Die Jagd nach dem 15-Nanometer-Transistor

05.12.2001 von NICO ERNST 
Die Halbleiterbranche hat einen neuen heiligen Gral. Bis 2009 sollen Transistoren mit 15 Nanometer Gate-Länge Schaltgeschwindigkeiten von mehreren Terahertz erreichen. Die Konzepte sind höchst unterschiedlich.

Was ist allen CPUs gemeinsam? Richtig, sie sind zu langsam. Um immer höhere Geschwindigkeiten zu erreichen, unterliegen die Halbleiterhersteller dem Zwang zur Miniaturisierung. Dafür sorgt eine Reihe von Abhängigkeiten.

Das erste Paradigma ist die Kühlung. CPUs müssen, um die PC-Kosten im Rahmen zu halten, auch in Zukunft mit Luftkühlung auskommen. Der Takt lässt sich also nur steigern, wenn die Leistungsaufnahme gleich bleibt. Daher sind die Prozessor-Designer bemüht, die Spannung der CPUs ständig zu senken. Bei geringerer Spannung muss aber der Widerstand der Leiterbahnen kleiner werden, damit noch genügend Elektronen fließen.

Daneben sollen die Prozessoren auch immer mehr können, was neue Funktionseinheiten und größere Caches erfordert. Damit die CPUs trotz steigender Transistorzahl noch wirtschaftlich zu produzieren sind, müssen die Dies immer kleiner oder zumindest nicht größer werden. Ein Beispiel ist Intels Pentium 4. Der erste Core, Codename Willamette, kam im November 2000 mit 217 Quadratmillimetern Größe auf den Markt. Nach unbestätigten Informationen soll er im Januar 2001 durch den neuen Core, Codename Northwood, ersetzt werden. Northwood verfügt mit 512 KByte über doppelt so viel L2-Cache, ist aber mit 146 Quadratmillimetern deutlich kleiner. Möglich macht das ein Wechsel von 0,18-Mikron-Technologie zu 0,13 Mikron Strukturbreite.

Die gesamte Strukturbreite, und damit die Größe der Transistoren, ist also der entscheidende Faktor für schnellere Prozessoren. Dafür betreiben die Hersteller echte Grundlagenforschung, immer am Rande des technisch Machbaren.

Eine Milliarde Transistoren in 2007

Im Jahr 2001 jagte ein Rekord-Transistor den nächsten. Dabei macht der Fortschritt der Halbleiter-Industrie keineswegs große Sprünge - die Firmen blicken nur immer weiter in die Zukunft. Bei der anhaltend schlechten Marktlage ist man eben um jede gute Nachricht bemüht, auch wenn man dafür Einblick in die Forschungsabteilungen gewähren lassen muss.

Als mittelfristiges Ziel verkünden die Halbleiterhersteller unisono einen Transistor mit 15 Nanometer Gate-Länge. Stand der Technik sind heute 70 Nanometer, bei einer gesamten Strukturbreite von 130 Nanometern oder 0,13 Mikron. Das Gate der Transistoren ist bedingt durch die Isolierung und Streueffekte bei der Belichtung immer wesentlich schmaler. Ab 130 Nanometern Strukturbreite ist es etwa halb so breit wie die Struktur selbst.

Der 15-nm-Transistor erscheint den Forschern als Meilenstein, weil dafür vom Schaltungsdesign selbst über die verwendeten Materialien bis zum Belichtungsprozess neue Technologien notwendig sind. 2007 will man auf dem Weg zu 15 Nanometern bei 20 Nanometern angelangt sein, und eine Milliarde Transistoren auf einem Die unterbringen.

Zum Vergleich: Der erste Pentium 4 (Willamette) besteht aus 42 Millionen Transistoren, was bei seiner Markteinführung einen Rekord für eine PC-CPU darstellte. Beim Miniaturisieren und Transistor-Stapeln ist die Halbleiterindustrie dem "Moores Law" von Intel-Mitbegründer Gordon Moore noch immer treu. Die Details dieser Regel finden sich hier.

Intel: 15 Nanometer mit neuem Dielektrikum

Bei der weiteren Verkleinerung der Transistoren stoßen die Forscher an die Grenzen der bisher verwendeten Materialien. Besonders schwierig wird es, die Ladung des Gates zu halten. Dafür ist der Schalter am Boden mit einem Dielektrikum isoliert, wie das folgende Bild zeigt.

Bisher war dieses Dielektrikum aus Silizium-Dioxid recht einfach herzustellen. Das Silizium wurde in einer Sauerstoffatmosphäre einfach oxidiert. Doch schon bei Transistoren mit 20 Nanometern Gate-Länge zeigte sich, dass das Gate-Oxid mit einer Dicke von nur noch drei Atomlagen ausgereizt ist. Die Ströme fließen teilweise auch durch das Gate-Oxid, sie lecken also - daher wird der Effekt auch "Leakage" genannt. Ein Erhöhen der Spannung wäre der einfachste Ausweg, was aber aus thermischen Gründen nicht in Frage kommt.

Intel experimentiert daher mit neuen Dielektrika aus Titan-, Hafnium-, Zirconium- oder Tantaloxid. Was so trivial klingt, bedingt aber einen neuen komplexen Arbeitsschritt mit Materialien, die bislang bei der Halbleiterherstellung nicht verwendet wurden.

