Dünne Clients, fette Leistung

19.04.2002
Die Thin Clients von Wyse sind so einfach zu bedienen, dass sie den Anwender glauben lassen, er arbeite am eigenen PC. Nur die Managementsoftware ist etwas umständlich.

Von: Dirk Pelzer

Wichtig für den täglichen Einsatz von Terminals ist nicht nur die Einfachheit ihrer Konfiguration. Was Administratoren brauchen, ist die Möglichkeit einer umfassenden Fernwartung, die zum Beispiel das Einspielen einer neuen Firmware-Version erlaubt. Eine Wake-on-LAN-Funktion lässt den Systemverwalter erforderliche Systemkorrekturen nach einem Terminplan während der Nacht oder am Wochenende durchführen. Der Administrator sollte dabei alle Aktivitäten von einer zentralen Konsole aus steuern und kontrollieren können. Und noch ein Kriterium für die Kostenrechnung: Geräte, die keine bewegten Teile wie Lüfter oder Festplatten enthalten, haben eine längere Lebensdauer.

Die Firma Wyse Technology hat als einer der Veteranen im Terminalgeschäft eine ganze Reihe von Produkten im Portfolio, die alle genannten Eigenschaften erfüllen.

Das zur CeBIT 2002 vorgestellte Gerät "Winterm 5440XL" ist dabei das erste Terminal des Herstellers, das auf der Embedded-Linux-Distribution basiert. Beigesteuert wurde das Betriebssystem vom Nürnberger Linux-Anbieter Suse Linux AG; es beruht auf der Version 7 des Distributors mit dem Linux-Kernel der Version 2.4.1. Das Terminal arbeitet mit einem AMD-K6-Prozessor und ist mit 400 MHz getaktet. Den Kernel beherbergt ein 32 MByte großer Flash-Speicher, der auf maximal 288 MByte hochrüstbar ist. Für die Programmausführung stehen 64 bis maximal 256 MByte Hauptspeicher zur Verfügung.

Die Bildschirmdarstellung erfolgt dabei mit einer Auflösung von bis zu 1600 mal 1200 Pixeln. Beim Start bootet das 5440XL mit einer grafischen X11R6-gestützten Oberfläche, von der aus alle weiteren Aktivitäten gesteuert werden. Die Konfiguration des Terminals erfolgt über einen integrierten Browser von Netscape.

Nach der Eingabe des Root-Kennworts erhält der Systemverwalter Zugriff auf die Konfigurationsmenüs. Auf diese Weise ist sichergestellt, dass nur autorisierte Personen Modifikationen an der Konfiguration durchführen können. Über die Benutzeroberfläche stellt er ein, welche Verbindungen auf dem Terminal zur Verfügung stehen sollen. Dazu ist die Eingabe vieler Parameter erforderlich. Neben den für Windows-Umgebungen wichtigen Terminal-Protokollen "ICA 6" von Citrix und "RDP 5" von Microsoft stehen Terminalemulationen wie zum Beispiel "TN3270" oder "TN5250" zur Verfügung. Außerdem ist ein X-Terminal eingebaut, das den Zugriff auf Unix- beziehungsweise Linux-Systeme gestattet.

Weil Winterm 5440XL mit "Netscape Navigator 4.77" einen Browser mit Plugins für Javascript, XML, Java Virtual Machine, PDF Viewer und ICA Nfuse enthält, eignet sich das Gerät als Client für Internet-Applikationen. Zum Paket gehören gängige Linux-Dienste, die die Funktion des Terminals aufwerten; darunter Clients für NFS und Samba, sowie die Druckerunterstützung für LPR/LPD, Ghostscript und Samba. Die Samba-Druckertreiber passen jedoch nur für HP-Geräte der Deskjet- und Laserjet-Serie. Ein "Kiosk-Mode" des Browsers dient für den Internetzugang an einem öffentlichen Terminal in Bahnhöfen der Flughäfen.

Hinsichtlich der Erweiterbarkeit hat das kompakte und gerade mal 24 Zentimeter hohe Gerät einiges zu bieten. So lässt es sich beispielsweise mit einer Teles- oder Fritz-Karte um einen ISDN-Anschluss erweitern. Damit eignet es sich für den Einsatz in Außenstellen oder im Home Office. Auf Wunsch nimmt das XL5440XL-Terminal außerdem eine 6-GByte-Festplatte, ein Floppylaufwerk, ein CD-ROM und ein 56K-Modem auf und lässt sich so zu einem vollwertigen PC aufrüsten.

