Die xDSL-Technologie dominiert den Breitbandzugang

03.11.2000
Der breitbandige Netzwerkzugang wird zur Schlüsselkomponente sowohl für private als auch kommerzielle Anwender. Insbesondere der private Nutzer erwartet einen preiswerten Anschluss an das Internet. Aber auch für die kleinen und mittleren Unternehmen stellen die Kosten eine wichtige Größe dar. Mit der xDSL-Technik lassen sich kurzfristig viele Wünsche der Anwender auch mit attraktiven Preisen erfüllen.

Von: Gerhard Kafka

Wichtige Impulse für die weitere Entwicklung des TK-Marktes in Europa und insbesondere in Deutschland gehen von der Erschließung der "Letzten Meile" durch alternative Carrier und Serviceprovider als Wettbewerber zu den traditionellen Netzbetreibern aus. Nach Feststellung der Regulierungsbehörde für Post und Telekommunikation (RegTP) besaß die Deutsche Telekom noch Mitte 2000 über 97 Prozent Marktanteil im Ortsanschlussbereich. Das ist selbst der Bundesbehörde nach zweieinhalb Jahren freien Wettbewerbs noch zu viel. Hier geht die RegTP konform mit einer Initiative der Europäischen Kommission, die Mitte Juli 2000 ein aus acht Vorschlägen bestehendes Paket von Gemeinschaftsvorschriften zu den elektronischen IuK-Techniken vorlegte. Im Mittelpunkt stehen dabei Fragen des gemeinsamen Rechtsrahmens, der Genehmigung des Zugangs sowie des Universaldienstes und der Nutzungsrechte.

Ein Sprecher der RegTP bestätigte diese Initiative und versicherte, man sei sich mit der EU darüber einig, dass der Wettbewerb im Ortsnetz erhöht werden müsse. Deutschland sei jedoch schon heute weiter als andere EU-Länder. Das deutsche Telekommunikationsgesetz verpflichtet nämlich die Deutsche Telekom, Wettbewerbern den entbündelten Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung (TAL) zu gewähren. Mit einer Rechtsverfügung möchte die EU nun alle Teilnehmernetzbetreiber in der Gemeinschaft verpflichten, möglichst rasch die Kupferdoppelader zum Kunden entsprechend elektronisch aufzuteilen. Das soll nach Vorstellungen der EU-Kommission bis Ende 2001 umgesetzt werden.

Der Markt bricht auf mit xDSL

Die Marktforscher von Frost & Sullivan erwarten in ihrer Studie "The European xDSL Market", dass die große Nachfrage nach einem schnellen Internet-Zugang und zu anderen Multimedia-Anwendungen die traditionellen Telekom-Serviceanbieter in Zugzwang bringen. Die Betreiber bestehender Netze setzen verstärkt auf xDSL, um sich schnell und kosteneffektiv gegen die TV-Kabelgesellschaften durchsetzen zu können. Das trifft augenblicklich nicht auf die Situation in Deutschland zu, weil noch bis vor kurzem hier die Deutsche Telekom auch gleichzeitig Betreiber des Breitbandkabelnetzes war und jetzt sukzessive Minderheitsanteile an investitionsfreudige Partner verkauft .

Die Netze müssen immer mehr leisten

Weil die Netze immer mehr leisten müssen, verzeichnet der europäische xDSL-Markt eine Umsatzexplosion: Im Jahr 1999 noch mit 57,8 Millionen Dollar beziffert, sollen die Umsätze bis 2006 auf 2,13 Milliarden Dollar anwachsen. Hauptmotivatoren sind der wachsende Bandbreitenbedarf und der zunehmende Preisdruck. ADSL und Kabelmodems würden um die Privathaushalte und kleinen Büros konkurrieren und SDSL auf die Geschäftsanwendungen zielen. Andere Zugangstechniken wie WLL, Kabelmodem und Satellit stellen jedoch eine ernst zu nehmende Herausforderung für xDSL dar. Als typische xDSL-Anwendungsbereiche hebt der Report Voice-over-DSL, VPN (Virtual Private Network) und Video-on-Demand hervor.

Eine Untersuchung der privaten Haushalte in Europa mit Breitbandtechnik legte Forrester Research vor. Demnach sollen bis zum Jahr 2005 18 Prozent aller europäischen Haushalte breitbandig an die Netze angeschlossen sein. Die Zahl der Breitband-Anwender soll bis dahin auf 27 Millionen anwachsen. Die Spitzenpositionen bei der Marktpenetration nehmen die skandinavischen Länder ein: Schweden (40 Prozent), Dänemark (37 Prozent) und Norwegen (36 Prozent) gefolgt von den Niederlanden (28 Prozent) und Deutschland gleichauf mit Luxemburg (25 Prozent) und den Schlusslichtern Spanien (neun Prozent) und Griechenland (zwei Prozent). Bei den Marktanteilen in dieser Zielgruppe liegt ADSL mit 53 Prozent weit vor den Kabelmodems mit 27 Prozent und allen anderen Zugangstechnologien mit zusammen 20 Prozent.

