Den Internet-Laden planen und einrichten

10.12.1999
Es ist nicht damit getan, einen Server mit einer Shop-Software ans Internet zu "hängen", um im E-Commerce Erfolg zu haben. Viele Faktoren spielen eine Rolle, angefangen von der Wahl des richtigen Service-Providers, über die Auswahl und Präsentation des Warenangebotes bis hin zum Marketing.

Von: Kai-Oliver Detken

Über das Internet einzukaufen, stößt bei den Online-Usern in Deutschland auf geteiltes Echo. Einerseits ist diese Art des Shoppings für den Kunden bequem: Er muß keine Rücksicht auf Ladenöffnungszeiten nehmen und kann von zu Hause oder vom Arbeitsplatz aus bestellen. Außerdem hat er die Möglichkeit, schnell und einfach Preise zu vergleichen, weil die Geschäfte quasi nur einen Mausklick voneinander entfernt sind. Ein weiterer Bonus ist, daß viele Shops die Waren mittlerweile versandkostenfrei liefern.

Doch diesen Vorzügen steht eine Reihe von "Pferdefüßen" gegenüber. So haben viele Nutzer Bedenken wegen der Sicherheit, weil sie beim Internet-Handel sensible Daten herausgeben, etwa Kreditkarteninformationen. Ein weiteres Manko sind die Verbindungsgebühren. Sie sind zwar in den vergangenen Monaten dank des Wettbewerbs der Internet-Service-Provider und der Telekommunikationsfirmen drastisch gesunken, fallen aber immer noch ins Gewicht. Je nach Art des Produktes kann sich außerdem der fehlende direkte Kontakt zur Ware als hinderlich erweisen, beispielsweise bei Kleidung. Zudem vermissen viele das persönliche Beratungsgespräch mit dem Verkäufer.

Das Einkaufsverhalten der Kunden im Internet unterscheidet sich deutlich von dem im normalen Geschäft. Ein Einkaufsbummel, bei dem sich der Interessent von Angebot zu Angebot klickt, findet praktisch nicht statt. Statt dessen suchen die Kunden gezielt nach bestimmten Produkten. Die Erfahrungen der ersten Online-Shops haben gezeigt, daß der reibungslose und zielorientierte Weg durch das Warenangebot im Mittelpunkt steht, weniger das Kauferlebnis. Findet er nicht das gewünschte Produkt, wechselt der Kunde zu einem anderen Online-Shop oder setzt eine Suchmaschine ein, um einen mit dem gewünschten Angebot aufzuspüren.

Beratungsleistung kommt zu kurz

Ein Problem beim Online-Shopping ist die Kaufberatung. Viele Anbieter träumen von einer Website, die vollautomatisch Umsätze erzeugt, ohne daß jemand eingreifen muß. Das ist ein schwerwiegender Trugschluß. Denn auch Online-Kunden wünschen Beratung oder haben Fragen. Auf einer Web-Site kann der Anbieter jedoch nur auf die gängigsten Probleme eingehen, die einen Kunden daran hindern könnten, einen Einkauf zu tätigen. Anderenfalls würde die Navigation zu kompliziert. Auf konventionelle Weise lassen sich jedoch nur etwa 30 Prozent aller Anfragen beantworten. 70 Prozent der Besucher verlassen den Laden wieder, ohne etwas gekauft zu haben.

Einen Ausweg bieten Call-back-Buttons auf der Web-Seite, über die ein Besteller telefonisch mit einem Berater Kontakt aufnehmen kann. Diese Lösung läßt sich mit einem Fernsteuer-Tool kombinieren, mit dessen Hilfe der Berater den Kunden durch die Web-Site führt. Noch Zukunftsmusik, aber technisch machbar, sind individuelle Online-Verkaufsgespräche, bei denen Sprach- und Bildinformationen in Kombination eingesetzt werden, oder 3D-Verkaufsräume mit Avataren, die echte Berater repräsentieren.

Kriterien für die Planung eines Online-Shops

Nach Berechnungen der Giga Information Group kämpfen die meisten Online-Shops derzeit mit Verlusten. Nur etwa fünf Prozent arbeiten kostendeckend oder mit Gewinn. Die meisten Shops müssen nach Ansicht der US-Marktforscher eine Durststrecke von bis zu 18 Monaten überwinden. Dem stehen allerdings erhebliche Einsparungen gegenüber. So entlasten alleine die Bestellabwicklung und der Kundenservice über das Web die Firmenkasse um bis zu 90 Prozent.

