 61 V/m. Die in der Verordnung festgelegten Grenzwerte basieren auf den Empfehlungen der ICNIRP.

Sender: Hauptstrahlung in schmalem Sektor

Die Sendeleistungen von Mobilfunkanlagen sind geringer als die von Rundfunk- und Fernseh-Sendern. Während bei Rundfunk und Fernsehen Sendeleistungen von vielen tausend bis sogar über 100.000 Watt typisch sind, haben Basisstationen von Mobilfunkanlagen je nach Reichweiteanforderungen Sendeleistungen von wenigen Watt bis zu 50-100 Watt. Neben der Sendeleistung ist das Bündelungsverhalten der montierten Antenne der bestimmende Faktor für die Stärke der Felder in der unmittelbaren Umgebung einer Sendeanlage.

Antennen von Mobilfunk-Basisstationen senden in der horizontalen Ebene entweder omnidirektional, das heißt, sie geben in alle Richtungen parallel zum Erdboden etwa gleich viel Energie ab. Oder die elektromagnetische Welle wird mittels Richtantennen horizontal auf einen typisch 30 bis 120 Grad breiten Sektor konzentriert. Häufig werden durch die Montage mehrerer derartiger Richtantennen gleich zwei oder drei Sektoren von einem Anlagenstandort aus versorgt.

In der Vertikalen hingegen senden alle Typen von Mobilfunkantennen - ähnlich wie ein Scheinwerfer - relativ stark gebündelt. Der Hauptbereich der Energieabgabe ("Öffnungswinkel" der Antenne) beträgt für den Mobilfunk vertikal normalerweise etwa 5 bis 10 Grad, häufig mit einer zusätzlichen Neigung bezüglich der Horizontalen von typischerweise -5 Grad (das heißt etwas schräg nach unten). Damit erreicht man eine gezielte Versorgung der lokalen Funkzelle und vermindert Gleichkanalstörungen, also eine Leistungsabgabe in weiter entfernt liegende Funkzellen, die mit der gleichen Trägerfrequenz arbeiten.

Sender: Geringere Strahlung in Schattenzone

Außerhalb dieser schmalen "Hauptkeule" der Antenne ist die Energieabgabe deutlich geringer (typischerweise nur 1/10 bis 1/1000 des Wertes der Leistungsflussdichte in der Hauptstrahlrichtung). Der bodennahe Raum in unmittelbarer Nähe einer erhöht angebrachten Mobilfunkantenne ist besonders gering betroffen. Man befindet sich also - ähnlich wie im Nahbereich eines Leuchtturmes - in einer mehr oder weniger stark ausgeprägten Schattenzone. Noch stärker wirksam ist diese Schattenzone, wenn die Antennen an einem besonders erhöhten Punkt wie einem Turm oder Schornstein montiert sind.

Ist eine Antenne beispielsweise auf einem Hausdach installiert, werden die Felder im Inneren des Hauses zusätzlich noch von der Dämpfung des Daches und der vorhandenen Decke bestimmt. Abhängig von den verwendeten Baumaterialien (Holz, Ziegel, Beton) tritt damit eine zusätzliche, unter Umständen erhebliche Schwächung der Felder auf. Der Großteil der in einem Gebäude messbaren Energie gelangt zudem häufig nicht auf direktem Weg durch Dach und Decke in den Wohnbereich, sondern als zum Beispiel von benachbarten Gebäuden oder Bäumen reflektiertes Signal durch die Fenster in das Gebäudeinnere.

Darüber hinaus nimmt die Intensität elektromagnetischer Wellen mit zunehmendem Abstand zur Sendeanlage stark ab. Die Leistungsflussdichte verringert sich in Hauptstrahlrichtung bei ungestörter Ausbreitung mit wachsender Entfernung quadratisch, das heißt, bei doppelter Distanz ist sie auf ein Viertel, bei zehnfachem Abstand sogar auf ein Hundertstel des Ausgangswertes gefallen.

