Die richtige Mischung macht's

20.09.2002
Wireless LANs versprechen zwar mehr Flexibilität und in einigen Fällen auch niedrigere Installationskosten als ihre kabelgebundenen Pendants. Verdrängen werden sie diese jedoch nicht. Vielmehr besteht die Kunst für den Netzwerkplaner darin, beide Techniken so zu kombinieren, dass ihre Stärken voll zum Tragen kommen.

Von: Maximilian Meindl, Bernd Reder

Den Durchbruch schafften "Wireless Local Area Networks" (WLAN) mit dem Standard 802.11b, den das Institute of Electrical and Electronics Engineers (IEEE) 1999 verabschiedete. Seitdem werden immer mehr Funknetze in Unternehmen, Behörden oder Krankenhäusern installiert. In den Mittelpunkt des Interesses rücken neuerdings Installationen an öffentlichen Orten, so genannten Hotspots, etwa Flughäfen. Zunehmend werden auch Hotels, Bahnhöfe, ja sogar Biergärten mit WLANs ausgestattet.

Auch im Freien lassen sich Wireless LANs einsetzen. Mithilfe spezieller Antennen verbinden sie beispielsweise Gebäude auf einem Campus oder einem Firmengelände. In diesem Fall ist jedoch zu prüfen, ob die maximale Bandbreite von 11 MBit/s von 802.11b-Systemen ausreicht. Abhilfe versprechen neue Standards wie Hiperlan 2 oder IEEE 802.11a und g, die Bruttodatenraten von bis zu 54 MBit/s im 5-GHz- beziehungsweise 2,4-GHz-Frequenzband zur Verfügung stellen.

Bis zu 1 GBit/s im lokalen Netz

Obwohl davon auszugehen ist, dass in Kürze auch die Anwender in Europa in den Genuss von Funknetzen mit 54 MBit/s kommen, werden Wireless LANs drahtgebundene lokale Netze nur in Ausnahmefällen ersetzen. Der Hauptgrund ist die niedrigere Bandbreite. Für das Netz in einer Arztpraxis, einer Anwaltskanzlei oder einem Heimarbeitsplatz mögen 11 MBit/s ausreichen, wie sie IEEE 802.11b vorsieht. Für ein klassisches LAN in einem Unternehmen ist das jedoch in der Regel nicht genug. Dort geht der Trend mittlerweile in Richtung Ethernet mit bis zu 1 GBit/s. Auch neue WLAN-Standards, die Bruttodatenraten bis 54 MBit/s bereitstellen, werden daran nichts ändern.

Hinzu kommt, dass IEEE-802.11b-Netze bekanntlich das lizenzfreie 2,4-GHz-Band nutzen, während IEEE 802.11a, ebenso wie Hiperlan 2, den Bereich 5 GHz verwendet. Der Großteil der installierten Access Points und Blitzschutzkomponenten verträgt sich daher nicht mit dem neuen Standard. Das gilt vor allem für die Antennentechnik. Sie muss in jedem Fall erneuert werden. Die Anwender werden deshalb nur schrittweise in die neuen Systeme investieren. Etliche Hersteller bieten deshalb als Übergangslösung Zugangsknoten an, die sowohl 802.11a als auch b unterstützen.

In den nächsten drei bis vier Jahren dürfte sich im kabelgebundenen lokalen Netz die Grenze von 1 GBit/s hin zu 10 GBit/s verschieben. Den Standard für 10-Gigabit-Ethernet hat das IEEE bekanntlich in diesem Jahr verabschiedet. Vor diesem Hintergrund kommt für ein Unternehmen mit hohem Datenaufkommen eine komplett drahtlose Infrastruktur nicht in Frage. In solchen Fällen ist WLAN vielmehr ein "Add-on" zum Local Area Network auf Basis von Kupferkabeln oder Lichtwellenleitern. Die zusätzliche Funkanbindung verhilft dem Anwender zu größerer Bewegungsfreiheit und Zeitersparnis, die durch ein gewöhnliches LAN nur in eingeschränktem Maße oder gar nicht zu erzielen sind.

Kabel bleiben Rückgrat eines lokalen Netzes

Für das "klassische" kabelgestützte lokale Netz sprechen neben der größeren Bandbreite dessen höhere Stabilität und Verfügbarkeit. Diese Faktoren sind bei der Planung eines Netzes zu berücksichtigen. Die einzig sinnvolle Lösung sind deshalb "Mischnetze": Das Rückgrat bildet ein LAN mit einer hochwertigen Kupfer- oder Glasfaserverkabelung. Wo Mobilität gefragt ist, etwa in Konferenzräumen, Kliniken, Universitäten oder Lagerhallen, ergänzt ein Funknetz die Infrastruktur. Eine wichtige Rolle in einem solchen Mischnetz werden künftig optische Übertragungsmedien spielen, weil sie große Datenraten verkraften und die Verfügbarkeit und Sicherheit erhöhen.

