Eclipse: Highend-Grafik am PC

06.09.2000 von Gert  Schmidt
Derzeit beherrscht Adobes Photoshop den Bereich der Highend-Bildbearbeitung auf Mac und PC. Nun kommt Konkurrenz: Eclipse 3.1.4 bietet ungewöhnliche Ideen - und ist für die meisten Anwender kostenlos.

In Verlagen und Grafikstudios hat sich Adobes Photoshop flächendeckend durchgesetzt. Als Alternative ist jetzt das Programm Eclipse 3.4.1 des deutschen Herstellers Form & Vision erhältlich. Diese hochwertige Bildbearbeitung bietet einige recht ungewöhnliche Ansätze.

Bisher lief Eclipse nur auf teuren Silicon-Graphics-Rechnern und kostete 20.000 Mark. Jetzt gibt es erstmals eine Version für Windows 98 und NT, die mit 2.949 Mark in der Liste steht. Eine Mac-Fassung soll nach Erscheinen des Mac-Systems 10, das voraussichtlich im Frühjahr nächsten Jahres kommt, zur Verfügung stehen.

Bemerkenswert ist das Konzept von Form & Vision in Bezug auf die Trial-Version. Sie lässt sich 30 Tage uneingeschränkt benutzen. Danach ermöglicht das Programm weiterhin Bilder bis zu einer Größe von 1600x1600 Pixel zu bearbeiten - eine Grenze, die für viele Zwecke wie zum Beispiel für das Webdesign oder kleinere Druckvorlagen ausreicht.

Quickinfo

Produkt

Eclipse 3.1.4

Hersteller

Form & Vision

Betriebssysteme

SGI Irix 6.5 oder Win 98, Win NT

Hardware

mind. 64 MByte Arbeitsspeicher, 100 MByte Festplatte

Preis

2.949 Mark

Trial-Version

Download

Downloadgröße

9,6 MByte

Speicherverwaltung

Photoshop und Eclipse unterscheiden sich grundlegend im Datenhandling und der dazugehörigen Speicherverwendung. Photoshop holt sich bei der Bearbeitung von großen Grafiken die erforderlichen Daten direkt aus dem Hauptspeicher. Dieses Verfahren erfordert im Profi-Bereich schnell einige Hundert Megabyte an RAM. Je größer die Dateien sind, desto mehr Arbeitsspeicher wird nötig. Stehen diese nicht zur Verfügung, muss Adobes Photoshop Daten auf die Festplatte auslagern - und damit sinkt die Geschwindigkeit dramatisch.

Anders als etwa Photoshop holt sich Eclipse nicht das gesamte geöffnete Bild in den Arbeitsspeicher. Stattdessen öffnet Eclipse nur diejenige Bildpartie, die tatsächlich auf dem Monitor erscheint. Das Programm verbraucht so nur einen Bruchteil der Speichermenge. Beim Zoomen oder bei einer Änderung des Bildausschnitts lädt das Programm die erforderlichen Informationen nach. Während Photoshop für die Drehung eines 700-Megabyte-Bildes Minuten beansprucht, rotiert die Vorlage bei Eclipse in wenigen Sekunden. Allerdings muss man sich beim abschließenden Speichern gedulden: Erst jetzt werden alle Änderungen auf den Originaldaten durchgeführt. Dieses Verfahren verwenden bis jetzt nur wenige Programme, darunter PhotoDraw 2000 und Picture It! 2000 von Microsoft.

Besonderheiten bei Montagen

Wer Photoshop oder Corel PhotoPaint gewohnt ist, muss sich bei Eclipse gehörig umstellen. Dies gilt beispielsweise für die Montagetechnik. Eclipse funktioniert eher nach der Art eines Layout-Programms wie Quark XPress: Zunächst zieht man einen Rahmen auf, einen so genannten ShapeLayer.

Dieser Rahmen lässt sich im nächsten Schritt mit Farbe, Verlauf oder mit einem Bild füllen. Er fungiert quasi wie ein Montageobjekt oder eine Ebene. Über Kurven-Werkzeuge formt man den Rahmen beliebig um, außerhalb wird das eingefügte Motiv unterdrückt. So zeigt Eclipse beliebige Teile einer Ebene an oder verbirgt sie. Nach Bedarf stellt man wieder das Gesamtmotiv dar.

Gelungen ist zudem der weiche Rand für die Rahmen-Objekte: Objektkanten lassen sich absoften; dabei erlaubt das Programm eine feine Steuerung der Kantenschärfe. Eclipse rechnet auf Wunsch sogar eine Kornstruktur in den Übergang, nach Belieben kehrt man wieder zu harten Kanten zurück. Vergleichbare Bildergebnisse erzeugt Photoshop nur mit Ebenenmasken oder Maskierungsgruppen - und verlangt dabei deutlich mehr Aufwand als Eclipse.

