Einstiegslösung für Voice over IP

05.04.2002
Die fast durchgängig auf Standardkomponenten basierende Voice-over-IP-Lösung von The Box Communications integriert Gatekeeper und Gateway in einem Gerät. Analoge Endgerät lassen sich über einen speziellen Adapter in die Welt der IP-Telefonie einbinden.

Von: Benedikt Lipp, Christoph Lange

Die Telefonie über IP-Netze hat das Stadium des Experimentellen längst verlassen. Am Markt existiert eine Vielzahl von Anbietern, die Lösungen für verschiedenste Einsatzzwecke und Zielgruppen im Portfolio haben. Dementsprechend gibt es auch in der technischen Realisierung große Unterschiede. Generell lassen sich die Hersteller in drei Gruppen einteilen.

Die Anbieter aus der herkömmlichen Telekommunikationswelt versuchen meist ihre Markposition zu sichern, indem sie ihre ausgereiften, oft modularen Anlagen um Komponenten für die Einbindung von IP-Telefonie erweitern. Das zweite Segment hat seine Wurzeln im Datennetz-Sektor. Diese Hersteller sehen in der IP-Telefonie einen zusätzlichen Markt und bieten auf ihren Router-Komponenten Voice-over-IP-Lösungen (VoIP) an. Eine dritte Gruppe oft junger Unternehmen hat sich auf IP-Telefonie als Hauptgeschäftszweck spezialisiert.

Hardwareseitig setzen einige Anbieter auf Standardkomponenten von externen Herstellern, andere verwenden größtenteils eigene Geräte. Auch bei der implementierten Software verfolgen sie unterschiedliche Wege. Im Signalisierungsbereich sind mit H.323 und SIP (Session Initiation Protocol) zwei alternative Protokolle vorhanden, die viele Hersteller jedoch um eigene Protokolle erweitern, um eine größere Auswahl an Dienstmerkmalen zu ermöglichen. Es ist derzeit noch nicht abzusehen, welche Strategien sich durchsetzen werden. Denkbar ist, daß viele Lösungen nebeneinander bestehen bleiben.

Unbestritten ist, dass die Einbindung der Telefonie als Dienst in ein Datennetz entscheidende Vorteile bringt und deshalb sukzessive stattfinden wird. Forciert wird dieser Migrationsprozess, wenn Kunden an speziellen Funktionen wie Call-Center-Lösungen oder Unified Messaging interessiert sind, die sich in herkömmliche Telekommunikationstechnik nur mit hohem Aufwand einbinden lassen.

Um potenziellen Anwendern einen detaillierten Überblick über zur Zeit erhältliche Systeme und Technologien zu geben und die Produktauswahl zu erleichtern, beginnen wir in dieser Ausgabe mit dem Test kleinerer VoIP-Kommunikationssysteme für bis zu 100 Teilnehmer (den Testbericht zum "BCM" von Nortel Networks finden Sie auf Seite 44).

The Box Communications

Die aus der Firma Kamell hervorgegangene The Box Communications GmbH mit Sitz in Petersberg in Deutschland hat sich seit Anfang 2000 auf die Entwicklung von IP-Telefonieanlagen für kleinere und mittlere Unternehmen spezialisiert. Die Technologie von The Box zielt nach eigener Aussage hauptsächlich auf den Einsatz in kontrollierten, gemanagten LAN-Netzwerken.

Der Hersteller setzt dabei auf Standard-Hardwarekomponenten aus der PC-Welt auf. Es sind nur wenige herstellerspezifische Komponenten notwendig. Herzstück der Lösung ist die selbst entwickelte Software und die spezielle Einsteckkarte "Voiceboard". Bei der Einbindung von zusätzlichen Funktionen wie Call-Center-Applikationen, Unified Messaging oder DECT-Funkzellensystemen greift The Box auf Produkte von Technologiepartnern zurück. Die Installation der Anlagen und der First-Level-Support erfolgen über Partnerfirmen. Den weitergehenden Support übernimmt der Hersteller selbst.

