Den Lieferanten im Fokus

08.02.2002
Die enge Zusammenarbeit mit Zulieferern verbessert den Informationsfluss und beschleunigt Entscheidungen. Supplier Relationship Management ist eine Unternehmensstrategie, die Prozesse, Methoden und Technologien zum Aufbau und Management von Lieferantenbeziehungen definiert.

Von: Michael Weiss

Unternehmen verwenden Internettechiken, um ihre Zuliefernetzwerke zu optimieren und Kosten einzusparen. Einen Ansatz stellt eine Strategie für das Beziehungsmanagement mit den Zulieferern dar.

Supplier Relationship Management (SRM) geht über die Gewinnung kostengünstiger Lieferquellen beziehungsweise die Erschließung neuer Absatzmärkte hinaus. Es ist mit dem Customer Relationship Management (CRM) vergleichbar. Aufgabe einer CRM-Strategie ist der Vertrauensaufbau zwischen den Geschäftspartnern.

Lebendige Beziehung

Während CRM-Systeme in erster Linie die Steigerung von Umsätzen im Auge haben, hilft eine SRM-Strategie, durch das Management der Lieferantenbeziehungen Kosten einzusparen. Welche Auswirkungen eine unvollständige Einbindung von Lieferanten haben kann, lässt sich anhand eines Beispieles verdeutlichen. Als Sony seine "PlayStation 2" einführte, konnte unter anderem aufgrund von Lieferproblemen eines Chip-Herstellers zunächst nicht die ausreichende Menge an Konsolen produziert und ausgeliefert werden. Da die Händler in der Weihnachtszeit dringend Spielekonsolen anbieten wollten, orderten sie die Konsole des Konkurrenten Sega. Sony erlitt nicht nur Umsatzeinbußen, sondern hatte gleichzeitig die Konkurrenz gestärkt. Nicht zuletzt blieb dadurch auch der Absatz an passender Software entsprechend hinter den Erwartungen zurück.

Die Folgen des Missmanagements der Lieferantenbeziehungen fallen in der Regel umso drastischer aus, je stärker die Branche durch hohen Wettbewerbsdruck und kurze Produkt- beziehungsweise Innovationszyklen geprägt ist. Diese Erkenntnis ist keineswegs neu. Zur Lösung setzen Unternehmen seit Jahren auf das Konzept des Supply Chain Management (SCM), welches Material-, Informations- und Finanzfluss eines Unternehmens steuert. SCM fordert sowohl eine organisationsinterne wie unternehmensübergreifende Integration aller wertschöpfenden Aktivitäten durch Einbeziehung von Zulieferern und Endverbrauchern. Unternehmen werden auch immer mehr Teil von komplexen Systemen in Form von global tätigen Logistik- und Produktionsnetzwerken.

Bislang fehlte dem SCM die Abbildung von "lebendigen" Beziehungen zu Lieferanten. Diese beschränkten sich auf das Wissen von Mitarbeitern und standen nicht als automatisierter und übergreifender Prozess im Unternehmen zur Verfügung. Hier greift SRM als Erweiterung des bestehenden Hersteller-Lieferanten-Kontakts.

Kollaborative Produktentwicklung

Ein Supplier Relationship Management greift viele Elemente der SCM-Applikationen auf. Das erlaubt die stärkere Ausrichtung an den Erfordernissen sowohl der Zulieferseite (wie Bestellung, Zuliefermanagement) als auch der internen Prozesse (wie Lagermanagement) und Kundenmanagement (wie Kundenservice, Vertriebsmanagement). Während SCM das übergreifende Management der logistischen Lieferkette, wie Materialfluss, Produktionsauslastung und gemeinsamer Lagerbestandsverwaltung, zwischen Lieferant, Hersteller und Endabnehmer steuert, übernimmt das SRM die Optimierung, Analyse und Unterstützung der Beziehungen zwischen Lieferant und Hersteller. SCM funktioniert weitgehend automatisiert und unterstützt dabei wiederkehrende Regelabläufe. SRM gilt als parallele Erweiterung des SCM auf kommunikativer, informeller und konstruktiver Ebene, zum Management aller nicht logisch abbildbaren Prozesse wie beispielsweise kollaborativer Produktentwicklung, strategischer Beschaffung und Vertragsverhandlung.