Mehrere Rahmen in einer Montage lassen sich dauerhaft verschmelzen oder gruppieren, sodass man sie gemeinsam verändern und wieder trennen kann. Zudem bietet Eclipse für seine Objekte Überblend-Verfahren wie "Aufhellen" oder "Nur Farbe". Bei Photoshop finden sich im Gegensatz dazu andere nützliche Misch-Modi, etwa "Differenz" oder "Hartes Licht". Einen fertigen Rahmen kann man dauerhaft mit dem Hintergrund verschmelzen. Allerdings vermisst man eine Art "Ebenenpalette", die sämtliche schwebenden Objekte als Miniaturübersicht darstellt.

Seinen professionellen Anspruch stellt Eclipse unter anderem mit den Möglichkeiten für Skalierung und Positionierung eines Objekts unter Beweis: Größe und Position eines Objekts lassen sich nicht nur durch Ziehen mit der Maus verändern, sondern zusätzlich durch präzise Zahleneingabe im Dialogfeld "ShapeLayer Geometry".

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Text und 3D-Effekte

Textobjekte legt Eclipse ebenfalls in Rahmen-Technik an. Die Schriftkonturen füllt man wie üblich mit Farben oder Bildern. Innerhalb eines Objekts ist jedoch, anders als bei Photoshop, nur eine Text-Formatierung möglich. Den Schatten erzeugt Eclipse für beliebige Rahmen zunächst als Unter-Objekt; er ist abschaltbar und jederzeit korrigierbar. Für spezielle Verzerrungen trennt man den Schatten komplett vom Hauptobjekt.

Die 3D-Funktion rechnet attraktive gewölbte Kanten an beliebige Objekte, die Wirkung lässt sich jederzeit verändern. Sogar eine geriffelte Kantenstruktur ist möglich. Ebenso bietet Eclipse für die Beleuchtung feine Regelmöglichkeiten.

Anders als Photoshop 5.5 enthält Eclipse eine ausgefeilte Warping-Funktion: Das Programm legt ein beliebig feines Gitternetz über ein Rahmenobjekt, das man anschließend nach Geschmack verbiegen und an räumlich verzerrte Hintergründe anpassen kann. Ähnliches bieten zwar auch PhotoPaint und PhotoImpact, doch diese Programme erlauben die Korrekturen nur innerhalb eines zu kleinen Vorschaufensters.

Der neue Photoshop 6 bietet Warping nur über einen Goo-Pinsel, nicht aber per Gitternetz. Als einziges Programm ist Eclipse überdies in der Lage, die Warping-Zonen auszuleuchten und so zusätzliche Stimmung zu erzeugen.

Retusche-Werkzeuge und Oberfläche

Eclipse erlaubt ausgefeilte Kontrastkorrekturen, unterstützt aber nicht das ICC-Farbmanagement. Vielseitige Pinselwerkzeuge malen nicht nur Tonwertkorrekturen auf, sondern tuschen auch frühere Bildversionen oder strahlende Lichtquellen ins Foto. Effektfilter fehlen jedoch fast völlig, und übliche Plug-in-Filter von Drittherstellern lassen sich mit Eclipse nicht verwenden.

Weitere Mankos im Schnelldurchlauf: Eclipse bietet keinerlei Unterstützung für Webdesigner. An Windows-Standards haben sich die Programmierer auch nicht gehalten. Die Windows-Zwischenablage wird nicht unterstützt. Im Datei-Menü vermisst man eine Liste der zuletzt geöffneten Bilder. Dateien lassen sich auch nicht per Drag&Drop aus dem Explorer in die Programmfläche ziehen. Pro Eclipse-Fenster lässt sich nur ein Bild öffnen, jedoch kann man unkompliziert mehrere Programmfenster mit unterschiedlichen Dateien starten.

Praktisch: Mit der rechten Maustaste wechselt man zur Verschiebe-Hand, um einen anderen Bildausschnitt in die Monitormitte zu rücken. Empfehlenswert wegen der komplexen Bedienung ist deshalb eine Dreitastenmaus, die unter SGI-Rechnern längst Standard ist.

Fazit

Gründliche Einarbeitung ist bei diesem ungewöhnlichen und anspruchsvollen Programm Voraussetzung. Immerhin liefert der Hersteller Übungen für Einsteiger mit - Programm und Handbuch gibt es allerdings derzeit nur in Englisch. Dass Eclipse keine Photoshop-Montagen mit Ebenen öffnen kann, ist jedoch ein grober Mangel angesichts der angepeilten Zielgruppe aus dem Profi-Bereich.

Eclipse ist insgesamt sehr spezialisiert: Bei großen Dateien und bei Montagen zeigt sich das Programm hoch leistungsfähig; die eigentümliche Oberfläche und die karge Filter-Ausstattung verlangen allerdings nach Aufbesserung. Ein wirkliches Bonbon jedoch ist die angebotene Trial-Version. Wer mit einer längeren Einarbeitungszeit in dieses komplexe Bildbearbeitungsprogramm leben kann, sollte sich die kostenlose Testversion unbedingt installieren. (sda)