Robotic Process Automation

Der neue Jobkiller in der IT-Branche?

26.04.2015 von Dietmar Müller und Bob Violino
Robotic Process Automation löst knifflige IT-Aufgaben ohne Zutun von IT-Mitarbeitern und könnte damit zur bislang besten Alternative zum Outsourcing werden. Sie hat aber weitreichende Auswirkungen auf die Belegschaft.

Eine stille Revolution bahnt sich in der IT an: Robotic Process Automation (RPA) könnte große Auswirkungen auf die Belegschaft haben und erinnert damit nicht stark an die Versprechungen von Outsourcing.

Ziel der RPA es, verschiedene, üblicherweise von Menschen ausgeführte Prozesse möglichst automatisiert ablaufen zu lassen. Das wird für einige Unruhe in den Anwenderunternehmen sorgen, denn es bringt die Gefahr von Stellenkürzungen und die Möglichkeit der Auflösung von Outsourcing-Verträgen mit sich. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Die Fortschritte beim Softwaredesign und künstlicher Intelligenz sorgen dafür, dass auch hochkomplexe Vorgänge immer selbstständiger ablaufen. Das hat natürlich Folgen.

Was ist Robotic Process Automation?

Sobald RPA-Software so weit entwickelt wird, dass sie bestimmte Prozesse "versteht", kann sie automatisch Transaktionen durchführen, Daten verändern, Antworten einhole und mit anderen Systemen kommunizieren. Es ist ihr zu eigen, Aufgaben von gut ausgebildeten IT-Profis wie Support, Workflow, Remote Infrastructure sowie Back-Office-Prozesse, wie man sie in der Buchhaltung, dem Supply Chain Management, Personalmanagement oder auch im Kundendienst findet, zu übernehmen.

RPA-Software setzt sich aus diversen Komponenten zusammen, etwa für das Sammeln von Daten durch Bildererkennung oder für den Zugriff auf bestimmte Server oder Internet-Sites. Üblicherweise nutz sie ein Regelwerk, wie wir es von Business-Process-Management-Tools kennen.

