Moderne Arbeitskonzepte

Die Bürotür ist out

21.04.2012 von Tobias Wendehost
Die Bürowelt ist in Bewegung. Mitarbeiter sollen heute den Arbeitsplatz frei wählen und sich in offenen Räumen vernetzen. Klassische Büroräume sind von gestern, verschlossene Türen ebenfalls.

Moderne Büros haben eine Gemeinsamkeit: Sie sind von Glas umgeben. Offene Räume sind das Herz, kleine Besprechungszimmer der Kopf und Kommunikationsnetzwerke der Puls der heutigen Arbeitswelt. Nach Meinung von Arbeitsforschern ist dabei die Vernetzung der Mitarbeiter der springende Punkt. Flexibilität ist das Grundprinzip und Angestellte haben die Freiheit, dort zu arbeiten, wo sie möchten. Stefan Rief, Leiter des Competence Center "Workspace Innovation" beim Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO), nennt das Multilokalität: "Mitarbeiter suchen sich unterschiedliche Orte, um ihrer Tätigkeit nachzugehen. Flexibilität ist für sie nicht nur eine Floskel, sondern gewollt."

Das IAO in Stuttgart erforscht die Zukunft dieser Multilokalität. Mit dem gewonnen Wissen berät das Institut Unternehmen und versucht im Einzelfall das Wechselverhältnis zwischen Arbeitsraum, Arbeitsgestaltung und Technologie zu analysieren. Laut Rief ist es für die Firmen bedeutungslos, wo die Angestellten gerade sind: "Viele Menschen sind heute nicht mehr an ihr Unternehmen gebunden, da sie unterwegs oder vom Home-Office arbeiten. Wichtig ist, dass sie den Ort als attraktiv empfinden." Dass Angestellte heute weniger ortsgebunden sind als noch vor wenigen Jahren, deckt sich mit den Ergebnis einer IDC Studie: Bereits 2008 stellten mobile Arbeitnehmer rund 49 Prozent der etwa 198 Millionen Erwerbtätigen in Westeuropa. Und die Zahl wächst stetig weiter: Bis 2013 erwarten die Analysten insgesamt 129,5 Millionen Beschäftigte, die einer mobilen Tätigkeit nachgehen.

Flexible neue Bürowelt
Accenture
Accenture hat sein neues Bürogebäude in München im Mai 2010 eröffnet.
Accenture
Große Glasfassaden, Ruhezonen, Besprechungsräume mit Telepresence und weite Flächen bestimmen das Bild.
Accenture
Wände, Vorhänge und Stühle sind je nach Stockwerk in bunten Farbtönen gehalten. Freihängende oder stehende Wände und Deckenpaneele absorbieren die Geräusche.
Accenture
Auf den Schreibtischen befinden sich lediglich Telefone und Netzwerkkabel. Wer mehrere Tage im Gebäude ist, kann seine Utensilien in Schließfächern verstauen.
Siemens
Die Herausforderungen, die sich durch das "Siemens Office" ergeben, sind gewaltig: Etwa 140.000 Arbeitplätze werden über die kommenden Jahre umgestaltet.
Siemens
Unter "Siemens Office" versteht der Konzern fünf Kernelemente: mobile Working, Work-Life-Integration, mobile IT, offene Bürolandschaften und die freie Arbeitsplatzwahl.
Siemens
Zur offenen Bürolandschaft gehören weite Räume und "Think Tanks", die durch Glaswände abgetrennt sind und für Besprechungen oder längere Telefonate genutzt werden. Als Raumteiler dienen Bambusstäbe und Pflanzen.
Siemens
Spezielle "Meet-and-Talk"-Bereiche sind für Gespräche und Telefonate vorgesehen.
Telefónica
Auch Telefónica erprobt gerade ein neues Bürokonzept.
Telefónica
Um das Zwischenergebnis zu begutachten, muss man mit dem Fahrstuhl 36 Stockwerke nach oben fahren, denn eines der drei Pilotprojekte befindet sich im "Uptown München", dem höchsten Gebäude der Stadt.
Telefónica
Die Bürofläche ist in verschiedene Zonen eingeteilt: Erst betritt man eine große Lounge, dann verschiedene Arbeitsbereiche. Im Inneren des Bürokomplexes sind verschiedene Besprechungsräume und Fokus-Boxen, in die sich die Angestellten für Gespräche zurückziehen.
Telefónica
Der Laptop wird am Schreibtisch per USB-Dockingstation an das Firmennetz angeschlossen, ansonsten ist alles mit WLAN ausgeleuchtet, um Bewegungsfreiheit zu haben.

