Ein Leben lang lernen

19.05.2000
Der unaufhaltsame Vorstoß der IT-Technik und immer komplexere Systeme treiben den Wissensdruck für Netzwerkmanager weit in die Höhe.

Von: Konrad Buck

Internet, Virtuelle Private Netze, Sprach-/Daten-Integration, aber auch Unified Messaging und E-Mail sind heute in vielen Unternehmen nicht mehr wegzudenken. Was allerdings als Frontend-Anwendung eine neue Funktionsvielfalt und hohen Komfort bringt, sorgt bei den Netzwerkadministratoren in gleicher Weise für einen neuen Bedarf an Know-how und systemübergreifendem Wissen. Hinzu kommen immer größere Anforderungen im Bereich Installation und Konfiguration aktiver Netzwerkkomponenten sowie verschiedener Protokoll-Stacks.

Ein Eldorado für Schulungsanbieter - und zugleich eine enorme Herausforderung. Denn die Aus- und Weiterbildung für die gesamte Kommunikations- und Netzwerktechnik folgt eigenen Gesetzen. Im Unterschied zu anderen Berufsgruppen erreichen EDV-Profis ihre Qualifikation durch Absolvieren verschiedenster Zertifizierungen. Netzcracks, wie zum Beispiel ein "Microsoft Certified Systems Engineer" (MCSE), ein "Certified Novell Engineer" (CNE) oder ein "Cisco Certified Internetwork Expert" (CCIE) und vor allem ein "Nortel Networks Certified Network Architect", genießen weltweit Anerkennung und sind als Supportprofis mit großem Wissen in der gesamten EDV- und Netzwerkbranche anerkannt.

Immer einen Schritt voraus

Die Anbieter entsprechender Schulungen nähern sich diesem Anspruch im Wesentlichen auf zwei Wegen: Zum einen übernehmen sie die Zertifizierungslehrgänge der etablierten Herstellerunternehmen und bilden die entsprechenden Certified Engineers aus. Zum anderen bieten vornehmlich die etablierten großen Anbieter wie Comconsult und Datacom herstellerübergreifende Seminare zu den jeweils gängigen Networking-Themen an.

So bildet die Aachener Comconsult Akademie ihre Kursteilnehmer dazu aus, für den optimalen Betrieb von Netzwerken unter Nutzung aller gegebenen technischen und organisatorischen Möglichkeiten zu sorgen. Auf die Frage, wie schnell man als Akademie auf neue Netzwerktrends reagieren kann, antwortet Geschäftsführer Jürgen Suppan: "Wir sind sehr schnell und bieten immer Veranstaltungen zu brandaktuellen Themen an; und zwar deshalb, weil wir in den Labors der Hersteller ein- und ausgehen und Trends ›aufspüren‹. Dadurch kennen wir technische Neuheiten im Durchschnitt rund drei Monate früher als die Öffentlichkeit."

Für Suppan sind Technik- und Strategieberatung untrennbar miteinander verbunden, weil jede Strategie Techniken für die Umsetzung braucht: "Ein unabhängiger Schulungsanbieter wie die Comconsult Akademie bewertet dabei den Bedarf eines Unternehmens streng herstellerneutral, analysiert die zur Verfügung stehenden Verfahren und Produkte und erklärt deren prinzipielle Arbeitsweise. Er geht nicht auf die Konfiguration von Komponenten ein." Vor allem Kurse für fortgeschrittene Teilnehmer gingen immer mit einer Beratung einher, weshalb sie nur von erfahrenen Referenten abgehalten würden. Schulungsanbieter, die Beratung, Unterricht und Verkauf miteinander kombinieren, werden nach den Worten des Comconsult-Chefs immer betriebsblind sein, weil sie den Verkauf in den Vordergrund stellten. Zumindest würden sie sich nicht wertfrei zu Produkten der Konkurrenz äußern.

Kurse für rund 1 000 Mark

Die Aachener verzeichnen bei ihren Grundlagenkursen Teilnehmerzahlen von durchschnittlich 20 Personen. Bei Spezialseminaren kann die Anzahl bis auf sechs sinken, wenn eine sehr intensive Betreuung der Teilnehmer durch den Referenten erforderlich ist. Normale Kurse zu einem Thema dauern drei Tage, so wie in der Branche üblich. Bei langfristig angelegten Ausbildungen, wie zum Beispiel zum "Comconsult Certified Network Engineer", hängt die Dauer eines Einzelkurses vom Konzept der Gesamtausbildung ab und kann mehrere Monate betragen. Wie die meisten anderen Anbieter im Bereich Netzwerkschulungen verlangt auch Comconsult Preise von rund 1 000 Mark pro Teilnehmer und Tag. Allgemein gilt: je spezieller, desto teurer, je mehr grundlagenorientiert, desto preiswerter.

