Ratgeber Private Cloud Computing

Die Cloud im eigenen Haus

07.01.2014 von Thorsten  Göbel
Viele Mittelständler wollen oder können ihre IT-Systeme und Daten nicht in externe Rechenzentren auslagern. Um dennoch von den Vorteilen einer Cloud-Infrastruktur zu profitieren, bauen sie eine IT-Wolke im eigenen Unternehmen auf. Dabei sind jedoch einige wesentliche Aspekte zu beachten.

Cloud Computing boomt – und das auch im Mittelstand. Laut dem aktuellen Cloud-Index des Marktforschungsunternehmens Techconsult planen mehr als 60 Prozent der befragten Mittelständler, in den nächsten zwölf Monaten Cloud-Computing-Lösungen in ihren Unternehmen einzusetzen. Vor allem die flexible Nutzung und Abrechnung von IT-Ressourcen, der weltweite Zugriff auf Daten und Anwendungen und die einfache Skalierbarkeit der Systeme überzeugen offenbar immer mehr Firmenchefs vom Umstieg in die IT-Wolke. Doch trotz aller potenziellen Vorteile bleibt bei vielen Unternehmen ein zwiespältiges Gefühl, wenn es darum geht, sensible Daten in fremde Hände zu legen. Nach einer Untersuchung des Analystenhauses Pierre Audoin Consultants (PAC) im Auftrag von Pironet NDH misstrauen immer noch rund 75 Prozent der IT-Entscheider der Cloud-Technologie im Hinblick auf Datensicherheit und Datenschutz (http://www.business-cloud.de/pac-studie-private-cloud-in-deutschen-unternehmen/). Vor diesem Hintergrund versuchen einige Mittelständler, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen, indem sie die eigenen internen Systeme Cloud-fähig machen. Auf diese Weise wollen sie die Vorteile der IT-Wolke nutzen, zugleich aber die volle Autonomie und die Hoheit über ihre Daten behalten.

Definition einer unternehmensweiten Cloud-Strategie
Wer auf eine Cloud-Infrastruktur umsteigen möchte, sollte zunächst eine entsprechende Strategie definieren.
Kritische Auswahl der Cloud-fähigen Systeme und Anwendungen
Unternehmen sollten genau prüfen, welche Systeme sich für die Cloud eignen.
Auswahl eines geeigneten Beratungspartners
Ein geeigneter Beratungspartner sollte umfangreiche Erfahrungen mit unternehmensinternen Cloud-Strukturen aufweisen und Expertise im Mittelstand mitbringen.
Umfassende Konsolidierung und Standardisierung der bestehenden IT-Landschaft
Grundvoraussetzung für eine flexible Verteilung und Nutzung von Ressourcen in der Cloud ist eine weitgehende Virtualisierung der IT-Systeme.
Virtualisierung mit Hilfe spezieller Werkzeuge
Bei der Virtualisierung der Systeme können Unternehmen inzwischen auf zahlreiche unterstützende Tools zurückgreifen.
Ausbau von Hardware und Netzkapazität
Update: Beim Cloud-Umstieg nicht zu unterschätzen: die Themen Netzanbindung und Internetanschluss.
Weiterentwicklung zur Hybrid Cloud
Hybride Cloud: Viele Unternehmen kombinieren lokale und fremdbezogene Cloud-Dienste.

Private Cloud Computing: Gut geplant ist halb gewonnen

Wer auf eine Cloud-Infrastruktur umsteigen möchte, sollte bereits im Vorfeld eine unternehmensspezifische Cloud-Strategie definieren. Unter anderem gilt es zu prüfen, welche Anwendungen sich überhaupt für die IT-Wolke eignen. So gehören Standard-Geschäftsapplikationen, die häufig nachgefragt werden und hoch skalierbar sein müssen, eher in die Cloud als Anwendungen, die nur gelegentlich oder von wenigen Mitarbeitern genutzt werden.

Ebenfalls klären sollten Unternehmen, ob sie beim Umstieg in die Datenwolke Unterstützung benötigen. Denn insbesondere im Mittelstand verfügen die eigenen IT-Spezialisten oft nicht über das notwendige Know-how, um eine virtualisierte Cloud-Umgebung in Eigenregie aufzubauen und zu betreiben. In einem solchen Fall kann es sinnvoll sein, einen Beratungspartner ins Boot zu holen. Dieser sollte umfangreiche Erfahrungen mit unternehmensinternen Cloud-Strukturen aufweisen und vor allem auch Expertise im Mittelstand mitbringen. Neben diesen inhaltlichen Aspekten sollten die Verantwortlichen aber auch darauf achten, dass ein Beratungspartner kulturell und von seiner Größe her zum eigenen Unternehmen passt. Das gilt vor allem dann, wenn eine langfristige Zusammenarbeit geplant ist – zum Beispiel, weil ein Unternehmen seine Cloud-Infrastruktur später nicht selbst betreiben, sondern via Remote Access durch den Beratungspartner fernsteuern lassen möchte.

Erst konsolidieren, dann virtualisieren

Die Grundvoraussetzung für eine flexible Verteilung und Nutzung von Ressourcen in der Cloud ist eine weitgehende Virtualisierung der IT-Systeme. Das bedeutet, dass die Ressourcen eines Servers nicht mehr exklusiv von einer Anwendung beansprucht, sondern von mehreren Applikationen gemeinsam genutzt werden. Unternehmen profitieren dadurch gleich mehrfach: Teure Hardware-Ressourcen lassen sich effizienter auslasten, die Kosten für Beschaffung und Administration sinken. Zudem können neue Systeme und Anwendungen, zum Beispiel eine Testumgebung oder ein virtueller Windows-Desktop, schneller bereitgestellt werden. Um eine solche Virtualisierung der Rechen- und Speicherressourcen zu ermöglichen, muss die bestehende IT-Landschaft jedoch zunächst einmal so weit wie möglich standardisiert und konsolidiert werden. Das allein ist häufig schon eine umfangreiche und mitunter komplexe Aufgabe. Denn in vielen mittelständischen Unternehmen ist die IT-Landschaft über Jahre gewachsen und besteht folglich aus einem bunten Mix aus Hard- und Softwarelösungen.