Klassische Büros sind kontraproduktiv

Klassische Büros sind nach Meinung der Forscher kontraproduktiv: Kleine Büroeinheiten erschweren die Kommunikation untereinander und technisch veraltete Hilfsmittel verzögern den Arbeitsprozess. Zudem müssen sich Unternehmen in den nächsten Jahren mit dem demographische Wandel und seinen Konsequenzen stärker als bisher auseinandersetzen. Die Firmen müssen als Arbeitgeber interessant sein, um den "War for Talents" nicht zu verschlafen. Flexible Arbeitsbedingungen können eine Lösung sein, da junge Talente nach attraktiven Arbeitsbedingungen Ausschau halten.

Mit der Vielfalt neuer Konzepte sind die Anforderungen an die IT-Abteilungen und Personal-Manager gewachsen. Konzepte zu den Themen Desk-Sharing oder Bring your own Device (ByoD) werden von Experten gefordert. Dennoch wird ByoD von vielen Firmen bei der Umgestaltung ausgegrenzt. So implementieren weder Siemens noch Telefónica, deren Bürokonzepte noch erläutert werden, derzeit eine entsprechende IT-Struktur und setzen vollständig auf die zur Verfügung gestellten Geräte. Für die IT-Leiter in den Unternehmen sind die komplexe Umsetzung und mögliche Sicherheitsrisiken immer noch die Hauptgründe für die Ausgrenzung von ByoD. Doch wie sehen moderne Arbeitsplatzkonzepten in den Firmen konkret aus? Wir haben uns in drei Unternehmen umgeschaut, die neue Wege bei der Arbeitsplatzgestaltung gehen.

Quelle Teaserbild: Accenture

"Wir benötigen keine festen Arbeitsplätze"

Eine Berufsgruppe, die seit Jahren ein flexibles Arbeitskonzept nutzt, ist die Beraterbranche. "Unsere Consultants sind häufig bei den Kunden vor Ort, also benötigen sie keinen festen Arbeitsplatz", begründet Jens Flick, Location Coordinator bei Accenture in München, die Umgestaltung der Büros. Im Mai 2010 hat Accenture ein neues Gebäude in München eröffnet, das als Blaupause für den modernen Arbeitsplatz herhalten kann. Große Glasfassaden, Ruhezonen, Besprechungsräume mit Telepresence und weite Flächen bestimmen das Bild.

Jens Flick, Location Coordinator bei Accenture in München: "Unsere Consultants sind häufig bei den Kunden vor Ort, also benötigen sie keinen festen Arbeitsplatz".
Foto: Accenture

Einzelbüros sucht man fast vergeblich. Lediglich kleine Zellen, die als Telefonkabinen fungieren, sind am Rand der großen Büros zu finden. Wände, Vorhänge und Stühle sind je nach Stockwerk in bunten Farbtönen gehalten. Freihängende oder stehende Wände und Deckenpaneele absorbieren die Geräusche. Ein Wintergarten mit tropischem Flair wird als Rückzugsfläche genutzt. Alles ist größer, aber auch unpersönlicher als in klassischen Büroräumen.

Am Standort München arbeiten 1200 Mitarbeiter, permanent vor Ort sind lediglich 40. Hierzu zählen Servicekräfte und die Geschäftsleitung. Insgesamt befinden sich auf einer Fläche von 4000 Quadratmeter 100 klassische Arbeitsplätze und 100 flexible Arbeitsmöglichkeiten, zu denen die Telefonräume sowie Stehtische im Wintergarten zählen. "Da die Berater nur unregelmäßig im Büro sind, kalkulieren wir mit einem Verhältnis von einem Arbeitsplatz für sieben Mitarbeiter", rechnet Flick vor. Eine effiziente Flächennutzung ist für Accenture also entscheidend. Um das zu verdeutlichen, nennt die Unternehmensberatung konkrete Zahlen für die Flächennutzung: Wurden bis 2002 noch mit 19 Quadratmeter pro Arbeitseinheit sowie neun Quadratmeter pro Angestellten geplant, hat sich der Wert auf elf bis 14 Quadratmeter pro Arbeitseinheit beziehungsweise sechs Quadratmeter pro Kopf deutlich verringert. Gleichzeitig stieg die Büroplatznutzung von 50 auf 85 Prozent.