Unter realen Ausbreitungsverhältnissen (Einfluss von Geografie, Bewuchs, Bebauung) ist die Abnahme der Felder sogar noch stärker ausgeprägt. Das gilt unabhängig von der verwendeten Antenne. Im Folgenden werden anhand einiger Beispiele die typischerweise im Wohnbereich von Personen auftretenden Immissionen vorgestellt. Es handelt sich dabei um die Ergebnisse einer Reihe von Messungen, die der Autor dieses Artikels in den letzten Jahren durchgeführt hat.

Messungen I: Wohnungen in Nähe eines Sendemastes

Weil mögliche gesundheitliche Beeinträchtigungen durch einen etwa 40 Meter hohen Mobilfunksendemast (maximale Sendeleistung 35 Watt) eines D-Netz-Betreibers befürchtet wurden, gab der Stadtrat einer unterfränkischen Kleinstadt umfangreiche Messungen in Auftrag. Insgesamt wurden 43 Einzelmessungen in 20 Wohnungen (Abstand zum Mast: 100 bis 400 Meter) und einige Messungen im Freien durchgeführt.

Dadurch sollten die betroffenen Bürger ein fachlich fundiertes, wertneutrales Bild über die Größe der Exposition durch die von der Mobilfunk-Sendeanlage erzeugten elektromagnetischen Felder erhalten. Die markantesten Resultate dieser Messkampagne sind in folgender Tabelle dargestellt. Der Grenzwert der elektrischen Feldstärke liegt hier nach der 26. Bundesimmissionsschutz-Verordnung (BimSchV) bei 41 Volt/m.

Feldstärkewerte in der Umgebung eines Mobilfunkmastes

Messort

Elektrische Feldstärke (in Volt/m)

Prozent des Grenzwertes

Wiese in ca. 100 m Entfernung zum Mast

0,23

0,56

Höchster im Freien gemessener Wert

0,4

0,98

Durchschnittswert im Schlafbereich

0,001

0,0024

Höchster im Schlafbereich gemessener Wert

0,047

0,11

Vergleicht man die Messergebnisse mit dem derzeit in der Bundesrepublik verbindlichen Grenzwert für die Allgemeinbevölkerung, so ergibt sich bei diesem Standort im Freien eine Unterschreitung um mindestens den Faktor 100 (das heißt, weniger als 1 Prozent des Grenzwertes wird erreicht). In den untersuchten Wohnungen wird der Grenzwert sogar noch weiter unterschritten.

Immissionsmessungen in der Umgebung von Mobilfunksendern werden üblicherweise mittels frequenzselektiver Verfahren durchgeführt. Das heißt: Mit Hilfe eines Spektrumanalysators oder eines Messempfängers und einer geeigneten Messantenne stellt man Frequenz und Empfangspegel der einzelnen am Messort zu untersuchenden Funksignale fest. Zusammen mit den Kalibrierdaten der Messantenne und unter Berücksichtigung der Dämpfung der Messkabel lässt sich damit die am Messort herrschende Feldstärke bestimmen.

Messungen II: Felder bei Mobilfunkantennen auf Gebäudedächern

Fragen vieler Betroffener beziehen sich auch auf die Intensität der elektromagnetischen Felder im Inneren von Gebäuden beziehungsweise in unmittelbarer Nachbarschaft, wenn die Mobilfunkantenne direkt auf dem Hausdach installiert ist. Hier wurden in den letzten Jahren ebenfalls umfangreiche Messungen durchgeführt, so dass auch hier repräsentative Daten vorliegen. Folgende Tabelle gibt exemplarisch einige typische Ergebnisse derartiger Untersuchungen wieder. Die Grenzwerte für die Feldstärke liegen nach der 26. Bundesimmissionsschutz-Verordnung (BimSchV) bei 41 Volt/m für das D-Netz und für 58 Volt/m für das E-Netz.