Um effektive Entscheidungen über die Zusammenarbeit mit Zulieferern zu treffen, sind drei unterschiedliche Informationsquellen relevant:

- Interne Informationen stehen innerhalb der Firma zur Verfügung, beispielsweise die jährlichen Ausgaben an bestimmte Zulieferer, die Menge der georderten Bauteile, die Anzahl der Bestellungen oder die Häufigkeit von Reklamationen.

- Externe Informationen werden vom Zulieferer angefordert, wie beispielsweise Jahresumsatz, Anteil der eigenen Bestellbeträge an diesem Umsatz oder der Grad der Verschuldung beziehungsweise des Wachstums (Risikoanalysen).

- Standardisierte Unternehmensauskünfte beziehen sich auf Zulieferer hinsichtlich Preis, Qualität und Verlässlichkeit.

Diese Informationen werden analysiert und zur Entwicklung von spezifischen Beschaffungsstrategien herangezogen. Sie können Konsolidierungen (Reduktion der Zulieferer eines Bereiches), Diversifikationen (Ausweitung des Liefe-rantenstamms eines Bereiches) oder die explizite Priorisierung von Zulieferern zur Folge haben. Die folgenden Elemente gelten als Anhaltspunkte, die dabei helfen, eine SRM-Strategie zu bestimmen:

- Content- mit Katalogmanagement und Zulieferdatenbanken,

- Collaborative Design/Manufacturing,

- Analytics mit Ausgabenanalysen, Risikoanalysen, Zuliefererverteilungsanalysen, Performanceanalysen,

- Vorverhandlungen (Request for Quotation RFQ),

- Dynamic Bidding und Pricing, sowie Auktionen und

- Automatisierung der Transaktionen durch E-Procurement.

Alle relevanten Informationen müssen den entsprechenden Mitarbeitern zugänglich gemacht werden, unter Berücksichtigung der sicherheitsrelevanten Aspekte. Sie erlauben eine prozessorientierte Informationsbereitstellung für unterschiedliche Nutzer, speichern Daten und Informationen zentral ab und erlauben einen Zugriff auf Datenarchive. Zur Verwirklichung der kollaborativen Zusammenarbeit sollte die SRM-Lösung folgende Anforderungen erfüllen:

- Offene, internetbasierte Architektur,

- Verwendung von Standardtechnologien (Java, XML),

- Einsatz einer Translation Engine, die den Austausch von Informationen zwischen heterogenen Applikationen erlaubt (Applikationsintegration),

- Möglichkeit der Anbindung an private Marktplätze,

- zentrale Ansicht aller Informationen der Supply Chain,

- Sammeln, Managen und Speichern aller Daten der Zulieferer,

- Zuordnung der Nutzer zu frei definierbaren Rollen,

- Integration der bestehenden Systeme.

Das Ziel von SRM-Strategien ist der Aufbau von kollaborativen Supplier-Netzwerken. Durch die Einbindung der Zulieferer bereits im Stadium des Produktdesigns werden Gesamtproduktionszyklen verkürzt und gemeinsames Know-how aufgebaut.

Zurzeit ist der Markt geprägt von zahlreichen Anbietern von Einzelkomponenten, die Teilbereiche einer SRM-Strategie abdecken. Als einer der führenden Supply-Chain-Anbieter verfügt i2 über eine integrierte SRM-Applikation mit Design-, Beschaffungs- und Einkaufsfunktionen, in die auch Fremdsysteme eingebunden werden können. Darüber hinaus hat jüngst die SAP AG eine umfassende SRM-Initiative für das Jahr 2002 angekündigt. Ein weiterer Anbieter in dem Bereich ist Manugistics. Künftig sind Impulse besonders von Anbietern von Integrationslösungen (EAI) und SCM-Applikationen zu erwarten, indem bestehende Komponenten zusammengefasst, mit Neuentwicklungen kombiniert und als integrierte SRM-Lösung angeboten werden. (sf)

Zur Person

Michael Weiss

ist Fachautor und E-Business-Consultant der move3d technology design consulting. Das Unternehmen bietet Beratung und Software-Entwicklung für Business-Lösungen auf der Basis von Internet-Technologien.