Arbeiten wie im Hotel

Flicks Aufgabe besteht darin, diesen Mitarbeiterstrom mit den Serviceangestellten zu verwalten: "Wir nennen unser Konzept ‚hoteling‘, da unsere Dienstleistungen an einen Hotelbetrieb erinnern." Die Berater checken mit ihrer Mitarbeiterkarte nur noch vor Ort ein und setzen sich an einen vorgebuchten Arbeitsplatz. "Wir haben eine Rezeption, bieten alle nötigen Dienstleistungen an, stellen Meeting-Rooms zur Verfügung und kümmern uns um die Sicherheit", beschreibt der Location Manager seine Aufgaben.

Offen: Wände, Vorhänge und Stühle sind bei Accenture je nach Stockwerk in bunten Farbtönen gehalten. Freihängende oder stehende Wände und Deckenpaneele absorbieren die Geräusche.
Foto: Accenture

Auf den Schreibtischen befinden sich lediglich Telefone und Netzwerkkabel. Wer mehrere Tage im Gebäude ist, kann seine Utensilien in Schließfächern verstauen. Papier fällt kaum noch an. "Verträge und wichtige Dokumente werden von einem externen Anbieter archiviert und verwaltet", so Flick.

Accenture praktiziert das Konzept mittlerweile an allen Standorten. Bis auf wenige Unterschiede ist das Grundprinzip immer gleich: offene Büroflächen und vorbuchbare Arbeitsplätze. Alles Faktoren, die Geld und Energie einsparen. "Für uns war das Thema Nachhaltigkeit wichtig. Die LED-Lampen verbrauchen weniger Strom und durch die zentralen Mülleimer wird weniger Abfall produziert. Damit sparen wir natürlich Geld", bemerkt er abschließend.

Ambitionierte Ziele

Auch Guido Jagusch erlebt derzeit Veränderungen in seinem Arbeitsalltag. Der Manager bei Siemens Real Estate (SRE) wirbt für "Siemens Office". Das Konzept ist mit der Umsetzung bei Accenture vergleichbar.

Guido Jagusch, Siemens Real Estate: wirbt derzeit für das Konzept "Siemens Office".
Foto: Siemens

Die Herausforderungen sind allerdings größer: "In der Gesamtsumme wird Siemens Office über die kommenden Jahre bei etwa 140.000 Angestellte und auf rund 2,3 Millionen Quadratmeter Fläche umgesetzt", meint Jagusch. Der langfristige Umbauprozess soll 2018 abgeschlossen sein. Bei einem Projekt dieser Größenordnung hat Siemens von Beginn an bereichsübergreifend gearbeitet und die Personal- sowie IT-Abteilung einbezogen.

Unter "Siemens Office" versteht der Konzern fünf Kernelemente: mobile Working, Work-Life-Integration, mobile IT, offene Bürolandschaften und die freie Arbeitsplatzwahl. Jagusch betrachtet "Siemens Office" aufgrund dieses tiefgreifenden Wandels in erster Linie als umfassendes Arbeitskonzept. So werden die Mitarbeiter ermutigt bis zu 20 Prozent ihrer Arbeit vom Home Office nachzugehen. Durch die freie Wahl des Schreibtischs können sich Angestellte an jeden möglichen Ort setzen.

Christoph Leitgeb, Siemens Real Estate: "Wir rechnen im Durchschnitt bei der Umsetzung mit zehn Arbeitsplätzen für 13 Mitarbeiter."
Foto: Siemens

"Wir rechnen im Durchschnitt bei der Umsetzung mit zehn Arbeitsplätzen für 13 Mitarbeiter. Jede Einheit wird vor Einführung jedoch analysiert. So können im Vertrieb oder Service höhere Quoten erreicht werden als in kaufmännischen Funktionen", meint Christoph Leitgeb, bei SRE für die Umsetzung des Konzepts zuständig. Wie bei Accenture bringt diese Rechnung eine effektive Flächenersparnis. Laut Siemens bei optimaler Umsetzung zwischen 20 und 25 Prozent.

