Strategien der Konkurrenten

Die Angreifer von Amazon

08.09.2014 von Christoph Lixenfeld
Amazons Cloud-Geschäft ist unter Druck: Telekom-Riesen, Serviceprovider kleine Anbieter punkten mit mehr Flexibilität, Service sowie Beratung und Nischen-Angeboten.

Das Wortspiel war wohl unvermeidlich: "Dunkle Wolken über Amazons Geschäften", so überschrieb das Wall Street Journal Ende Juli eine Geschichte über die Umwälzungen auf dem US-Markt für Cloud-Computing. Kernthese: Amazons Webservices geraten durch den Wettbewerb massiv unter Druck.

Zu nennen sind hier erstens die Konkurrenten "mit den tiefen Taschen" wie Verizon, Cisco, VMware oder IBM. Zweitens etablieren sich in den USA immer mehr kleinere Anbieter, die mit individuellen Cloud-Angeboten die unterschiedlichsten Nischen bedienen. Zu ihnen gehören Digital Ocean, Joynet oder Contegix LLC.

Das Cloud-Geschäft wird von der Tatsache befeuert, dass mittlerweile fast kein Businessmodell mehr ohne Digitalisierung auskommt.
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Egel, ob groß oder klein: Wer Amazon Kunden abjagen will, versucht das aktuell weniger mit Hilfe von großen, billigen Leitungskapazitäten, und mehr durch ausdifferenzierte Angebote mit hohem Serviceanteil. IBM zum Beispiel wirbt mit "Cloud-Beratung durch Experten" mit Private und Hybrid Clouds, wahlweise zu Betreiben als Self Service oder komplett gemanaged.

Amazon nicht flexibel genug

Das Wall Street Journal zitiert in diesem Zusammenhang Eric Singleton, CIO des US-Modehändlers Chico’s FAS, der von Amazons AWS zu Contegix gewechselt ist. Der Grund: mehr Flexibilität. Der neue Dienstleister ermögliche es nicht nur, Kundendaten über Tablets abzurufen, sondern man könne auch selbst wählen, auf welcher Art von Server die eigenen Anwendungen laufen. "Wir brauchen einfach mehr Kontrolle über die Konfiguration unserer Anwendungsumgebung", so Singleton.

Lieber Hybrid Cloud aus Sicherheitsgründen

Hinzu kommt, dass die weltweite Security-Debatte auch in den USA dazu geführt hat, dass Unternehmen mit sensiblen Daten - Banken vor allem - verstärkt auf Hybrid Clouds setzen. Also auf Angebote, die es ihnen erlauben, Cloud Computing intelligent mit On Premise-Lösungen zu verbinden.

Amazon senkt Preise für AWS

Das es schwieriger wird, mit horizontalen Angeboten, die vor allem auf viel Leistung für wenig setzen, Geld zu verdienen, belegen aktuelle Zahlen: Amazon musste in seiner Cloud-Sparte AWS die Preise für einige Produkte zwischen 28 und 51 Prozent senken, die Bruttomarge in diesem Geschäftszweig sank von 60 auf 38 Prozent.

Seit der NSA-Affäre spielen Sicherheitsfragen beim Thema Cloud eine überragende Rolle.
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Investoren und Analysten zeigten sich zuletzt besorgt, der (einzig) profitable Teil des Unternehmens könnte dauerhafte Probleme bekommen. Amazons Aktienkurs bekam bei Verkündung oben genannter Zahlen mit minus zehn Prozent einen deutlichen Dämpfer, erholte sich seitdem allerdings wieder etwas.

Cloud-Anbieter in Deutschland

Und wie sieht die Situation in Deutschland aus? Die Experton Group hat in diesem Sommer die fünfte Auflage ihres "Cloud Vendor Benchmarks" veröffentlicht, eine Studie, die die wichtigsten Wolken-Angebote in Deutschland und ihre Veränderungen gegenüber dem Vorjahr analysiert. Insgesamt wächst der Markt für Cloud Computing inklusive Beratungs- und Netzwerkservices auch in Deutschland kräftig - wenn auch nicht mehr ganz so schnell wie ein Jahr zuvor. Gesamtausgaben deutscher Unternehmen in diesem Bereich: 6,6 Milliarden Euro.

