Das komplettere Ubuntu: Linux Mint 2.1

02.01.2007 von Jürgen Donauer
Ubuntu-Linux gehört mittlerweile zu den beliebtesten Distributionen. Schenkt man distrowatch.com Glauben, ist es sogar die beliebteste Linux-Variante überhaupt. Linux Mint ist ein Ableger dieser Distribution.

Bitte beachten Sie: Inzwischen haben wir ein Update für Linux Mint, im Artikel "Ubuntu-Derivat: Linux Mint 5 im Test" stellen wir Ihnen die Distribution in Version 5 und mit den vier verfügbaren Desktops von Gnome, KDE, Xfce und Fluxbox vor.

Ubuntu-Linux ist in der Tat sehr einfach zu installieren und zu handhaben. Die Distribution zählt ohne Frage zur Kategorie „ausgereift“. Dennoch ist sie nicht ganz komplett.

Es geht los: Linux Mint wird von Live-CD gestartet und kann dann installiert werden.

Die Entwickler von Linux Mint haben sich zur Aufgabe gemacht, diese kleinen Missstände zu beheben. Mit guten Erweiterungen und Zusatzprogrammen ist es ihnen gelungen, ein ausgereifteres Ubuntu-Linux zu kreieren. tecCHANNEL hat die Sondervariante von Ubuntu genau unter die Lupe genommen und stellt Ihnen die Distribution vor.

Installation der Distribution

Linux Mint lässt sich entweder als Live-CD oder als installiertes Betriebssystem verwenden. Den ersten Start nehmen Sie als Live-Variante vor. Sobald es hochgefahren ist, können Sie erst mal eine kleine Erkundungsreise wagen.

Der Desktop ist sehr einfach gehalten, was der Übersicht zugutekommt. Unter den vorhandenen Icons finden Sie auch den Knopf für eine Installation auf die Festplatte.

Übersichtlich: Nach dem Erst-Start finden Sie sich sicher schnell zurecht.

Der Installations-Wizard führt Sie übersichtlich und in wenigen, verständlichen Schritten zum gewünschten Ziel. Das Partitionierungs-Tool schlägt vor, was mit den gefundenen Festplatten geschehen soll. Optional können Sie die ganze Platte verwenden oder die Partitionen manuell einrichten. Linux Mint benutzt standardmäßig ein ext3-Dateisystem. Haben Sie einen schnellen Rechner, dauert der Installationsprozess weniger als zehn Minuten. Nach einem Neustart sollten Sie eine lauffähige Installation von Linux Mint auf der Festplatte haben.

Tools in der Task-Leiste

In der Task-Leiste von Linux Mint befinden sich einige nette Zusatzprogramme. Die Entwickler nennen deshalb das Desktop-System mit ihren Erweiterungen Mint-Desktop. Dazu gehört ebenfalls ein Netzwerkmanager. Auch das von Novell entwickelte Desktop-Such-Tool „Beagle Search“ haben die Entwickler implementiert.

Das Tool funktioniert und ist beeindruckend schnell. Ein kleiner Test lieferte den Beweis. Der Begriff tecCHANNEL befand sich in einer Tomboy-Notiz und in einem OpenOffice.org-Dokument. Beagle Search fand beide innerhalb eines Wimpernschlags. Interessant wäre es, wie das Tool mit hunderten oder tausenden von Dokumenten umgeht.

Beagle Search: Der Suchbegriff „tecChannel“ lieferte die beiden richtigen Dokumente.

Zettelwirtschaft im Griff mit Tomboy

Nach dem Start begrüßt Sie zunächst Tomboy. Auf den ersten Blick sieht die Software wie ein normales Notizzettel-Programm aus. Sieht man genauer hin, kann sie ein klein wenig mehr. Zunächst ist das vorhandene Inhaltsverzeichnis sehr hilfreich und dient der Übersicht.

Doch das „Killer“-Feature in Tomboy ist eindeutig die Suchfunktion. Tomboy sucht schon während des Tippens nach passenden Begriffen in den Notizen und stellt Ihnen diese als Auswahl zur Verfügung.

Nützlicher Helfer: Tomboy eignet sich ideal zum Verwalten von kleinen Notizen.