Elektrische Feldstärke in der Umgebung von Mobilfunkantennen, die auf Gebäudedächern montiert sind

Situation

Elektrische Feldstärke (in Volt/m)

Messort

Bauernhaus, ca. 10 m hoch mit je einem E- und ein D-Netz-System

0,43

im Freien, ca. 10 m vom Haus entfernt

Einfamilienhaus mit E-Netz-Antenne

0,25 / 0,048

Dachboden / Schlafzimmer (1.Stock)

7-stöckiges Hochhaus mit E-Netz-Antenne

0,027 / 0,048 / 0,013

Schlafzimmer (7.Stock) / Balkon (7.Stock) / Wohnzimmer (EG)

Schule mit D-Netz-Antenne

0,85 / 0,097 / 0,15 / 0,36

Klassenzimmer (DG) / Klassenzimmer (1.Stock) / Klassenzimmer (EG) / Pausenhof

Bauernhof mit E-Netz-Antenne

0,061

im Inneren des Kuhstalls

Auch hier liegen die Messwerte weit unter den von der Bundesregierung festgelegten Grenzwerten. In den letzten fünf Jahren führte der Autor dieses Artikels mehrere hundert Messungen in der Umgebung von Mobilfunk-Basisstationen durch. Der bisher größte gefundene Immissionswert im Wohnbereich lag bei etwa 5 Volt/m.

Bei diesem Standort herrschten allerdings sehr ungünstige räumliche Bedingungen, da die Antenne sich sehr nahe und fast auf gleicher Höhe zum betrachteten Wohnraum befand. Die dort ermittelten Ergebnisse (rund 10 Prozent des gesetzlichen Grenzwertes) stellen in ihrer Höhe also die absolute Ausnahme dar. Dennoch wird auch hier der Grenzwert nach der 26. BImSchV bei weitem nicht erreicht.

Handys: Strahlung am Kopf

Die Felder der Mobiltelefone sind wegen des kurzen Abstandes zum Körper innerhalb des Kopfes um mehrere Größenordnungen stärker als die Felder der Basisstationen. Die abgegebene elektromagnetische Energie wird vom Kopf des Benutzers teilweise absorbiert und hauptsächlich in Wärme umgewandelt. Dieser Vorgang wird durch die spezifische Absorptionsrate (SAR) charakterisiert, die aufgenommene Leistung pro Kilogramm Körpergewicht (Watt/kg).

Die bei der Nutzung von Mobiltelefonen auftretende Größe und Verteilung der SAR im Kopf ist inzwischen zuverlässig zu bestimmen. Mit Hilfe von Computerberechnungen simulieren Wissenschaftler dabei das Verhalten von menschlichem Körpergewebe und ermitteln auf diese Weise die zu erwartenden Absorptionswerte. Inzwischen sind diese Verfahren so weit entwickelt, dass selbst besonders kritische Teile des menschlichen Kopfes wie beispielsweise das Auge detailliert genug simuliert werden können.

Neben diesen theoretischen Simulationsverfahren führen Hersteller von Mobiltelefonen und unabhängige Institute zusätzliche Messungen durch, um die Einhaltung der maximal zulässigen SAR-Werte zu prüfen. Diese Verfahren zur Bestimmung der SAR messen die Verteilung der elektrischen Feldstärke in einer Nachbildung des menschlichen Kopfes. Um einer realen Situation möglichst nahe zu kommen, wird ein anatomisch korrekt geformtes Fiberglasphantom eingesetzt.

Dieses Schalenmodell ist mit einer Flüssigkeit gefüllt, die das menschliche Gewebe simuliert. Das entsprechende Handy wird nun am Kopf des Modells an genau festgelegten Positionen mit maximaler Sendeleistung betrieben. Durch die Bestrahlung verteilt sich die elektrische Feldstärke in der Flüssigkeit. Sie wird mit Hilfe spezieller, hochempfindlicher Sonden gemessen, die für den Einsatz in derartigen Flüssigkeiten kalibriert sind und eine hohe örtliche Auflösung ermöglichen.

