Internet der Dinge und CRM

Die Integration von Sensoren und Kunden

08.11.2015 von Carsten Rust
Das Prinzip des Always Online ermöglicht auch eine autonome Kommunikation von Geräten und Systemen. Um das Potential dieser Technologie auch für Kundenbeziehungen voll zu nut-zen, müssen die entsprechenden Prozesse in ein CRM einge-bunden werden. Dabei müssen Unternehmen darauf achten, dass nicht neue isolierte Strukturen entstehen.

Mit der Versteigerung der UMTS-Lizenzen fiel im Jahr 2000 der Startschuss für die beispiellose Karriere des Always Online. Natürlich gibt es dabei zum Verdruss der Nutzer immer noch Lücken, nicht verfügbare WLANs oder simpler Funkschatten. Dennoch ist die Sache damit schon eindeutig qualifiziert: Dergleichen muss und wird früher oder später aus der Welt geschafft werden - flächendeckendes Always Online ist als Maßstab etabliert.

Ein Zusammenwirken verschiedener Technologien ist notwendig für eine Optimierung der IoT-Strategien.
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Mobile Systeme und Web haben in den letzten eineinhalb Jahrzehnten für eine allgemein und überall verfügbare Kommunikations-Infrastruktur gesorgt, die eine wesentliche Voraussetzung für einen weiteren Schritt ist: die Vernetzung nicht nur von Geräten, die von Nutzern bedient werden, sondern auch von Systemen, die ein Stück weit autonom agieren und selbstständig untereinander kommunizieren können - also für das Internet der Dinge (IoT). Es findet in der mobilen Web-Welt die nötigen technischen Voraussetzungen.

Parallel zur Entwicklung der Kommunikations-Infrastruktur wurden auch die Sensoren, die "Dingen" erst ihre Interaktionsfähigkeit verleihen, sowie diejenigen Bauteile, die für Kommunikationsfähigkeit sorgen, soweit verkleinert, dass sie nun nahezu ohne Einschränkungen durch Abmessungen oder Gewicht überall eingebaut werden können. Und schließlich haben sich auch die Kosten der Sensoren wie auch die Kosten für die Inanspruchnahme der Kommunikations-Infrastruktur erheblich verringert.

Damit kann heute wirklich alles, was unter die Kategorie "Ding" fällt, mit dem Internet kommunizieren. Bis 2020 sollen dann auch rund 20 Milliarden Geräte vernetzt sein; ein Plafond ist damit sicher nicht erreicht.

IoT im Szenarium

Kein Wunder, dass an Anwendungsszenarien und -beispielen auch in Hinblick auf das Thema CMR kein Mangel besteht. Wenn derzeit noch ein gewisser Überhang von Ideen, Entwürfen und Pilot-Projekten über bereits realisierten und auch kommerziell erfolgreichen Anwendungen zu beobachten ist, so liegt das in der Natur der vergleichsweise neuen Sache. Mit Device Directed Warranty oder Prescriptive Maintanance gibt es dabei mittlerweile sogar eine eigene Klasse von Anwendungen. Hier überwachen Sensoren laufend den Betrieb von Geräten oder Anlagen, das ist gängige Praxis in der Industrie.

Im IoT werden Unregelmäßigkeiten im Betrieb dann autonom via Web kommuniziert. Beispielsweise verschickt eine Turbine Nachrichten über Drehzahl und Temperatur des Lagers. Anhand der Daten wird erkannt, dass die Temperatur zu hoch ist und die Drehzahl schwankt. Sind beide Werte außerhalb der Toleranzwerte, wird in Konsequenz automatisch ein Service-Fall eröffnet, in dem eine vorzeitige Wartung des Gerätes veranlasst, mögliche Ersatzteile beschafft, sowie eine etwaige Gewährleistung geprüft wird.

Zu den typischen Szenarien im Schnittbereich von industriellen und privaten Anwendungen zählt das Konzept des "Connected Car". Hier sind geeignete Komponenten eines Fahrzeugs mit Sensoren ausgestattet, die Unregelmäßigkeiten in Betriebszuständen über die bloße Störungsmeldung hinaus, anden Faher melden. Dieser erhält pro-aktiv Vorschläge, beispielsweise die Anfahrtsbeschreibung zur nächstgelegenen Werkstatt oder Terminvorschläge für einen späteren Werkstattbesuch. Diese Technologien sind ab der oberen Mittelklasse längst Realität. Weiterhin können solche Systeme auch autonom Kontakt mit Service-Stellen aufnehmen. Bei sich häufenden, ähnlichen Unregelmäßigkeiten, können im Hintergrund zusätzlich Qualitätsverbesserungsmaßnahmen angestoßen werden.