Es ist erheblich aufwendiger, einen Online-Shop einzurichten als eine Web-Site, auf der sich ein Unternehmen darstellt. Wer einen Laden im Internet eröffnen möchte, sollte die folgenden zehn Regeln beachten:

1. Ist-Analyse und Planung der Struktur: Zunächst ist zu klären, welche Kunden der Shop anspricht, aus welchen Produkten das Sortiment besteht und ob vorhandene Ressourcen mitgenutzt werden, etwa Warenwirtschaftssysteme und Web-Server. Außerdem muß der Anbieter festlegen, wie die Produktinformationen und die Kaufberatung aussehen sollen und die Daten weiterverarbeitet werden. Das betrifftt vor allem die Versandlogistik. Zudem muß berücksichtigt werden, ob auch Kunden aus dem Ausland bestellen dürfen.

2. Provider und Standort auswählen: Die Art der Internet-Anbindung hängt davon ab, wie viele Artikel der Laden enthält und wie viele Besucher der Betreiber erwartet. Ein weiterer Faktor ist die Verknüpfung mit anderen Systemen, etwa einer Warenwirtschaft. Für viele Shops reicht eine ISDN-Leitung nicht aus, es sollten schon 2 MBit/s sein.

Internet Service-Provider (ISPs) bieten meist zwei Varianten an: Bei der ersten steht der Server beim Kunden, bei der zweiten beim ISP. Die erste Lösung erfordert hohe Investitionen in Leitungen, Hard- und Software sowie die Netzwerkverwaltung. Sie ist vor allem dann interessant, wenn der Online-Shop an andere Systeme angeschlossen werden soll, etwa eine Warenwirtschaft. Preisgünstiger ist meist die zweite Variante, das Server-Hosting. Bei der Auswahl des ISP sollte der Kunde nicht nur die Preise vergleichen, sondern auch prüfen, welche Dienstleistungen der Provider zur Verfügung stellt.

3. Auswahl der Shop-Software: Der Anwender hat die Wahl zwischen einer Fülle von Systemen, angefangen vom kostenlosen CGI-Skript bis hin zur teueren Komplettlösung. Er muß zunächst entscheiden, ob er auf eine Standardsoftware zurückgreift oder lieber ein eigenes System entwickelt. Für diesen Zweck stehen zahlreiche Entwicklungswerkzeuge zur Verfügung. Daher ist es wichtig, möglichst präzise Anforderungen zu definieren und anhand dieser Liste dann die Software auszuwählen.

4. Artikeldaten erfassen: Die Artikel für den Online-Shop zu erfassen, kann sehr aufwendig sein. Zum einen liegen die Daten nur selten in elektronischer Form vor, zum anderen eignen sich Informationen aus anderen Programmen, etwa Warenwirtschaftssystemen, nur selten für den Online-Einsatz. Die Kunden können mit den kryptischen Abkürzungen und Hinweisen, die diese Systeme verwenden, meist nichts anfangen.

Die Texte, in denen ein Produkt beschrieben wird, sollten gut aufbereitet, leicht lesbar und übersichtlich sein. Wichtig sind außerdem gute Abbildungen. Bei der Auswahl beziehungsweise Aufbereitung der Bilder sollte der Anbieter allerdings darauf achten, daß die Ladezeiten nicht zu hoch sind. Wer Bilder benötigt, kann Dienstleister, beispielsweise eine Werbeagentur, damit beauftragen, entsprechende Dateien zu erstellen. Oft werden auch bestehende Printvorlagen eingescannt und mit einem Bildbearbeitungsprogramm nachgearbeitet.

5. Das richtige Zahlungssystem auswählen: Ein Interessent wird sich nicht zum Kauf einer Ware überreden lassen, wenn der Online-Shop keine akzeptable Zahlungsmethode vorsieht. Von den vielen Lösungen, die derzeit verfügbar sind, läßt sich gegenwärtig keine ohne Vorbehalt empfehlen.

6. Logistik anpassen: Eine entscheidende Rolle spielt bei Online-Shops die Logistik. Nur in Ausnahmefällen lassen sich Produkte auf elektronischem Wege ausliefern, etwa Software, Informationen oder Musik. Meist werden die Waren mit einem Paketdienst verschickt. Der Kunde wird jedoch kaum lange Lieferzeiten akzeptieren. Deshalb müssen Waren- und Versandlogistik stimmen. Bestellungen, die erst nach Tagen bearbeitet werden oder Waren, die nicht auf Lager sind, führen zu langen Lieferzeiten und verärgern den Kunden. Nicht immer können die Versandkosten direkt auf den Kunden umgelegt werden. Viele Online-Shops liefern inzwischen versandkostenfrei, und die Kunden werden dies verstärkt als "Standarddienstleistung" einfordern.

