Ratgeber

Ein-Klick-Optimierung – Fluch oder Segen?

19.07.2015 von Michael Rupp
Tools zur Ein-Klick-Optimierung versprechen durch eine Entschlackung des Betriebssystems eine bedeutende Leistungssteigerung. Zudem soll Windows so stets optimal aufgeräumt bleiben.

System-Tools zur automatischen Windows-Optimierung erfreuen sich großer Popularität und sind dennoch umstritten: Die einen preisen die Tweaker als universelles Allheilmittel zur Beseitigung vieler Windows-Wehwehchen, die anderen halten diese Tools für größtenteils nutzlos oder sogar gefährlich, weil sie unkontrolliert Änderungen an der Betriebssystemkonfiguration vornehmen. Zu den populärsten Vertretern zählen AVG PC Tune-up (Nachfolger der Tune-up Utilities), Ashampoo WinOptimizer 2015, Glary Utilities sowie Wise Care 365. Eines für alles lautet die Devise dieser Tool-Pakete. Sie alle versprechen, Windows binnen Minuten schneller, komfortabler und sicherer zu machen – und nebenbei Systemfehler aller Art auszumerzen.

Heilsbringer oder Scharlatane für den Windows-Rechner?

Wer einmal mit Speicherplatzproblemen, Windows-Hängern oder Aussetzern bei Anwendungsprogrammen zu kämpfen hatte, der liebäugelt mit leicht bedienbaren Tools, die Schutz davor verheißen. Sie sollen mit ihren zahlreichen Assistenten und Tuning-Modulen zum Einsatz kommen, wenn Windows immer langsamer wird, die Laufwerke voll sind und allerlei unerwünschte Programme zusammen mit Windows starten. Highlight ist die Schnell-optimierung, wie sie AVG PC Tune-up und Winoptimizer 2015 anbieten: Damit analysieren die Programme die Laufwerksbelegung sowie die bisherigen Systemeinstellungen und beheben die diagnostizierten Probleme in einem Rutsch, ohne dass sich der Anwender um Details kümmern muss. Auf Wunsch lässt sich die Auto-Optimierung sogar intervallgesteuert alle paar Tage ausführen.

Ergänzend gibt es noch eine Live-Optimierung, die im Falle von AVG PC Tune-up „für konstante Priorität von Prozessen zur Leistungsoptimierung“ sorgen soll. Hierfür überwachen Systemmonitore den PC-Zustand und sollen automatisch eingreifen, wenn sich ein wie auch immer gearteter kritischer Zustand anbahnt.

Wo die Stärken und Schwächen der Tuning-Suiten liegen

Bei genauer Betrachtung bestehen die Tuning-Suiten aus einer Vielzahl einzelner Tuning-Module, die über ein Auswahlmenü verknüpft sind. Die Steuerzentrale von AVG PC Tune-up zum Beispiel weist neben dem Dashboard, eine Art Hauptfenster, das selbst rund 15 Schaltfläche besitzt, fünf weitere Registerkarten auf: „Optimieren“, „Bereinigen“, „Probleme beheben“, „Individuell anpassen“ und „Alle Funktionen“ – letztere umfasst sage und schreibe 42 Schaltflächen für Tuning-Module und Einstelldialoge. Trotz ansprechender Menüführung weiß man als Nutzer nicht so recht, wohin man bei all der Auswahl denn klicken soll. Einzeln würde sich wohl kaum ein Anwender so viele Programme auf den PC holen.

Über „Alle Funktionen“ lassen sich die Tuning-Module nach ihrem konkreten Einsatzzweck bedarfsgerecht aufrufen: „Autostartprogramme deaktivieren“, „Festplatte auf Fehler prüfen“, „Defragmentieren“, „Browser bereinigen“, „Windows-Einstellungen verändern“ oder „Defekte Verknüpfungen entfernen“ – hier erfährt man im Klartext, was die jeweilige Funktion bewirkt. Nach einem Klick auf einen der Menüpunkte wird das jeweilige Modul gestartet und in vielen Fällen erscheint ein Assistent, der durch den Vorgang führt. Allerdings lassen sich viele der Aufgaben auch mit Windows-Bordmitteln und Gratis-Tools wie dem bewährten Ccleaner (auf Heft-DVD) erledigen.

