Betriebssystem-Vergleich

Die richtige Linux-Distribution für Einsteiger

06.01.2015 von Hermann Apfelböck
Spätestens nach dem Ableben von Windows XP begann für viele Anwender die Suche nach Ersatz. Dieser Beitrag zeigt unter Berücksichtigung jüngerer und älterer Hardware, welches Linux sich für Umsteiger eignet.

Der Linux-Kernel ist frei verfügbar, und derzeit nutzen etwa 350 mehr oder weniger eng spezialisierte Distributionen diese Basis. Neben zahllosen Debian-Systemen gibt es noch die Slackware- und die Red-Hat- sowie die kleineren Arch- und Gentoo-Zweige. Viele Spezial- und Serversysteme scheiden als Endanwendersystem von vornherein aus, viele weitere sind zwar Desktop-tauglich, aber ungeeignet für Windows-Umsteiger. Lesen Sie in diesem Artikel, was wir Linux-Einsteigern empfehlen, wenn aktuelle, ältere oder auch sehr alte Hardware vorliegt.

1. Linux-Live-Systeme zum Ausprobieren

Ein wichtiger Tipp vorab: Viele beliebte Linux-Distributionen wie Ubuntu, Kubuntu, Xubuntu, Linux Mint, Open Suse und Debian sind auch als sogenannte "Live-Systeme" verfügbar, die direkt von einer DVD laufen. Diese Live-Systeme finden Sie für gewöhnlich meist als seperaten Download auf der Webseite der Entwickler.

Sie können sich daher vor einer Linux-Installation in zweierlei Hinsicht absichern: Beim Ausprobieren über ein Live-System sehen Sie erstens, ob Ihnen das System gefällt, und zweitens – noch wichtiger –, ob es zur Hardware passt. Ein tadellos funktionierendes Live-System wird auch installiert keinerlei Hardware-Probleme bereiten. Beachten Sie, dass ein auf Festplatte installiertes System deutlich schneller laufen wird als ein Live-System von DVD.

Vor- und Nachteile von Linux

Vorteile: Linux ist kostenlos, portabel und klonbar. Außerdem ist Linux sicherer, weil installierte Software aus den vertrauenswürdigen Paketquellen der Distribution stammt. Generell ist Linux aufgrund geringerer Verbreitung ein weniger attraktives Angriffsziel und obendrein ein schwieriges, weil sich die verschiedenen Distributionen technisch deutlicher unterscheiden als Windows-Versionen.

Nachteile: Anders als bei Windows liefern Hardware-Hersteller nicht für jedes Gerät einen optimierten Linux-Treiber. Einige exotische Geräte funktionieren daher nicht oder nicht optimal. Für Windows optimierte Stromsparmechanismen auf Notebooks bringen Akkulaufzeiten, die unter Linux nicht zu erzielen sind. Auch Software-seitig bleiben gewisse Lücken – insbesondere bei Spielen und einigen hochqualitativen Adobe- und Microsoft-Produkten.

2. Vorsortierung für Windows-Umsteiger

Etwas Linux-Familiengeschichte muss sein, denn damit können Sie schon einmal grob vorsortieren: Gentoo- und Arch-basierte Systeme sind Inseln für Linux-Kenner und daher für Windows-Umsteiger definitiv ungeeignet. Bei den Red-Hat-Systemen sind zwei Distributionen hervorzuheben, die für technisch versiertere Umsteiger in Betracht kommen:

Fedora Linux ist in nahezu jeder neuen Version ein Hingucker und Linux-Trendsetter mit innovativen Funktionen. Allerdings ist Fedora weder auf Sparsamkeit getrimmt (für den Fall, dass Sie älteres Windows durch neues Linux ersetzen möchten) noch auf Einsteigerfreundlichkeit. Bereits die Installation stellt einige Hürden auf und dürfte schon daher typische Windows-Anwender überfordern.

Mageia gehört ebenfalls zur Red-Hat-Familie. Es ist dort die einzige Variante, die eindeutig auf den Endanwender-Desktop abzielt. Der Installationsassistent gehört zum Besten, was Linux zu bieten hat. Gegen Mageia spricht aktuell lediglich, dass die junge Distribution (seit 2010) keine Tradition hat und ihre Nachhaltigkeit ungewiss ist.

KDE ist der anspruchsvollste Linux-Desktop mit unbegrenztem Anpassungspotenzial. Die Systembasis von Kubuntu ist Ubuntu.