Business Process Management - Marktanalyse 2014
18 BPM-Software-Suites im Test
Die Entwicklung von Business-Process-Management (BPM) hat in den vergangenen Jahren rasante Fortschritte gemacht. Angesichts der weiter um sich greifenden Digitalisierung vieler Geschäftsprozesse sowie der damit verbundenen Automatisierung setzen immer mehr Unternehmen entsprechende Softwarewerkzeuge ein. Doch das Angebot an BPM-Lösungen ist breit gefächert, was die Auswahl und Entscheidung für Anwenderunternehmen nicht gerade erleichtert.
AgilePoint
<br> <p><b>Gesamterfüllungsgrad:</b> gut (63,7%)</p> <br> <p><b>Mächtigkeit:</b> hoch (89,0%)</p> <br> <p><b>Komfort:</b> mittelmäßig (71,5%)</p>
Agito
<br> <p><b>Gesamterfüllungsgrad:</b> angemessen (55,0%)</p> <br> <p><b>Mächtigkeit:</b> sehr hoch (93,8%)</p> <br> <p><b>Komfort:</b> gering (58,6%)</p>
Appain
<br> <p><b>Gesamterfüllungsgrad:</b> angemessen (59,5%)</p> <br> <p><b>Mächtigkeit:</b> hoch (86,4%)</p> <br> <p><b>Komfort:</b> mittelmäßig (68,8%)</p>
Appway
<br> <p><b>Gesamterfüllungsgrad:</b> angemessen (59,4%)</p> <br> <p><b>Mächtigkeit:</b> sehr hoch (92,8%)</p> <br> <p><b>Komfort:</b> mittelmäßig (64,0%)</p>
Axon Ivy
<br> <p><b>Gesamterfüllungsgrad:</b> gut (66,7%)</p> <br> <p><b>Mächtigkeit:</b> sehr hoch (94,6%)</p> <br> <p><b>Komfort:</b> mittelmäßig (70,5%)</p>
Bizagi
<br> <p><b>Gesamterfüllungsgrad:</b> gut (70,3%)</p> <br> <p><b>Mächtigkeit:</b> sehr hoch (90,1%)</p> <br> <p><b>Komfort:</b> hoch (78,0%)</p>
DHC Business Solutions
<br> <p><b>Gesamterfüllungsgrad:</b> angemessen (46,2%)</p> <br> <p><b>Mächtigkeit:</b> hoch (82,5%)</p> <br> <p><b>Komfort:</b> gering (56,0%)</p>
Groiss Informatics
<br> <p><b>Gesamterfüllungsgrad:</b> angemessen (62,2%)</p> <br> <p><b>Mächtigkeit:</b> sehr hoch (94,6%)</p> <br> <p><b>Komfort:</b> mittelmäßig (65,8%)</p>
HCM Customer Management
<br> <p><b>Gesamterfüllungsgrad:</b> angemessen (53,3%)</p> <br> <p><b>Mächtigkeit:</b> hoch (81,1%)</p> <br> <p><b>Komfort:</b> mittelmäßig (65,7%)</p>
IBM
<br> <p><b>Gesamterfüllungsgrad:</b> gut (68,1%)</p> <br> <p><b>Mächtigkeit:</b> sehr hoch (95,3%)</p> <br> <p><b>Komfort:</b> mittelmäßig (71,5%)</p>
Inspire Technologies
<br> <p><b>Gesamterfüllungsgrad:</b> gut (62,8%)</p> <br> <p><b>Mächtigkeit:</b> sehr hoch (96,1%)</p> <br> <p><b>Komfort:</b> mittelmäßig (65,4%)</p>
JobRouter
<br> <p><b>Gesamterfüllungsgrad:</b> angemessen (62,0%)</p> <br> <p><b>Mächtigkeit:</b> hoch (85,8%)</p> <br> <p><b>Komfort:</b> mittelmäßig (72,3%)</p>
K2
<br> <p><b>Gesamterfüllungsgrad:</b> angemessen (55,6%)</p> <br> <p><b>Mächtigkeit:</b> mittel (79,8%)</p> <br> <p><b>Komfort:</b> mittelmäßig (69,6%)</p>
Metasonic
<br> <p><b>Gesamterfüllungsgrad:</b> angemessen (54,5%)</p> <br> <p><b>Mächtigkeit:</b> sehr hoch (92,4%)</p> <br> <p><b>Komfort:</b> gering (59,0%)</p>
Oracle
<br> <p><b>Gesamterfüllungsgrad:</b> gut (64,2%)</p> <br> <p><b>Mächtigkeit:</b> sehr hoch (94,3%)</p> <br> <p><b>Komfort:</b> mittelmäßig (68,0%)</p>
Prologics
<br> <p><b>Gesamterfüllungsgrad:</b> gut (62,8%)</p> <br> <p><b>Mächtigkeit:</b> sehr hoch (90,8%)</p> <br> <p><b>Komfort:</b> mittelmäßig (69,1%)</p>
SoftProject
<br> <p><b>Gesamterfüllungsgrad:</b> gut (65,3%)</p> <br> <p><b>Mächtigkeit:</b> sehr hoch (96,3%)</p> <br> <p><b>Komfort:</b> mittelmäßig (67,8%)</p>
TIM Solutions
<br> <p><b>Gesamterfüllungsgrad:</b> angemessen (58,8%)</p> <br> <p><b>Mächtigkeit:</b> hoch (89,5%)</p> <br> <p><b>Komfort:</b> mittelmäßig (65,7%)</p>

"Grundsätzlich sollte sie auf der Ebene des Graphical User Interface operieren können und möglichst wenig manuelle Eingriffe benötigen", so Cathy Tornbohm, Vice President BPO (Business Process Outsourcing) Research bei Gartner. "RPA-Werkzeuge entstehen aus der Kombination von anderen, spezifischen Werkzeugen."

Auf der einen Hand verspricht RPA deutliche Kosteneinsparungen und die Eliminierung langweiliger Routineaufgaben von IT-Spezialisten. Auf der anderen Hand bedroht sie die Jobs eben dieser Spezialisten, denn RPA verspricht auch knifflige Aufgaben zu lösen.

Reduzierung der IT-Belegschaft

Vor noch nicht allzu langer Zeit stellte RPA "ein totales Mysterium" für viele Organisationen dar, ihr Potential hat aber nun die Aufmerksamkeit von Beratern, Analysten, Outsourcing-Anbietern und Konzernen geweckt, so Frank Casale, altgedienter Outsourcing-Experte und Gründer des neu ins Leben gerufenen Institute for Robotic Process Automation (IRPA). "Dieser Trend breitet sich blitzartig aus und wird getrieben von einer Kombination aus mächtiger Prozessautomatisierungssoftware und künstlicher Intelligenz", so Casale. Aktuell befänden sich die Anbieter aber noch in einer Testphase.