Konkret umgesetzt wird dieses Konzept beispielsweise in den intelligenten Fahrzeugsystemen verschiedener Automobilhersteller, die unter anderem eine Art erweiterten Kfz-Schutzbrief in der digitalen Welt bieten. Bei einem Unfall wird automatisch einen Hilferuf versendet, zum Beispiel wenn ein Airbag aktiviert wird. Für den Hilferuf wird nun in einem Case-Management-System automatisch ein Vorgang eröffnet. Hierbei ergreift das Case Management autonom Maßnahmen, es veranlasst einen Rückruf beim Fahrer, es kann die Polizei verständigen und auch Mietwagen oder Werkstatt organisieren.

Ansatzpunkte für das CRM

Derartige Anwendungsfälle klingen für sich wenig revolutionär. Dass Ma­schinen ihre Betriebszustände weitermelden, ist Standard. Neu ist im IoT zum einen, dass dafür überall eine Infrastruktur zur Verfügung steht. Man muss also nicht, wenn man irgendwo ein Windrad oder einen Getränkeautoamten aufstellt, zuerst eine Infrastruktur schaffen. Es reicht die standardisierte Schnittstelle zum Internet.

Zum anderen ergeben sich aus der Vielzahl bereits im IoT vorhandener Systeme neue Kommunikationsmöglichkeiten und -strukturen. Die Systeme können, wo es sinnvoll ist, auch untereinander autonom kommunizieren. So zum Beispiel das Windrad mit dem Getränkeautomaten - vielleicht werden dann bei Starkwind die Getränke mit Deckel ausgegeben. Wie erwähnt: sachlich sinnvoll müssen die Anwendungen natürlich schon bleiben, die bloße Demonstration des technisch Machbaren wäre kommerziell sicher problematisch.

Soweit Kunden in den IoT-Szenarien eine Rolle spielen - in den genannten Beispielen der Fahrer eines Connected Car oder der Käufer am Getränkeautomaten - führt IoT zwangsläufig immer auch zum Thema CRM. Die Grundidee des CRM ist es, die Beziehung von Anbietern zu ihren Kunden zu managen und daraus zusätzliches Geschäft zu generieren, bei gleichzeitig gesteigerter Kundenzufriedenheit. Wenn man IoT als weiteren, nicht isolierten, digitalen Kommunikationskanal mit dem Kunden versteht, bei dem eben die Interaktion durch ein Gerät und nicht den Kunden selber initiiert wird, ergeben sich große Potenziale für eine digitale Transformation auf dem Weg zur nächsten Evolutionsstufe des CRM.

Um dieses Potenzial zu nutzen, reicht die bloße Vernetzung von Geräten nicht aus. Wichtiger ist, wie man die neuen Möglichkeiten der automatisierten Interaktion im Sinne einer Weiterentwicklung der Kundenbeziehung nutzt und welche Systeme man dafür benötigt. Dabei sind zwei Aspekte zu unterscheiden:

Diese Aspekte beschreiben auch den Fokus der meisten am Markt verfügbaren Lösungen im Kontext von IoT.

Integriertes CRM

Um aber das Potential des CRM-Ge­dankens in vollem Umfang nutzen zu können, braucht es mehr. Vor allem müssen Anwender dafür sorgen, dass im Zuge von IoT nicht wieder neue isolierte Sphären entstehen, die dann erst noch mühsam und mit großem Aufwand in die vorhandenen CRM-Strukturen integriert werden müssen. Wichtig sind hier drei Punkte:

  1. Mit Regelbasierung und Entscheidungslogik lassen sich aus den gewonnen Erkenntnissen, auf die Bedürfnisse des Kunden zugeschnittene Handlungsempfehlungen im Sinne einer Next Best Action ermitteln.

  2. Für ein optimales Kundenerlebnis müssen die im Rahmen der Next Best Action gemachten Zusagen natürlich zwingend eingehalten werden. Der Techniker, den eine Turbine autonom anfordert, muss eben auch tatsächlich erscheinen. Um die entsprechenden Prozesse sicherzustellen und ihrerseits zu automatisieren, wird Business Process und Case Management nötig. IoT erweitert sich damit zum Process of everything.

  3. Da durch IoT kundenbezogene Interaktionen automatisiert ausgelöst werden, ist eine umfassende Transparenz notwendig. Der Kunde muss pro-aktiv darüber informiert werden, welche Interaktion aus welchem Grund bearbeitet wird. Der Kunde darf sich nicht durch Maschinen entmündigt fühlen. Teil dieser Transparenz ist eine kanalübergreifende, einheitliche Kommunikation und Ausführung der oben genannten Prozesse.

