Das letzte Gefecht

06.07.2001
Die Glasfaser ist auf dem Vormarsch, und für viele Experten ist die Kupferuhr abgelaufen. Zumindest mit Gigabit Ethernet schlägt sich das Metall aber noch tapfer.

Von: Andreas Wurm

Ist Kupfer aufgrund des kontinuierlich steigenden Bandbdiereitenbedarfs noch eine zukunftssichere Investition? In den Normungsgremien und auch in den Köpfen vieler Entscheider wird diese Verkabelungsvariante jedenfalls noch nicht aufgegeben.

Im Sommer 1998 verabschiedete das Institute of Electrical and Electronical Engineers (IEEE) die Gigabit-Ethernet-Technik auf Glasfaserbasis mit 1000Base-SX beziehungsweise LX, ein Jahr später als Kupfervariante 1000Base- T. Zurzeit sind in den meisten Unternehmen auf der Etagenebene 10- beziehungsweise 100-MBit/s-Netze vorhanden, was in den meisten Fällen völlig ausreicht. Die Experten gehen jedoch davon aus, dass in den nächsten drei bis fünf Jahren Gigabit Ethernet auch bis zum Arbeitsplatz eingesetzt wird. Derzeit liegen in den Unternehmen im Tertiär-Bereich, also nach dem Etagenverteiler, vorwiegend Kat.-5/Klasse-D-Kupferleitungen. Diese Verkabelung ermöglicht eine Bandbreite bis 100 MHz für Fast Ethernet mit 100 MBit/s. Um Gigabit Ethernet über Kat. 5 zu ermöglichen haben sich die Entwickler etwas einfallen lassen

Gigabit über Kat. 5

Höchstes Ziel bei der Verabschiedung des Gigabit-Ethernet-Standards war es, die bereits verlegten Kategorie-5-Systeme zu nutzen. Anders als bei Ethernet und Fast Ethernet läuft die Gigabit-Variante nicht im Half-Duplex-Betrieb sondern im Voll-Duplex-Verfahren. Das heißt, es sind alle vier Adernpaare mit jeweils 250 MBit/s belegt. Für die meisten der verlegten Kabel lässt sich eine Garantie aber nicht geben. Die Vorschriften der EN 50173 (Europäische Norm für Gebäudeverkabelungen) und der ISO 11801 (International Standardization Organization) waren für eine Übertragung im Gigabit-Bereich nicht ausgelegt.

Untersuchungen haben gezeigt, dass in Unternehmen rund 90 Prozent der Verkabelung auf der Etage auf Kupfer entfallen, sich davon jedoch nur zirka zehn Prozent für eine Datenübermittlung mit Gigabit Ethernet eignen. Deshalb ist es nötig, vorhandene Kategorie-5/Klasse-D-Verkabelungen auf ihre Gigabit-Tauglichkeit zu prüfen.

Die amerikanische EIA/TIA (Electronics Industries Association/Telecommunications Industries Association) hat eine Kabelklasse definiert, um den 1000Base-T-Standard zu unterstützen: Kat. 5E/Klasse D "neu". Sie strafft die Anforderungen an Grenzwerte und Kabelparameter im Vergleich zur herkömmlichen Kategorie 5/Klasse D um rund 3 Dezibel. Verschärft wurden auch die wichtigen Übertragungseigenschaften wie Elfext, Return Loss und Next. Dadurch lassen sich über Kabel der Kategorie 5E/Klasse D"neu" Daten in Gigabit-Geschwindigkeit übertragen. Jedoch ist zu berücksichtigen, dass auf längeren Wegen Übertragungsfehler auftreten können. Dies macht die Technik aufwändig und teuer.

Die Systeme der Kategorie 5E stellen nur eine Interimslösung dar, bis die Kategorien 6/Klasse E und die Kategorie 7/Klasse F endgültig verabschiedet sind.

Weitere Kategorien

Auf einem Treffen im September 1997 verständigte sich die ISO/IEC (International Elecronic Commission) auf diese beiden weiteren Klassen.

