Am Beispiel der eRechnung

E-DOCS: Leitlinien für den standardisierten Austausch von elektronischen Dokumenten

03.12.2013 von Dr. Steffen Bernius
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) hat den Förderschwerpunkt "Mittelstand-Digital - IKT-Anwendungen in der Wirtschaft" ins Leben gerufen. Dazu gehört auch das Projekt E-DOCS das Empfehlungen zum elektronischen Rechnungsaustausch beinhaltet.

Ein Projekt der eStandards-Initiative trägt den Namen "E-DOCS - Qualifizierter elektronischer Dokumentenaustausch zwischen Unternehmen und KMU sowie mit der öffentlichen Verwaltung am Beispiel Rechnungen".

eRechnung: Kostensenkung durch standardisierten digitalen
Foto: E-Docs-Standard

Gestartet im April 2012, hat sich dieses Konsortialvorhaben unter Federführung der Goethe-Universität Frankfurt und der IT-Beratung Bonpago zum Ziel gesetzt, Handlungsempfehlungen für die Umsetzung des elektronischen Rechnungsaustauschs (auch als EInvoicing oder eRechnung bezeichnet) bei KMU und öffentlicher Verwaltung zu erarbeiten, die richtigen prozessorientierten Standards zu identifizieren und Lösungen für deren Umsetzung zu entwickeln. In einem zweiten Schritt werden diese auf Basis von Prototypen bei den am Projekt beteiligten KMU und dem ebenfalls als Partner auftretenden Land Hessen evaluiert.

Mit dem übergeordneten Anspruch, den papierlosen Dokumentenaustausch voranzutreiben, wurde die Rechnung als Untersuchungsgegenstand gewählt, weil sie das wichtigste Dokument in Geschäftsbeziehungen ist. Prozesse im Zusammenhang mit dem Austausch und der Weiterverarbeitung einer Rechnung bergen gerade bei KMU und öffentlicher Verwaltung enormes Optimierungspotenzial.

Vorteile der eRechnung und Herausforderungen der Umsetzung

Auch lange Jahre, nachdem vernetzte Computer nicht nur in Unternehmen, sondern auch im Privatleben breit genutzt werden, werden etwa neun von zehn Rechnungen ausgedruckt, kuvertiert und auf dem herkömmlichen Postweg versendet. Auf der Empfängerseite werden die Rechnungsdaten in der Regel manuell erfasst und im dortigen Back-End-System weiterverarbeitet. Diese Papierinfrastruktur ist im Vergleich zum elektronischen Rechnungsaustausch teuer - innerhalb der EU wird das Einsparpotenzial durch E-Invoicing auf 243 Milliarden Euro geschätzt.

Zielbaum: Die Anforderungen an eine Lösung.
Foto: E-Docs-Standard

Diese Vorteile ergeben sich u. a. aus effizienteren Prozessen, gesteigerter Transparenz und besserer Datenqualität. Zusätzlich tragen elektronische Rechnungen durch Einsparung von Ressourcen und Senkung des CO2- Verbrauchs auch zur ökologischen Nachhaltigkeit bei. Auf Seiten der öffentlichen Verwaltung fördert E-Invoicing außerdem den Bürokratieabbau.

Diese Vorteile sind bekannt, doch einer weiten Verbreitung der eRechnung stehen auch verschiedene hemmende Faktoren gegenüber:

• Als wichtiger hemmender Faktor stellt sich die sog. "technological readiness" heraus. So führt z. B. die hohe Fragmentierung von Softwarelösungen und Prozessen zu einer nur schwer beherrschbaren Komplexität, welche dann mit der (kostenintensiven) Herstellung von externer und interner Kompatibilität von Systemen einhergehen muss.

• Ein zweiter simpler, aber bedeutender Hinderungsgrund der Verbreitung der eRechnung ist - gerade bei kleinen Unternehmen - schlicht mangelndes Wissen über Prozesse, Technologien sowie über E-Invoicing im Allgemeinen. Es bedarf hier offensichtlich zum einen der Aufklärung von Entscheidungsträgern, zum anderen müssen die Nutzer im Umgang mit der neuen Technologie geschult werden. Die Akzeptanz bei den Mitarbeitern ist umso niedriger, je höher die Versäumnisse bei der Einarbeitung sind.