Das frisch gegründete Institute for Robotic Process Automation (IRPA) untersucht den neuen Trend der "Roboter-Services".

IRPA untersucht die Software daraufhin, ob sie die Fehler im Meldewesen reduzieren kann. Zudem wird angenommen, dass sie Unternehmen 20 bis 40 Prozent ihrer Ausgaben für Personal sparen helfen könnte. "Ich gehe davon aus, dass in den kommenden drei Jahren die meisten Jobs im Support der IT-Infrastruktur wegfallen werden", so Casale. "Ich habe bereits Fälle gesehen, in denen 60 Prozent des Supports von RPA übernommen wurde."

Betroffen sind Jobs in den Bereichen Help Desks, Rechenzentrums- und Server-Wartung, Netzwerk und andere Support-Aufgaben. Ausgenommen sind noch die Applikationsentwicklung und Maintenance, aber auch hier ist es wohl nur mehr eine Frage der Zeit, sagt Casale.

Nach Ansicht der Gartner-Analystin Tornbohm wird RPA hauptsächlich den Umgang mit Daten übernehmen, weil da regelbasiert vorgegangen wird. "So gut wie jede regelbasierte Aufgabe, die heute noch von Menschen ausgeführt wird, kann auch von einer Software übernommen werden. RPA imitiert die Handlungen dieser Menschen. Das hat viele Auswirkungen auf die IT, auch und gerade beim Software-Testing."

Frühere RPA-Ansätze adressierten vorrangig simple Aufgaben, an die wir uns heute teilweise gar nicht mehr erinnern können, etwa das Wechseln von Tapes", berichtet Chris Boos, CEO des RPA-Anbieters Arago. "RPA verschiebt den Fokus der Automatisierung hin zu den höherwertigen Aufgaben. Gleichzeitig aber besteht nach wie vor ein sehr hoher Bedarf an gut ausgebildeten ITlern, weil die Unternehmen sie benötigen, um technisch immer auf dem neusten Stand zu sein. Für diese Leute ist RPA ein Segen."

RPA in der Praxis

Gesundheitsexperte Ascension Health erwarb 2014 eine RPA-Lösung von Blue Prism, um sich viele manuelle Eingriffe bei der Einführung eines neuen ERP-Systems zu sparen. "Es gilt da jede Menge 'Drehstuhl-Jobs' zu erledigen, bei denen Daten von einem System in das andere geschaufelt werden müssen", sagt A.J. Hanna, Senior Director of Operations Support at Ascension. "Trotz 'Standard-ERP' gibt es viele lokale Eigenheiten und Vorgaben, die berücksichtigt werden müssen."

Der Einsatz von RPA hat zu keinen Stellenkürzungen geführt, "aber die Möglichkeit dafür besteht definitiv", so Hanna. "Am ehesten kann sich das auf unser Personal an vorderster Front auswirken. Wir suchen gerade nach Wegen, mit den neuen Herausforderungen umzugehen" - ohne neues Personal einzustellen, versteht sich. Umso mehr regelbasierte Aktivitäten anfallen, "werden voraussichtlich auch mehr Gelegenheiten zur Personalreduktion anfallen", so Hanna. "Wir müssen uns von Fall zu Fall ansehen, ob und wie sich die prognostizierte Zunahme von Workloads in diesem Jahr auf die Belegschaft auswirkt."

Auch der IT Service Provider CGI arbeitet seit einem Jahr mit drei RPA-Anbietern - Thoughtonomy, Celaton und Innovise. Laut Danny Wootton, Innovation Director von CGI, will man damit vor allem eine gesteigerte Effizienz der IT und von Geschäftsprozessen sowie eine größere Zufriedenheit der Kunden erzielen. "Es geht nicht unbedingt um die Kostenreduzierung, eher um besseren Service und gesteigerte Effizienz", so Wootton.