Open Suse ist der einzige hier zu nennende Slackware-Abkömmling. Es war über ein Jahrzehnt nahezu unangefochten das einzige Linux, das mit komfortabler grafischer Bedienung und Konfigurierbarkeit auf den Endanwender-Desktop zielte. Die grundsolide, allerdings durchaus komplexe Distribution hat in den letzten Jahren zugunsten der Ubuntu-Familie etwas an Bedeutung eingebüßt. Mit Avantgarde-Funktionen wie dem jungen Dateisystem BTRFS entfernt sich Open Suse jedoch auch selbst aktiv vom Mainstream und bedient heute eher die Wünsche der Linux-Enthusiasten.

Ubuntu ist ein Debian-Abkömmling und die erste Wahl für Einsteiger und Umsteiger. Seit der ersten Version 2004 hat sich Ubuntu zur beliebtesten Distribution und zum Quasi-Standard für Endanwender-Linux entwickelt. Wer schnell ein funktionierendes und stabiles System braucht, ohne sich viel mit dem System selbst und der Administrierung befassen zu wollen, liegt hier richtig. Mit dem vorbildlichen, grafischen Installer („Ubiquity“) kommt im Unterschied zu vielen anderen Linux-Alternativen jeder Einsteiger zurecht. Außerdem bietet die Ubuntu-Familie bei identischer Basis unterschiedliche Ausstattungsvarianten für jeden Geschmack. Die Unterschiede dieser Varianten bestehen erstens in der jeweils individuellen Benutzeroberfläche (Desktop) und zweitens in der mitgelieferten Software.

3. Die besten „Ubuntus“ für Einsteiger

Die Oberfläche von Linux Mint orientiert sich an konservativen Bediengewohnheiten und ist damit aktuell sehr erfolgreich.

Von Ubuntu gibt es immer im Halbjahrestakt eine aktuelle April- oder Oktober-Version und ferner eine LTS-Variante (Long Term Support). LTS-Versionen haben zwar nicht die allerneuesten Funktionen, werden aber in Unternehmen wie auch bei vielen Privatanwendern bevorzugt, weil sie fünf Jahre durch Updates versorgt werden. Die Zwischenversionen erhalten nur neun Monate lang Support. Wenn Sie sich heute für ein LTS 14.04 entscheiden, läuft dessen Support noch bis Juli 2019. Ubuntu erlaubt aber in jedem Fall auch ein direktes Upgrade auf die jeweils nachfolgende Version. LTS-Versionen bekommen durch größere Update-Sammlungen ähnlich den Service Packs unter Windows Subversionsnummern.

Ubuntu: Die Ubuntu-Hauptversion bringt eine gute bis sehr gute Software-Ausstattung für sämtliche gängige Alltagsaufgaben mit. Als Desktop dient hier die Eigenentwicklung Unity der Ubuntu-Firma Canonical. Diese Oberfläche stellt eine systemnahe Hauptleiste oben und eine Starterleiste für Programme links bereit. Das Konzept überzeugt nicht nur ästhetisch, sondern leuchtet auch sofort ein. Die sehr einfache, aber schicke Unity-Oberfläche eignet sich ideal für Linux-Anfänger, die wenig System und viel Software sehen wollen. Systemeinstellungen und Anpassungsmöglichkeiten sind auf das Notwendigste reduziert. Ungeachtet der einfachen Oberfläche fordert Ubuntu halbwegs aktuelle Hardware mit 2 GB RAM sowie einem Dualcore-Prozessor oder besser.

Xubuntu mit XFCE-Desktop ist ein ideales System für Netbooks, wo früher ein Windows XP lief.

Xubuntu: Das „X“ in Xubuntu signalisiert Linux-Kennern den Hauptunterschied zur Hauptversion, nämlich die Benutzeroberfläche XFCE (anstatt Unity). Dieser ausgereifte Desktop mit klassischem Startmenü wirkt erst mal konservativ bis angestaubt, bietet jedoch jeden Spielraum für individuelle Gestaltung – etwas (Windows-) Erfahrung vorausgesetzt. Xubuntu bietet ein stets verfügbares Anwendungsmenü (nach Rechtsklick am Desktop) und ein Drag & Drop mit rechter Maustaste, wie Sie es sonst nur unter Windows finden. Die Software-Ausstattung ist ab Installation ziemlich vollständig, begnügt sich aber mit einfacheren Programmen. Damit und mit dem relativen Desktop-Leichtgewicht XFCE eignet sich Xubuntu auch für ältere Hardware oder schwächere Netbooks. Ein GB Speicher und eine CPU ab Pentium IV sind völlig ausreichend.

Lubuntu: Das „L“ in Lubuntu verweist auf die Benutzeroberfläche LXDE – einen spartanischen und sparsamen Desktop mit klassischem Startmenü, aber ohne Charme. Pragmatische Benutzer, denen es nur um das Ergebnis des Mausklicks geht, belohnt Lubuntu mit sehr geringen Hardware-Ansprüchen: 512 MB RAM genügen, und als CPU reicht ein Pentium III oder AMD Athlon. An Software bringt Lubuntu nur das Notwendigste mit.