• Schließlich scheitert die Umsetzung von E-Invoicing oftmals auch an Unsicherheiten bezüglich nationaler und internationaler Gesetzgebung und natürlich aufgrund fehlender breit akzeptierter Standards. Auf Basis der aktuellen gesetzlichen und technologischen Entwicklungen bestehen der Kern und die Herausforderung von E-DOCS darin, unter der Vielzahl von Lösungsalternativen zum elektronischen Rechnungsaustausch den richtigen Ansatz aus Kosten- und Nachhaltigkeitsaspekten für KMU auszuwählen und mit den beteiligten Projektpartnern zu evaluieren. Die Schwierigkeit ergibt sich dabei durch die große Zahl an unterschiedlichen Lösungsansätzen, welche in den verschiedenen Kombinationsmöglichkeiten zwischen den drei Hauptstandardisierungsebenen Datenformat (z. B. Bilddatei, PDF, PDF + Rechnungskopfdaten, PDF + Kopf- und Positionsdaten), Übertragungsweg (EMail, DE-Mail, https, Webportal) sowie Prozessausgestaltung begründet liegen.

Inklusive der herkömmlichen Papierlösung und des Einsatzes der bei Großunternehmen verbreiteten EDI-Lösung lassen sich insgesamt 14 sinnvoll abgrenzbare Alternativen identifizieren, deren Nutzwerte für KMU und öffentliche Verwaltung im Rahmen des Projekts in einer umfangreichen Analyse ermittelt wurden (die Studie steht auf der Projekthomepage www.e-docs-standards.de zum Download zur Verfügung).

Mittelstand digital

Das Forschungsvorhaben E-DOCS ist Teil der Initiative eStandards des Förderschwerpunkts "Mittelstand-Digital- IKT-Anwendungen in der Wirtschaft". Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) unterstützt mit dem Förderschwerpunkt Unternehmen beim effizienten Einsatz von modernen Informations und Kommunikationstechnologien (IKT) und stärkt damit ihre Wettbewerbsfähigkeit. Mittelstand-Digital setzt sich zusammen aus den Förderinitiativen "eKompetenz-Netzwerk für Unternehmen" mit 38 eBusiness-Lotsen, "eStandards: Geschäftsprozesse standardisieren, Erfolg sichern" mit derzeit 11 Förderprojekten und "Einfach

intuitiv - Usability für den Mittelstand" mit zurzeit 10 Projekten. Weitere Informationen unter www.mittelstand-digital.de.

Welche Anforderungen muss eine Lösung erfüllen?

Umfragen bei Experten sowohl auf Entscheider- als auch auf Sachbearbeiter-Ebene haben gezeigt, dass sich die mit der Einführung einer E-Invoicing-Lösung einhergehenden Ziele in fünf Kriterien zusammenfassen lassen:

• Effizienz: Die Umstellung auf elektronische Rechnungen senkt im Allgemeinen zunächst einmal die Prozesskosten. Das Kostensenkungspotenzial ergibt sich hierbei u. a. durch Vermeidung von Medienbrüchen, schnellerem Transport, Einsparungen bei Erstellung und Vervielfältigung von Rechnungen und geringere Fehler- und Reklamationsraten. Während bei papierbasierten Prozessen das Zahlungsziel regelmäßig verfehlt wird, führt die geringere Prozessdauer bei eRechnungen zu Liquiditätssteigerungen beim Sender und zur Realisierung von Skontoerlösen beim Empfänger. Eine Lösung ist umso effizienter, je mehr sie dazu beiträgt, diese Potenziale zu heben.

• Einfachheit: Gerade kleinere Unternehmen - von denen über drei Millionen in Deutschland existieren - fürchten den Umsetzungsaufwand und verfügen, wie oben angedeutet, oftmals nicht über die nötigen technologischen oder prozessoralen Kenntnisse, um komplexe Umstellungen vorzunehmen. Sie sind daher auf einfache Lösungen angewiesen. Hierbei stellt eine passende Technologie eine minimale technologische Komplexität sicher, während die Verwendung passender Standards eine größtmögliche Kompatibilität intern (Kompatibilität einer möglichen Lösung mit anderen verwendeten Systemen, z. B. ERP-Systemen innerhalb der Organisation) sowie extern (Kompatibilität mit den Systemen der Geschäftspartner etc.) bietet.

• Effektivität: Drittens muss ein Verfahren des elektronischen Rechnungsaustauschs effektiv im Hinblick auf Sicherheits-, Konformitäts- und Qualitätsaspekte sein. So müssen Authentizität und Integrität einer Rechnung gewährleistet werden, nationales und europäisches Recht beachtet werden sowie eine möglichst hohe Prozessqualität (bspw. in Bezug auf Nachverfolgbarkeit, Transparenz) und Datenqualität (Minimierung von Fehlern auf der Rechnung selbst und bei der Dateneingabe) erzielt werden.