Rein äußerlich gesehen ist der schon seit längerem verfügbare Bruder "Winterm 8440XL" fast nicht von 5440XL zu unterscheiden. Anders als beim Neuling vertraut Wyse bei 8440XL auf Embedded NT von Microsoft. Das Betriebssystem ist standardmäßig in einem Flash-Speicher der Größe 48 MByte untergebracht. Bei Bedarf lässt sich dieser auf bis zu 144 MByte erweitern. Für die Ausführung von Programmen stehen mindestens 64 MByte RAM bereit, die der Systemverwalter auf 256 MByte ausbauen kann. Für ein zügiges Arbeiten mit dem Terminal steht wie bei 5440XL eine AMD-K6-CPU zur Verfügung, die mit 400 MHz arbeitet. Die Hardware der beiden Geräte ist also völlig identisch.

Unterschiede ergeben sich im Bereich der Softwareausstattung des 8440XL-Terminals. Bei der Internetkommunikation kommt der Internet Explorer in der Version 5.5 zum Einsatz. Dieser unterstützt neben Javascript, XML und der Java Virtual Machine auch Active-X und nimmt bei Bedarf weitere Plugins auf. Was die Terminalemulationen anbelangt, sind die Ausstattungslisten der Kandidaten wiederum weitgehend gleich. So findet man hier die Unterstützung für RDP 5 und ICA 6 sowie eine Vielzahl weiterer Standards.

Umfangreiche Administrationstools

Eine pflegeleichte Verwaltung der Terminals ist aus Kostengründen oberstes Gebot. Wyse hat dazu eine ganze Reihe an Werkzeugen parat. Eine "Remote Shadowing" genannte Funktion, die das Freeware-Tool "Virtual Network Console" (VNC) nutzt, erlaubt es dem Systemverwalter, Bildschirm, Maus und Tastatur eines Terminals aus der Ferne zu bedienen. Bei Problemen kann er damit einem Benutzer von seinem Büro aus helfen und schnell Änderungen an der Systemkonfiguration des Terminals durchführen. Eingebettet ist die Remote-Shadowing-Funktion in das Management-Tool "Rapport". Dieses Werkzeug setzt Wyse seit der Übernahme der Firma Netier als Verwaltungs-Tool für die Thin Clients der Serien 1000, 3000, 5000 und 8000 ein.

Neben Remote Shadowing verfügt Rapport natürlich über eine ganze Reihe nützlicher Funktionen, die den Umgang mit den Geräten des Herstellers erleichtern. Die Software zeigt dem Systemadministrator an, mit welchen Netzwerkeinstellungen ein Gerät arbeitet. Bei Bedarf kann er diese aus der Ferne modifizieren. Im Funktionsumfang enthalten ist zudem eine von zentraler Stelle aus steuerbare Installation von Software auf den Thin Clients. Den Zeitpunkt eines Setups oder einer großflächig angelegten Änderung von Konfigurationsparametern legt der Anwender in einem Terminplan fest. Rapport lässt ihn darüber hinaus das komplette Flash-Dateisystem eines oder mehrerer Thin Clients remote ersetzen. Dazu macht sich Wyse das PXE-Boot-ROM (Pre Boot Execution Environment) zu Nutze, welches standardmäßig in allen von Rapport unterstützten Wyse-Terminals enthalten ist. Weil die Geräte auch Wake-on-LAN unterstützten, können sie zu jeder Zeit von der Managementkonsole eingeschaltet werden.

Die Möglichkeit, mehrere Geräte in einer Gruppe zusammenzufassen, für die bestimmte Aktionen anstehen, wie zum Beispiel die Installation von Software, erleichtert die Verwaltung. Eine Datenbank sammelt alle Informationen über die eingesetzte Hard- und Software-Konfiguration der Thin Clients. Anhand dieser Daten gibt die Management-Software bei Bedarf einen Statusbericht zu den Clients im Netz und eine Inventarliste aus. Als Datenbasis verwendet Rapport entweder die mitgelieferte SQL-Datenbank "Microsoft Data Engine" (MSDE) oder "Microsoft SQL Server" ab Version 7.

Die Software Rapport liefert der Hersteller in zwei Varianten: als Workgroup-Edition, die in Form eines Starter-Kits jedem Wyse-Terminal beigefügt ist, oder als Enterprise-Edition. Während die Workgroup-Ausgabe für bis zu 200 Thin Clients kostenlos ist, entfallen für die Enterprise-Version Lizenzgebühren. Weitere Unterschiede bestehen in der Funktion der Varianten. So kann der Systemverwalter nur mit der Enterprise-Edition wahlweise eine Microsoft-SQL-Datenbank oder MSDE verwenden, um die Rapport-Daten abzulegen. Rapport für Workgroups unterstützt ausschließlich MSDE. Die Enterprise-Software lässt dem Anwender außerdem die Wahl, einzelne Komponenten auf unterschiedlichen Systemen zu installieren. Zudem kann er mehrere Update-Server einrichten, die für die Verteilung von Softwarepaketen auf die Clients zuständig sind. Rapport läuft unter Windows NT 4.0 und Windows 2000.