Strukturell spielen sich auf dem Markt ähnliche Veränderungen ab wie in den USA: Individualisiertes ist stark gefragt, vor allem PaaS-Lösungen. Mit Platform-as-a-Service sind Angebote gemeint, die die Vorteile hoher Automatisierung mit Optionen zum eigenen Management verbinden. "Anbieter, die diesen Part beherrschen, werden von dort aus schnell an den wertschöpfenden und gegenüber dem Wettbewerb differenzierenden Kundenprozessen partizipieren können", schreibt die Experton Group dazu.

Beratung wird immer wichtiger

Und: "Obgleich viele Integratoren noch stark auf die Technik und immer häufiger auch auf das Zusammenspiel von Komponenten abstellen, wiegt die Beratung als vorgelagertes Element immer schwerer, da Cloud Computing inzwischen systemimmanent und daher ein wesentlicher Bestandteil zeitgemäßer Businesspläne ist."

Wegen der wachsenden Bedeutung der Beratung sieht Andreas Zilch, Lead Advisor und Cloud-Spezialist bei der Experton Group AG, auch auf Deutschlands Markt für Cloud Computing gute Chance für Newcomer und Nischenanbieter. Was die zukünftige Entwicklung - global betrachtet - angeht, wiederspricht er aber einer Kernthese des eingangs zitierten Wallstreet Journal-Artikels: "Ein Unternehmen wie IBM wird auch langfristig im Cloud-Geschäft nicht zu einem Big Player in Sinne eines Hyper Scalers wie Amazon werden, weil es einfach nicht zu seinem Geschäftsmodell passt."

Immer mehr Unternehmen stellen sich die Frage, ob sie wirklich noch eigene Serverkapazitäten brauchen.
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Cloud-Presie werden weiter sinken

Dem Riesen-Versandhändler, grad eher auf Wolke sieben, können die Telkos nach Ansicht von Andreas Zilch gefährlich werden. BT, T-Systems & Co. haben schließlich Erfahrung damit, mit Hilfe großer, automatisierter Infrastrukturen Kunden in Massen zu bedienen und diesen Service ebenso automatisiert verbrauchsabhängig abzurechnen. Zilch geht davon aus, dass die Preise insgesamt weiter sinken, obwohl die Anbieter an den Kosten kaum noch etwas drehen können.

Selektives Auslagern ist gefragt

"Die Preise werden in Zukunft stark von den Kosten für Energie und ihre Beschaffung abhängen. Deshalb bauen die Großen in den USA neue Rechenzentren im Norden des Landes, nahe der großen Seen. Dort ist es vergleichswese kühl, und die Energie stammt aus der sehr zuverlässigen Wasserkraft."

Einen Trend sieht Andreas Zilch darin, kein Komplett-Outsourcing zu betreiben, sondern nur einzelne, rechenintensive Aufgaben in die Cloud zu verlagern. Der Versicherer Talanx zum Beispiel lässt seine Zahlen für das Risikomanagement bei Amazon rechnen, und SAP nutzt die Riesenkapazitäten des Versandhändlers für seinen Test- und Trainingsbereich.

Immer neue Nischen auch für Kleinere tun sich deshalb auf, weil die Digitalisierung sämtlicher Geschäftsbereiche zügig voranschreitet. Andreas Zilch: "Spezialanbieter brauchen nicht unbedingt eigene Server, sondern sie können zum Beispiel auch Kapazitäten von Amazon nutzen und diese veredeln. Beim Thema CAD aus der Cloud geschieht das zum Beispiel schon."