Desktop-Verknüpfung mit Evolution

Mit einem Klick auf die Uhrzeit in der rechten oberen Ecke öffnet sich der Kalender des Monats, in dem sich der Rechner befindet. Das Interessante daran ist die direkte Verknüpfung mit der Groupware Evolution. Diese Kombination ermöglicht Ihnen einen schnellen Blick auf Ihre Tagestermine, ohne Evolution öffnen zu müssen.

Bei einem Doppelklick auf den Tag öffnet sich der Terminkalender der Groupware, und Sie können zum Beispiel Veränderungen vornehmen. Dieses Feature ist allerdings in Ubuntu 6.10 auch enthalten.

Mitgedacht: Die Verknüpfung der Desktop-Uhr mit Evolution ist sehr gut gelungen.

Mitgelieferte Applikationen

Linux Mint bringt relativ wenige, aber sinnvolle und aktuelle Applikationen mit. Als Nutzer wird man zunächst nicht mit einer Vielfalt von Anwendungen erschlagen, was wiederum der Übersichtlichkeit dient. Als Büro-Suite dient OpenOffice.org 2.1. Hier fehlt im Gegensatz zu Ubuntu allerdings die Datenbankanwendung von OpenOffice.org. Die enthaltenen Internetapplikationen beschränken sich auf Firefox 2.0, Evolution, Gaim und Xchat. Aber damit ist zunächst alles abgedeckt, was man benötigt.

Unverständlich ist, dass bei den Grafikanwendungen nur „F-Spot Fotoverwaltung“ vorhanden ist. Hier würde auch „The Gimp“ ein nettes Zuhause haben. Dieser ist in Ubuntu enthalten. Das gilt auch für das Scanner-Frontend Xsane. Nutzer, die bereits Erfahrung mit Linux gesammelt haben, werden eventuell K3B als komfortables Brennprogramm vermissen. Dieses lässt sich allerdings einfach via apt-get oder über das grafische Frontend Synaptic nachinstallieren.

Grafisch installieren: Synaptic hilft Ihnen bei der Suche, Installation und Updates.

Multimedia-Anwendungen

Gut ist die Auswahl der Unterhaltungsmedien. Hier liefern die Entwickler Amarok, MPlayer und Totem Video Player mit. Totem gibt Ihnen die Möglichkeit, DVDs mit voller Menüunterstützung abzuspielen. Mit den MPlayer-Plug-ins lassen sich Quicktime-, AVI- und MPG-Dateien im Browser ansehen. Vorteilhaft ist ebenfalls das Flash-Plug-in Version 9 Beta 2. Damit sollten sich nun die meisten Flash-basierten Internetseiten öffnen lassen. Wünschenswert wäre an dieser Stelle noch der Video Lan Client (VLC).

Auf Kommandozeilen-Ebene findet man die üblichen Verdächtigen und sinnvollen Programme. Sprich wget, rsync, bzgrep, zcat und Konsorten sind mit von der Partie.

Unterhaltsam: Linux Mint liefert eine gute Auswahl an Anwendungen.

Drahtloses Netzwerk

Ein weiteres Schmankerl ist die Unterstützung von drahtlosen Netzwerkkarten. Linux Mint kann mit ungefähr 40 verschiedenen WLAN-Kartentypen von Haus aus umgehen. Dazu dient ein eigens entwickeltes grafisches Frontend. Damit lässt sich auch ndiswrapper via Maus einrichten.

Wie Sie die Karte zum Laufen bringen, wenn die grafische Anwendung nicht weiterhilft, verrät eine gut gemachte Anleitung. Diese finden Sie unter „Orte – Dokumente – mintWifi.html“.

Einfach zu bedienen: Die Installation von nicht nativ unterstützten drahtlosen Netzwerkkarten ist ein Kinderspiel.

Besonderheiten der Distribution

Bei einem Blick unter die Haube kommen noch mehr Überraschungen zutage. Linux Mint 2.1 basiert auf dem aktuellen Ubuntu-Release 6.10. Doch die Entwickler haben zum Beispiel die Universe- und Multiverse-Repositories in der dafür verantwortlichen Datei /etc/apt/sources.list bereits mit eingetragen.

Dies gibt Ihnen Zugriff auf tausende von Zusatzpaketen aus dem Edgy-Pool. Ebenso ist das Repository für kommerzielle Programme, wie zum Beispiel RealPlayer 10 oder Opera, enthalten. Das wird auf den Canonical-Servern verwaltet.

