EDI profitiert von XML

25.01.2002
Mit XML lassen sich EDI-Systeme so weiterentwickeln, dass sie nicht nur Daten transportieren, sondern auch Geschäftsprozesse zwischen Unternehmen automatisieren. EDI/XML-Transformationssoftware erleichtert deshalb den effektiven Austausch von Daten und Transaktionen über System- und Unternehmensgrenzen hinweg. Sie verringert darüber hinaus die Implementierungskosten.

Von: Markus Mayer

Mit EDI-Systemen (Electronic Data Interchange) reduzieren Unternehmen die aufwändigen und fehleranfälligen Vorgänge für die Datenerfassung. Medienbrüche in der Kommunikation lassen sich verringern, und der schnellen Reaktion auf Kundenanfragen rund um die Uhr steht nichts im Wege. Zudem gewinnen Transaktionen intern und unternehmensübergreifend an Transparenz. Der Giga Group zufolge wurden 1999 EDI-Transaktionen im Wert von etwas mehr als drei Billionen Euro getätigt; im Jahr 2002 sollen die Umsätze auf 3,9 Billionen ansteigen.

Erstmals zum Einsatz kamen EDI-Anwendungen Ende der 70er-Jahre in der Automobilindustrie. Mittlerweile haben sich weltweit gültige und branchenunabhängige Standards neben nationalen und branchenspezifischen Normen (so genannte Subsets) als "klassische" Form von EDI etabliert. Sie werden von Behörden, Industrie-, Handels- und Dienstleistungsunternehmen eingesetzt.

Zirka 300 000 Unternehmen und Organisationen rund um den Globus setzen auf EDI. Beispiele für die Verbreitung der Technik sind das VDA-Format (Verband der Automobilindustrie) in der Kfz-Herstellung, SWIFT (Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication) im Bankensektor oder SEDAS (Standardregelungen Einheitlicher Datenaustauschsysteme) für den Transfer von Rechnungen zwischen Handel und Industrie in der Konsumgüterwirtschaft.

Zwei EDI-Varianten lassen sich unterscheiden: Ansi X12 (American National Standards Institute) und EDIFACT (Electronic Data Interchange for Administration, Commerce and Transport). Während Ansi X12 als regionaler US-EDI-Standard gilt, hat sich international EDIFACT durchgesetzt - definiert und gepflegt von den Gremien der Vereinten Nationen.

Eine EDIFACT-Geschäftstransaktion kennt zwei Arten von Daten:

- Servicedaten, die vom Inhalt der Geschäftstransaktion unabhängig sind, regeln die Datenübertragung. Sie enthalten beispielsweise Angaben über die Priorität der Transaktion.

- Nutzdaten, die die wesentlichen Inhalte der EDIFACT-Nachricht repräsentieren, zum Beispiel einen Rechnungsbetrag oder die Zahlungsart.

EDI ist keine Allround-Lösung

Vor allem international tätigen Konzernen bietet EDI die Möglichkeit zu Einsparungen. Kleine und mittelständische Unternehmen allerdings schrecken die hohen Implementierungs- und Wartungskosten traditioneller EDI-Anwendungen ab. Das Grundproblem von EDI liegt darin, dass jeder Transfer in einer Punkt-zu-Punkt-Lösung separat definiert und eingerichtet werden muss. Ein weiteres Manko: Der EDI-gestützte Nachrichtenaustausch erfordert Value Added Networks (VAN), die als dedizierte Datenleitungen zwischen den einzelnen Teilnehmern geschaltet werden müssen.

Diese Art von Netzwerk stellt zwar auch das Internet bereit, doch mit HTML allein lässt es sich nicht als kostengünstige Basis für den Datenaustausch nach EDI-Art gebrauchen: Die Seitenbeschreibungssprache kann weder inhaltliche Aspekte erfassen noch Dokumententypen unterscheiden. XML (eXtensible Markup Language) allerdings schafft nun neue Möglichkeiten, weil die Sprache den kompletten Definitionsapparat für "Markup Languages" liefert. Anwender können alle Informationen, die in Textform vorliegen, mit XML erfassen und beschreiben - ob Preise, Verfassernamen, Zeitangaben oder Aktienkurse. Auch die Beschreibung anderer Dateitypen ist möglich. Einzige Voraussetzung ist jeweils eine Document Type Definition (DTD), die das Regelwerk für ein bestimmtes Dokument und seine Verarbeitung liefert. Mithilfe von XML-Tags und DTD sind XML-Transaktionen selbstbeschreibend.