IT vereinfacht Arbeitsabläufe

Doch die Umgestaltung verspricht nicht nur Einsparungen, sondern auch vereinfachte Abläufe. Die Funktion "Follow-Me-Print" ermöglicht zum Beispiel den Ausdruck eines Dokuments an jedem vorhandenen Multifunktionsdrucker und verkürzt damit die Wege. Spezielle Soft-Phones, die auf Voice over IP (VoIP) basieren, sind überall einsetzbar. Die persönliche Telefonnummer wandert mit. Die Clean-Desk-Policy bewirkt, dass jeder Schreibtisch leer verlassen wird. Arbeitsmaterialen und technisches Equipment kann jeder Mitarbeiter in einem Spind verstauen.

Herausforderungen: Bei SRE werden durch das "Siemens Office" etwa 140.000 Arbeitsplätze über die kommenden Jahre umgestaltet.
Foto: Siemens

Zur offenen Bürolandschaft gehören weite Räume und "Think Tanks", die durch Glaswände abgetrennt sind und für Besprechungen oder längere Telefonate genutzt werden. Als Raumteiler dienen Bambusstäbe und Pflanzen. Neben diesen Elementen wird auf die Infrastruktur im Büroumfeld geachtet. Restaurants für Mitarbeiter und Gäste, Sportstätten oder Kinderbetreuungsangebote sollen die Arbeit attraktiv gestalten.

Bis auf wenige Anfangsschwierigkeiten hätte es laut Jagusch kaum Kritik von Seiten der Angestellten gegeben: "Gemeinsam mit den Kollegen haben wir fünf Regeln aufgesetzt, die die Zusammenarbeit in der offenen Bürolandschaft erleichtert und von allen akzeptiert wird." So sollen beispielsweise laute Gespräche nur in "Meet-and-Talk"-Bereichen stattfinden. Kommt es zum Schreibtischengpass in einer Abteilung, können sich die Mitarbeiter an einen beliebigen Platz im Gebäude setzen.

Arbeiten mit Ausblick

Die enge Einbindung der Mitarbeiter war auch für Martin Brübach, als Senior Specialist Real Estate Strategy bei Telefónica für das neue Bürokonzept des Mobilfunkanbieters zuständig, wichtig. Um das Zwischenergebnis zu begutachten, muss man mit dem Fahrstuhl 36 Stockwerke nach oben fahren, denn eines der drei Pilotprojekte befindet sich im "Uptown München", dem höchsten Gebäude der Stadt.

Martin Brübach, Telefónica: Der Senior Specialist Real Estate Strategy legt bei der Umgestaltung der Büros viel Wert auf eine enge Einbindung der Mitarbeiter.
Foto: Telefónica

"Wir haben den Umbau aktuell für unsere Marketing-Abteilung fertiggestellt", erklärt Brübach. "Der Umbau wurde von wenigen Ressentiments begleitet. Mit Hilfe unserer Workplace-Agents, die regelmäßig unsere Vorschläge mit den Mitarbeitern besprachen, waren die Bedenken schnell aus der Welt geschafft." Betritt man die oberste Etage, fällt sofort die große Lounge mit bunt gemischten Stühlen und Tischen auf. Riesige Glasfassaden sorgen für ein offenes Raumgefühl, das vom geschäftigen Treiben der herumsitzenden Angestellten ablenkt. Einrichtung und Wandgestaltung könnten aus einem Design-Katalog entstammen, sind aber auf Funktionalität getrimmt. In den Wänden befinden sich Filzeinlagerungen und von der Decke hängen helle Paneele, um Geräusche abzumildern.