Handys: Konkrete SAR-Werte

1998 hat das Europäische Komitee für elektrotechnische Normung (CENELEC) eine Messvorschrift für SAR-Werte von Mobilfunkgeräten erarbeitet. Führende europäische Hersteller haben angekündigt, ab 2001 die von ihnen produzierten Telefone mit einem Hinweis zur Strahlungsintensität (SAR-Wert) zu versehen. Um Gesundheitsschäden vorzubeugen, darf diese Energieabsorption einen bestimmten Maximalwert nicht überschreiten.

Die ICNIRP empfiehlt hier für die Allgemeinbevölkerung einen SAR-Grenzwert von 0,2 W/kg, der einer Erwärmung des menschlichen Gewebes um etwa 0,5 Grad Celsius entspricht. Dieser Effekt ist mit der Temperaturerhöhung des Körpers bei einem Sonnenbad zu vergleichen. Bereits seit einigen Jahren werden die Abstrahlungen vieler Handys von unterschiedlichsten nationalen und internationalen Institutionen untersucht.

Dabei zeigte sich, dass die untersuchten handelsüblichen Geräte die international empfohlenen Grenzwerte der SAR größtenteils einhalten. Typische SAR-Werte der Mobiltelefone liegen zwischen 0,2 und 0,4 Watt/kg. Die Streuung ist jedoch wesentlich größer und reicht von 0,02 bis 1,8 W/kg. Eine Auswahl von Werten finden Sie hier. Die typische Sendeleistung der Handys liegt im D-Netz bei etwa 2 Watt, im E-Netz bei 1 Watt.

Handys liefern diese Leistung in der Regel nur im Moment des Gesprächsaufbaus und bei sehr schlechter Verbindungsqualität. Bei guter Verbindung reduziert das Telefon die Sendeleistung auf Werte bis zu wenigen Milliwatt, um Energie einzusparen. Die Folge: Auch der SAR-Wert sinkt. Schnurlose Telefone für Heim und Garten arbeiten mit deutlich niedrigeren Sendeleistungen als Handys und führen daher auch zu geringeren SAR-Werten.

Spekulation: Nichtthermische Wirkungen

Wissenschaftlich belegt sind nur die thermischen Wirkungen der hochfrequenten Felder des Mobilfunks auf den Organismus. Doch in einer Unmenge von zum Teil pseudowissenschaftlichen Untersuchungen wird über nichtthermische Auswirkungen elektromagnetischer Felder von Handys berichtet. Diese reichen von erhöhtem Krebsrisiko über Schlafstörungen und Kopfschmerzen bis hin zu einem negativen Einfluss auf die Fruchtbarkeit des Menschen.

Das krebsauslösende Potenzial ist theoretisch nicht zu begründen, da hochfrequente elektromagnetische Felder zu schwach sind, um molekulare Bindungen in den menschlichen Zellen aufzubrechen und biologisches Gewebe wie die DNS im Zellkern durch Ionisierung zu schädigen. Auch für die anderen nichtthermischen Effekte existieren keine bestätigenden, unabhängigen Versuchswiederholungen. Nähere Informationen liefert eine im Auftrag des österreichischen Ministeriums für Wissenschaft und Verkehr durchgeführte Studie.

Die einzige gesicherte nichtthermische Wirkung der vom Handy ausgesandten elektromagnetischen Strahlung liegt in der Störung von implantierten elektronischen Körperhilfen. Träger von Herzschrittmachern sollten ihr betriebsbereites Mobiltelefon daher nicht unmittelbar am Oberkörper tragen. Störungen wurden bis zu einem Abstand von maximal 25 Zentimetern zwischen Herzschrittmacher und Handyantenne beobachtet. Felder von Basisstationen hingegen können in den allgemein zugänglichen Bereichen keinesfalls derartige Störungen verursachen.