Bei CGI hat sich der Aufwand für viele Aktivitäten wie etwa das vergleichsweise simple Zurücksetzen von Passwörtern, aber auch für die weitaus komplexere Lohn-und Gehaltsabrechnung sowie Help-Desk-Probleme, verringert. Ähnlich wie bei Ascension Health hat sich RPA bis jetzt noch nicht auf den Personalbestand ausgewirkt. "Aber das kann durchaus etwas sein, womit wir uns in Zukunft beschäftigen", so Wootton.

Der Silberstreif am Horizont

Nach Expertenmeinung bedeutet RPA aber nicht nur Schlechtes für IT-Experten. Zum einen ergeben sich durch die Technik selbst neue Möglichkeiten, weil es Leute geben muss, die diese implementieren, managen und warten können. "Es gibt eine Nachfrage nach neue Fähigkeiten im unteren und mittleren Management", erläutert Casale vom IRPA. Er kenne Menschen, die durch RPA ihren Job verloren haben, dann aber Fortbildungen erhalten haben und nun als Spezialisten ausgerechnet an der Prozessautomatisierung arbeiten.

Zudem könnten Unternehmen einige der ausgemusterten Angestellten in neuen und viel interessanteren Jobs unterbringen - entweder wieder in der IT oder auch im Business. "Unterm Strich setzt RPA viel Zeit frei, die für wichtigere Aufgaben in der IT aufgebracht werden kann", meint Boos von Arago. "Die Nachfrage nach IT-Fachkräften ist so hoch, dass sie nicht durch Bildungsangebote der Hochschule und anderen Einrichtungen gedeckt werden kann. RPA kann Angestellte in der Wertschöpfungskette nach oben befördern, keine Frage."

Bei Ascension Health wurden einige Angestellte von ihren früheren Aufgaben ab- und für komplexere Aufgaben herangezogen, so Hanna. Das Unternehmen habe die Absicht, genauso viele Angestellte weiterzubilden beziehungsweise neu einzusetzen, wie durch RPA freigesetzt werden. "So gesehen offeriert uns RPA ein großes Potential, das es gar nicht geben würde, wenn wir die BPO ausgelagert hätten."

Laut Wootton wanderten bei CGI einige IT-Mitarbeiter ins Business. "RPA verändert die Art der Aufgabenstellung für die Menschen, eben weil durch die Automatisierung viele redundante Aufgaben wegfallen, wodurch viel Zeit für wertvollere und anspruchsvollere Aufgaben aufgewendet werden kann."

Die Turbulenzen kommen

Ganz egal wie RPA im Unternehmen zum Einsatz kommt, die Folge sind Veränderungen in den Bereichen Personalmanagement und Fortbildung. Organisationen müssen sich darauf einlassen, wollen sie ihre IT-Support-Infrastruktur automatisieren und damit zukunftsfähig halten. Und es ist ja nicht das erste mal, dass Organisationen grundlegenden Veränderungen im IT-Bereich gegenüberstehen: "Dieser Film ist bereits mehrmals gelaufen, etwa mit dem Aufkommen des Internet oder durch Outsourcing-Aktivitäten und durch alle disruptiven Technologien, die Arbeitssituationen neu geordnet haben", sagt Casale.

RPA könnte aber für vergleichsweise sehr viel Aufregung sorgen, da sich gerade viele Unternehmen darauf stürzen. "Es gibt natürliche Widerstände gegen den Einsatz dieser Art von Technologie", so Hanna. "Am meisten durch Leute, die direkt davon betroffen sind."

Ohne Zweifel wird RPA für Umbrüche in der Belegschaft sorgen. Aber alle, die an vorderster Front der technologischen Entwicklung stehe, halten den Ball flach: "In vielen verschiedenen Aspekten bevorzugen Unternehmen RPA gegenüber klassischem Outsourcing", erläutert Sean Tinney, Global Head of Innovation and Transformation bei Sutherland Global Services, einem Service Provider, spezialisiert auf die Implementierung von RPA.

"Eine RPA-Lösung eröffnet mittel- und langfristig mehr Möglichkeiten als traditionelle Sourcing-Modelle. Außerdem kreiert es neue Rollen und Möglichkeiten sowohl für die ausgelagerte als auch die verbliebene Infrastruktur", so Tinney. "Unserer Erfahrung nach hat RPA positive Auswirkungen, die von Firmen gerne angenommen werden." (sh)

Dieser Beitrag erschien ursprünglich bei unserer US-Schwesterpublikation InfoWorld und wurde ins Deutsche übersetzt.