Weniger klar strukturiert ist das Dashboard von AVG PC Tune-up: Hier erfährt der Nutzer anhand eines Balkens das von der Software prognostizierte Optimierungspotenzial und startet mit „Jetzt scannen“ die automatische Optimierung. Zudem kann man auch noch im Bereich „Wartung“ und bei „PC-Leistung“ auf „Jetzt scannen“ klicken, bei „Zustand des PCs“ auf „Fehler jetzt beheben“ und den Rechner bei „PC-Modus“ in einen konfigurierbaren Turbo-Modus versetzen – das ist verwirrend.

Systembelastung reduzieren, Gesamtleistung optimieren

In AVG PC Tune-up geht es auf der Registerkarte „Optimieren“ ans Tempo-Tuning: Hier will das Tool die Systembelastung reduzieren und die Leistung optimieren. Das soll unter anderem durch eine Live-Optimierung geschehen, die den Start von Programmen durch eine Höherpriorisierung beschleunigen und die Reaktionsgeschwindigkeit von Anwendungen durch ein Herunterstufen von Hintergrundprozessen steigern soll.

Auf unserem i7-Testrechner mit 8 GB RAM konnten wir unter Windows 8.1 bei abwechselnder Nutzung von Photoshop, Photoshop Elements, Lightroom, Illustrator, Word, Excel, Firefox, Acrobat Reader und Microsofts Video-Tool Hyperlapse keine positive Wirkung durchs Live-Tuning feststellen. Immerhin waren auch keine negativen Auswirkungen spürbar.

Eine weitere Funktion zur Performance-Optimierung ist „PC-Leistung“ im Dashboard: Sie soll maßgeschneiderte Empfehlungen zur Leistungssteigerung geben. Dazu muss man erst festlegen, wie der PC mit dem Internet verbunden ist, und dann, wie wichtig einem visuelle Effekte in Windows sind. Zur Auswahl stehen etwa „Sehr gute Optik bei reduzierter Leistung“, „Maximale Leistung (ohne Rücksicht auf Optik)“ oder „Ausgewogene Mischung aus Leistung und Optik“. Was dann kommt, ist unübersichtlich: Man landet in einem Modul, das anhand der Nutzerauswahl allerlei Optimierungsvorschläge unterbreitet, deren Details über mehrere Registerkarten verteilt sind. So ist man verleitet, aus Bequemlichkeit gleich auf „Alles optimieren“ zu gehen, ohne sich der möglichen Änderungen bewusst zu sein.

So vermeiden Sie Ärger mit Tuning-Suiten für Windows

Trotz aller Versprechungen: Sorgenfreies Windows-Tuning auf Knopfdruck für alle Fälle gibt es nicht. Durch die schiere Masse an Modulen, hübsches Design und oft wohlkingende Menüpunkte suggerieren Tuning-Suiten einen vermeintlich riesigen Nutzen.

Bei der Windows-Optimierung mit Tools sollte man stets sehr genau hinschauen, um sein System nicht kaputt zu reparieren: Nutzen Sie anstelle der automatischen Volloptimierung nur diejenigen Einzelmodule der Suiten, die Sie gerade wirklich benötigen, etwa zum Freigeben von Speicherplatz, dem Aufspüren von Dateiduplikaten oder zum Anpassen von Einstellungen ohne direkte Registry-Änderung.

Ganz wichtig: Prüfen Sie die vorgeschlagenen Reparaturempfehlungen stets kritisch, denn vieles von dem, was als Problemlösung vorgeschlagen wird, ist schlichtweg überflüssig. Wenn Sie nicht sicher sind, welche Auswirkungen ein Optimierungsvorschlag hat, brechen Sie den Vorgang ab. Und: Verzichten Sie auf ein zeitgesteuertes Ausführen von Tuning-Tools im Hintergrund, sondern rufen Sie die Programme immer manuell auf.

Backup-Pflicht: Gute Tuning-Tools bieten eine Option zum Sichern und Wiederherstellen der bisherigen Systemeinstellungen – nutzen Sie sie! Wer auf Nummer sicher gehen will, erstellt zudem eine PC-Vollsicherung.

Ärger vermeiden: Komplett überflüssig sind Tuning-Module, die angeblich die CPU-und Arbeitspeicherauslastung im laufenden Betrieb verbessern – von ihrer Nutzung raten wir ab.

(PC-Welt/ad)