In den USA sollen bis zum Jahresende 2000 rund zwei Millionen xDSL-Anschlüsse (ohne HDSL) im Betrieb sein. In Deutschland hat die DTAG Mitte des Jahres eine DSL-Initiative mit attraktiven Preisen für den Kunden einschließlich einer monatlichen Flatrate für den Internet-Zugang über T-Online gestartet. Die ehrgeizigen Pläne zielen auf einen T-DSL Bestand von einer halben Million Anschlüsse bis Ende dieses Jahres. Mit den rund 100 000 wöchentlichen Aufträgen, die zur Zeit eingehen, könnte das Ziel durchaus erreicht werden.

Als Anwendungen, die sich besonders gut mit der xDSL-Technologie lösen lassen, werden insbesondere die folgenden in den Vordergrund gestellt: Highspeed-Internet- Zugang, öffentliche Terminals und Kiosksysteme, E-Commerce, Zugang zu Multimedia-Datenbanken und Bibliotheken, VPNs, Streaming-Applikationen wie zum Beispiel Rundfunk und Fernsehen über Internet, Telemedizin, Video-Konferenz, Telelearning und Computer Aided Design (CAD).

Über 100 xDSL-Varianten suchen den Anwender

Die xDSL-Technologie benutzt als Übertragungsmedium die vorhandene verdrillte Kupferdoppelader, mit der analoge oder digitale Telefonanschlüsse bereits an die Ortsvermittlung angeschlossen sind. Allerdings muss dafür der verwendete Frequenzbereich gegenüber dem bisher festgelegten von 4 kHz für POTS und 120 kHz für ISDN wesentlich erweitert werden. Bei ADSL und SDSL liegen die oberen Grenzfrequenzen bei 1,1 MHz, bei VDSL sogar zwischen 20 und 30 MHz. Weil nicht alle verlegten Kupferkabel diese hohen Anforderungen erfüllen, kann nicht jedem Telefonteilnehmer auch ein xDSL-Dienst garantiert werden. In Deutschland besitzen die TAL jedoch eine sehr hohe Qualität, so dass mit einer Ausbeute von bis zu 80 Prozent der dafür verfügbaren Anschlussleitungen gerechnet wird.

Für die Aufrüstung einer bestehenden TAL sind zusätzliche Komponenten erforderlich, die von der DTAG beziehungsweise dem alternativen Betreiber implementiert werden müssen. Letztere erhalten den Zugang zur TAL über den Hauptverteiler (HVT) und einen nahe liegenden Kolokationsraum, in welchem der Serviceprovider seine technischen Einrichtungen installieren darf. Nach dem HVT werden gegebenenfalls die Sprach- und Datensignale getrennt und den jeweiligen Vermittlungseinrichtungen zugeführt. Als Konzentrator für Datendienste dient der DSLAM (Digital Subscriber Line Access Multiplexer), welcher die Datenströme mehrerer Teilnehmer konzentriert ins Backbone weiterleitet. Ist die Entfernung zwischen Teilnehmer und Ortsvermittlung zu groß, besteht bei einigen DSL-Varianten die Möglichkeit, mit einem Zwischenregenerator (ZWR) die Distanz der TAL zu erweitern. Beim Teilnehmer trennt ein Splitter Sprache und Daten. Datensignale werden über ein DSL-Modem der Teilnehmer-Endeinrichtung (TE) über definierte Schnittstellen wie ATM und Ethernet zur Verfügung gestellt. Einige DSL-Varianten benötigen keinen Splitter. Mikrofilter sorgen dafür, dass von den Telefonendgeräten keine Störsignale auf die Daten einwirken.

Der entbündelte Zugang zur TAL erfolgt über den HVT und einen Kolokationsraum. Bei der Bereitstellung dieser Räume zeigt sich nach Aussagen der Wettbewerber die DTAG zwar kooperativ, aber der Zeitraum bis zur endgültigen Übergabe der TAL kann sich über viele Monate hinziehen. Für die Bereitstellung von schnellen Datendiensten wird von den Wettbewerbern der DTAG eine separate Leitung benötigt. Anders als in den USA, wo die Aufsichtsbehörde FCC schon 1999 festgelegt hat, dass die TAL von mehreren Serviceprovidern an einem Ende und von mehreren Anwendern am anderen Ende gemeinsam genutzt werden darf, sind zunächst die Sprach- und Datendienste hier in Deutschland getrennt zu führen. Dem Serviceprovider bleibt jedoch die Möglichkeit offen, Sprache mit Voice-over-DSL ebenfalls als Dienst anzubieten.