"The Box Server"

Kernstück des Systems ist "The Box Server", eine unter Windows 2000 Server laufende Software. Sie kombiniert Voice-over-IP-Gateway, Gatekeeper sowie Amts- und Intern-Anbindung. The Box Server steuert Funktionen wie Verbinden, Weiterleiten, Makeln oder Dreierkonferenz. Flexibel konfigurierbare Filter erlauben es, eingehende Anrufe in Abhängigkeit von Rufnummer, Zeit oder Wochentag unterschiedlich zu behandeln. Die Signalisierung erfolgt über ein von The Box selbst entwickeltes Protokoll. Ab dem zweiten Quartal 2002 soll laut Hersteller eine H.323-konforme Anbindung verfügbar sein.

The Box Server bietet die Möglichkeit, über eine spezielle virtuelle CAPI externe Anwendungen wie Call-Center-, CRM- oder Unified-Messaging-Lösungen direkt über das Datennetz einzubinden. Innerhalb des Servers ist das "The Box Voiceboard", eine PCI-Einsteckkarte mit eigener Rechenleistung, für Echounterdrückung und Sprachkompression sowie für den Anschluss des Analogadapters zuständig. Die amtsseitige Verbindung stellt eine ISDN-Karte mit S0- oder S2M-Interface her. Nach Auskunft des Herstellers muss diese keine besonderen Ansprüche erfüllen. Der "Monitor", eine übersichtliche grafische Oberfläche, dient unter anderem zur Konfiguration und Verwaltung von Serverparametern, Benutzern, Benutzergruppen, Rufnummern sowie des zentralen Adressbuchs.

"The Box Magic"

Zur Einbindung von analogen Telefonapparaten, Faxgeräten sowie DECT-Telefonen hat der Hersteller den Mehrfachanalogadapter The Box Magic entwickelt. Dieses externe Gerät wird an das Voiceboard des Servers angeschlossen. Eine Voiceboard-Karte kann bis zu zwei Analogadapter versorgen. Die analogen Apparate lassen sich in CTI-Kombinationen mit den Software-Telefonen betreiben.

Der Adapter ist in zwei modularen Ausführungen erhältlich. Die größere Variante im 19-Zoll-Format erlaubt den Anschluss von bis zu 32 analogen Endgeräten. Die kleinere Variante hat 16 Anschlüsse und ist nicht für den Rack-Einbau gedacht. An beide Geräte lässt sich eine Türfreisprecheinrichtung anschließen.

"The Box Client"

The Box bietet auch ein Softphone an, den The Box Client. Ein Standard-PC mit Windows-Betriebssystem, Netzwerkanbindung und Soundkarte bildet die Grundlage für den Einsatz des Softphones. Zur akustischen Kopplung lassen sich auch handelsübliche Headsets oder Handsets am USB-Port oder der Soundkarte einsetzen.

Die Oberfläche des Softphones ist klar strukturiert und intuitiv bedienbar. Die Standardansicht zeigt im oberen Bereich ein Display mit Uhrzeit, Gesprächsdaueranzeige und gewählter beziehungsweise rufender Nummer. Darunter befinden sich Kurzwahltasten und Komfortfunktionen sowie Tasten für Abnehmen und Auflegen. Der Nummernblock schließt sich unten an.

Ein zusätzliches Kurzwahltastenfeld mit bis zu 58 Zielen ist nach rechts aufklappbar. Farbige Hinterlegungen geben Auskunft über den Status der über die Tasten erreichbaren Teilnehmer. Die Ansicht des The Box Client lässt sich über eine offene Schnittstelle den Kundenwünschen anpassen.

Auf der CeBIT 2002 stellte The Box ein Java-basiertes Softphone vor, das laut Hersteller kurz vor der Markteinführung steht. Die Java-Implementierung soll betriebssystemunabhängig sein und daher auch unter zum Beispiel Linux oder Mac funktionieren.