Durch Sensoren überwachte Anlagen müssen in ein CRM-Gesamtkonzept integriert sein.
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Es bleibt zu klären, wie die beschriebenen Konzepte in der Praxis idealerweise zusammenarbeiten. Dafür soll noch einmal das Beispiel der Turbine in einem Kraftwerk dienen: Kritisch für einen reibungslosen Betrieb im Sinne maximaler Verfügbarkeit und Zuverlässigkeit ist die kontinuierliche Überwachung relevanter Parameter wie Drehzahl, Temperatur des Lagers oder Spitzenlasten. Natürlich bietet moderne Leittechnik dem Kraftwerksbetreiber die dafür notwendige Transparenz. Darüber hinaus lassen sich mit einem IoT-Ansatz aber zusätzliche Mehrwerte erreichen:

1. Die Turbine ist mit dem Internet verbunden und sendet Nachrichten über ihren Betriebszustand an eine vom Hersteller der Kraftwerkstechnik in der Cloud betriebene Lösung, die die eingehenden Nachrichten mittels Complex Event Processing erkennt, analysiert und für die weitere Verarbeitung vorbereitet. Um die massenhaft anfallenden Daten in Form von Nachrichten zu speichern sind Big-Data-Kon­zepte notwendig. Im genannten Beispiel zeigen die Daten der Turbine auffällige Schwankungen der Drehzahl und eine erhöhte Temperatur.

2. Aus den von allen vernetzten Turbinen gesammelten Daten werden mittels Analytics-Methoden Muster erkannt, die dann für die Vorhersage in einem Predictive-Modell, beispielsweise hinsichtlich der Ausfallwahrscheinlichkeit einer Turbine, verwendet werden können.

3. Lösungen für das Decision Management bieten Verfahren wie Score Cards, Entscheidungstabellen oder -bäume oder auch komplexe Decisioning-Strategien, die unter Verwendung der Vorhersage-Modelle pro-aktiv Lösungen - Next Best Action - für eine aktuelle Situation vorschlagen.
Im Beispiel der Turbine deuten die Parameter vielleicht auf einen wahrscheinlichen Ausfall hin und das System schlägt vor die Wartung der Turbine durch einen Techniker vorzuziehen. Aus den erzielten Ergebnissen der vorgeschlagenen Aktivitäten lassen sich wiederum Rückschlüsse über deren Effektivität ziehen.

4. Das Decision-Management-System nutzt diese Erkenntnisse um Entscheidungsstrategien selbstlernend anzupassen, führt also Adaptive Decisioning durch.

5. Bei der Koordination und Sicherstellung des reibungslosen Ablaufs der Wartung und aller sich daraus ergebenden Aktivitäten hilft ein Case- beziehungsweise Business-Process-Management-System.Dafür wird im Customer-Service-System pro-aktiv ein Vorgang (Case) eröffnet, der alle notwendigen Aktivitäten als Business-Prozesse oder Sub-Cases bündelt. Im Fallbeispiel wären das zum Beispiel:

6. Die Transparenz aller Case-Management-Aktivitäten muss über alle Kanäle, über die die Beteiligten kommunizieren, gegeben sein. Für die reibungslose Instandsetzung der Turbine muss der Kunde über die vorgeschlagene Wartung informiert werden. Dies kann etwa per E-Mail erfolgen oder durch den Anruf aus einem Call Center. Auch für spätere Rückfragen ist eine Integration des Customer Service Call Centers relevant, um den Kunden lückenlos informieren zu können. Um dabei die Anzahl der notwendigen Telefonate zu reduzieren, bietet sich die Nutzung eines Self-Service-Portals an. Hier kann der Kunde sich beispielsweise über den Stand der Gewährleistungsprüfung oder den anstehenden Wartungstermin informieren

7. Um dem Service-Techniker die Arbeit zu erleichtern, werden ihm relevante Informationen wie Ort, Anfahrtsbeschreibung, Problemstellung, möglicher Reparaturvorschlag, Technische Dokumentation oder Ansprechpartner beim Kunden auf seinem mobilen Endgerät bereitgestellt. Selbstverständlich erfasst der Service-Techniker auf dem Smartphone oder Tablet auch seine eigenen Arbeiten.

Im Konzept des Connected Car lösen Sensoren Aktionen aus, die von einem CRM-System überwacht und gesteuert werden. Die Lösung umfasst auch die Rückkopplung mit dem Fahrer und die Kommunikation mit externen Beteiligten.
Foto: Pegasystems

Ein derartiges Zusammenwirken der Technologien ist notwendig für eine Optimierung der IoT-Strategien. Neben der effektiven Nutzung der Technologien und des Always-Online-Konzepts, gibt es aber auch ein paar organisatorische Aspekte zu beachten. Zum einen muss der Datenschutz lückenlos geklärt und kommuniziert werden. Zum anderen müssen die sich aus der Vernetzung von Geräten ergebenden Prozesse aus Sicht des gesamten Unternehmens betrachtet werden, sonst entstehen nur neue technologische Silos. (bw)