• Nachhaltigkeit: Neben der ökologischen Nachhaltigkeit durch Einsparung von Ressourcen und Optimierung des CO2-Fußabdrucks ist in diesem Zusammenhang auch die ökonomische Zukunftsfähigkeit relevant: So sollten eventuelle Netzeffekte beachtet und Fehlinvestitionen ("sunk costs") vermieden werden. Im Rahmen des Zahlungsverkehrs gilt es hier bspw., die Neuregelungen für den europaweiten Zahlungsverkehr (SEPA) zu berücksichtigen. Hierdurch werden Unternehmen und Verbraucher ab 2014 unter Verwendung einheitlicher Zahlungsinstrumente von einem einzigen Bankkonto aus bargeldlose Euro-Zahlungen an Empfänger in allen 27 EU-Mitgliedstaaten sowie in Island, Liechtenstein, Monaco, Norwegen und der Schweiz tätigen können. Die Umstellung gestaltet sich insbesondere bei KMU schwierig, da langjährig etablierte Prozesse sowie Stammdaten angepasst werden müssen.

• Akzeptanz: Schließlich ist eine Umsetzung nur dann erfolgreich, wenn alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen eine neue Lösung akzeptieren und diese auch von der Unternehmens- bzw. Verwaltungsleitung gefördert und gefordert wird. Die Akzeptanz korreliert hierbei naturgemäß stark mit den anderen vier beschriebenen Kriterien.

Der Weg zur Umsetzung

Als Variante mit dem größten Nutzwert hat sich in der Analyse der E-Mail-Empfang von Rechnungen im Sichtformat plus Datensatz herauskristallisiert. Dies ist u. a. begründet durch enorme Kostenvorteile (Wegfall von Porto, Zeitersparnis durch Fehlerreduktion) und niedrige technologische Hürden auf Versenderseite sowie die Möglichkeit einer effektiven Einbindung in einen elektronischen Workflow auf Empfängerseite. Das bloße Überwinden des papierbasierten Rechnungsaustauschs ist hierbei nur ein erster Migrationsschritt. Das weitaus größere Potenzial lässt sich bei den Prozessen der Rechnungsbearbeitung heben, d. h. durch optimierte Prüfung, Freigabe, Zahlung und Archivierung. Eingehende Rechnungen können nur dann sinnvoll elektronisch weiterverarbeitet werden, wenn sie eine Datendatei enthalten.

Ein für die Zukunft wichtiger, auf der CeBIT 2013 vorgestellter Datenstandard wird in diesem Zusammenhang vom Forum elektronische Rechnung Deutschland (FeRD) entwickelt. Dieses einheitliche Rechnungsformat trägt den Namen ZUGFeRD und wird von der Industrie, dem Handel, der öffentlichen Hand und diversen wichtigen Verbänden mitgetragen - eine unabdingbare Voraussetzung, will man nicht "just another standard" generieren.

Formate und Übertragungswege: Die wichtigsten Varianten des elektronischen Rechnungsaustauschs.
Foto: E-Docs-Standard

Die im Rahmen von E-DOCS erarbeiteten Handlungsempfehlungen für KMU und öffentliche Verwaltung werden derzeit in verschiedenen Pilotierungsprojekten (mit der Fa. ROTHENBERGER, dem Land Hessen, dem THW und dem Bundesverwaltungsamt) umgesetzt und evaluiert. Dabei kommt auch die mit dem Projektpartner TASK eDoc Services basierend auf den Forschungsergebnissen entwickelte INEX-Lösung zum Einsatz. Diese Software hat ein wichtiges Alleinstellungsmerkmal: Die Konvertierung einer Rechnung in das gewünschte Format (bspw. PDF-Bilddatei plus ZUGFeRD-Datensatz) kann direkt beim Empfänger erfolgen.

Die Sender müssen nur eine E-Mail mit einer einfach direkt aus einer typischen Office-Anwendung heraus generierten Rechnung schicken. Auf diese Weise wird es auch kleinen Unternehmen einfach und kostengünstig ermöglicht, am elektronischen Rechnungsaustausch teilzunehmen (für technische Spezifikationen und eine detaillierte Funktionsdarstellung siehe www.task-edoc.de). (mje)