"TheBox e-Phone"

Das IP-Systemtelefon e-Phone wird das Portfolio von The Box Communications komplettieren. Laut Hersteller soll das Gerät noch im ersten Halbjahr 2002 verfügbar sein. Es ist im Design an übliche Komforttelefone angelehnt und mit einem schwenkbaren Display sowie Namens- und Funktionstasten ausgestattet. Zusätzlich ist eine menügeführte Bedienung mittels Navigationstasten möglich. Das e-Phone benutzt das Standard-Übertragungsprotokoll H.323 und besitzt einen internen Ethernet-Switch, der einen direkten Anschluss des Arbeitsplatz-PCs zulässt. Für diesen Test stand das e-Phone jedoch noch nicht zur Verfügung.

Verbindungsqualität und -stabilität

Der Einsatz von VoIP-Systemen kann in Bereichen erfolgen, wo keine übermäßige Bandbreite zur Verfügung steht beziehungsweise Paketverluste oder Laufzeitschwankungen auftreten. Auch in derartigen Umgebungen sollten VoIP-Anlagen stabile Sprachverbindungen in ausreichender Qualität unterstützen. Beim Teleworking ist dieser Fall zum Beispiel denkbar, wenn VoIP-Telefone im Home Office oder in einer kleinen Filiale betrieben werden, während das Gateway und andere IP-Telefone am Hauptsitz der Firma stehen.

Für die Kopplung der Standorte wird eine IP-Verbindung für Telefonie mitgenutzt, oft über verschlüsselte VPN-Tunnel, wodurch sich Verbindungskosten und doppelter Infrastrukturausbau einsparen lassen. Wir setzen für dieses Testszenario den WAN-Emulator "Storm" von Shunra ein. Er kann im Labortest ein reales WAN-Verbindungsnetz ersetzen, indem er es emuliert.

Wir stellten die Bandbreite im WAN-Emulator so ein, dass sie ISDN-, DSL- oder Modem-Verbindungen entspricht. Außerdem wurden Paketverluste und Laufzeitverzögerungen sowie -schwankungen realitätsnah definiert. Daraufhin evaluierten wir die Qualität der Verbindung zwischen IP-Telefonen im emulierten Home Office und in der Hauptstelle. Als Qualitätsskala dient dabei der Mean Opinion Score (MOS), eine Bewertungsmethode, die das subjektive menschliche Empfinden der Sprachqualität repräsentiert. Anhand fünf vorgegebener Verständigungsstufen ermöglicht MOS eine qualitative Einordnung der Testverbindungen.

Für diese Tests sollten Software- und Hardware-IP-Telefone zum Einsatz kommen. Da das IP-Telefon e-Phone noch nicht verfügbar war, testeten wir die Interaktion zwischen zwei Softphones und einem analogen Telefon eines von The Box empfohlenen Fremdanbieters am Analogadapter (siehe Abbildung "Testaufbau". Geplant war, alle Testdurchläufe mit unterschiedlichen Komprimierungsverfahren zu variieren. The Box beabsichtigt, außer dem G.711-Codec für unkomprimierte Sprachübertragung auch die komprimierenden Codecs G.726 und GSM einzusetzen. Der Hersteller hat die Entwicklungsarbeiten hier jedoch noch nicht abgeschlossen. Deshalb konnten wir nur die unkomprimierte Telefonie mit G.711 testen.

Ergebnis

Zunächst führten wir einen Referenztest mit unbegrenzter Bandbreite von 10 MBit/s und ohne Verzögerungen oder Paketverluste durch. Wie erwartet kam eine Verbindung umgehend zustande, und die Verständlichkeit war zwischen den Softphones sowie Softphone und Analogtelefon sehr gut.