Die Methoden des Computer- oder Web-based-Trainings hält Suppan derzeit noch nicht für geeignet, um intensive, umfangreiche und tiefgehende Kurse zu ersetzen. Hier seien allenfalls unterstützende Funktionen denkbar. Außerdem forderten Netzprofis eine Schulungsqualität, die einen sehr hohen Erstellungsaufwand benötige, der mit multimedialen Mitteln nach wie vor nicht zu erbringen sei.

Linux im Netzwerk ist Trend

Nahezu auf gleicher Stufe mit Comconsult rangiert die Datacom GmbH aus Königswinter. Für deren geschäftsführenden Gesellschafter Günter Fuhrmeister stammen die wichtigsten Ausbildungsthemen aus den Bereichen TCP/IP, Gigabit-Ethernet, ATM und Corporate Networks. Hinzu kämen die Themen Funk-LANs und Linux im Netzwerk.

Übergänge zwischen Technikschulung und Strategieberatung sind auch für Fuhrmeister kein Problem: "Viele unserer Trainer kommen aus dem Bereich Consulting. Im Übrigen haben wir keine festen Mitarbeiter. Vielmehr sind 70 Prozent unserer Trainer freie Berater, nur 30 Prozent sind Firmenangestellte. Dadurch kann es immer wieder vorkommen, dass Teilnehmer zu Kunden der Trainer werden. Wir haben damit kein Problem, weil wir ein reiner Seminaranbieter sind." Die Kurse bei Datacom besuchen zwischen 7 und 15 Teilnehmer. 80 Prozent der Seminare dauern zwei bis drei Tage, 2-Tages-Schulungen kosten im Schnitt 2 700 Mark, drei Tage 3 500 Mark pro Teilnehmer. Datacom schleust derzeit rund 1 900 Schüler jährlich durch seine Fortbildunsgänge; Comconsult dagegen verbucht pro Jahr etwa 2 300 Teilnehmer.

Neueinsteigern bieten die Königswinterer ihre so genannte "Frühjahrs-", "Sommer-" und "Winterakademie" an: Über fünf Tage unterrichten fünf verschiedene Referenten zu den Bereichen Netzwerkmanagement, Protokolle und Grundlagen. Von den rund 45 Kursen pro Jahr, von denen einzelne mehrmals jährlich angeboten werden, richten sich zirka 25 Prozent an Einsteiger. Allerdings sind die Teilnehmer nach Ansicht von Fuhrmeister immer Angestellte aus der Industrie. In der Online-gestützten Weiterbildung sieht Fuhrmeister große Zukunftschancen für Schulungsanbieter und Anwenderfirmen. So hat sein Unternehmen jüngst den Spezialanbieter Datacom Net GmbH gegründet, der ab September dieses Jahres mit Angeboten im Bereich Web-based-Training ins Netz gehen wird.

Netzbetriebssysteme immer umfangreicher

Für Bernd Breuer, Geschäftsführer der NT+C GmbH aus Siegen, die im Dezember des vergangenen Jahres aus der Deutschen Angestelltenakademie (DAA) als Spezialanbieter von Netzwerkschulungen hervorgegangen ist, sind die wichtigsten Weiterbildungsthemen das Management heterogener Netze und das Netzwerkdesign, beide insbesondere bezogen auf die Bereiche Intra- und Extranet. Ein Trendthema sei außerdem Voice over IP. Breuer betont: "Wir schulen immer mit Bezug zu einem Netzwerkbetriebssystem wie Windows NT oder Netware."

Wie bei allen anderen Anbietern verschwimmt auch bei NT+C die Grenze zwischen Technik- und Strategieberatung immer mehr. Oft geht die Schulung in eine Beratungsdienstleistung über. Breuer kommentiert: "Wenn wir dazu raten, dieses oder jenes Netz aufzubauen, wird der Teilnehmer auch nach der Technik fragen." Trotz der Beratungskomponente bleibt nach Ansicht von Breuer das Schulungsunternehmen unabhängig. Denn: "Wir sind ein autorisierter Schulungspartner von Microsoft und von Novell, kümmern uns aber auch um andere marktrelevante Plattformen."

Gefragt nach der Verteilung zwischen unabhängigen und unternehmensgebundenen Schulungsanbietern, zitiert Breuer Marktstudien von IDC, denen zufolge 30 Prozent der Schulungen vom autorisierten Kanal und 70 Prozent von "freien" Anbietern abgedeckt werden. In diesem Zusammenhang betont Breuer: "Die autorisierten Akademien wissen sehr genau, wovon sie reden, denn die Ausbildungen der Hersteller sind gut." Ihre Schüler würden permanent mit so genannten Support-Enzyklopädien versorgt. In ihnen seien alle Fehler dokumentiert, die bei Hardwarekomponenten auftreten können. Solche Unterlagen stammten direkt aus den US- oder EU-Supportzentren der Hersteller.