EDI und XML im Vergleich

Als EDI entstand, waren die Bandbreiten beschränkt und teuer. Daher sind EDI-Dokumente stark komprimiert und nutzen Codes zur Repräsentation komplexer Werte. Da einer EDI-Nachricht alle Metadaten fehlen, ist sie schwer zu verstehen. Es kostet Zeit, mögliche Fehler aufzuspüren. Hat ein Unternehmen viele unterschiedliche Geschäftsbeziehungen, machen sich auch die EDI-Grundprobleme deutlich bemerkbar: Jeder Transfer muss separat definiert und eingerichtet werden, und die dedizierten Datenleitungen treiben die Kosten für Transaktionen in die Höhe.

Eine XML-Nachricht dagegen kann nahezu jeder lesen. Die einfache Struktur der Sprache erleichtert es, XML-Anwendungen zu erstellen und zu warten. Die Applikationen sind im Vergleich zu EDI deshalb preiswerter in Betrieb und Wartung.

Allerdings hat auch die Metasprache XML noch ihre Schwächen. Marktbeobachter gehen davon aus, dass gegenwärtig zirka 100 XML-basierte Standards für die Nutzung in 40 verschiedenen Branchen entwickelt werden. Ariba, IBM, Microsoft und 30 andere, namhafte Softwarehersteller haben mit Universal Description, Discovery and Integration (UDDI) ein Web-gestütztes Informationssystem für Internetservices erstellt. Als eine Art Branchenbuch vereinfacht es das Aufspüren und die Ausführung von Webservices - insbesondere im Business-to-Business-Bereich. Das Rosettanet-Konsortium hat einen Standard definiert, um allgemeine Geschäftsaktivitäten in der Elektronikindustrie auf weltweiter Basis zu unterstützen. Erwähnenswert sind auch der von Ariba initiierte Standard Commerce XML (cXML), die von Commerce One stammende Common Business Library (CBL) und schließlich Microsoft Biz Talk.

Von EDI zu XML

Eine große Herausforderung für Unternehmen besteht darin, eine Brücke zwischen EDI und XML zu bauen, indem vorhandene EDI-Nachrichten in XML übersetzt werden. Der erste Schritt der EDI-XML-Evolution besteht in der "Wrapper"-Technik. Dabei wird neuer XMLCode um vorhandenen EDI-Code herum programmiert. Wrapping ist eine schnelle Methode, um alte EDI-Anwendungen auf eine neue Umgebung wie das Internet zu portieren. Sie hat zwar den Vorteil, dass sie die Verarbeitung der Daten durch XML-Tools ermöglicht, beseitigt aber nicht das Problem, dass interne semantische Strukturen abgebildet werden müssen.

Auf der nächsten Evolutionsstufe ist beispielsweise XEDI anzusiedeln, ein Ansatz, den das Unternehmen XML Solutions propagierte, das im Frühjahr 2001 von Vitria Technology übernommen wurde. XEDI kennt lediglich eine Document Type Definition (DTD) für alle Dokumente. Ein "Übersetzer" greift dazu auf ein XML Data Dictionary zurück, das die lesbaren EDI-Metadaten enthält. Diese Dictionaries lassen sich in jeder Sprache anlegen. XEDI umfasst sowohl die Metadaten als auch die zugehörigen EDI-Informationen und die Semantik.

Ein XEDI-Übersetzer sorgt für den Erhalt der Verarbeitungslogik und der Strukturen von EDI-Dokumenten. Damit lassen sich vorhandene EDI-Systeme weiterverwenden. Bei der Konvertierung von EDI in XML nutzt der Translator das EDIFACT-Dictionary und transformiert EDI-Nachrichten in XML-Dokumente. Diese wiederum können direkt an andere Anwendungen weitergeleitet oder in einem Browser angezeigt werden. Auch der umgekehrte Weg, die Umwandlung von XML in EDI, ist möglich.

Unter der Bezeichnung Value Chain Markup Language (VCML) hat Vitria in der Zwischenzeit XEDI weiterentwickelt. VCML unterstützt 329 Basis-Transaktionen, Transformation-Maps für mehr als 4100 in EDI-Dokumenten verwendete Formate mit etwa 100 000 Datenelementen. Nach Ansicht der Giga Information Group hat Vitria damit Aussichten, von ANSI X12 und UN/EDIFACT als Standard-XML-Infrastruktur bei der Migration "alter" EDI-Formate in die Internetwelt anerkannt zu werden. (jo)

Zur Person

Markus Mayer

ist Pre-Sales-Consultant bei Vitria Technology.