7. Werbung: Angesichts der rasant wachsenden Zahl von Online-Shops ist Marketing ein Muß. Gängige Mittel sind Einträge in Suchmaschinen oder Werbe-Banner auf bekannten Web-Sites mit einem Link zum Online-Shop. Allerdings sollte der Anbieter nicht nur auf diese beiden "Pferde" setzen und dies berücksichtigen, wenn er das Werbebudget festlegt.

8. Aktualität wahren: Das Internet zeichnet sich durch eine extrem schnelle Informationsverarbeitung aus. Dieser Vorteil sollte in einem Online-Shop auf jeden Fall zum Tragen kommen. Nichts ist schlimmer als veraltete Angebote oder Produkte, die nicht mehr lieferbar sind. Aktive Nutzer beobachten sehr genau, welche Seiten gepflegt werden. Zusätzlich kann der Betreiber mit Hilfe häufig wechselnder Sonderangebote Kunden dazu animieren, einen Shop mehrmals zu besuchen.

9. Auswertung des Kundenverhaltens: Sobald ein Internet-Laden in Betrieb ist, sollte der Betreiber anhand der Zugriffe das Nutzerverhalten feststellen.

Hilfreich sind in diesem Zusammenhang Funktionen, mit denen das Verhalten der Kunden protokolliert und aufbereitet wird. Eine gute Shop-Software stellt solche Tools zur Verfügung. Sie geben dem Betreiber eine Rückmeldung, welche Artikel besonders interessant sind und welche sich zu Ladenhütern entwickeln. Auch der Weg des Nutzers durch die einzelnen Web-Pages läßt sich verfolgen und gibt beispielsweise Aufschluß über Stolpersteine. So kommt es immer wieder vor, daß sich Kunden an bestimmten Stellen eines Shops "verlaufen". Auf Grundlage dieser Informationen sollte der Betreiber versuchen, den Shop zu optimieren.

10. Den Shop ausbauen: Es ist praktisch unmöglich, im Vorfeld den perfekten Shop zu planen. Deshalb macht es Sinn, zunächst mit einem Grundangebot zu starten. Wichtig ist, daß der Betreiber sich nicht davor scheut, nötigenfalls seinen Laden anzupassen beziehungsweise ihn auszubauen, etwa indem er weitere Produkte aufnimmt. Nicht zu unterschätzen ist der Faktor Kundenbindung. Viele Online-Shops haben zu diesem Zweck Foren, News Groups und Chat-Räume eingerichtet.

Standardsoftware oder maßgeschneiderter Shop

Wer sich entschlossen hat, einen Web-Shop zu eröffnen, muß entscheiden, ob er auf eine Standardsoftware zurückgreifen möchte oder sich einen Laden "maßschneidern" lassen will. Der größte Vorteil von Standardsoftware ist sicherlich die Möglichkeit eines schnellen Einstiegs in E-Commerce. Wizards und Datenimportfunktionen erlauben es dem Anwender, innerhalb eines Tages einen funktionierenden Standard-Shop aufzubauen.

Problematisch wird es, wenn er spezielle Funktionen oder Features haben möchte. Dann müssen Programmierer an die Arbeit. Und spätestens dann stellt sich bei Standardsoftware die Frage nach den Programmierschnittstellen: Sind sie ausreichend dokumentiert, so daß der Anwender selbst Hand anlegen kann, oder muß man sich die gewünschte Funktionalität von einem Fremdanbieter dazukaufen? Wie lange würde eine größere Anpassung dauern und wie gut läßt sich eine externe Lösung integrieren?

Tatsache ist, daß alle großen Online-Shopping-Systeme Individualentwicklungen sind. Ab einem bestimmten Aufwand für die Anpassung eines Standardsystems kann es sich also lohnen, eine Individualentwicklung selbst in die Hand zu nehmen. Der Shop-Betreiber hat dann immer noch die Möglichkeit, bestimmte Module dazuzukaufen, etwa für die Bezahlung mittels Kreditkarten. Aber auch hier gibt es keine goldene Regel. Die Entscheidung, ob ein "Shop von der Stange" ausreicht oder eine Maßanfertigung günstiger ist, muß der Anbieter vor dem Hintergrund seiner speziellen Anforderungen treffen.

Im abschließenden vierten Teil der Serie in Heft 1/2 des kommenden Jahres 2000 stellen wir einige gängige Produkte für den Aufbau von Online-Shops vor. (re)