Kubuntu: Das „K“ in Kubuntu steht für die anspruchsvolle KDE-Oberfläche. KDE vereint Eleganz mit Funktionalität und maximaler Konfigurierbarkeit. Die Oberfläche kann ihre Stärken jedoch nur auf relativ leistungsstarken PCs und auf großen Bildschirmen ausspielen und ist ideal für Nutzer, die Spaß am Anpassen der Arbeitsumgebung haben. Unter 2 GB RAM und Dualcore-CPU ist der Einsatz von Kubuntu allerdings nicht ratsam. Die mitgelieferte Software ist umfassend und schwergewichtig vom Office-Paket bis zum Mediaplayer.

Linux Mint: Linux Mint basiert zu großen Teilen auf Ubuntu. Das derzeit beliebteste Desktop-Linux bringt aber als wesentlichste Eigenentwicklung die Desktop-Oberfläche „Cinnamon“. Diese klassische Oberfläche ist eine Absage an Ubuntus Unity und insbesondere das Startmenü ist eine Einladung für Windows-Umsteiger. Daneben kommt Mint mit einer Vielzahl kleinerer Überarbeitungen des Ubuntu-Standards, beispielsweise mit einem verbesserten Dateimanager. Die mitgelieferte Software ist umfassend, vergleichbar Ubuntu/Kubuntu. Unter dem Strich ist Linux Mint aber aufgrund des Cinnamon-Desktops etwas anspruchsloser als Ubuntu und läuft notfalls auch mit einem GB Speicher.

4. Linux für Einsteiger auf schwacher Hardware

Ab einer CPU der Pentium-III-Klasse oder AMD Athlon und einem Arbeitsspeicher ab 512 MB finden Sie in jedem Fall eine Linux-Distribution, die der Hardware angemessen ist. Linux-Anfänger fahren mit den schon genannten Ubuntu-Varianten Xubuntu und Lubuntu am besten. Noch ressourcenschonender arbeiten Bodhi, Puppy Linux und Debian Linux, wobei Bodhi erneut auf Ubuntu basiert und deshalb dessen komfortablen Installer sowie dessen Software-Repositories nutzt.

Debian Linux: Debian ist die Ur-Mutter aller Ubuntus, sieht sich allerdings nicht als Desktop-System, sondern primär in der Serverrolle. Die Variante mit XFCE-Desktop eignet sich jedoch durchaus als Endanwendersystem, das auch die wichtigste Produktiv-Software mitbringt. Debian fordert kaum mehr Speicher als die Minimalisten Bodhi und Puppy, aber eine CPU ab Pentium IV und einem GHz aufwärts. Der informative Debian-Installer bedeutet für Windows-Umsteiger ebensowenig eine Hürde wie der klassische XFCE-Desktop.

Bodhi Linux: Bodhi, aktuell in der Version 3.0, nutzt als Oberfläche Enlightenment (Version 19). Hier wird es hardware-technisch wirklich minimalistisch, nicht aber optisch-ästhetisch: Bodhi belegt nach der Systemanmeldung nur gut 100 MB im Speicher, mehr als 150 MB sind für das System im Dauerbetrieb nie zu messen. Mit 512 MB oder einem GB RAM ist Bodhi richtig schnell und hat Reserven für Anwendungen. Dabei ist Enlightenment ein ästhetisch ansprechender Desktop, der sich verspielte Effekte leistet. Mithilfe der „Einstellungskonsole“ lässt sich jedes Detail der Oberfläche minutiös konfigurieren. Die Starterleiste „Engage“ und das Haupt-Panel „Shelf“ können Sie nach Belieben bestücken. Ein globales Startmenü ist beim Klick auf den Desktop jederzeit abrufbereit.

HDT ist die schnellste Option für eine Hardware-Inventur, wenn ein Betriebssystem fehlt oder dafür zu umständlich ist.

Bodhi hat aber auch Nachteile: So müssen Sie beispielsweise ein gemischtsprachiges System in Kauf nehmen, und die vorinstallierte Software bringt außer dem puristischen Browser Midori kaum das Mindeste mit. Neben erforderlichen Nachinstallationen aus den Ubuntu-Quellen muss sich der Bodhi-Nutzer an die extravagante Oberfläche gewöhnen und dort mit Ungereimtheiten in den unzähligen Einstellungsoptionen rechnen. Deshalb ist das ungewöhnliche System nur experimentierfreudigen Anwendern zu empfehlen.