Die Bürofläche ist in verschiedene Zonen eingeteilt: Erst betritt man eine große Lounge, dann verschiedene Arbeitsbereiche. Im Inneren des Bürokomplexes sind verschiedene Besprechungsräume und Fokus-Boxen, in die sich die Angestellten für Gespräche zurückziehen.
Foto: Telefonica

Die Bürofläche ist in verschiedene Zonen eingeteilt: Erst betritt man eine große Lounge, dann verschiedene Arbeitsbereiche. Im Inneren des Bürokomplexes sind verschiedene Besprechungsräume und Fokus-Boxen, in die sich die Angestellten für Gespräche zurückziehen. Alles basiert auf dem "free sitting"-Prinzip. Eine Buchung der Arbeitsplätze ist nach Angaben von Brübach nicht vorgesehen: "Damit wollen wir die Kreativität fördern. Jeder setzt sich dorthin, wo er seine Aufgabe optimal bearbeiten kann." Wer seine Sachen verstauen möchte, hat ein persönliches Schließfach. Der Laptop wird am Schreibtisch per USB-Dockingstation an das Firmennetz angeschlossen, ansonsten ist alles mit WLAN ausgeleuchtet, um Bewegungsfreiheit zu haben. Für Alexander Hofmann, Group Leader Technology Operations bei Telefónica, war der Umbau allerdings kein großes Problem: "Es gab Anpassungen, aber grundsätzlich haben wir auf Lösungen zurückgegriffen, die auch in den anderen Büros zum Einsatz kommen."

Verlieren wir unser Territorium?

Verbirgt sich hinter den vorgestellten Bürokonzepten nun die schöne neue Arbeitswelt, wie sie von den Unternehmen versprochen wird? Alle vorgestellten Konzepte sollen eine flexiblere Arbeitsgestaltung ermöglichen. Damit entsprechen sie dem multilokalen Ansatz des IAO. Zudem können sich die Mitarbeiter ihre Zeit frei einteilen, womit das Ergebnis wichtiger wird als die im Büro verbrachte Zeit. Moderne Möbel, Ruhebereiche und geräuschmindernde Designelemente runden das Bild ab.

Dennoch existieren eine Reihe von Problemen, die eine Neuausrichtung der Büros mit sich bringen. In erster Linie muss ein Unternehmen eine offene Kultur pflegen, um flexible Arbeitsmöglichkeiten umzusetzen. Vorbehalte unter den Mitarbeitern in Bezug auf Vertraulichkeit, den kommunikativen Umgang und die Verlustangst des persönlichen Territoriums benötigen eine intensive Begleitung von Seiten der Unternehmensleitung. Neue Normen und Werte im Arbeitsablauf und bei der Zeiterfassung brauchen Zeit, damit sie bei den Mitarbeitern ankommen. Hier ist ein gutes Management gefragt, so dass am Ende alle Angestellten an einem Strang ziehen. Bei aller Euphorie in den Unternehmen darf schließlich nicht vergessen werden, dass hinter einer effektiveren Bürogestaltung ebenfalls gewünschte Spareffekte stehen. Weniger Arbeitsplätze bedeuten weniger Kosten. Dass die Arbeit in den Think Tanks bei Siemens oder längere Telefonat mit einem Kunden in einer kleinen Zelle bei Accenture den Arbeitsprozess verbessern lässt sich nach Angaben der Unternehmen wie auch dem IAO nur schwer messen.

"Die IT ist nicht der Bremsklotz"

Das Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) arbeitet eng mit Unternehmen zusammen und untersucht Strategien bei der Arbeitsgestaltung. Stefan Rief, zuständig für das Competence Center für Workspace Innovation beim IAO, verrät im Interview unserer Schwesterpublikation Computerwoche (CW), wie Firmen eine angenehme und effiziente Umgebung entwerfen.

CW: Wie sehen die von ihnen untersuchten Bürokonzepte genau aus?

RIEF: "Die Bandbreite der Konzepte ist groß, das war nicht immer so. Früher gab es nur Einzel- und Großraumbüros. In den letzten Jahren haben sich jedoch Mischformen entwickelt, die wir in unseren Ansatz einbeziehen. Wir analysieren die Arbeitskultur, Arbeitsdynamik und Tätigkeitsprofile in den Unternehmen. Aus den Ergebnissen entwickeln wir schließlich ein Konzept. Dabei beobachten wir in erster Linie die Vernetzung der Mitarbeiter untereinander. Wie viel müssen sie miteinander zu tun haben und wo sind die Konzentrations- und Kommunikationsanforderungen. Viele Mitarbeiter sind heute nicht mehr an ihr Unternehmen gebunden, da sie unterwegs oder im Home Office arbeiten. Dadurch ist es möglich, an attraktiv empfundenen Orten tätig zu sein, die in Konkurrenz zu klassischen Büros stehen. Also erforschen wir Lösungen wie Unternehmen mit dieser Arbeitsvielfalt umgehen können."