Salesforce aus Magdeburg

Für zukunftsweidend hält er auch die Zusammenarbeit zwischen Providern und Softwareanbietern. Prominentestes Beispiel ist die auf der diesjährigen CeBIT verkündete Partnerschaft zwischen T-System und dem amerikanischen CRM-Anbieter Salesforce. T-Systems agiert hier als Vertriebspartner und stellt parallel Serverkapazitäten für die Cloudbasierte Plattform Salesforce 1 zur Verfügung. "Salesforce aus Magdeburg finden viele Kunden vermutlich vertrauenerweckender als Salesforce aus San Francisco", so Andreas Zilch.

Zehn spannende Cloud-Security-Startups -
Bitium
<strong>Service:</strong> Cloud Application Management, Single-Sign-on, Analytics<br /> <strong>Gründung:</strong> 2012<br /> <strong>Kapital:</strong> 2,4 Millionen Dollar von Resolute VC, Double M Partners, Social Leverage und Karlin Ventures<br /> <strong>Sitz:</strong> Santa Monica, Kalifornien, USA<br /> <strong>CEO:</strong> Scott Kriz, vormals Produktchef von Fastpoint Games (Sport- und Unterhaltungsspiele-Anbieter, der 2012 an Weplay verkauft wurde)<br /> <strong>Große Kunden:</strong> Prialto, OpenTable, Act-On, Media Temple<br /> <strong>Wettbewerb:</strong> Okta, OneLogin, Ping Identity, Symplified
Bitsight Technologies
<strong>Service:</strong> Security Rating, mit dem Risiken in der Zusammenarbeit mit Partnern, Zulieferern oder Outsourcern bewertet werden können<br /> <strong>Gründung:</strong> 2011<br /> <strong>Kapital:</strong> 24 Millionen Dollar (im Rahmen eines „Series A round“-Fundings im Silicon Valley im Juni 2013)<br /> <strong>Sitz:</strong> Cambridge, Massachusetts, USA<br /> <strong>CEO:</strong> Shaun McConnon, vormals CEO von Q1 Labs<br /> <strong>Wettbewerb:</strong> CloudeAssurance bietet einen ähnlichen Dienst, ist aber spezialisiert auf Cloud Service Provider
CipherCloud
<strong>Service:</strong> All-in-one-Plattform für Cloud-Sicherheit<br /> <strong>Gründung:</strong> 2010<br /> <strong>Kapital:</strong> 30 Millionen Dollar von Andreessen Horowitz<br /> <strong>Sitz:</strong> San Jose, Kalifornien, USA<br /> <strong>CEO:</strong> Pravin Kothari, vormals Mitgründer von ArcSight (wurde für 1,5 Milliarden von HP gekauft)<br /> <strong>Große Kunden:</strong> Mitsubishi UFJ Global Custody, Novati Technologies, Carribean Credit Bureau<br /> <strong>Wettbewerb:</strong> Gazzang, Perspecsys, Porticor, Vormetric, Voltage Security
HyTrust
<strong>Service:</strong> Tools für Virtualisierungs-Sicherheit, mit denen zentrale Policies über virtuelle oder Cloud-Infrastrukturen durchgesetzt werden können<br /> <strong>Gründung:</strong> 2009<br /> <strong>Kapital:</strong> 34,5 Millionen Dollar von Venture-Capital-Investmentfirmen wie Trident Capital, Granite Ventures und Epic Ventures und von strategischen Unternehmensinvestoren wie Cisco, VMware, Intel Capital und Fortinet. Auch In-Q-Tel, der Investment-Bereich der US-Geheimdienste, hat eingezahlt.<br /> <strong>Sitz:</strong> Mountain View, Kalifornien, USA<br /> <strong>CEO:</strong> John De Santis, vormals Chairman und CEO beim Software-Security-Infrastruktur-Anbieter TriCipher (wurde 2010 von VMware gekauft). Mitgründer und President ist Eric Chiu, vormals Verkaufschef bei Cemaphore Systems.<br /> <strong>Große Kunden:</strong> AIG, US Army, Northrop Grumman, Pepsi, McKesson, Home Shopping Network, Federal Reserve Bank of Chicago, UC Berkeley, State of New Mexico, Denver Museum of Nature & Science<br /> <strong>Wettbewerb:</strong> Altor Networks (gehört mittlerweile zu Juniper), Catbird
