Big Data

Data Analytics machen Fußballer besser

19.03.2015 von Stefan von Gagern
"Big Data" ist zum IT-Modebegriff geworden, der einen Branchenhype ausgelöst hat. Unternehmen sind fleißig am Datensammeln. Viel spannender ist jedoch die Frage: Was kommt danach? Praktische Beispiele aus dem Sport geben erste Orientierung und zeigen, was durch Datenanalyse möglich ist.

Bereits 2006 prägte Marktforscher Clive Humby den mittlerweile ausgelutschten Satz "Daten sind das neue Öl!" Cisco griff dieses Statement in seinem Whitepaper "Unlocking Value in the Fragmented World of Big Data Analytics" sechs Jahre später auf und beschäftigte sich ausführlich mit den Schwierigkeiten, aus Daten bare Münze fürs Geschäft zu machen. Allein schon die schiere Menge an Daten, die uns heute ungefiltert, unstrukturiert und unverarbeitet erreicht, bringe große Herausforderungen mit sich. Eine Aussage, die bis heute nichts an ihrem Wahrheitsgehalt eingebüßt hat.

Denn in der Tat: Die meisten Daten, die heute entstehen, sind weder sortiert noch anders überschaubar. Gerade Informationen aus dem Social Web und dem Internet der Dinge - egal ob es um Text, Zahlen, Fotos oder Sensoren- und Maschinendaten geht - lassen sich nur schwer in den Griff bekommen. Anwender fragen sich, ob der Aufwand überhaupt lohnt, sich diesen Datenmengen anzunehmen. Die Marktforscher von Gartner bejahen dies in einer Studie: Die zehn bis 15 Prozent der Unternehmen, die anfallende Daten gründlich auswerteten, legten ein im Schnitt um 20 Prozent besseres Geschäftsergebnis hin.

Big Data Analytics im Fußball

Was Unternehmen mit Datenanalysen alles machen können, zeigen spannende Beispiele, die auch auf der CeBIT 2015 zu sehen sind. Intel widmet sich in diesem Jahr ganz dem Thema "Big Data im Fußball". Schon im Vorfeld der Messe präsentierte Intel im Hamburger Millerntorstadion - Heimat des FC St. Pauli -, der Fachpresse, wie Fußballclubs Datenanalysewerkzeuge einsetzen, um Trainingseinheiten, Spiele und auch die einzelnen Spieler zu verbessern.

Jede Trainingseinheit wird haarklein aufgezeichnet und analysiert. Talentsucher vertrauen nicht mehr nur ihrer eigenen Intention und Erfahrung, sondern stützen Entscheidungen auf elektronische Spielerprofile mit umfangreichen Statistiken über Tore, Laufleistung, Durchschnittgeschwindigkeit, Zweikämpfe, Fouls, gelbe und rote Karten.

Über die Talentsuche-Software Scout7 beispielsweise lassen sich solche Statistiken und entsprechende Videoaufzeichnungen abrufen, um sich schnell ein umfassendes Bild von einem bestimmten Spieler zu machen. Scouts können die Datenbank der Software nach so genannten "Player Events" wie Torschüsse, Pässe, Kopfbälle oder Angriffe durchsuchen, eine Shortlist mit den besten Spielern einer bestimmten Kategorie erstellen und diese samt Video-Highlights per E-Mail an die Vereinskollegen übertragen.

Entscheidende Spielzüge lassen sich in Scout7 per Videoclip aufrufen.
Foto: Stefan von Gagern

Anbieter Scout7 betreibt dafür einen riesigen Aufwand: Er wertet Monat für Monat rund 3000 Fußballspiele weltweit aus und bereitete sie für die Nutzer seine Software auf. So enthält die Scout7-Datenbank bereits Profile und Leistungsdaten von 135.000 weltweit aktiven Profifußballern.