CW: Einige Firmen praktizieren mittlerweile eine Mischung aus Großraumbüros und Rückzugsräume für die Mitarbeiter. Wie effektiv sind diese Ideen?

Stefan Rief: Der Leiter des Competence Center "Workspace Innovation" beim Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) nennt die Mobilität der Arbeitnehmer auch Multilokalität.
Foto: IAO

RIEF: "Bei der Beobachtung von verschiedenen Unternehmen haben wir festgestellt, dass sich die Büros immer weiter öffnen. Unser Ziel ist die Messung dieses "Öffnungsgrads" und den damit verbundenen Möglichkeiten. Interessant wird es, wenn die Mitarbeiter ihren persönlichen Platz aufgeben und zum Beispiel in Desk-Sharing-Büros arbeiten. Wir unterscheiden hier zwischen der Organisationsart und der räumlichen Form der Arbeit. Viele Arbeitnehmer lösen sich vom persönlichen Arbeitsplatz und nutzen ihre Umgebung oder Räume außerhalb der Büros. Die autonome Organisation der Arbeit bekommt damit einen hohen Stellenwert. Je mehr Sie ihre Arbeit unabhängig bestimmen können, desto mehr nimmt die Nutzungsrate von klassischen Büros ab. Hinzu kommt das "Awareness-Prinzip" (Wachsamkeitsprinzip). Sie sehen beispielsweise einen Kollegen im Büro und Ihnen fällt plötzlich ein, dass Sie mit ihm reden wollten. Diese Spontaneität und Vernetzung erreicht man nur, wenn man an verschiedenen Orten arbeitet. Ein weiterer Aspekt ist die Konzentration bei der Arbeit. So gibt es mittlerweile Coworking-Spaces, die von Freelancern für ein konzentriertes Arbeiten und Vernetzen genutzt werden. Wir haben daher ein multilokales Konzept entworfen: Mitarbeiter suchen sich unterschiedliche Räume, um ihrer Arbeit nachzugehen. Schließlich gehen wir von verschiedenen Zeitphasen aus: Es gibt Phasen in denen ich im Büro arbeite und es gibt Zeiträume in denen ich an anderen Orten tätig bin."

CW: Der Verband der Büro-, Sitz- und Objektmöbel e.V. (bso) hat das Thema Geräusch- und Lärmverminderung auf die Agenda gesetzt. Beschäftigen Sie sich in ihrer Forschung mit diesem Aspekt?

RIEF: "Es gibt an unserem Institut für Bauphysik bereits Wandkonstruktionen, die akustische Tiefen absorbieren und ziemlich gute Werte erreichen. Aber es sind eben Wände, die nicht nur optisch abschreckend wirken können, sondern die Kommunikation verhindern. Für uns ist die Akustik ein entscheidendes Problem. Wenn Sie sich vorstellen, dass Sie im Büro sitzen und die Gespräche der Kollegen mitbekommen, entwickelt sich automatisch ein Grundrauschen. Sprache ist im Büro ein Störfaktor. Dennoch ist ein offener Raum besser als eine Arbeitszelle. Offene Strukturen, die akustisch behandelt sind, bewirken eine effizientere Arbeit, da sich die Menschen besser vernetzen."

CW: Gibt es Studien, die nachweisen, dass bestimmte Bürokonzepte effizienter sind?

RIEF: "Es ist leider schwer zu messen. In einer Studie von 2004 haben wir die Office-Performance von 1000 Befragten untersucht. Dabei kam heraus, dass die Teilnehmer zwar im Einzelbüro gut arbeiten, aber ein Büroformmix noch besser funktioniert. Klassische Dreierbüros oder Zellenbüros schnitten am schlechtesten ab. Zudem haben wir Bildschirmtests gemacht, wie Menschen mit mehr digitaler Arbeitsfläche umgehen. Die Ergebnisse haben einen ähnlichen Effekt gezeigt. Eine größere digitale Arbeitsfläche bewirkt ein effizienteres Arbeiten. Mittlerweile haben viele Büroarbeiter zwei oder drei Bildschirme auf denen sie Webkonferenzen abhalten und gleichzeitig Dokumente durchlesen. Ich kann also mehrere Anwendungen kombinieren. Allerdings steigt durch das Mehr an digitaler Kommunikation wieder die akustische Belastung."