Hohe Vorleistungen für Trainingsanbieter

NT+C bildet in Gruppen zu sechs bis maximal acht Teilnehmern aus, ein Kurs dauert im Schnitt fünf Tage und kostet zwischen 3 000 und 3 500 Mark. Die Marktsituation schätzt Breuer als nach wie vor hervorragend ein: "Die Nachfrage ist da, auch langfristig, denn allein die neuen Betriebssysteme werden immer umfangreicher und können nicht im Selbststudium erarbeitet werden." Allerdings müsse ein Trainingsanbieter einiges an Vorleistungen erbringen: hochtechnisierte Schulungsräume mit der neuesten Hard- und Software und gut ausgebildete Trainer. Allein ein Schulungsraum für Betriebssystemthemen mit zwei PCs pro Teilnehmer, einem Netzwerk mit Routern, Hubs und Switches, einer Internet-Anbindung, einem Beamer und einer Präsentationstafel koste rund 180 000 Mark.

Die Siegener wollen mit ihrem Schulungsangebot neben den Netzwerkmanagern auch Einsteiger ansprechen. Breuer sagt: "Aus den Unternehmen kommen überwiegend Profis. Daneben haben wir aber auch immer mehr Teilnehmer aus dem so genannten SGB3-Bereich (SGB3 = Sozialgesetzbuch 3), vorwiegend arbeitslose Akademiker, die mit uns den Einstieg wagen." Gerade seit der jüngsten Green-Card-Diskussion mache das für viele Universitätsabgänger Sinn. Die Umschüler werden in zweimonatigen Kursen darauf vorbereitet, in entsprechende Profikurse zu gehen. Ein anschließender Hauptkurs mit dem Ziel eines Microsoft-Systemingenieurs dauert weitere elf Monate.

Training für Trainer

In eigenen Personalangelegenheiten haben die Erfahrungen von Compu-Shack-Seminarleiter Michael Olbermann gezeigt, dass ein Schulungszentrum nicht ohne fest angestellte Trainer auskommt: "Wer behauptet, er habe ausschließlich mit externen Lehrkräften den gleichen Qualitätsstandard, ist unseriös." Olbermann stellt sicher, dass alle Trainer seines Unternehmens eine fundierte Rhetorikausbildung erhalten. Darüber hinaus bestehe der Lehrkörper aus methodisch und didaktisch geschulten EDV-Experten mit Berufspraxis und dem erforderlichen Gespür für einen transparenten Wissenstransfer. Nicht zuletzt werden alle Trainer des Anbieters aus Neuwied in regelmäßigen Abständen an externen Projekten beteiligt, um Erfahrungen zu sammeln.

Computer-based-Training im Kommen

Oft unterschätzt und doch mit hohen Zuwachsraten ist Computer-based-Training (CBT) nach Auffassung von Olbermann eine interessante Alternative oder Ergänzung zur üblichen Seminarwelt: "Ganz besonders eignet sich CBT im Anwenderbereich von Office-Produkten kleiner und großer Unternehmen." Durch die in moderne CBT-Software integrierte Netzwerkfähigkeit bestehe selbst für große Unternehmen die Möglichkeit, ihre Mitarbeiter direkt am Arbeitsplatz zu schulen.

Die Hamburger Global Knowledge GmbH setzt auf die Vermittlung von Grundkenntnissen der Netzwerktechnik: Konzepte, Verfahren und Standards. Auch in Einsteigerkursen sorgt die Schule dafür, dass die Trainer auf ihre Kursteilnehmer individuell eingehen können. Dabei legt der Anbieter Wert auf erfahrene Ausbilder. Geschäftsführer Torsten Poels erklärt: "Den erforderlichen Know-how-Transfer zwischen Theorie und Praxis stellen wir durch wechselnde Trainings-, Projekt- und Troubleshooting-Einsätze unserer Trainer und Consultants sicher. So sind die Lehrkräfte regelmäßig auch als Coach in einem Unternehmen tätig und begleiten die Schulungskunden bis zu einem Jahr nach den Schulungen in der Praxis."

Neben Standardschulungen sollte ein Anbieter nach Meinung von Poels weitere Dienstleistungen im Programm haben. Dazu gehörten die Vor- und Nachbereitung der Kurse, individuell angepasste Kursinhalte, die Beratung und Qualifizierungsprogramme. Global Knowledge schult vorwiegend in kleinen Gruppen mit durchschnittlich zehn bis zwölf Teilnehmern. Die Kursdauer liegt überwiegend bei drei bis fünf Tagen, bei einem Preis für Highend-Kurse von rund 900 Mark pro Tag. (kpl)