ForgeRock
<strong>Service:</strong> Identity Management<br /> <strong>Gründung:</strong> 2010<br /> <strong>Kapital:</strong> 22 Millionen Dollar von Foundation Capital und Accel Partners<br /> <strong>Sitz:</strong> San Francisco, Kalifornien, USA<br /> <strong>CEO:</strong> Mike Ellis, vormals Managerposten bei SAP, i2 Technologies, Oracle und Apple<br /> <strong>Große Kunden:</strong> Deloitte, Thomson Reuters, Aberdeen Asset Management, Reuters<br /> <strong>Wettbewerb:</strong> Oracle, CA Technologies, OneLogin, Okta, SecureAuth
MyPermissions
<strong>Service:</strong> Management, Kontrolle und Überwachung der Apps und Websites, die Zugang zu den persönlichen Daten des Anwenders haben<br /> <strong>Gründung:</strong> 2012<br /> <strong>Kapital:</strong> 1 Million Dollar von 500 Startups, lool Ventures und 2B Angels (Beteiligung durch Plus Ventures und Robby Hilkowitz)<br /> <strong>Sitz:</strong> Tel Aviv, Israel<br /> <strong>CEO:</strong> Olivier Amar, vormals Marketingchef von GetTaxi und Toyga Financial<br /> <strong>Große Kunden:</strong> Vod.io, EQuala.fm, Stylemarks, Any.DO<br /> <strong>Wettbewerb:</strong> Secure.me, Privacy Choice
Netskope
<strong>Service:</strong> Cloud Application Analytics und Policy-Werkzeuge<br /> <strong>Gründung:</strong> 2012<br /> <strong>Kapital:</strong> 21,4 Millionen Dollar von Lightspeed Ventures und The Social+Capital Partnership<br /> <strong>Sitz:</strong> Los Altos, Kalifornien, USA<br /> <strong>CEO:</strong> Sanjay Beri, vormals General Manager des Geschäftsbereichs "Secure Access and Mobile Business" bei Juniper Networks sowie dessen Büroleiter in Indien. Davor Mitgründer von Ingrian Networks, das von SafeNet übernommen wurde.
Prevoty
<strong>Service:</strong> kontextabhängiger Schutz von Web-Anwendungen<br /> <strong>Gründung:</strong> 2013<br /> <strong>Kapital:</strong> 2,4 Millionen Dollar via Seed Funding<br /> <strong>Sitz:</strong> Los Angeles, Kalifornien, USA<br /> <strong>CEO:</strong> Julien Bellanger, vormals Gründer von Personagraph, das die Privatsphäre mobiler Nutzer schützt. Davor bei Intertrust tätig.<br /> <strong>Wettbewerb:</strong> Citrix, F5, Radware, A10 Networks
Skyhigh Networks
<strong>Service:</strong> Cloud Lifecycle und Security Suite<br /> <strong>Gründung:</strong> 2011<br /> <strong>Kapital:</strong> 26,5 Millionen Dollar – darunter ein 20-Millionen-Investment durch Sequoia Capital und Greylock Partners (im Rahmen eines „Series B round“-Fundings im Mai 2013)<br /> <strong>Sitz:</strong> Cupertino, Kalifornien, USA<br /> <strong>CEO:</strong> Rajiv Gupta, vormals Gründer und CEO von Securenet. Nach dessen Übernahme durch Cisco im Jahr 2007 (für 100 Millionen Dollar), war Gupta dort als Leiter der Policy Management Business Unit tätig.<br /> <strong>Große Kunden:</strong> Cisco, Diebold, Equinix, Torrance Memorial Medical Center<br /> <strong>Wettbewerb:</strong> Netskope
SnoopWall
<strong>Service:</strong> Anti-Spyware/Anti-Malware<br /> <strong>Gründung:</strong> 2013<br /> <strong>Kapital:</strong> nicht veröffentlicht<br /> <strong>Sitz:</strong> Nashua, New Hampshire, USA<br /> <strong>CEO:</strong> Gary Miliefsky, vormals CTO bei NetClarity