Die wirtschaftliche Alternative

02.02.2001
Als Breitbandzugangstechnik für die Datenübertragung setzt sich DSL bereits seit einiger Zeit auf breiter Front durch, denn die wirtschaftlichen und technischen Vorteile des Digital-Subscriber-Line-Verfahrens sind überzeugend. Allein aus Kostengründen liegt es daher nahe, die neue Technologie auch für die Sprachübertragung zu nutzen. Mittlerweile sind in Europa erste Services für diese Voice over DSL genannte Variante verfügbar.

Von: Matthias Mengeling

Angesichts des ständig wachsenden Datenvolumens in öffentlichen und privaten Netzen setzen die Carrier auch im Access-Bereich zunehmend auf Techniken, die hohe Bandbreiten bereitstellen können. Bis vor wenigen Jahren noch galten Lichtwellenleiter als die einzige Möglichkeit, End-to-End-Verbindungen mit sehr hohen Datenraten zu realisieren. Die Umsetzung der Vision "Fiber to the Desktop" ist jedoch aufgrund der nicht oder bisher nur minimal vorhandenen Infrastruktur ein kostspieliger und zeitaufwändiger Prozess.

Flatrate-Nutzer belasten Telefonnetze

Weitere Alternativen wie WLL (Wireless Local Loop), ein Verfahren, das die "Letzte Meile" mithilfe von Funkstrecken überbrückt, befinden sich zurzeit noch im Aufbau. Zudem eignen sich WLL-Verfahren wie zum Beispiel Point-to-Multipoint primär für die Anbindung von kleinen und mittleren Geschäftskunden. Diese Verfahren benötigen zwar kaum Infrastruktur, die Technik selbst hat jedoch ihren Preis. Auch die Nutzung von Koaxialkabeln, die in Deutschland bisher nahezu ausnahmslos für die unidirektionale breitbandige Übertragung von Fernseh- und Radiosignalen verwendet wurden, lässt sich nur mithilfe beträchtlicher Infrastrukturinvestitionen realisieren. Mit DSL ist seit geraumer Zeit eine wirtschaftliche Alternative im Einsatz, die eine digitale breitbandige Nutzung herkömmlicher Kupfertelefonleitungen im Anschlussbereich ermöglicht und neben schnellen Datenverbindungen auch den Zugang zu analogen oder ISDN-Anschlüssen bietet.

Aufgrund der schnell zunehmenden Popularität des Internet werden heute viele Telefonnetze durch die oftmals stundenlang aktiven Modemverbindungen der Flatrate-Nutzer zum Internet-Serviceprovider (ISP) strapaziert. So liegt es also nahe, durch die in vielen Bereichen bereits verfügbaren breitbandigen DSL-Verbindungen Entlastung zu schaffen - und das in zweifacher Hinsicht. Einerseits können die Anwender dadurch mit zwölffacher ISDN-Geschwindigkeit im Internet arbeiten, andererseits lassen sich mit den in jüngster Zeit verfügbaren Systemen diese großen Bandbreiten auch für die Sprachübertragung nutzen. Über eine DSL-Verbindung können beispielsweise bis zu 30 Telefongespräche gleichzeitig geführt werden. Daher sind VoDSL-Lösungen primär interessant für mittlere und kleine Unternehmen mit einem hohen Bedarf an Telefonkanälen.

Voice over DSL ist bereits seit einiger Zeit in den USA im Einsatz. Aufgrund von Kompatibilitätsproblemen lassen sich diese Systeme jedoch nicht ohne weiteres in Europa einsetzen. Hier stehen marktreife Lösungen erst seit kurzem zur Verfügung. So bietet das europäische Telekommunikationsunternehmen Colt Telecom mit "InterVoice DSL" seit Ende vergangenen Jahres VoDSL-Dienste an. Colt setzt dabei auf die Technik des Siemens-Geschäftsbereichs Information and Communication Networks, welcher die Hardware-Infrastruktur zur Verfügung stellt.

