Bedenklicher Status

Datenhygiene oft Nebensache

20.11.2009 von Holger Eriksdotter
Datenqualität wird für Unternehmen immer wichtiger: Die erfolgreiche Integration von ERP-, BI-, BPM- oder CRM-Systemen hängt nicht zuletzt von verlässlichen und konsistenten Daten ab. Aber in den seltensten Fällen steht das Datenqualitäts-Management auf der Agenda des Top-Managements.

Die gute Nachricht zuerst: Die Wirtschaftskrise hat kaum einen negativen Einfluss auf Datenqualitäts-Projekte. Laut einer Befragung des Softwarehauses Omikron Data Quality unter 361 Firmen mit einem Jahresumsatz von über 50 Millionen Euro haben sich nur zwei Prozent der Unternehmen, die das Thema Datenqualität in Angriff genommen haben, von der schlechten Wirtschaftslage von dem Vorhaben abbringen lassen.

Nur knapp jedes zehnte Unternehmen will in diesem Jahr definitiv eine Lösung zur Verbesserung der Datenqualität einführen. (Quelle: Omikron, 2009)
Foto: Omikron

Offenbar Überzeugungstäter. Denn angesichts der Tatsache, dass Projekte in wirtschaftlich schwierigen Zeiten besonders kritisch auf den Prüfstand gestellt und meist rigoros in die Kategorien "must have" und "nice to have" eingeteilt werden, erstaunt es doch, dass nicht auch die Datenqualität dem Rotstift zum Opfer fällt. "Die Erhebung zeigt, dass sich ein Wandel in der Wertigkeit des Themas Datenqualität vollzieht", interpretiert Omikron-Geschäftsführer Carsten Kraus die Ergebnisse seiner Studie.

Allerdings ist es nach wie vor nur ein kleiner Teil der Unternehmen, die sich ernsthaft mit der Qualität ihrer Daten befassen: Konkret will jede zehnte befragte Organisation in diesem Jahr "auf jeden Fall" Lösungen zur Optimierung der Datenqualität einführen. Zusätzliche zwölf Prozent wollen dies "voraussichtlich" tun, bei ähnlich vielen ist eine diesbezügliche Entscheidung noch nicht endgültig getroffen worden.

Stiefkind Datenhygiene

Anlass dafür Qualitäts-Initiativen gibt es genug: Der "Data Quality Check 2008" des Instituts für Business Intelligence der Steinbeis Hochschule Berlin, der Deutschen Gesellschaft für Informations- und Datenqualität in Stuttgart und des Wolfgang Martin Teams förderte zu Tage, dass nur rund ein Viertel der Unternehmen die eigene Datenqualität als "gut" oder "sehr gut" einstufen. 40 Prozent bescheinigen sich selbst ein befriedigendes Qualitätsniveau, 22 Prozent halten es für ausreichend und sieben Prozent beurteilen es als mangelhaft.

Nach einer früheren Befragung von Omikron scheint selbst das noch eine eher optimistische Einschätzung zu sein. Danach gab jedes zweite Unternehmen eine Fehlerquote von mindesten 20 Prozent an, in jedem sechsten Unternehmen lag die Quote sogar bei mehr als 30 Prozent. Nur sieben Prozent der befragten Firmen gaben zu Protokoll, dass ihre Kundeninformationen nahezu vollständig und fehlerfrei seien.

Bei knapp zehn Prozent der Unternehmen sind Maßnahmen zur Verbesserung der Datenqualität teilweise oder ganz dem Rotstift zum Opfer gefallen. (Quelle: Omikron)
Foto: Omikron

Dabei sind es nicht nur die Dubletten in den Kundenstammdaten, die beim Mailing doppeltes Porto verursachen und beim Kunden einen peinlichen Eindruck hinterlassen. Auch die Anrede "Sehr geehrter Herr Einkaufsabteilung" wird nicht überall als Empfehlung verstanden, besonders wenn sich der Fehler hartnäckig bei jedem Anschreiben wiederholt. Nach Einschätzung von Kraus ist hier kaum mit einer schnellen Verbesserung zu rechnen: "Der Handlungsbedarf ist in vielen Unternehmen zu groß, das dürfte keine realistische Erwartung sein", äußert er sich skeptisch.

Gewichtiger sind noch die Bedenken, die die Befragten des "Data Quality Check" zu Protokoll gaben: 72 Prozent der Firmen klagen über den Zeitaufwand bei der Fehlerbeseitigung, der Hälfte machen die Zusatzkosten Sorgen, die bei der nachträglichen Einführung neuer Systeme und Prozesse entstehen. Als wichtigste Applikationen, bei denen das Datenqualitäts-Management eine zentrale Rolle spielt, nannten die Unternehmen ERP, CRM und Data Warehouse.

Hochwertige Ergebnisse erfordern saubere Daten

Und auch Systeme für das Stammdaten-Management (MDM - Master Data Management), die eine zentrale Sicht auf die Unternehmensdaten ermöglichen sollen, schaffen nicht automatisch Abhilfe bei Qualitätsproblemen. Allerdings sind MDM-Projekte in aller Regel Anlass, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen und die Datenqualität zu verbessern. "Stammdaten-Management setzt es sich zum Ziel, Unternehmensdaten durch die Integration von Systemen einer breiten Anwenderschicht in stets aktuellster Form anzubieten. Dazu gehört auch der Bereich des Datenqualitäts-Managements, denn nur aus hochwertigen Daten lassen sich auch hochwertige Ergebnisse erzielen", sagt Jochen Kokemüller vom Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation. "Hierfür hat sich das geflügelte Wort ‚Müll rein, Müll raus’ etabliert, das dies anschaulich untermauert." Er hat für die Studie "Stammdaten-Management-Systeme 2009" in Deutschland verfügbare MDM-Systeme untersucht und sich ausführlich mit Fragen der Datenqualität und -integration beschäftigt.

Gerade um Compliance-Anforderungen gerecht zu werden oder um aktuelle BI-Auswertungen (Business Intelligence) fahren zu können, seien aktuelle und konsistente Daten eine zentrale Voraussetzung, die viele Unternehmen heutzutage jedoch nur unzureichend erfüllten. Die Konsequenzen können deshalb über Peinlichkeiten bei der Kundenkommunikation hinausgehen. "Unternehmensentscheidungen lassen sich nur auf Basis sauberer Daten fällen", mahnt auch Omikron-Experte Kraus.

In den Chefetagen ist seine Mahnung noch nicht angekommen: Bei 28 Prozent der Teilnehmer des "Data Quality Check" war gibt es keine klaren Regelungen für das Datenqualitäts-Management. In der Mehrzahl kümmern sich IT- und Fachabteilungen darum. Nur bei einem Drittel der befragten Unternehmen liegt die Verantwortung dort, wo sie angesichts der Bedeutsamkeit und potenziellen Auswirkungen eigentlich hingehört: bei der Geschäftsführung.