Der Wettlauf um den Platz an der Sonne

06.07.2001
Firmen der IT- und TK-Branche bringen Arbeitsplätze, Steuern und Ansehen. Kein Wunder, dass die Bundesländer heftig um die Neuansiedlung solcher Unternehmen buhlen. Häufig ist die Standortförderung sogar Chefsache.

Von: Ernst Schneider

Die Prognosen für die Unternehmen der IT- und TK-Branche sind trotz der schwächelnden Konjunktur weiterhin gut. Der Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und Neue Medien (Bitkom) sagt diesem Markt für das kommende Jahr ein Wachstum von 9,6 Prozent voraus. Neuansiedlungen und Existenzgründungen der "rauchlosen Industrie" sind somit für praktisch jedes Bundesland attraktiv. Häufig bemühen sich die Ministerpräsidenten persönlich um die Interessen der Informations- und Kommunikationstechnologie (IuK) - ein Beleg dafür, wie wichtig dieses Thema für die Länder ist. Der Bereich "New Media und Informationstechnologie" ist auch nicht wie die klassische Wirtschaftsförderung bei den Wirtschaftsministerien angesiedelt, sondern direkt in den Staatskanzleien.

Konzepte im Wettstreit

Im Wettstreit um die neuen Firmen setzen die Landesregierungen nicht mehr nur auf Subventionen, sondern verstärkt auf "Standortmarketing". Dabei haben die Bundesländer in den vergangenen Jahren unterschiedliche Wege eingeschlagen, um Start-ups und ausländischen Unternehmen das Investment schmackhaft zu machen. So gründete das Land Nordrhein-Westfalen 1995 die Landesinitiative "Media NRW" als Instrument der Medienwirtschaftsförderung und -politik. Unter der Federführung der Staatskanzlei gelang es, ein Netz von öffentlichen und privatwirtschaftlichen Partnern aufzubauen. Diese bieten Informationen, Beratung und Unterstützungsleistungen für Unternehmen. Die Media NRW gliedert sich hauptsächlich in drei Projektträger: Das Forschungsinstitut für Telekommunikation (FTK) in Dortmund verantwortet die Schnittstellen zu Universität und Forschung, die Communications Equity Associates (CEA) in Düsseldorf steuert als international operierende Investmentbankinggruppe das Ansiedlungsmanagement und die Gründungsförderung. Darüber hinaus ist die Mortsiefer Management Consulting GmbH für das betriebswirtschaftliche Know-how sowie Standortmarketing zuständig. Seit ihrem Aufbau unterstützte die Landesinitiative Projekte in Nordrhein-Westfalen mit rund 267 Millionen Mark. Von 1995 bis heute stieg die Zahl der in NRW in der Medien- und Kommunikationswirtschaft Beschäftigten um über 50 Prozent, von 176 000 auf 275 000.

Vom Land Berlin wurde im Juli 2000 das "Medienbüro Berlin Brandenburg" ins Leben gerufen. Dort arbeiten im Moment acht Angestellte der Landesregierungen und Verwaltungen. Unter der ehrenamtlichen Leitung des Medienbeauftragten Bernd Schiphorst soll das Büro die Standorte Berlin und Brandenburg enger vernetzen und als gemeinsame Medienregion fördern. Dazu steht ein Jahresetat von einer Million Mark zur Verfügung. Darüber hinaus kann das Land Berlin als strukturschwaches Gebiet Großunternehmen, die sich dort niederlassen, bis zu 28 Prozent ihrer Investitionskosten erstatten. In seiner ersten Jahresbilanz konnte Schiphorst eine Steigerung der Ansiedlungen im Medien- und IuK-Bereich um 26 Prozent bekannt geben. Das aufsehenerregendste Ereignis seiner bisherigen Tätigkeit dürfte die Abwerbung der Zentrale von "Universal Music" von Hamburg nach Berlin sein. Der Musikkonzern erzielte zuletzt einen Jahresumsatz von 1,3 Milliarden Mark.