Die Kat.-6/Klasse-E-Verkabelungen ermöglichen die Übertragung mit Geschwindigkeiten bis zu 1 GBit/s über ungeschirmte, paarweise gedrillte Kabel (Unshilded Twistet Pair - UTP) bei einer Bandbreite von maximal 250 MHz. Sie lassen sich somit erheblich günstiger realisieren als Kat. 5E. Kabel und Anschlusskomponenten unterliegen der Kat.-6-Spezifikation, genau wie die Kennzahlen für die Dämpfung, Next, PS Next, ACR, PS ACR, Delay Skew, Return Loss, Elfext und PS Elfext. Die Kategorie 6/Klasse E ist rückwärtskompatibel zu den RJ-45-Steckverbindungen der anderen Klassen. Vorhandene Komponenten- und Patch-Kabel lassen sich also weiterverwenden. Die RJ-45-Kompatibilität macht einerseits Neuinvestitionen in Steckersysteme überflüssig, birgt aber auch gewisse Risiken. Die Anforderungen der Kategorie 6 wie zum Beispiel die Einhaltung der Grenzwerte für das bei höheren Frequenzen stark ansteigende Next erfordern höchste Genauigkeit bei der Herstellung der Stecker. Diese Werte sind nur durch herstellerspezifische Maßnahmen zu erreichen, für die bisher kein Industriestandard existiert. Für die Kategorie 7/Klasse F bis 600 MHz müssen dagegen neue Stecker und Dosen her.

Die Kategorie 7/Klasse F basiert auf dem Entwurf E-DIN 44312-5 vom August 1996 der DKE (Deutsche Kommission Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik im DIN und VDE). Auch diese Klasse wurde im September 1997 weltweit anerkannt. In ihr sind die Leistungsanforderungen für den Übermittlungskanal und die verschiedenen Komponenten bis 600 MHz definiert. Die Kat. 7/Klasse F beschreibt einen erneuten Sprung in höhere Bandbreiten-Sphären, wirft aber auch die Frage nach einem geeigneten Steckersystem auf.

Alcatel-Stecker

Eine Anforderung, die an das zukünftige Kat.-7-Steckersystem gestellt wurde, war die Rückwärtskompatibilität zum RJ 45. Die Delegierten der Normungsgremien trafen sich 1999 in Berlin und wählten die von Nexans vorgeschlagene Variante "GG 45" und "GP 45" - besser bekannt als "Alcatel-Stecker". Sie entschieden sich zusätzlich für eine Rückfalloption, den "Tera"-Stecker der amerikanischen Firma Siemon. Beide Unternehmen ließen ihre Systeme Anfang des Jahres unabhängig voneinander prüfen. Was wollen die Gremien?

Die Testberichte ergaben, dass die Komponente von Siemon die elektrischen und mechanischen Anforderungen besser erfüllt als der Alcatel-Stecker. Dieser wird jedoch auch weiterhin von den Gremien favorisiert. Welches System letztendlich das Rennen um den Standard macht, ob der Tera als Alternative zum Alcatel zugelassen beziehungsweise ganz gestrichen wird, zeigt sich vielleicht schon auf der nächsten Sitzung des Steckergremiums in der zweiten Juliwoche. Unternehmen setzen die Klassen E und F zum Teil schon ein, obwohl es sich dabei bislang nur um Entwürfe handelt. Zur Standardisierung sind sie frühestens Mitte nächsten Jahres vorgesehen. Die amerikanischen und europäischen Normierungsgremien werfen immer wieder neue Vorschläge in die kochende Kupfersuppe, ohne sich darauf zu verständigen, was sie eigentlich erreichen wollen. Somit bleibt abzuwarten, was sich in der ISO beziehungsweise in der europäischen und der US-Norm letztendlich durchsetzt.

Bereits im Juni 2000 hatte ein dänisches Testhaus die Festlegung von Kategorie 8 für Multimediaanwendungen auf 50-m-Strecken für CATV (Community Antenna Television) vorgeschlagen. Nach eingehender Prüfung stellte sich heraus, dass es zur Zeit für Kat. 8 keinen Konsens gibt.

Fazit

Kupferkabel ist auch für Gigabit Ethernet eine echte Alternative. Wer auf den kostengünstigen Draht setzen möchte, sollte mindestens Kategorie 6/Klasse E wählen, da diese mit 250 MHz über genügend Spielraum nach oben verfügt und den Anforderungen auch in den nächsten Jahren gerecht werden dürfte. Vorraussetzung ist allerdings, dass die nötigen Steckersysteme vorhanden sind, um einen sauberen und reibungslosen Betrieb zu gewährleisten. Der Gigabit-Ethernet-Standard wird die letzte Norm für Kupferverkabelungen sein. Aus dem Sekundärbereich hat die Glasfaser den Draht schon weitgehend verdrängt. Bleibt abzuwarten, ob sie in ein paar Jahren auch auf der Etage dominieren wird.