Beim Test der Wyse-Terminals zählten hauptsächlich zwei Kriterien: die Performance und der Administrationskomfort. Besonderes Augenmerk richteten wir dabei auf die Unterschiede zwischen NT Embedded und Linux.

In der Performance-Disziplin kristallisierte sich ein einheitliches Bild heraus. Die Durchschnittswerte beim Benchmark-Test mit der Software "Wintach 1.2" lagen zwischen 103 und 115 Punkten, was für eine Terminalverbindung ausgezeichnet ist. Dabei zeigte sich, dass die Unterschiede zwischen einer Verbindung mit 10 MBit/s und 100 MBit/s kaum ins Gewicht fallen. Wer große Thin-Client-Umgebungen installiert, kommt also zunächst mit einem 10-MBit/s-Netz gut zurecht und spart auf diese Weise Hardwarekosten.

Aus dem Rahmen fiel das Linux-gestützte Gerät 5440XL beim Terminalzugriff über das RDP-Protokoll. Obwohl die Performance bei den meisten Testanwendungen ausreichte, liegen die Punktzahlen im Vergleich zum ICA-Betrieb deutlich niedriger. Die schlechten Werte des Linux-Systems beim RDP-Zugriff machen sich allerdings bemerkbar, wenn schnelle Bildfolgen auftreten. Beim Blättern in längeren Dokumenten zum Beispiel franst das Bild an den Seiten aus, und die gesamte Darstellung verliert an Schärfe.

Auf Rückfrage bestätigte Wyse das Problem und führte als Begründung an, dass unter Linux nicht wirklich RDP von Microsoft zum Einsatz kommt, sondern das "T-Share"-Protokoll. Dieses sei zwar funktional weitgehend kompatibel, jedoch nicht so leistungsfähig wie das Original. Mit ICA hatte Winterm 5440XL keine Probleme. Zwar blieb das Bild auch nicht immer ganz ruhig. Im Vergleich zu den Störungen bei RDP waren die Effekte aber unbedeutend. Die Bildqualität des auf NT Embedded gestützten 8440XL-Terminals zeigte keine Schwächen.

Was die Handhabung anbelangt, fanden wir, dass der auf NT Embedded basierende Thin Client einfacher zu konfigurieren war als sein Linux-Pendant. Während unter NT das Einrichten einer Terminal-Sitzung wenige Handgriffe erforderte, benötigte das Linux-System mit seiner etwas umständlich aufgebauten Weboberfläche einen größeren Aufwand. Deutlich schneller als NT war Linux jedoch beim Booten des Basisbetriebssystems. Während sich der NT-Kandidat für den Bootvorgang zweieinhalb Minuten Zeit ließ, stellte der Konkurrent bereits nach weniger als 80 Sekunden seine Dienste zur Verfügung. Abgesehen davon vermissten wir weder beim Linux-System noch bei dem NT-Gerät wichtige Funktionen.

Im zweiten Teil des Tests unterzogen wir die Workgroup-Edition der Managementsoftware Rapport einer nähreren Betrachtung. Dazu installierten wir das Werkzeug auf einem Windows-2000-Server. Die Setup-Routine gibt eine umfangreiche Checkliste vor, die alle notwendigen Voraussetzungen für die Installation abfragt. Beim ersten Installationsdurchgang ist das sehr sinnvoll. Muss man den Setup jedoch wiederholen, fällt die Hilfe lästig. Denn der Systemverwalter muss jeden einzelnen Punkt abhaken, bevor er mit der eigentlichen Installation beginnen kann.

Beachten sollte man den Hinweis, dass der Administrator das Benutzerkonto für den Datenbankzugriff von Rapport am besten manuell anlegt. Andernfalls kann es später zu Problemen beim Einrichten der Datenbank kommen. Zudem sollte die Rapport-Konsole Mitglied einer NT- oder Windows-2000-Domäne sein. Rapport setzt nämlich voraus, dass der angemeldete Benutzer, der die Software installieren und konfigurieren möchte, Domänenadministrator ist. Für den Einsatz unbedingt erforderlich ist außerdem das Programm "Microsoft Data Access Component" (MDAC) in der Version 2.6, die man kostenlos unter www.microsoft.com/data herunterladen kann. Ohne es bricht das Setup ab.