Vollständiger als Ubuntu: Linux Mint bringt eine reichhaltigere sources.list mit sich.

Grafikkarten und grafisches Mounten

Besitzer von NVIDIA-Grafikkarten werden besonders verwöhnt. Ein kleines, aber feines Konsolen-Script namens „envy“ macht die Installation der NVIDIA-Treiber für Linux zu einem Kinderspiel. Sie werden in wenigen Schritten durch den Prozess geführt. Die Eintragungen in die Datei xorg.conf übernimmt das Script. Sollten Sie eine NVIDIA-Karte haben, können Sie die Treiber mit dem Aufruf sudo envy in einem Terminal-Fenster einbinden.

Kinderspiel: NVIDIA-Grafikkarten-Besitzern wird mit envy das Leben erleichtert.

Für die nächste Ausgabe wäre ein ähnliches Helferlein für ATI-Karten wünschenswert. Besitzer solcher Karten werden hier fündig, wie man diese Treiber einbindet. In einem Forum ist zu lesen, dass Methode Nummer zwei angeblich gut funktioniert hat.

Ein weiterer kleiner Tipp am Rande: Geben Sie in einem Terminal den Befehl sudo pymou ein. Nach erfolgreicher Passwortverifizierung öffnet sich ein in Python geschriebenes Mount-Werkzeug. Auch dies dürfte Anwendern zugutekommen, die sich auf der Kommandozeile nicht heimisch fühlen. Damit können Sie erkannte Massenspeichergeräte per Mausklick ins System einbinden und wieder entfernen.

Fazit

Linux Mint ist eine Distribution, die einen genaueren Blick wert ist. Die Entwickler haben sich Gedanken gemacht und eine einfach zu bedienende Distribution kreiert. Fairerweise muss man den Löwenanteil der Gesamtarbeit dem Ubuntu-Team anrechnen. Die eigenen Desktop-Erweiterungen sind hervorragend umgesetzt. Besitzer von NVIDIA-Grafikkarten werden envy einfach lieben. Damit wird das Einbinden der proprietären NVIDIA-Treiber ein Kinderspiel. Die Auswahl der Applikationen ist gut durchdacht. Allerdings könnte diese etwas kompletter sein.

Erfahrene Anwender werden sicher schnell via Synaptic fehlende Prominenz, wie zum Beispiel „The Gimp“, nachinstallieren. Aber Neulinge wissen vielleicht nicht, dass dies ein Bildbearbeitungsprogramm ist, und es daher nicht sofort finden. Lobenswert ist auch die Einbindung der Universe- und Multiverse-Repositories. Damit haben die Nutzer Zugriff auf tausende von Paketen aus dem Edgy-Pool. Bei Ubuntu muss der Anwender die Universe-Einträge freischalten und die Multiverse manuell hinzufügen. Oder er muss zumindest wissen, an welcher Schraube zu drehen ist. Wahrscheinlich haben die Entwickler auf die eine oder andere Applikation aus Platzgründen verzichten müssen.

An einigen Ecken und Enden könnte man etwas feilen. Deswegen bitten die Macher um reges Feedback, Verbesserungsvorschläge und das Melden von Fehlern im System. Die 3D-Erweiterungen des Desktops sollen im nächsten Release folgen. Es ist sicher ein kluger Schachzug, auf die Ubuntu-Umsetzung der 3D-Spielereien zu warten und keinen Alleingang zu starten. Deswegen überlegen sich die Entwickler derzeit, eher eine KDE-Version von Linux Mint zu generieren. Somit würde man noch eine breitere Masse von Linux-Anwendern ansprechen und der Distribution mehr Popularität verleihen.

Einigen Open-Sourclern dürfte nicht gefallen, dass Linux Mint proprietäre Produkte mit sich bringt. Auf der anderen Seite erwarten gerade Anfänger, dass der PC nach einer Installation einfach funktioniert. Und das tut Linux Mint ohne Frage. Die Gratwanderung ist somit geglückt. Das Betriebssystem darf sich zweifellos zu einer der Top-Distributionen auf dem Markt für Anfänger und Fortgeschrittene zählen. tecCHANNEL-Prädikat: Besonders empfehlenswert! (mec)