Multilokalität erweitert das Territorium

CW: Dauert es nicht noch einige Jahre bis wir alle Möglichkeiten bei der mobilen Kommunikation, etwa in Form von Smartphones oder Tablet-PCs, ausschöpfen können?

RIEF: "Ich glaube nicht, dass es so lange dauern wird. Dabei ist nicht die IT der Bremsklotz. Zwar sind Bildschirme limitiert, aber durch den Mix an Büroarbeit und anderen Formen ergeben sich auch neue Möglichkeiten. Das Problem ist die fehlende Sensibilität. Wann nutze ich einen Micro-Blog und wann rufe ich an? Welches Mittel nutze ich für welchen Arbeitsschritt? Zudem kommen durch die vielen neuen Geräte Arbeitsschritte hinzu. Früher hat man telefoniert und sich einfach kurze Notizen gemacht. Heute telefoniert man, schreibt dem Anderen eine Zusammenfassung vom Gespräch, vergleicht und schaut dann das Ergebnis an. Es vergeht also mehr Zeit. Hier sind die entscheidenden Fragen: Wann setze ich welches Kommunikationswerkzeug ein und wie gehe ich damit um."

CW: IBM und andere US-amerikanische Firmen praktizieren bereits Desk-Sharing. Die Mitarbeiter arbeiten an verschiedenen Arbeitsplätzen und teilen sich ein Büro. Sind das noch Randphänomene?

RIEF: "In Deutschland ist das noch ein Randphänomen. Als einige Unternehmen in Deutschland diese Konzepte einführten, hatten sie die Erwartung, dass es schnell angenommen wird. Wir haben damals das Konzept zusammen mit IBM entwickelt und waren ebenso zuversichtlich, dass es sich durchsetzt. Viele Unternehmen schreckten aber vor dieser teilenden Arbeitskultur zurück. Trotz der schleppenden Entwicklung bin ich zuversichtlich, dass es in den nächsten Jahren kommt. Aber eine gewisse Vorsicht bleibt, denn es passt nicht zu jedem Unternehmen und hängt vom Reifegrad der Unternehmenskultur ab."

CW: Elisabeth Arnold vom Verband der Betriebsärzte meint: "Arbeitnehmer, die ihre Büroeinrichtung kontrollieren arbeiten zufriedener". Arbeitnehmer wollen Arnolds Meinung nach also persönliche Gegenstände im Büro aufstellen. Wiederspricht sie damit ihren Ergebnissen?

RIEF: "Wir haben vor einigen Jahren einen Dekorationsindex entworfen, der misst, wie viele private Dinge wir am Arbeitsplatz benötigen. Ein Ergebnis war, dass sie nicht so wichtig sind. Wir brauchen ein Büro der vielen Möglichkeiten: Jetzt möchte ich konzentriert arbeiten, jetzt möchte ich jemanden treffen. Das gibt mir die Freiheit, so zu handeln wie ich will. Jeder möchte unter den Bedingungen arbeiten, die ihn dabei helfen, möglichst effizient zu sein. Desk-Sharing wird häufig mit Flächeneffizienz gleichgesetzt. Eigentlich entstammt es aber der Idee, sich schneller zu vernetzen, schneller in Projektteams zusammenzufinden. Der amerikanische Wissenschaftler Tom Allen hat bereits in den 70er Jahren Untersuchungen gemacht, in denen er die wissenschaftliche Vernetzung untersucht hat. Das Ergebnis war, dass man sich schneller kennenlernt und vernetzt, sobald man an verschiedenen Orten arbeitet. Dass dabei Fläche gespart wird, ist für uns nur ein Nebeneffekt. Letztlich denke ich, dass wir durch den multilokalen Ansatz unser persönliches Territorium erweitern und nicht einschränken. Dafür müssen die Mitarbeiter aber in den Veränderungsprozess einbezogen werden."

Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag unserer Schwesterpublikation Computerwoche. (cvi)