Für kleine Unternehmen wirtschaftlicher

Der PMP-Richtfunkanbieter (PMP = Point-to-Multipoint) Callino will mit der Komplettlösung von Alcatel in den Markt einsteigen. "Wir haben mehrere Systeme getestet und uns dann für das Angebot von Alcatel entschieden", sagt Callino-Sprecher Martin Eulitz. "Eine Rolle hat dabei sicher auch gespielt, dass wir bereits bei der Richtfunktechnik gut mit Alcatel zusammenarbeiten."

Voice over DSL ist vor allem für kleinere Unternehmen interessant, die nicht mit einer ISDN-Amtsleitung auskommen, aber auch keinen Primärmultiplexer benötigen. "Der Kunde erhält Telefondienste und schnellen Internet-Zugang aus einer Hand, kann bis zu acht ISDN-Leitungen pro SDSL-Zugang anschließen, benötigt an Zugangshardware nur ein Gerät - das Integrated Access Device (IAD) - und telefoniert außerdem noch günstiger", beschreibt Sprecherin Sabine Grözinger die Vorteile des VoDSL-Angebots von Colt. Beim VoDSL-Modell von Callino, das für Geschäftskunden Mitte des Jahres zur Verfügung stehen soll, gelten dieselben Vorteile. Allerdings werden zunächst weniger Leitungen angeboten: "Wir werden mit vier Leitungen pro Anschluss starten und zu einem spä-teren Zeitpunkt auf sechs und schließlich auf acht Leitungen erweitern", ergänzt Eulitz.

Ausfallsicherheit steht an erster Stelle

Aber auch den neuen Carriern bringt Voice over DSL wirtschaftliche Vorteile. Sie müssen beispielsweise für jeden Teilnehmeranschluss eine monatliche Mietpauschale von zurzeit circa 25 Mark an die Telekom bezahlen. Da bei VoDSL bis zu acht ISDN-Leitungen pro Teilnehmeranschluss möglich sind, kann der Carrier also bis zu 2100 Mark pro Jahr und Kunde sparen.

Für den Nutzer der Telekommunikationsdienstleistungen bleibt die verwendete Technologie vollständig im Hintergrund - er kann nicht erkennen, ob er über eine herkömmliche Telefonleitung oder eine Voice-over-DSL-Lösung telefoniert. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass die verwendeten Systeme in puncto Zuverlässigkeit und Ausfallsicherheit mit den herkömmlichen Telefonsystemen mithalten können. Eine breite Verwendung der VoDSL-Systeme lässt sich also nur verwirklichen, wenn diese das Niveau der so genannten "Carrier-Class" und damit eine Zuverlässigkeit von 99,999 Prozent erreichen. So muss die Hardware der Voice-over-DSL-Systeme höchsten Anforderungen gerecht werden, um vergleichbare Dienste, Qualität und Dienstverfügbarkeit wie herkömmliche Telefonsysteme bereitstellen zu können.

Der Bandbreitenbedarf in den weltweiten Netzwerken steigt weiterhin kontinuierlich an. Die Entwicklung des Internet zum Massenmedium und immer neue kapazitätshungrige Multimedia-Anwendungen wie Videokonferenzen, digitales Fernsehen und Video-on-Demand werden zukünftig hohe Übertragungsraten bis in den Access-Bereich erfordern. Nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen erscheint es daher sinnvoll, Sprach- und Datennetze zu integrieren. Zu den weiteren Vorteilen gehören das vereinfachte Netzwerkmanagement und die höhere Flexibilität der Netzwerkbetreiber, wenn es um die Bereitstellung innovativer Mehrwertdienste geht. Die DSL-Technik als Breitbandlösung für den Zugangsbereich nutzt die vorhandene Infrastruktur, ist technisch weitgehend ausgereift und bereits verfügbar. (haf)

Zur Person

Matthias Mengeling

ist Diplom-Fachübersetzer und freier Autor für IT- und TK-Themen.