Eine weitere Maßnahme zur Kontrolle der Leckströme ist ein veränderter Aufbau der SOI-Strukturen. Dadurch soll sich auch die Soft-Error-Rate, die beispielsweise durch Alphateilchen entsteht, verringern. Details zu SOI sind hier zu finden.

AMD: Neues Oxid als Dielektrikum

Auch AMD reiht sich in die Liga der 15-Nanometer-Bastler ein. Während der Anfang Dezember in der US-Hauptstadt Washington stattfindenden Konferenz "International Electronic Devices Meeting" (IEDM) hat AMD dazu erstmals Details genannt. So soll der neue Transistor auf Schaltungen mit Strukturbreiten von 30 Nanometern oder 0,03 Mikron ab 2009 in Serie gefertigt werden. Er benötigt mit 0,8 Volt nur noch halb so viel Spannung wie die jetzt aktuellen Transistoren in Mikroprozessoren.

Die Schaltgeschwindigkeit des Transistors selbst soll laut AMD 3,33 Terahertz betragen. Damit wären, grob überschlagen, CPUs mit Dutzenden von Gigahertz möglich. Bei Kommunikations-Chips, die komplett synchron arbeiten, wären auch echte Terahertz-Prozessoren denkbar. Auch Intel will mit seinen Transistoren mehrere Terahertz erreichen.

Bild: AMD

Im obigen Bild wird besonders deutlich, wie klein die Strukturen schon sind. Unter dem Transmissions-Elektronenmikroskop lassen sich an der Grenze zwischen Dielektrikum und dem Substrat die Atome nachzählen.

IBM: Double-Gate-Transistoren

IBM, die bereits den Kupfer- und den SOI-Prozess für AMD entwickelt hatten, geht noch einen Schritt weiter. Dort wird derzeit ein Transistor mit zwei statt dem bisher einen Gate entwickelt. Diese Gates werden durch einen Silizium-Finne getrennt. Daher auch der Name "FinFET". FET ist die bekannte Abkürzung für "Field Effect Transistor" - auf diesem Schaltungsprinzip basieren alle schnellen Halbleiter mit Transistoren.

Die beiden Gates sollen die Ladung besser festhalten können, als das bei einem einzelnen Gate der Fall wäre. IBM verspricht sich von dem neuen Transistor-Design mehr Spielraum für Verkleinerungen der Strukturen. Wie klein der auch als Aufnahme aus dem Elektronenmikroskop gezeigte FinFET bereits ist, gab IBM nicht an.

Dennoch ist der Double-Gate-Transistor mit IBMs jüngster Veröffentlichung über das Stadium einer Theorie hinaus. Der Ansatz unterscheidet sich deutlich von Intels Technik, die der Chip-Gigant mit seinem ersten 15-Nanometer-Transistor erläutert hatte. Dort wird der Ladungsfluss durch ein neuartiges Dielektrikum kontrolliert. Ob sich das aber weiter schrumpfen lässt, muss die Zukunft zeigen.

EUV als Schlüsseltechnologie

Parallel zu den Material- und Schaltungsfragen arbeiten die Halbleiterhersteller zusammen, um dieser Mini-Transistoren auch in Serie fertigen zu können. Ultraviolettes Licht, wie es jetzt verwendet wird, reicht dazu nicht mehr aus. Das Schlagwort heißt "EUV", "Extreme Ultraviolet".

Bereits 1997 gründeten Intel, Motorola und AMD die EUV LLC. In diesem Konsortium wollen sich die treibenden Kräfte der Halbleiter-Industrie Wissen und Ressourcen teilen, um EUV serienreif zu machen. Die Lithographie mit extrem ultraviolettem Licht, das weit außerhalb des sichtbaren Spektrums liegt, soll mehrere Prozessgenerationen überdauern.

EUV-Licht mit seiner extrem kurzen Wellenlänge von 11 bis 14 Nanometern wird in der Atmosphäre und von den meisten Materialien absorbiert. Die Materialien für die EUV-Masken, mit denen belichtet wird, arbeiten daher als Spiegelmasken. Sie dürfen bei Temperaturänderungen die Form nur minimal ändern. Um dies zu erreichen, wird ein Substrat mit einer besonders niedrigen thermischen Ausdehnung mit mehreren Schichten aus sehr dünnem Silizium und Molybdän überzogen. Dieses spezielle Substrat erzeugt einen hochreflektierenden Spiegel, der zur Wellenlänge des EUV-Lichts passt. Der Spiegel stellt eine leere Schablone dar, auf die dann Muster der Masken aufgebracht werden können.

Fazit

Silizium als Halbleiter hat noch lange nicht ausgedient, auch wenn schon Mitte der achtziger Jahre Stimmen laut wurden, die zur Jahrtausendwende die Krise prophezeit hatten - die kam zwar auch, aber nur an der wirtschaftlichen Front.

Wissenschaftlich gesehen, scheinen die Probleme auf dem Weg zum 15-Nanometer-Transistor durchaus lösbar. Im Jahr 2009 soll es schließlich soweit sein. Die Grundlagentechniken wie EUV-Lithographie und neuen Dielektrika könnten diese Dekade sogar noch überdauern.

Zumindest für die nächsten zehn Jahre scheint also die dauernde Leistungssteigerung der Mikroprozessoren gesichert. Intel spricht jetzt schon von 20 GHz-Prozessoren für das Jahr 2007. Ob man die allerdings auch noch verkaufen kann, oder die Kunden irgendwann beim Gigahertz-Wettrüsten nicht mehr mitspielen, ist eine andere Frage. (nie)