Auch Niedersachsen wartet mit einer Neugründung auf. Am 1. Januar 2001 nahm die Mediengesellschaft der Länder Niedersachsen/Bremen ihre Tätigkeit im ehemaligen Deutschen Pavillon auf dem Expo-Gelände in Hannover auf. Die Gesellschaft teilt sich in einen Profit-Bereich für Agentur- und Consultingleistungen und einen Non-Profit-Bereich zur Medienförderung.

Schwergewicht Bayern

Der Freistaat im Süden Deutschlands hat sich seit den 50er Jahren vom Agrarland zum Hightech-Standort par excellence entwickelt. Nach einer Studie von Boston Consulting ist Bayern hinter dem Silicon Valley, Boston und Tel Aviv die Nummer vier der weltweit führenden Technologiestandorte. Nahezu 50 Prozent aller bundesweiten Investitionen in diesem Bereich fließen nach Bayern. Jedes vierte Internetunternehmen in Deutschland hat seinen Sitz in München. Die bayerische Landesregierung setzt bereits seit 1994 auf neue Technologien und investierte seitdem 8,2 Milliarden Mark aus Privatisierungserlösen in die Programme "Offensive Zukunft Bayern" und "Hightech-Offensive".

Im Zuge dieser Initiativen wurde zum 1. April 2001 die Münchner Agentur für Medien, Informations- und Kommunikationstechnik "Gotobavaria" gegründet. Ihrem Chief Executive Officer (CEO) Dr. Peter Frieß (siehe Interview) stehen jährlich sieben Millionen Mark zur Verfügung. Gotobavaria soll aktives Standortmarketing für den Freistaat betreiben. Die Agentur versteht sich als Serviceunternehmen für alle ansiedlungswilligen Firmen und will von dem ersten Kontakt bis zur tatsächlichen Geschäftsaufnahme permanente Unterstützung aus einer Hand anbieten. Neben dem Büro in München besteht noch ein Büro im kalifornischen Palo Alto.

Im Herbst soll ein weiteres im südindischen Bangalore eröffnet werden, um den Anschluss an die boomende Softwareregion in Asien herzustellen. Gotobavaria wird als "Private Public Partnership" betrieben: Neben dem Freistaat als Mehrheitsgesellschafter (siehe Interview mit Staatskanzleichef Erwin Huber) sind unter anderem die IHKs und Messegesellschaften von München, Nürnberg und Augsburg, der Bayerische Rundfunk, die Bayerische Landesbank sowie die Hypo Vereinsbank beteiligt.

Ein Fachbeirat mit hochrangigen Mitgliedern, unter anderem Leo Kirch, Hasso Plattner und Thomas Middelhoff unter dem Vorsitz von Dr. Hubert Burda, soll die Herstellung von Wirtschaftskontakten unterstützen. In der kurzen Zeit ihrer Tätigkeit sind Gotobavaria schon einige bemerkenswerte Erfolge geglückt. So konnte der UMTS-Lizenznehmer Group 3G, eine Neugründung aus der spanischen Telefonica und der finnischen Sonera, mit zunächst 1000 Arbeitsplätzen für den Standort München gewonnen werden. Weiterhin wird in der bayerischen Landeshauptstadt ein UMTS-Kompetenzzentrum errichtet. Daran sind neben UMTS-Zulieferern auch fünf der sechs UMTS-Lizenzinhaber beteiligt. Einzelheiten dazu will der bayerische Ministerpräsident Stoiber im Spätsommer bekannt geben.

Darüber hinaus ist es gelungen, das renommierte Visual Effects Festival von Kalifornien nach München zu holen, die wichtigste Messe der digitalen Filmwirtschaft. Ansiedlungswilligen Unternehmern bietet Gotobavaria die so genannte "First Touchdown Base" in ihren Räumlichkeiten an. Betriebe können die mit PC und modernen Kommunikationsmitteln ausgestatteten kleinen Büroeinheiten günstig mieten und dort sofort die Arbeit aufnehmen. (wk)

Zur Person

ERNST SCHNEIDER

arbeitet als wissenschaftlicher Dokumentar und freier Journalist in München.