Viele IT-Verantwortliche, die mit der Auswahl entsprechender Lösungen betraut sind, werden diese Anforderungen seitens der Fachbereiche und Geschäftsführung auch so interpretieren. Hinzu kommen zwei weitere Faktoren, welche die Suche nach der passenden Collaboration-Lösung erschweren: Es gab noch nie so viele Techniken und Produkte, die eine Integration unterschiedlicher Kommunikationskanäle ermöglichen, von Voice over IP und E-Mail über Mobilkommunikation, Videoconferencing, und Social-Media-Kanäle bis hin zu gemeinsam genutzten Desktops (Desktop Sharing).
Divergenz zwischen alten und jungen Mitarbeitern
Der zweite Punkt ist die Altersstruktur der Belegschaft. Ältere Mitarbeiter bevorzugen klassische Kommunikationsmittel wie Telefon und E-Mail, bestenfalls noch Videokonferenzen und elektronische „Whiteboards“ für das gemeinsame Bearbeiten von Dokumenten. Diese Lösungen können in Form einer UCC-Lösung oder traditioneller Enterprise-Collaboration-Systeme wie Microsoft Sharepoint, IBM Communications, Unify Openscape oder Lösungen von Avaya bereitgestellt werden.
Jüngere Kollegen wünschen sich dagegen Social-Collaboration-Werkzeuge für den Unternehmenseinsatz, etwa Microsoft Yammer, Salesforce Chatter, Jive oder SAP Jam. Nach Angaben des deutschen Beratungshauses Crisp Research dominieren derzeit in Deutschland IBM, Jive und Microsoft den Markt für diese Software. Allerdings, so die Marktforscher, haben auch kleinere Anbieter Chancen, beispielsweise Huddle oder United Planet. Eine vergleichbare Entwicklung zeichnet sich in Asien ab, speziell in Firmen in Indien, China und Korea. Dort liegt das Durchschnittsalter in vielen Hightech-Unternehmen wie etwa Tata (Indien) unter 30 Jahren.
Dementsprechend setzen Firmen aus diesen Regionen verstärkt auf Kommunikations- und Collaboration-Tools aus der Social-Media-Szenerie. Teilweise werden diese Lösungen um Belohnungselemente wie etwa Auszeichnungen erweitert. Sie sollen Mitarbeiter zum Teilen von Know-how mit Kollegen über Social-Media-Kanäle animieren.
Kategorien von Enterprise-Collaboration-Produkten
Produkte für die unternehmensweite Zusammenarbeit von Beschäftigten und von Mitarbeitern unterschiedlicher Unternehmen und Einrichtungen lassen sich grob in drei Kategorien unterteilen:
Enterprise Applications: Darunter fallen Audio-, Video- und Web-Konferenzlösungen (Hard- und Software) sowie Document-Sharing-Produkte für das gemeinsame Bearbeiten von Dokumenten. Hinzu kommen Lösungen für Unified Communications and Collaboration (UCC). Zu den bekanntesten Anbietern zählen Avaya, Cisco Systems, IBM (IBM Connections), Google, Microsoft, Oracle, Polycom, Salesforce.com sowie Unify Communications.
Enterprise-Collaboration-Produkte: Sie werden vorzugsweise als Cloud- Dienst oder als Managed Service bereitgestellt. Anwender können etwa in Box.net, Dropbox, Huddle, Sugarsync oder Wuala Dokumente online speichern, austauschen und gemeinsam bearbeiten. Viele Anbieter hatten ihre Angebote ursprünglich auf Privatkunden zugeschnitten, drängen jetzt jedoch in das lukrativere Marktsegment der Firmenkunden.
Enterprise-Social-Software beziehungsweise Enterprise-Social-Collaboration-Tools: Zu dieser Kategorie zählen unter anderem Jive, Microsoft Yammer, Salesforce Chatter oder VMware Socialcast. Mit solchen Produkten lassen sich beispielsweise unternehmensinterne soziale Netzwerke aufbauen. Mittlerweile haben fast alle etablierten Anbieter von Collaboration-Lösungen, darunter Cisco, IBM, Avaya, Unify und Polycom, ihre Produkte um Social-Media-Elemente erweitert. Dies dürfte letztlich zu einer Konsolidierung des Markts führen, zu Lasten kleinerer Anbieter von Social-Media-basierten Collaboration-Lösungen.