Probleme treten auch bei der Mobilfunknutzung in Krankenhäusern und Flugzeugen auf. Vereinzelt werden empfindliche medizinische Geräte und die Flugzeugelektronik gestört. Aus diesem Grund ist der Betrieb von Funktelefonen in Flugzeugen und bestimmten Bereichen von Krankenhäusern nicht gestattet.

Fazit

Die Größe der elektromagnetischen Felder in der Umgebung von Mobilfunk-Sendeanlagen wird in der Öffentlichkeit häufig deutlich überschätzt. Alle bisher von der IGU durchgeführten Messungen widerlegen in deutlicher Weise die Vermutung, bei Wohnungen in der unmittelbaren Umgebung von Mobilfunksendern würden hohe Feldstärke-Intensitäten auftreten.

Die gesetzlichen Grenzwerte werden typischerweise um den Faktor 100 bis 1000 unterschritten. Von Sendern des D- und E-Netzes gehen daher keine relevanten Gefahren für die menschliche Gesundheit aus. Weitere Messungen haben ergeben, dass die meist sehr viel weiter entfernten regionalen Sender für Rundfunk- und Fernsehversorgung am Messort häufig vergleichbare oder auch höhere Feldstärken erzeugen als die lokal vorhandenen Mobilfunkstationen.

Etwas anders sieht es hingegen bei Handys aus, deren Felder wegen des kurzen Abstandes zum Körper im Kopf deutlich stärker ausfallen als die Felder der Basisstationen. Ob die elektromagnetische Strahlung von Mobiltelefonen jedoch ursächlich mit Kopfschmerzen, Konzentrationsschwächen oder Sehstörungen zusammenhängt, ist bislang nicht wissenschaftlich zu belegen.

Auch eine kausale Beziehung zwischen Handynutzung und der Häufigkeit von Krebserkrankungen ist (noch) nicht erwiesen. Da Tumore mehrere Jahre zur Entwicklung benötigen, sind langfristige Forschungen notwendig, um die noch offenen Fragen zu klären. Bis dahin bleibt zu wünschen, dass die Elektrosmog-Debatte etwas sachlicher geführt wird. Ein Übermaß an Emotionen hilft bei diesem sensiblen Thema nicht weiter. (jma)

Über den Autor: Matthias Wuschek ist Professor für Nachrichtentechnik an der Fachhochschule Deggendorf und Leiter des Fachgebietes "Umwelttechnik und elektromagnetische Felder" bei der IGU. Zudem ist er für die Regierung von Oberbayern als Sachverständiger für das Gebiet "Elektromagnetische Umweltverträglichkeit (EMVU)" tätig.

Literatur

Bundesrepublik Deutschland: 26. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, Bundesgesetzblatt Jg. 1996, Teil I, Nr.66, Bonn 20.12.1996.

CENELEC (Europäisches Komitee für elektrotechnische Normung): Product Standard to demonstrate the Compliance of Mobile Telephones with the Basic Restrictions Related to Human Exposure to Electromagnetic Fields (300 MHz-3 GHz), prEN50360 (final draft), Brüssel 6/2000.

ICNIRP (International Commission on Non-Ionizing Radiation Protection): Guidelines for Limiting Exposure to Time-Varying Electric, Magnetic and Electromagnetic Fields (up to 300 GHz), Health Physics, Vol. 74, N. 4, April 1998, S. 494-522.

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Wuschek, M.: Bericht über die Messung von Hochfrequenzfeldern in der Nähe einer Mobilfunksendeanlage, IGU, München 1997.

Wuschek, M: Verschiedene Berichte über Feldstärkemessungen in der Umgebung von Mobilfunksendeanlagen, IGU, München 1996-2000.