Puppy Linux: Puppy und seine Varianten (Quirky, Slacko) spielen in der minimalistischen Öko-Liga von Bodhi Linux. Nach der Anmeldung benötigt das System circa 115 MB Speicher, als CPU genügt schon ein 400-MHz-Prozessor. Im Gegensatz zu Bodhi Linux sieht man Puppy, das für den mobilen Einsatz auf USB- und CD-Medien konzipiert ist, seinen Sparkurs allerdings deutlich an. Installation, Einrichtung und das Nachrüsten von Software setzen ein wenig Erfahrung voraus. Ungeachtet seiner spröden Bedienung hat Puppy Linux über zehn Jahre Entwicklung hinter sich und ist daher neben Bodhi Linux der reifere Minimalist.

5. Linux auf sehr alter Hardware (ohne PAE)

PAE ist die Abkürzung für Physical Address Extension. Diese Prozessorerweiterung befähigt ältere 32-Bit-CPUs, mehr als vier GB Speicher zu verwenden.

Die PAE-Erweiterung wurde schon Mitte der 90er Jahre beim Pentium Pro und beim AMD Athlon eingeführt, jedoch baute Intel noch bis 2005 Mobilprozessoren ohne PAE (Pentium M, Celeron M). Ungeachtet des tatsächlich verbauten Speichers ist die Frage „PAE oder Non-PAE?“ bei der Installation von Linux-Systemen auf älteren bis alten Geräten vorab zu klären: Systeme wie Ubuntu, Mint, Open Suse und auch die schlankeren Ubuntu-Varianten Xubuntu und Lubuntu setzen nämlich eine CPU mit PAE voraus, andernfalls booten sie erst gar nicht.

Antix MX ist auf Sparsamkeit getrimmt und bietet konsequenterweise auch eine Variante für sehr alte (Non-PAE-)Rechner.

Unterstützt nun der alte Prozessor PAE oder nicht? Ohne einen empirischen Test bleibt das oft unklar. Hier hilft das Hardware Detection Tool: Wenn Sie HDT starten, wählen Sie zuerst den „Menu Mode“. HDT zeigt alle Basisinformationen zu CPU, Hauptplatine, PCI-Karten, RAM, Soundchip und Festplatten sowie das wichtige Detail der PAE-Fähigkeit. Wenn der PC die Erweiterung besitzt, erscheint unter „Processor“ das CPU-Flag „pae“.

Alternativ gibt in einem laufenden Linux-System auch dieser Befehl im Terminal die gesuchte Antwort:

grep --color pae /proc/cpuinfo

Für den Fall, dass die Ausgabe leer bleiben sollte, bietet der Rechner kein PAE.

Auf Rechnern mit PAE können Sie alle bisher genannten Systeme installieren. Wo dies nicht zutrifft, gibt es immer noch die im Folgenden genannten Spezialisten, die auch noch Altrechner ohne PAE unterstützen:

Bodhi und Puppy Linux:Von den schon genannten Minimalisten sind jeweils Varianten erhältlich, die auch ohne PAE laufen. Auf der Download-Seite von Bodhi finden Sie ein ISO-Image mit dem Namen „bodhi-3.0.0- legacy.iso“. Es ist einschlägig für Altrechner ohne PAE geeignet, wenngleich an dieser Stelle klärende Hinweise zu dieser Tatsache fehlen. Die Puppy-Systeme bieten ebenfalls Varianten für Altrechner, wenn Sie sich von der Projektseite http://puppylinux.org zu den Downloads der Einzeldistributionen führen lassen und dort ein Image mit dem Stichwort „non-pae“ oder „no-pae“ wählen.

Antix: Hier ist der Name Programm, denn Antix hat sich als System für das Recycling von Altrechnern spezialisiert und bietet unter anderem eine Non-PAE-Variante. Diesem System genügen theoretisch schon eine Pentium-IICPU und 128 MB Speicher. Dabei sieht Antix keineswegs „antik“ aus und kann mit Windows-Versionen, die auf solcher Hardware laufen (oder liefen), allemal mithalten. Die mitgebrachte Software-Ausstattung ist für alle Alltagsaufgaben gerüstet. Ein kleiner Nachteil für Linux-Anfänger ist die Paketverwaltung: Das Nachinstallieren von Software mit der Antix-Eigenentwicklung „MX-Paket-Installer“ erfordert etwas Gewöhnung.

Prozessor

Jahr

Mit PAE

Intel Pentium Pro

1995

ja

Intel Pentium III

1999

ja

AMD Athlon K7

1999

ja

Intel Pentium 4

2000

ja

Intel Pentium M Banias

2003

nein

Intel Celeron M Banias

2004

nein

Intel Pentium M Dothan

2004

nein

Intel Pentium M Dothan (Revision)

2005

ja

Intel Celeron M Dothan (Revision)

2005

ja

(PC-Welt/ad)