Sind alle Voraussetzungen erfüllt, kopiert die Installationsroutine die notwendigen Dateien auf die Festplatte, richtet den FTP-Server für den Download von Client-Dateien ein und legt eine Datenbank an. Sind die ersten Hürden genommen, geht es darum, die Mangementsoftware für den Alltagseinsatz zu konfigurieren. Der Systemverwalter trägt zunächst die gewünschten IP-Adressbereiche und Subnetze ein, in denen sich Thin Clients befinden. Anhand dieser Informationen macht Rapport später eine Bestandsaufnahme und trägt die gefundenen Clientsysteme in die Datenbank ein. Bei den meisten Aufgaben, wie dem Erzeugen von "Reports" oder der Installation von Updates, unterstützen den Anwender Assistenten. Diese erfordern jedoch ein Upgrade auf die Enterprise-Edition. Auch mit den Assistenten lässt sich Rapport nicht leicht bedienen. So wurde die Hilfedatei bei vielen Aktionen zum ständigen Begleiter.

Fazit

Im Wettstreit der Thin-Client-Betriebssysteme NT Embedded und Linux Embedded fiel die Open-Source-Variante Winterm 5440XL aufgrund der relativ schlechten Ergebnisse im RDP-Betrieb und wegen der umständlichen Konfiguration der Terminalsession zurück. Weil sich die Einstellungen "Konfiguration von Terminalsitzungen" nicht täglich ändern, ist der letzte Punkt nicht gravierend. Unternehmen, die das Terminal-Protokoll RDP von Microsoft bevorzugen, sollten jedoch statt der Linux-Variante die NTE-Lösung Winterm 8440XL einsetzen.

Abgesehen davon eignen sich beide Geräte gleichermaßen für Thin-Client-Umgebungen. Einen etwas zwiespältigen Eindruck hinterließ die beiliegende Managementsoftware Rapport. Obwohl diese sehr viele nützlichen Funktionen bietet, ist sie schwer zu erlernen und zu bedienen. Übung macht hier aber den Meister. Und es ist sicher besser, mit einem komplizierten Tool von zentraler Stelle aus zu arbeiten, als jedes Terminal vor Ort zu managen.

Unterm Strich hat sich gezeigt, dass hinsichtlich der Komplexität des Managements die Thin Clients den regulären PCs noch einige Schritte voraus sind. Der Abstand wird aber kleiner. (kpl)

Testergebnisse und technische Daten

Wyse Winterm 5440XL

Hersteller:

Wyse Technology

www.wyse.de

Preis: WT 5440XL mit 48 MByte Flash und 64 MByte RAM kostet 761 Euro.

Technische Daten:

CPU: 400 MHz AMD K6

Speicher: 32 MByte Flash RAM (maximal 288 MByte), 64 MByte DRAM (maximal 256 MByte)

Grafik: maximale Auflösung 1600 mal1200 bei 60 Hz

Netzwerk: 10/100BaseT (RJ-45)

Anschlüsse: PS/2 Keyboard und Maus, 2x USB, 1x seriell, 1x parallel, Audio In/Out

Emulationen: RDP 5, ICA 6, Wyse WY-60, WY-50, TN3270, TN5250, 3151, VT420, ADDS A2, SCO Console

Residente Anwendungen: Netscape 4.77 inklusive PDF Viewer, ICA Nfuse, Macromedia Flash

Betriebssystem: Suse Linux 7 mit 2.4.1er-Kernel

Testergebnis:

+ Problemlose lokale Administration

+ Bootet sehr schnell

- Schlechte Bildschirmdarstellung bei Verwendung von RDP

- Managementwerkzeug Rapport nicht intuitiv bedienbar

Wyse Winterm 8440xl

Hersteller:

Wyse Technology

www.wyse.de

Preis: Die Variante mit 48 MByte Flash und 64 MByte RAM kostet 1012 Euro.

Technische Daten:

CPU: 400 MHz AMD K6

Speicher: 48 MByte Flash RAM (maximal 144 MByte), 64 MByte DRAM (maximal 256 MByte)

Grafik: maximale Auflösung 1600 mal 1200 bei 60 Hz

Netzwerk: 10/100BaseT (RJ-45)

Anschlüsse: PS/2 Keyboard und Maus, 2x USB, 1x seriell, 1x parallel, Audio In/Out

Emulationen: RDP 5, ICA 6, Wyse WY-60, WY-50, TN3270, TN5250, 3151, VT420, ADDS A2, SCO Console

Residente Anwendungen: Internet Explorer 5.5

Betriebssystem: Windows NT 4.0 Embedded

Testergebnis:

+ Einfache und schnelle lokale Administration

+ Problemlose Bedienung

+ Ausgezeichnete Performance über RDP und ICA

- Langer Bootvorgang

- Mitgeliefertes Managementwerkzeug schwer zu bedienen