Anschließend simulierten wir eine Modem- beziehungsweise ISDN-Anbindung mit je einem Prozent Paketverlust, einer Laufzeit von 50 beziehungsweise 30 ms und Laufzeitschwankungen von 20 ms. Der unkomprimierte Codec G.711 beansprucht ungefähr 80 KBit/s Bruttobandbreite inklusive der IP-Paket-Header. Daher ließ sich zwar mit beiden Telefonkombinationen ein Gespräch aufbauen, eine Verständigung war jedoch aufgrund von Aussetzern und Verzögerungen nicht möglich.

In einem weiteren Testfall wählten wir die Parameter einer DSL-Verbindung mit einem Prozent Paketverlust, 50 ms Verzögerung und 20 ms Laufzeitverschiebung. Die Verbindungen zwischen beiden Telefonkombinationen waren von guter Qualität. Minimale Verzögerungen und selten auftretende Aussetzer schränkten die Verständigung nicht ein. Die Verbindung zwischen Soft- und Analogtelefon empfanden wir nicht nur hierbei, sondern in allen Tests etwas besser als die zwischen den Softphones, da das Mikrofon des von The Box empfohlenen Softphone-Headsets anfällig für Umgebungsgeräusche war.

Im letzten Testabschnitt interessierte uns, wie sich die Verbindungsqualität bei zunehmendem Paketverlust ändert. Dies ist ein realitätsnahes Szenario für eine ungesicherte Internetverbindung. Dazu wählten wir eine ausreichende Bandbreite von 128 KBit/s im WAN-Emulator und erhöhten den Paketverlust stufenweise. Die Verständigungsgrenze ermittelten wir bei zwölf Prozent Paketverlust: Der Verbindungsaufbau und eine Verständigung war mit vielen Aussetzern und Verzögerungen gerade noch zwischen Softphone und Analogtelefon möglich, zwischen den Softphones nicht mehr.

Über die Verbindungstests hinaus prüften wir zudem die grundlegenden Funktionen des Systems wie Wahlwiederholung, Rufweiterleitung, Rufumleitung, Makeln oder Konferenz am IP-Softphone. Alle Standard-Features funktionierten einwandfrei. Der Funktionsumfang ist der Größe der Anlage angepasst.

Fazit

Das VoIP-System von The Box Communications stellt trotz geringer Komponentenvielfalt bereits eine einsatzfähige Lösung dar, die speziell für kleinere bis mittlere Unternehmen mit gestiegenen Anforderungen an Telekommunikations-Funktionen ausgelegt ist. Der Ansatz, größtenteils auf Standardkomponenten zurückzugreifen, sowie die anwendergerechten Administrationsmöglichkeiten wie Monitor und Filter bauen Hemmschwellen ab und erlauben eine einfache schrittweise Migration auch in finanzieller Hinsicht.

The Box führt die Entwicklung intensiv weiter. So wird das in Kürze verfügbare Hardwaretelefon das Produktportfolio komplettieren. Auch an den für das Telefonieren über WAN-Verbindungen wichtigen komprimierenden Codecs und weiteren neuen Funktionen arbeitet der Hersteller mit Hochdruck.

Testergebnisse und technische Daten

The Box

Hersteller:

The Box Communications

www.thebox-communications.de

Preis:

The Box Server für 50 Benutzer (inklusive Serverhardware, S2M-Karte und Client-Lizenzen): ca. 8235 Euro

The Box e-Phone: 420 Euro

The Box Magic:

mit 16 a/b-Ports: 1850 Euro

mit 32 a/b-Ports 2980 Euro

(inklusive Voiceboard und 4 beziehungsweise 8 Line Cards)

Technische Daten:

Voice-over-IP-Lösung für kleine bis mittlere Unternehmen

Testergebnisse:

+ Flexible und kostengünstige Gateway/Gatekeeper-Kombination auf Basis von Standardkomponenten

+ Leichte, durch Endanwender durchführbare Systemadministration

+ Intuitiv bedienbares Softphone

- Keine komprimierenden Codecs zum Zeitpunkt des Tests

- Keine Hardware-IP-Telefone verfügbar