Einer ist nicht genug

26.07.2002
Wie die jüngsten Vorfälle um KPNQwest und Worldcom zeigen, liegt derzeit das Problem weniger darin, den richtigen Provider zu finden, als darin, ihn zu behalten. Um ihre Kommunikations-Strukturen abzusichern, sollten Unternehmen deshalb mit mehreren Dienstleistern Verträge abschließen.

Von: Dr. Thomas Hafen

Große Internet-Serviceprovider galten bisher als wirtschaftlich solide. Nach der Pleite von KPNQwest und den Problemen bei Worldcom scheint diese Haltung zumindest fraglich, auch wenn die Analysten von IDC immer noch den größten Anbietern die besten Überlebenschancen voraussagen. Trotzdem muss Größe nicht für alle Nutzer das entscheidende Kriterium sein. Wer nur wenige Standorte in Deutschland anbinden will, braucht keinen Provider, der einen weltweiten Backbone betreibt. Einer oder mehrere lokale Provider, die mit wenigen PoPs (Point of Presence) kostengünstig arbeiten, sind unter Umständen die bessere Wahl. Anders sieht es natürlich bei Großunternehmen mit international verteilten Standorten aus. Hier dürften nur die ganz Großen als Dienstleister infrage kommen. Wichtig ist aber in jedem Fall die Absicherung über redundante Systeme. So unspektaktuläre Kommunikationsmittel wie ISDN-Karten oder gar analoge Modems können im Notfall zumindest eine Verbindung aufrechterhalten. Und so wenig es den alternativen Carriern gefallen wird: Eine Leitung zur Deutschen Telekom sollte immer noch vorhanden sein. Obwohl auch der Ex-Monopolist schwer unter der Krise leidet, gilt seine Existenz als sicher.

Wer trotz oder gerade wegen der Krise einen neuen Provider sucht, hat auch in Zeiten der Konsolidierung die Qual der Wahl. Nur wer so genau wie irgend möglich definiert, wie sein Anforderungsprofil aussieht, hat eine Chance, den richtigen Partner zu finden. Ob dieser die derzeitige Marktbereinigung überlebt, lässt sich im Moment allerdings kaum vorhersagen. Folgende Fragen sollen dabei helfen, den eigenen Bedarf abzuschätzen:

- Wie geschäftskritisch sind Kommunikations-Strukturen für das Unternehmen? Wie lange darf ein Mitarbeiter, eine Abteilung, eine Niederlassung oder eine Website offline sein, bevor es zu erheblichen Einbußen im Kerngeschäft kommt?

- Wie verteilen sich die Kommunikationsflüsse? Kommunizieren Außenstellen mit der Zentrale, oder ist die Kommunikation eher dezentral verteilt?

- Wie mobil sind die Mitarbeiter? Gibt es Heimarbeitsplätze, eine Vertriebsmannschaft mit Notebooks oder eine Lieferflotte? Wie wichtig ist es, dass alle Mitarbeiter ständig erreichbar sind?

- Welche Kommunikations-Strukturen sind bereits vorhanden? Nutzen womöglich verschiedene Abteilungen unterschiedliche Provider? Sind Leitungen über- oder unterdimensioniert? Gibt es einen Verantwortlichen, der sämtliche Kommunikations-Strukturen kennt und koordiniert?

- Welche Rolle spielt (noch) die firmeneigene IT? Welche Rolle soll sie nach dem Outsourcing spielen? Wie hoch sind die Kosten jetzt, welche Kosten fallen nach dem Outsourcing an? Welche versteckten Kosten gibt es?

- Wo sollen die Schnittstellen liegen? Wie sind sie definiert?

- Wie ist die Qualitätssicherung geregelt? Müssen Service Level Agreements in ein ISO-9000ff.-Qualifikationssystem passen? Welche Dokumentationspflichten gibt es im Unternehmen und in welcher Form soll der Provider diesen nachkommen?

- Wie ist die Kommunikation zu Kunden, Partnern und Lieferanten geregelt? Sind Online-Marktplätze und Internetshops integrale Bestandteile von Warenwirtschaft und Absatz? Oder dient die firmeneigene Homepage nur zur Imagepflege?