Tools helfen bei der Virtualisierung

Wenn es um die Virtualisierung der Systeme geht, können Unternehmen inzwischen auf zahlreiche unterstützende Tools zurückgreifen. Insbesondere im Storage-Bereich haben sich in den vergangenen Jahren viele intelligente Technologien etabliert. Eine davon ist die vFiler-Technologie der Firma NetApp. Dabei wird die Storage-Infrastruktur in mehrere unabhängige Einheiten, sogenannte vFiler, aufgeteilt, die sich einzelnen Anwendungen, internen Abteilungen oder Kunden zuordnen lassen. Vorteil: Fällt ein virtualisierter Filer aus oder muss gewartet werden, lassen sich die Daten transparent auf andere Speichereinheiten verschieben, ohne dass der laufende Betrieb unterbrochen werden muss.

Neben der Standardisierung und Virtualisierung ist auch die Hardware häufig ein Flaschenhals beim Umstieg auf eine Private Cloud. Sollen Applikationen nicht mehr dezentral, sondern zentral bereitgestellt werden, kommen Unternehmen in der Regel nicht umhin, ihre Server-Infrastruktur zu erweitern oder komplett zu erneuern.

Netzanbindung im Fokus

Auch die Themen Netzanbindung und Internetanschluss sollten Mittelständler beim Umstieg in die IT-Wolke nicht unterschätzen. Denn unabhängig davon, ob man Cloud-Services über das öffentliche Internet oder ein eigenes Corporate Network bezieht: Die Bandbreite muss angemessen dimensioniert sein. Was aber, wenn sich das Unternehmen in einer Region befindet, die nicht oder nur lückenhaft mit schnellen Internetleitungen ausgestattet ist? - Hier helfen Technologien, die aus bestehenden Netzen ein Maximum an Übertragungs-geschwindigkeit herausholen. Dazu gehört unter anderem das Vermittlungsverfahren Multiprotocol Label Switching (MPLS). Es priorisiert Datenströme, räumt also beispielsweise ERP-Daten Vorrang vor E-Mails ein, um so die Informationsübertragung zu beschleunigen. Auch internationale Leitungsstrecken lassen sich mit solchen MPLS-Netzen überbrücken.

Für Unternehmen, die über mehrere Standorte verfügen und diese über Weitverkehrsnetze (WAN) verbunden haben, gibt es Mechanismen und Tools, die die Übertragungs-geschwindigkeit der Netze faktisch erhöhen. So genannte WAN-Beschleuniger komprimieren Datenströme und sorgen für ein intelligentes Caching. Dabei speichern sie genutzte Daten lokal ab, so dass diese nicht bei jedem Aufruf erneut übertragen werden müssen.

Disaster Recovery braucht auch der Mittelstand

Für Unternehmen, die sich gegen das Auslagern von IT-Kapazitäten in eine externe Cloud entscheiden, spielen häufig Sicherheits- und Datenschutzbedenken eine Rolle. Wer seine Systeme aus diesem Grund inhouse betreibt, sollte allerdings im Vorfeld genau prüfen, ob die eigene Infrastruktur überhaupt das gewünschte Sicherheitsniveau bietet. Zusätzlich spielt auch die Ausfallsicherheit der Systeme eine zunehmend wichtige Rolle. Denn auch mittelständische Unternehmen können sich heute keine längeren IT-Störungen mehr leisten. Genau wie große Konzerne müssen sie in der Lage sein, ihre Systeme nach einem Ausfall schnell wieder ans Laufen zu bringen. Wer eine eigene Cloud-Infrastruktur betreiben möchte, sollte sich daher auch mit Business Continuity- und Disaster Recovery-Konzepten auseinandersetzen. Solche Notfallstrategien rechnen sich auch schon für mittelständische Unternehmen. Denn wie alle anderen Lösungen lassen sich auch Business Continuity- und Disaster Recovery-Konzepte speziell auf die Bedürfnisse und die finanziellen Möglichkeiten eines Unternehmens zuschneiden. So gibt es in jedem Betrieb geschäftskritische Applikationen, die jederzeit hochverfügbar sein müssen, während die Nutzer auf andere Anwendungen notfalls auch einige Stunden verzichten können.

Von der Private zur Hybrid Cloud

Die Entscheidung für eine Private Cloud im eigenen Unternehmen ist grundsätzlich keine Einbahnstraße. Im Gegenteil: Wer einmal die Vorteile der IT-Wolke kennengelernt hat, wagt später häufig auch den Schritt in eine zentrale öffentliche Cloud und kombiniert lokale und fremdbezogene Cloud-Dienste. So erhalten heute viele Mittelständler ihre gängige Büro-Software von einem externen Cloud-Provider, während sie besonders sensible Systeme und Daten, etwa aus Forschung und Entwicklung, in der hauseigenen IT-Wolke betreiben. Dieser Trend hin zu hybriden Lösungen wird sich sehr wahrscheinlich fortsetzen. Denn eine solche Mischform erscheint derzeit als am besten geeignet, die Vor- und Nachteile von Private- und Public-Lösungen auszugleichen. (wh)