Wachstumsmarkt Enterprise-Social-Software
Die Marktforschungsgesellschaft Markets and Markets geht davon aus, dass der weltweite Umsatz mit Enterprise-Social-Software (ESS) von 4,77 Milliarden Dollar im Jahr 2014 bis 2019 auf 8,14 Milliarden steigen wird. Das entspricht einem jährlichen Zuwachs von 11,3 Prozent. Auch für die Beratungsgesellschaft Experton Group bildet das Social Business for Communication & Collaboration (SB4CC) eines der wachstumsstärksten Segmente im deutschen ICT-Markt. Experton fasst unter diesem Begriff professionelle Lösungen für die Kommunikation und Zusammenarbeit zusammen, die sich Funktionsweisen sozialer Netzwerke zu eigen machen. Vorbilder sind beispielsweise Blogs, Wikis, Activity Streams, Collaborative Writing und File Sharing. SB4CC sei somit eine Fortentwicklung von UCC.
Nach Einschätzung von Experton entfallen 2016 rund 25 Prozent der Ausgaben im Bereich UCC auf solche SB4CC-Produkte. Im Jahr 2014 wird der deutsche Markt für Social Software und Services im B2B-Umfeld den Beratern zufolge ein Volumen von ungefähr 850 Millionen Euro aufweisen. „Unter dem Strich ist bei SB4CC ein Wachstum von durchschnittlich über 50 Prozent pro Jahr zu erwarten“, prognostiziert ((oder „erwarten (…) bilanziert“, wenn er nur die Vergangenheit meint)) Frank Heuer, Senior Advisor der Experton Group.
Verschmelzung von Unified Communications und Social Media
Doch Enterprise-Social-Software ist nur ein Baustein in einer Collaboration-Strategie. Anwender wünschen sich die Einbeziehung konventioneller Kommunikationsmedien wie Sprache, Video und Messaging in ihre Social-Media-Strategie. Das ist nachvollziehbar, beklagen sich doch laut einer Untersuchung von Frost & Sullivan rund 51 Prozent der IT-Leiter über den hohen Aufwand, den das Management von Collaboration-Umgebungen mit Produkten unterschiedlicher Anbieter verursacht.
An die 44 Prozent der Befragten wünschen sich daher hochintegrierte Lösungen, die sich allerdings durchaus aus Produkten diverser Hersteller zusammensetzen können. Offenkundig sehen das einige Anbieter von UCC- und Enterprise-Social-Software-Paketen als Chance. Das gilt vor allem für die nach Angaben der Synergy Research Group führenden Akteure im Bereich Enterprise Collaboration: Microsoft (Lync, Yammer, Sharepoint) und Cisco Systems (WebEx, Jabber). Beide sind derzeit bestrebt, ihre Produktfamilien in den Bereichen UC und Enterprise-Social-Software zu Paketen zusammenzufassen.
Und beide kommen aus unterschiedlichen Richtungen: Cisco ist mit rund 70 Prozent Umsatzanteil der weltweit größte Anbieter von Netzhardware, während Microsoft mit Lync nach Angaben von Brent Kelly, Leiter der Beratungsgesellschaft Kelcor, an die 65 Prozent des Marktes für Instant-Messaging-Software kontrolliert.
Kampf der Titanen: Cisco versus Microsoft
Microsoft hat zwar nicht wie Cisco eine IP-Telefonanlage und entsprechende Endgeräte im Angebot, dafür aber eine Schnittstelle („Lync Enterprise Voice“), die grundlegende IP-PBX-Funktionen bereitstellt. Hinzu kommen Faktoren wie die Stärke von Microsoft bei (Cloud-gestützten) Anwendungspaketen sowie bei Collaboration-Anwendungen, etwa in Form von Sharepoint. Zudem kann Microsoft mit Skype eine verbreitete Audio- und Videokonferenzplattform ins Feld führen. Cisco wiederum verfügt nicht nur über Switches und TK-Anlagen. Mit Jabber steht eine Desktop-Videokonferenzsoftware zu Verfügung, die sich in den Cisco-Kosmos von IP-Telefonie, Instant- Messaging-Produkten und Präsenzlösungen einfügt.