- Wie wichtig ist Sicherheit? Welche Daten müssen mit höchster Priorität geschützt werden und vor wem?

Ins Netz kommen - und dort bleiben

Während im Backbone Überkapazitäten vorhanden sind, sieht es auf den Zugangsstrecken wesentlich weniger rosig aus. Nur wer in Ballungsgebieten lebt, dürfte "Fiber to the Curb" nutzen können. Bandbreiten bis 155 MBit/s sind allerdings auch nur für die wenigsten Unternehmen wirklich notwendig. Wer einen derart hohen Datendurchsatz hat, sollte sich ohnehin überlegen, ob er seine Infrastruktur nicht in ein Data Center auslagert. Dort erhält er in der Regel nicht nur redundante Anbindungen mit hoher Bandbreite für weniger Geld, die Anlagen sind auch weit besser gegen Ausfälle geschützt.

Weiter verbreitet als Glasfaser dürfte die klassische Datendirektverbindung (DDV) mit 2 MBit/s sein. Zunehmend kommen auch SDSL-Verbindungen (Synchronous Digital Subscriber Line) mit bis zu 2,3 MBit/s zum Einsatz, die wesentlich kostengünstiger zu haben sind. Der Preis allein ist jedoch nicht entscheidend. Allerdings sind auch nicht unbedingt die teuersten Anbieter die besten. So kassieren einige Provider vor allem bei den Volumengebühren kräftig ab, ohne entsprechende Qualität zu liefern.

Ist die erste oder letzte Meile erst einmal überwunden, steht im Backbone bei den meisten Providern genügend Bandbreite zur Verfügung. Dennoch sollte man sich deren Infrastruktur genau ansehen. Fast alle behaupten, einen eigenen Backbone zu besitzen. Sie unterscheiden dabei nicht zwischen selbst vergrabenen Leitungen, per Indefeasible Right of Use (IRU) gekauften Strecken oder Mietleitungen (Leased Lines). Für den Kunden sind diese Unterschiede in den allermeisten Fällen auch unerheblich. Nur wenn wie bei Worldcom oder KPNQwest der eigentliche Besitzer des Netzes ins Trudeln kommt, können bei gemieteten Strecken Probleme auftreten. Wichtiger als die physikalische Besitzfrage dürften aber Flexibilität, Qualität und Redundanz sein. Ein Provider muss sich heutzutage vor allem daran messen lassen, wie schnell er neue Bandbreite zur Verfügung stellen kann und wie unabhängig er von einem einzigen Backbone-Betreiber ist.

Ohne Webpräsenz geht es nicht

Egal ob ein Unternehmen eine Website nur zur Imagepflege nutzt, die Kommunikation mit Geschäftspartnern über das Internet aufrechterhält, einen Webshop betreibt oder geschäftskritische Transaktionen über ein Web-Interface tätigt - nur in den wenigsten Fällen dürfte sich noch ein Inhouse-Betrieb von eigenen Webservern lohnen. Für kleine und mittlere Unternehmen gibt es Komplettpakete mit Domänennamen, Webspace und Vorlagen, auf deren Basis sich schnell eine Firmensite oder ein Webshop aufsetzen lässt. Wer geschäftskritische Websites betreibt, wird sich eher an Spezialisten für Business-Webhosting wenden. Deren Datenzentren sind redundant angebunden, verfügen über Backup- und Restore-Lösungen und werden rund um die Uhr von Technikern überwacht. Für spezifische Erfordernisse bieten diese Provider beispielsweise E-Commerce-Plattformen und passen diese an die spezifischen Anforderungen des Kunden an.

Fazit

Die derzeitige Marktlage macht es ausgesprochen schwierig, die Überlebenschancen von Serviceprovidern abzuschätzen. Unternehmen sollten geplante Wechsel vorerst zurückstellen und darauf achten, dass ihre Kommunikationsstrukturen nicht auf Gedeih und Verderb vom Schicksal eines Anbieters abhängen.