Gemäß den Regeln, nach denen eine klassische Verkabelung aufgebaut werden sollte, sind im Primärbereich folgende Faktoren ausschlaggebend: das Überbrücken großer Übertragungsstrecken, hohe Bandbreiten, Datensicherheit, Verfügbarkeit sowie der Schutz vor Störeinflüssen bei gleichzeitig geringen Kosten. Dementsprechend kommen dort fast ausschließlich Multimode- und Monomode-Lichtwellenleiter zum Einsatz. Das hohe Datenaufkommen im Sekundärbereich wird heute hauptsächlich mithilfe von Multimode-Gradientenfasern bewältigt. Die Glasfaserkabel haben außerdem den Vorteil der geringen Dämpfung und vollständigen Potenzialtrennung sowie eine sichere und flexible Handhabung.

WLAN als Alternative im Tertiärbereich

Ab dem Etagenverteiler werden herkömmliches Kupferkabel verlegt. Kommen viele Endgeräte zum Einsatz, verringern Glasfasern aufgrund ihres minimalen Durchmessers und ihres geringen Gewichts das Kabelvolumen. Die Implementierung von Glasfasern bis in den Tertiärbereich hinein, sprich Fibre to the Desk, erfolgt in der Regel über einen Collapsed Backbone, indem die optische Sekundärverkabelung mit der Tertiärverkabelung am Etagenverteiler verspleißt wird. Damit fallen die aktiven Komponenten auf der Etage weg, wodurch sich der Verwaltungsaufwand und die Kosten des Netzwerks reduzieren.

Wenn es das Datenaufkommen erlaubt, ist ein Wireless LAN im Tertiärbereich eine kostengünstige Alternative zu Kabelmedien, vor allem deshalb, weil die Installationskosten niedriger sind. Ist jedoch bereits eine klassische Verkabelung mit Glasfaser und Kupferleitungen vorhanden, wird der Anwender aus Kostengründen meist da-rauf zurückgreifen.

Wie hoch die Reichweite eines Wireless LAN innerhalb eines Gebäudes ist, lässt sich nicht pauschal sagen. Sie hängt von den Gegebenheiten vor Ort ab. In Büros mit Rigipswänden beträgt die Reichweite etwa 50 Meter, bei Betonwänden sinkt sie auf weniger als 30 Meter. Die Ursache ist der hohe Anteil an metallischem Gittergeflecht. Für 5-GHz-Systeme liegen noch keine aussagekräftigen Erfahrungswerte vor, speziell für Gebäude in Europa, die oft völlig anders strukturiert sind solche in den USA. Während dort Großraumbüros ("Cubicles") dominieren, sind hier zu Lande häufig kleinere Räume mit relativ massiven Wänden anzutreffen. Fest steht jedoch, dass sich bei 5 GHz die Reichweite bei gleicher Sendeleistung deutlich reduziert. Bei einer Datenrate von 54 MBit/s und 40 Milliwatt Leistung beträgt sie etwa 12 bis 20 Meter, bei 24 MBit/s an die 35 Meter. Im Vergleich dazu erzielen Systeme, die mit 2,4 GHz und 100 Milliwatt Sendeleistung arbeiten, mehr als 40 Meter bei 11 MBit/s.

Höhere Mobilität nur durch Funk-LANs

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Netzwerkplaner und Anwender in Europa Wireless LANs zunehmend als ernst zu nehmende Technik betrachten. Durch die Freigabe der 5-GHz-Frequenzen oder neue Techniken wie etwa IEEE 802.11g, das 54 MBit/s über 2,4 GHz bereitstellt, dürften Funknetze zusätzlich an Attraktivität gewinnen. Allerdings sind noch etliche Schwachstellen auszumerzen, etwa die Störanfälligkeit sowie Probleme mit der Sicherheit oder mit Abrechnungsverfahren bei Netzen, die in Hotspots eingesetzt werden.

Um die Netzwerkinfrastruktur im Indoor-Bereich zu optimieren, werden Funktechniken und Verkabelungssysteme Hand in Hand gehen. Hauptsächlich durch die Mischung der Übertragungsmedien kann ein Gebäudenetzwerk langfristig den steigenden Anforderungen in Bezug auf Mobilität, Verfügbarkeit und Leistungsfähigkeit entsprechen. Folglich sind WLAN und LAN keine Konkurrenz, sondern ergänzen sich gegenseitig.

zur Person

Maximilian Meindl

kam vor vier Jahren zur Huber + Suhner GmbH. Dort ist er im Geschäftsbereich Funk als Marktmanager WLAN tätig.