Typisch deutsch

Das perfekte Arbeitszeugnis

29.10.2013 von Hans Königes
Deutsche Arbeitgeber erwarten ein formal perfektes Zeugnis. Im Ausland oder nach freiberuflicher Tätigkeit ist das nicht immer zu haben. Praktiker kennen Auswege aus dem Dilemma. Dabei ist Kreativität gefragt, nicht jedoch Schwindelei.

Studium in Deutschland, Praktika oder mehrere Jahre Arbeit im Ausland - das ist längst nichts Ungewöhnliches mehr. Damit stellt sich die Frage, wie die verschiedenen beruflichen Stationen am besten zu dokumentieren sind.

Das "Zeugniswesen" mit seinen vielen Stolperfallen ist ein typisch deutsches Phänomen, ebenso der Bewerbungsmarathon: "Der Jobsuchende muss definierte Anforderungen erfüllen, sein Anschreiben mit dem Lebenslauf koppeln und darauf achten, dass sich alles in den Unterlagen wiederfindet", definiert Sascha Armutat, Leiter Forschung und Themen bei der Deutschen Gesellschaft für Personalführung (DGFP), die üblichen Anforderungen an Bewerber. Dem Bewerber bleibt also nichts anderes übrig, als sich den Regeln anzupassen.

Mit Referenzen punkten

Die Anstellung im Ausland wird aber nicht mit einem deutschen Zeugnis bescheinigt. Hier gibt es Referenzen: In der Regel beschreibt der direkte Vorgesetzte die Art der Zusammenarbeit und die Erfolge, so dass sich ein späterer Arbeitgeber ein Bild von der Leistung und dem Verhalten der entsprechenden Person machen kann.

"Wenn es um Stationen im Ausland geht, kann man auch Kollegen einbinden, die für eine Referenz zur Verfügung stehen. Genauso können Selbständige erfolgreiche Projekte erklären und mit einer Referenz eines Geschäftspartners punkten", empfiehlt Wolfgang Wagner von der Bewerbungs- und Karriereberatung Bewerber Consult in Frankfurt am Main.

So schloss auch Wolfgang L. seine Lücke im Lebenslauf. Er war lange Zeit als Führungskraft angestellt, hatte sich nach einer Umstrukturierung als Trainer selbständig gemacht und wollte wieder in einer leitenden Position fest arbeiten. L. beschrieb in einer Art Projektpapier seine Kundenaufträge der letzten zwei Jahre, dokumentierte die fachlichen und betriebswirtschaftlichen Ergebnisse seiner Arbeit und hatte damit eine gute Grundlage für die Übernahme einer Führungsposition, denn auch als Selbständiger hatte er vielfältige fachliche und persönliche Qualifikationen erworben. So bewies er in seiner Zeit als Freiberufler starkes Durchhaltevermögen, Frustrationstoleranz und Reaktionsfähigkeit bei kurzfristigen Kundenanfragen.