Wahrsager-Qualitäten

Nicht nur das Scouting bekommt eine neue Facette, auch die künftige Entwicklung von Spielern soll sich für die Vereine mit Predictive-Analytics- Tools besser vorhersehen lassen. Etablierte Spieler wie Bastian Schweinsteiger liefern Leistungswerte von der Nachwuchsmannschaft bis ins Profigeschäft - Verletzungen und Leistungsdellen mit einbezogen. Predictive-Analytics-Tools leiten daraus dann wiederkehrende Muster und Trends ab und versuchen diese Werte auf andere Spieler zu übertragen. Dafür wird das Profil eines Nachwuchsfußballers mit den Leistungswerten des Stars in der gleichen Altersstufe verglichen, um so Vorhersagen für die künftige Entwicklung zu treffen. Aber auch für die etablierten Stars selbst sind die Werkzeuge hilfreich, um beispielsweise drohende Verletzungen durch zu große Belastungen - beispielsweise durch internationale Wettbewerbe oder Länderspiele - zu vermeiden.

Vereins-Management

Doch der sportliche Erfolg ist nicht alles - der moderne Verein muss per Social Media mit seinen Fans kommunizieren, Tickets möglichst effizient verkaufen, Merchandising-Artikel an den Mann und die Frau bringen, Apps bereitstellen, seine Mitarbeiter, Assets, Lizenzen und Verträge managen. Um dieses umfassende Feld zu adressieren, hat SAP mit Sport Solutions eine Datenanalyse-Komplettlösung entwickelt, die auf Basis seiner In-Memory-Plattform HANA funktioniert. So können große Datenmengen in Echtzeit ausgewertet werden. Das gilt nicht nur für sportliche Leistungsdaten, die im Training mittels Körpersensoren und im Stadion oder in der Halle während des Spiels mittels Panorama-Kamera erfasst werden, um Bewegungsdaten jedes einzelnen Spielers zu erfassen und zu analysieren. Auch die umgehende Auswertung von Social-Media-Kommentaren spielt beispielsweise für das gute Verhältnis zu den Fans eine wichtige Rolle.

Das Sportgeschäft ist heute eine komplexe Beziehung zwischen Fan, Club und Spielern. Durch Echtzeitanalyse von Daten - beispielsweise in SAP Sport Solutions - können die Vereine fundierte Entscheidungen in vielen Bereichen treffen.
Foto: Stefan von Gagern

Die SAP-Systeme kommen bei deutschen Fußballvereinen wie dem FC Bayern München, der TSG Hoffenheim oder auch dem Deutschen Fußball-Bund schon zum Einsatz. Auch in der amerikanischen Basketball-Profiliga NBA und der Eishockey-Profiliga NHL werden sie genutzt.

Alternative Spielszenen errechnen

Da die Leistung von Servern und Transcoding-Technologien für die Videoanalyse immer weiter steigt, wagt Intel die Prognose, dass wir noch längst nicht alle Möglichkeiten von Big Data Analytics im Fußball gesehen haben. In den kommenden zehn Jahren erwartet das Unternehmen unter anderem, dass noch wesentlich mehr in Echtzeit ausgewertet werden kann als bisher. Auch unstrukturierte und nicht verknüpfte Daten könnten sich nutzen lassen, Video- und Spielstatistiken ohne jegliche Nutzereingabe automatisch auszuwerten. Damit ließen sich während der Live-Spielanalyse sogar "alternative Szenarien" errechnen: Was wäre gewesen, wenn der Spielzug nicht durch ein Foul gestoppt worden wäre?

Fazit

Durch den enormen Konkurrenzdruck im Milliardengeschäft Fußball können es sich Vereine kaum mehr leisten, auf Big Data Analytics zu verzichten. Die aus der Datenanalyse erzeugten Einsichten helfen nicht nur bei der taktischen Weiterentwicklung der Mannschaft, sondern auch im Vereins-Management und in der Beziehung zu den Fans. (sh)