Die hohe Kunst der Ortung

31.05.2002
Die enormen Kosten für den Kauf der UMTS-Lizenzen haben viele Provider in Geldnöte gebracht. Eine Möglichkeit, die Attraktivität ihrer Netze und damit ihre Einnahmen zu steigern, ist die Einführung von Lokalisierungsdiensten. Neben den einfacheren Methoden wie der Bestimmung der Cell-ID versprechen zwei fortschrittliche Techniken eine deutliche Verbesserung der Ortsbestimmung.

Von: Andreas Th. Fischer

Nach Ansicht vieler Experten befinden sich die so genannten "Location Based Services" (LBS) kurz vor dem Durchbruch. Marktauguren wie Mummert + Partner rechnen mit einem breiten Erfolg in spätestens drei Jahren. In NetworkWorld 9/02 haben wir bereits netzbasierte Techniken wie die Ortung mittels "Cell-ID" vorgestellt, in dieser Ausgabe stehen nun exaktere Methoden wie "Enhanced Observed Time Difference" (E-OTD) und "Assisted GPS" (A-GPS) im Vordergrund. Beide versprechen eine deutlich verbesserte Lokalisierung des Mobilgeräts.

Auf den Punkt gebracht

Wie in der vorherigen Ausgabe bereits festgestellt, genügt für die meisten LBS-Dienste eine relativ grobe Bestimmung der Position. Wer nur die lokale Wettervorhersage erfahren will, dessen Standort muss nicht bis auf wenige Meter genau bekannt sein. In anderen Bereichen gibt es aber deutlich höhere Anforderungen: So müssen seit Oktober vergangenen Jahres zwei Drittel der neu verkauften Handys in Nordamerika bei einem Notsignal (in den USA unter dem Kürzel "E-911" bekannt) mit einer Genauigkeit von mindestens 50 Metern geortet werden können. Die derzeit viel versprechendsten Techniken dafür sind E-OTD und A-GPS. Die bisherigen Cell-ID-Verfahren ergeben je nach Antennendichte des Mobilfunkanbieters eine Ortungsschärfe zwischen mehreren hundert Metern und einigen Kilometern.

E-OTD stellt deutlich höhere Anforderungen an die Hard- und Software als die weniger aufwändige Bestimmung der Cell-ID: Das Endgerät muss die Laufzeit der Sendesignale verschiedener Basisstationen messen und diese Informationen in Kreisringe um den jeweiligen Ausgangsort umwandeln. Die Position des Teilnehmers befindet sich dann an den Schnittstellen mehrerer dieser Kreisringe. Im Gegensatz zur "Timing Advance"-Methode erfolgt die Bestimmung nicht in 550-Meter-Schritten, sondern stufenlos. Allerdings verschlechtern sich die Ergebnisse durch eine mangelnde Synchronisierung der Zellen untereinander. Hier hilft man sich mit dem Einsatz von so genannten "Location Measurement Units" (LMU), deren Positionen genau bekannt sind und die ebenfalls die Laufzeit der Funksignale messen. Die Position kann durch einen Vergleich der beiden Werte errechnet werden.

Neue Endgeräte

Im Gegensatz zur Cell-ID, die rein netzbasiert ist, sind für E-OTD neue Handys oder zumindest ein Update der Betriebssoftware nötig. Es existiert allerdings auch ein System, bei dem die Berechnung der Position im Netzwerk und nicht im Endgerät erfolgt. Dieses erfordert auf der Seite des Providers zusätzliche Investitionen. Marktbeobachter rechnen mit einer Einführung von Enhanced Oberserved Time Difference noch in diesem Jahr. E-OTD ist Teil der im Frühjahr 2000 vom European Telecommunications Standards Institute (ETSI) festgeschriebenen Spezifikation "GSM 03.71".

Einer der wichtigsten Hersteller in diesem Bereich ist Cambridge Positioning System (CPS). Die E-OTD-Lösung "Cursor" des Unternehmens erreicht Genauigkeiten von bis zu 50 Metern in GSM-Netzen. CPS arbeitet mit Mobilfunkherstellern wie Ericsson, Nokia und Siemens zusammen. Nach eigenen Angaben haben sich in den USA bereits die Provider AT&T Wireless, Cingular und die Telekom-Tochter Voicestream für Cursor entschieden.

Unterstützung aus dem All

Eine weitere Leistungssteigerung ist mit Assisted GPS möglich. Das "Global Positioning System" besteht aus 24 Satelliten, welche die Erde etwa zweimal täglich in einem Abstand von rund 18 000 Kilometer umkreisen. Zur Positionsbestimmung ist der Empfang von mindestens drei Satellitensignalen erforderlich, für die Angabe der Höhe sind sogar vier Impulse notwendig. Dieses Verfahren kämpft allerdings mit dem Problem jedes Satelliten-gestützten Systems: In Ballungszentren funktionieren sie in der Regel nicht zuverlässig. Die Signale werden von Gebäuden nämlich mehrfach reflektiert, sodass eine exakte Ortsbestimmung nicht mehr möglich ist. Auch innerhalb von Fahrzeugen kommt es zu Empfangsstörungen. Bei A-GPS behilft man sich damit, dass die Anbieter am Boden zusätzliche Sender installieren, die zeitsynchronisierte Signale ausstrahlen. In den modernen urbanen Steinwüsten lassen sich damit Genauigkeiten von 30 bis 50 Metern erreichen, unter freiem Himmel sogar 5 bis 10 Meter. Das System funktioniert sogar in geschlossenen Gebäuden - keine Selbstverständlichkeit bei GPS. Im Prinzip ist A-GPS eine Kombination aus GSM und GPS, mit der sich die bislang höchste Genauigkeit erreichen lässt. Die Technik gilt aber als teuer und relativ aufwändig im Vergleich zu E-OTD.

Bei GPS ist ferner zu beachten, dass es sich hierbei um ein militärisches System der USA handelt. Es gibt also keine Gewähr, dass es immer mit der höchsten Genauigkeit zur Verfügung steht. Die amerikanischen Militärs haben jederzeit das Recht und die Möglichkeit, die Ortungsschärfe wieder zu senken oder die Abdeckung bestimmter Gebiete, wie beispielsweise im Kosovo-Konflikt geschehen, zu deaktivieren. Unter anderem auch aus diesen Gründen ist die Europäische Union bestrebt, ein eigenes ziviles Satellitennavigationssystem namens "Galileo" aufzubauen. Spätestens ab 2008 will Europa unabhängig von amerikanischen und russischen Ortungssystemen ("Glonass") aus dem All sein.

Nach Ansicht von Brigitte Zypries, Staatssekretärin im Bundesinnenministerium, sind Geoinformationen bereits heutzutage aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken. "Die Informationsgesellschaft ist auf vielfältige Geodaten angewiesen. Sie sind für die Wirtschaft ein wichtiger Standortfaktor", sagte Zypries auf dem "D21 Kongress Geoinformationswirtschaft" im Februar dieses Jahres in Bonn. Auch im Abschlusskommuniqué der zweitägigen Veranstaltung prognostizierten Professor Dr. Klaus Greve und Professor Dr. Lutz Plümer zweistellige Wachstumsraten und zahlreiche hochqualifizierte Arbeitsplätze durch die zunehmende Verbreitung der neuen Techniken.