Zeugnismängel
Die größten Zeugnismängel
Neun Mängel sind es, die Kritiker der üblichen Arbeitszeugnisse vorbringen:
1. Angaben fehlen: beredtes Schweigen
Arbeitnehmer die eine prägnante Lücke in ihrem Zeugnis entdecken, haben gute Chancen auf eine Ergänzung.
2. Lob unglaubwürdig: Gefälligkeitszeugnis
Ein vor Lob überschäumendes Einser-Zeugnis ist keinesfalls eine Garantie für optimale Erfolgschancen bei einer Neubewerbung - jedenfalls nicht, wenn sich die Lobeselogen allzu auffällig als Teil eines Gefälligkeitszeugnisses entpuppen.
3. Zeugnissprache unprofessionell: Eigenentwurf
Wenn Arbeitgeber den Eigenentwurf eines Arbeitnehmers akzeptieren und unterzeichnen, wollen sie - wie auch beim Gefälligkeitszeugnis - eine Kündigung möglichst konfliktfrei und versöhnlich gestalten. Die Chance, einen Eigenentwurf einzureichen, sollten Sie unbedingt nutzen. Dabei ist jedoch Vorsicht geboten; die Fehlermöglichkeiten in Eigenentwürfen sind unbegrenzt!
4. Missverständliche Textbausteine: uneinheitliche Bedeutung
Zeugnisfachbücher oder Zeugniserstellungs-Software bieten einen ganzen Katalog hilfreicher Textbausteine. Auf der sicheren Seite ist man damit trotzdem nicht, denn die Autoren wenden sehr unterschiedliche Maßstäbe an.
5. Nachträgliche Änderungen: Widersprüche
Wenn sich Arbeitnehmer nachträglich für eine Aufwertung ihres Zeugnisses einsetzen, gehen ihnen oft wichtige Passagen durch die Lappen.
6. Versteckte Kritik: Verschlüsselungen
Verschlüsselungstechniken erlauben es dem Zeugnisaussteller, negative Urteile zwischen den Zeilen zu äußern, ohne dass sie für den ungeübten Leser erkennbar sind.
7. Persönliche Note fehlt: geringe Wertschätzung
In einem sehr guten Zeugnis sprechen die Erfolge für sich selbst. Konkrete Beispiele können daher die Glaubwürdigkeit eines Zeugnisses unterstreichen und ihm eine persönliche Note geben. Fehlen diese Beispiele, mangelt es entweder an Erfolgen oder an Wertschätzung.
8. Schlechter Eindruck: Stil- und Rechtschreibfehler
Rechtschreibfehler, Tippfehler und stilistische Mängel sind pures Gift für das Zeugnis. Dabei kann sich der Zeugnisempfänger nicht darauf berufen, dass die Fehler jemand anderes gemacht hat. Schließlich hätte er diese Mängel bemerken und reklamieren müssen.
9. Mängel nicht beseitigt: nachlässiger Bewerber
Wer sich in ungekündigter Stellung erfolgreich neu bewirbt, misst seinem Zeugnis keine entscheidende Bedeutung zu. Die Quittung kommt erst bei der übernächsten Neubewerbung - dann können unvorteilhafte Zeugnisaussagen zu einem echten Problem werden.

Anders lag der Fall von Elena K. die aus einem osteuropäischen Land nach Deutschland kam, um hier einen MBA abzuschließen. Wie sollte sie ihre vorherige Berufserfahrung glaubhaft belegen, wenn keiner ihrer Gesprächspartner in Westeuropa ihre Sprache beherrschte und mit der anderen Bildungs- und Wirtschaftsstruktur vertraut war? K. behalf sich mit der Darstellung ihres letzten Projekts im Heimatland und der von ihr und dem Team angewandten fachlichen Methoden. Zudem überzeugte sie einen Projektverantwortlichen, für sie als persönliche Referenz zur Verfügung zu stehen, und notierte im Lebenslauf Name und Telefonnummer dieser Auskunftsperson mit dem Zusatz "spricht fließend Englisch". Nachdem sie vorher vergeblich auf Einladungen zu Gesprächen gewartet hatte, wurde sie mit diesen Zusatzinformationen im Anschreiben zu mehreren Jobinterviews eingeladen.

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Kreativ gerne, aber immer wahrheitsgetreu

So kreativ die Lösungen auch sein mögen, sollte sich doch jeder Bewerber an die Wahrheit halten. So mancher Kandidat hat sich schon selbst ausgebremst, indem er etwa eine längere Auslandsreise zwischen zwei beruflichen Stationen mit angeblichen Workshops oder Seminaren füllte, die nicht nachweisbar waren.

"Dann ist es schon ehrlicher zu sagen, dass man bewusst eine Auszeit vom Job genommen hat, um wieder gestärkt zurückzukehren", empfiehlt Bewerber-Consult-Mann Wagner. Seiner Ansicht nach sollte man auch ehrlich über ehrenamtliche Tätigkeiten oder ein Selbststudium zum Erwerb von Fachkenntnissen Auskunft geben. Solche Aktivitäten seien "wichtige zusätzliche Kompetenzen" für die weitere berufliche Entwicklung.

Wenn Bewerber einige Grundsätze beachten, können sie auch mit ungewöhnlichen Lebensläufen punkten. Denn, so die Erfahrung des Bewerbungs-Coachs Wagner: "Stromlinienförmig designte Unterlagen schrecken eher ab, als dass sie überzeugen." Wichtig sei, sich auch individuelle Strategien und Lösungswege zuzutrauen und sich Hilfe von außen zu holen.