Der Prozess der TAL-Bereitstellung lässt sich mit geeigneten automatischen Testeinrichtungen - zum Beispiel mit der "Pyramid Serie" von Harris Corporation oder "Switch Edge" von Cornet Technologies - wesentlich beschleunigen. In den USA erhalten Wettbewerber der etablierten Telefongesellschaften sogar einen Rabatt, wenn sie für die DSL-Dienste solche Test-automaten bereitstellen. Damit wird in den USA für DSL der Massenmarkt erschlossen, weil Kunden dort bereits heute ihr DSL-Modem beim PC-Händler kaufen können und dieser vor der Bezahlung noch die Tauglichkeit der TAL zusammen mit dem zuständigen Teilnehmernetzbetreiber feststellen kann.

Damit Serviceprovider DSL-Zugänge zu einem Massenmarkt ausweiten können, wurde im September 2000 von Cisco Systems gemeinsam mit anderen Herstellern und Diensteanbietern eine OpenDSL-Initiative (www.opendsl.org) ins Leben gerufen. Die Initiative soll einen offenen Standard schaffen, der eine "Plug-and-Play"-Interoperabilität von DSL-Komponenten verschiedener Anbieter ermöglicht. Dadurch soll die Installation von DSL-Geräten vereinfacht und der Vertrieb interoperabler Endgeräte auch über den Einzelhandel ermöglicht werden. Ein Zertifizierungs-Programm ist ein weiterer Bestandteil der Initiative.

Für die zügige Weiterentwicklung der Varianten ADSL, UDSL, SDSL und VDSL sorgen die über 340 Mitglieder des DSL-Forums (www.dsl forum.org), die auch entsprechende Anwendungen über DSL forcieren. Folgende Arbeitsgruppen (WG) sind im DSL-Forum derzeit aktiv:

Architecture & Transport WG mit unter anderem folgenden Themen:

- Frame Relay over ADSL

- Cells in Frames over ADSL

- STM over ADSL

Voice over DSL WG mit den Themen:

- BLES (Broadband Loop Emulation Services for ADSL)

- WT043: (Requirements for VoDSL)

- Operations & Network Management WG

- Testing & Interoperability WG

- Symmetric DSLs WG

- Emerging DSLs Study Group (EDSLSG)

Eine weitere Interessengruppe arbeitet an Lösungen für den Transport von Sprache über Breitbandtechnologien wie xDSL, Kabelmodem und WLL. Die Gruppierung OpenVoB (Voice over Broadband Services, www.openvob.org) wurde von Accelerated Networks, Avail Networks, Broadband Gateways, Cayman Systems, General Bandwidth, Intel Corporation, IPCell, ipVerse, Ishoni Networks, Meta Switch, Santera Systems und Woodwind Communications im August 2000 ins Leben gerufen.

Wie kommt die Sprache über xDSL?

Im September 2000 demonstrierte RAD Data Communications erfolgreich die Übertragung von ISDN-Sprache über eine DSL-Leitung. Bei dem Labortest wurden die IAD (Integrated Access Device) LA-140 von RAD sowie ein DSLAM eines namhaften Herstellers eingesetzt. Als Gegenstelle diente ein Voice-Gateway. Bei der praktischen Vorführung wurde über ein ISDN-Telefon eine Sprachnachricht erzeugt, von der LA-140 über eine SDSL-Verbindung in ATMZellen umgewandelt, zu einem DSLAM übertragen und danach über das Voice-Gateway zu einem POTS-Telefon weitergeleitet. ATM als Transporttechnik kommt bei der Anwendung VoDSL deshalb zum Einsatz, weil nur damit die vertraute Qualität garantiert werden kann. Mit VoDSL hält die von einigen Experten schon totgesagte ATM-Technik nun sogar in jedes Haus Einzug.

Im Oktober 2000 stellte Net to Net Technologies sein DSL-Produkt "VoDSL the Easy Way" vor, mit dem Carriern und Serviceprovidern neue Möglichkeiten bei der Übertragung von Sprache und Daten mit DSL-Technik offeriert werden. Das Produkt umfasst verschiedene Sprachoptionen und ist als "Plug-and-Play"-Lösung konzipiert. Für die Konfiguration von DSLAM- oder IAD- Ausrüstungen ist nur ein geringer Aufwand nötig. Darüber hinaus benötigt "VoDSL the Easy Way" weder ein Voice-Gateway noch einen ATM-Switch und kommt damit ohne diese teuren und komplexen Komponenten aus.

Das Produkt besteht aus folgenden Komponenten:

- einem ADSL-Multiplexer-Modul (UDSL/G.lite- und Full Rate-kompatibel) für bereits bestehende IP-DSLAMs (IPD12000 und IPD4000),

- einer neuen Voice-over-SDSL-Access-Multiplexer-Karte für bestehende DSLAMs, die auf einer reinen IP-Architektur basiert und generell Third-Party-Lösungen für VoIP unterstützt.

Weitere Merkmale sind der konfigurationsfreie Betrieb über die herstellerspezifische "AutoIP"-Technologie von Net to Net Technologies sowie neue SDSL-IADs für die genaue Zuordnung der Endkunden von VoDSL. (pri)

Zur Person

Gerhard Kafka

arbeitet als freier Journalist und Berater für Telekommunikation in Egling bei München.