Die Strategie beider Kontrahenten ist darauf ausgelegt, Anwender zum Einsatz einer „One- Vendor“-Lösung zu drängen, also der exklusiven Nutzung ihrer eigenen Produkte. Brent Kelly geht davon aus, dass die Auseinandersetzung Cisco gegen Microsoft den Markt noch eine Weile prägen wird. Auch er plädiert für eine „Entweder- oder“-Lösung: Ein Miteinander von Produkten beider Anbieter bedeute für IT-Abteilungen einen erhöhten Aufwand und möglicherweise Interoperabilitätsprobleme zwischen den Produkten.
Die Zeichen stehen auf Integration
Allerdings wäre es zu kurz gegriffen, im Bereich Collaboration und Unified Communications nur Cisco und Microsoft als wichtige Konkurrenten einzuschätzen. Mit IBM, Avaya, dem Videoconferencing- Spezialisten Polycom und Unify (ehemals Siemens Enterprise Communications) mit seiner Openscape- Produktlinie sind etliche etablierte Anbieter im Bereich Collaboration aktiv. Hinzu kommen Unternehmen, die ihre Stärken im eigentlichen Unified-Communications- Bereich haben, also der Einbindung von IP-gestützten TK- und Videokonferenzsystemen. Gartner und Forrester Research führen in dieser Kategorie vor allem Mitel inklusive seiner Neuerwerbung Aastra, Alcatel-Lucent und den japanischen IT- und Telekommunikationskonzern NEC auf.
Welche Vorteile Vernetzung und Collaboration bringen
Dass die Hersteller Collaboration-Lösungen grundsätzlich empfehlen, überrascht nicht. Dennoch stellt sich die Frage nach dem konkreten Nutzen für Anwender. Für den Wissenschaftler Wilhelm Bauer vom Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO ist dieser in der Tat gegeben. Untersuchungen seines Instituts zufolge zahlt sich die Vernetzung von Unternehmen und Mitarbeitern mit Hilfe von Collaboration-Tools aus. Das habe die Studie „Improve“ der Europäischen Union ergeben: „Unternehmen, die stark auf Collaboration setzen, erzielen doppelt so hohe Zuwächse beim Umsatz und Ertrag im Vergleich zu Firmen, die eher konventionell vorgehen“, bilanziert Bauer.
Um die Implementierung neuer ITDienste wie Collaboration-Services und Enterprise Social Media so einfach wie möglich zu machen, rät die Beratungsfirma Experton Group zu einem Baukastensystem: Fachabteilungen und IT-Verantwortliche sollten sich auf ein homogenes Portfolio von Produkten und Systemkomponenten einigen. Dadurch könne „auf der Ebene des einzelnen Mitarbeiters die Versorgung mit Informationstechnologie und die Gestaltung der Arbeitsabläufe abgebildet werden“. Diese Vorgehensweise lehnt sich an Produktionstechniken in der Automobilindustrie an und kann dazu beitragen, Collaboration-Services auch kleineren und mittelständischen Unternehmen schmackhaft zu machen.
UCC aus der Cloud: Lieber Hybrid als Public
Ein Trend, der sich in den kommenden Jahren bestätigen dürfte, ist das Verlagern von Unified-Communicationsund Collaboration-Lösungen in Cloud- Computing-Umgebungen. IDC zufolge werden bereits mehr als 30 Prozent einiger Collaboration-Dienste über Clouds bereitgestellt. Dazu zählen Instant- Messaging- und Sprachkommunikations- Services, vor allem aber Web-Konferenz-Angebote wie Ciscos WebEx.
Auch auf diesem Feld könnte sich Microsoft mit seinem mittlerweile beachtlichen Angebot an Cloud-basierten Diensten zum schärfsten Widersacher entwickeln. Häufig wird Collaboration auf die Ebene der Mitarbeiterkommunikation begrenzt. Das ist zu kurz gedacht. Speziell für Unternehmen, die intensiv mit ihren Kunden kommunizieren müssen, ist die Ausweitung von Collaboration- Systemen in Richtung Informationsaustausch mit dem Kunden wichtig. Anbieter wie Avaya forcieren deshalb die Integration von Contact-Centern in die unternehmensweite Collaboration- Landschaft. Mit Ansätzen wie einer Collaborative Cloud könne die Zusammenarbeit von Mitarbeitern, Kunden, Lieferanten und Geschäftspartnern auf eine neue Basis gestellt werden.