Cisco engagiert sich bei der Smart City Hamburg. Was ist das?
Oliver Tuszik: Die Smart City Hamburg lässt sich in drei Bereiche aufteilen. Ganz klassisch gibt es das "Smart City Portfolio" mit Services wie Smart Meter, intelligenter Müllabfuhr oder Intelligent Lightning. Auch wenn diese Modelle immer ähnlich aussehen, sind sie doch unterschiedlich, da unterschiedliche Geschäftsbeziehungen abzubilden sind. Der Hauptreiber des Smart City Hamburg ist jedoch der Smart Port. Der Hafen war mit folgender Herausforderung konfrontiert: Bei gleicher Fläche sollte er mehr Ladevolumen schaffen, womit wir auch schon beim Internet der Dinge sind. Wir erleben gerade eine neue Welle der Digitalisierung. Letztendlich ist es am Ende eigentlich nur BI: Wir kombinieren die verschiedensten Daten, etwa aus der Vergangenheit und sammeln neue Daten. Damit haben wir aber nichts Intelligentes geschaffen, sondern lediglich einen Datenhaufen kreiert. Dazu braucht es letztlich nur ein oder zwei kleine Apps, die aus Daten Wissen generieren - also mir helfen, Entscheidungen zu treffen.
Um was geht es beim Smart Port konkret?
Oliver Tuszik: Beim Smart Port messen wir die Bewegungen der LKWs, Schiffe und Container. Wenn wir diese Logistikströme effizienter managen, erzielen wir eine höhere Produktivität. So kann ich eine echten Mehrwert generieren, wenn ein Schiff am bestgeeigneten Kai anlegt und schneller be- und entladen wird. Die anderen Systeme der Smart Cities sind teilweise gar nicht so komplex. Denken sie nur an die intelligente Parkplatzsuche. Hier werden lediglich Real-Live-Traffic-Daten mit den Informationen über die Parkplätze verknüpft. Diese Systeme gibt es schon heute. Oder nehmen Sie ein anderes Beispiel: Sie sind jeden Tag von 8 bis 18 Uhr im Büro und Ihre Garage steht leer. Vor dem Garagentor könnte also jemand parken. Warum nehmen wir diese Daten nicht, pflegen sie in ein Portal und vermitteln den Platz für einen Euro die Stunde. Ist das eine hochintelligente Anwendung? Nein, aber Sie haben einen Mehrwert geschaffen, indem Sie den Parksuch-Verkehr reduzieren und damit die Abgase. Gleichzeitig haben Sie eine neue Einnahmequelle generiert. Darum geht es letztlich beim Internet of Things.
Aber zurück zu Hamburg. Warum ist die Stadt so gut geeignet? Hamburg ist über den Bürgermeister in der Lage die verschiedensten Bereiche zusammenzubringen. Da sitzen dann die städtischen Betriebe, die Forschung und Wissenschaft sowie die Wirtschaft an einem Tisch. Und wenn alle an einem Strang ziehen, können Sie Dinge bewegen, die vorher unvorstellbar waren. Das ist die Stärke einer Stadt wie Hamburg,
Und wie sieht es in anderen Städten aus?
Oliver Tuszik: Eine ganz andere Situation haben wir in Berlin, der anderen Smart City in Deutschland. Hier treffen Sie auf viele junge Leute, die etwas bewegen wollen. Daraus entstehen die unterschiedlichsten Projekte. Ohne viel zu verraten, wir werden in den nächsten 12 Monaten weitere Städte suchen und mit ihnen zusammenarbeiten. Was wir gelernt haben, ist, dass wir auf Seiten der Städte jemanden brauchen, der Themen voranbringt. Er muss kein Geld mitbringen, denn das ist nicht das große Thema, da wir ja neue Geschäftsmodelle aufbauen. Bleiben wir beim Beispiel Parkplätze: Wenn jemand weiß, dass er später die Parkplätze in der Stadt vermitteln darf, dann wird er gerne das Geld mitbringen, um die Infrastruktur aufzubauen. Wir müssen diese Art von Logik aufbauen. Wenn ich ein WLAN über eine ganze Stadt aufbauen will, dann hat derjenige der das WLAN baut erst einmal gar nichts davon. Das ist ja unser großes Breitbandproblem. Warum sollen die Telekoms dieser Welt ein Netz ausbauen, wenn nachher Google, Facebook, Netflix und andere das Geld daran verdienen.
Ich bin zuversichtlich, dass wir in Deutschland das Thema Smart Cities zum Fliegen bringen, wenn es uns gelingt engagierte Bürgermeister und -innen zu finden. Zudem adaptiert es unsere kritischsten Fragen wie Parkplätze, Energie oder Gesundheitsversorgung. Hier benötigen wir neue Ideen und Ansätze. Meine Hoffnung ist, dass sie aus Deutschland kommen. Wir sollten uns bewusst sein, dass wir in Deutschland so viel bewegen können. Stattdessen diskutieren wir aber, ob wir eine chinesische oder amerikanische Infrastruktur einsetzen dürfen. Viel besser ist es doch, auf dieser Infrastruktur die entsprechende Wertschöpfung mit eigener Software zu kreieren.
So verändert das Internet of Things die IT
Stichwort Wertschöpfung - was ist für Cisco am Thema Smart Cities interessant? Letztlich sind Sie ja nur der dumme Hardware-Lieferant.
Oliver Tuszik: Ich bin gern der dumme Hardware-Lieferant und verkaufe gerne Hardware. Damit können Sie mich nicht ärgern. Als Ingenieur und Nachrichtentechniker liebe ich Hardware. Aber Sie haben Recht, es entstehen Riesennetze, und große Rechenzentren und dort verkaufen wir unsere Hardware, weil wir überzeugt sind, dass wir den besten ganzheitlichen und homogenen Ansatz haben. Wir wollen dabei der Enabler sein. Wir werden es als Cisco niemals schaffen, für jede Industrie die wertschaffenden Applikationen zu schreiben. Warum haben wir ein Innovation Center in Berlin gebaut? Weil wir die vielen großen und kleinen deutschen Unternehmen begeistern wollen, auf dieser Plattform ihre Applikationen aufzusetzen. Wir begeistern etwa die Cities dieser Welt, ihre Sensoren damit zu verbinden. Dazu gibt es genügend andere Beispiele. In diesen Szenarien braucht es Strukturen, also Netze, Cloud, etc., um dies alles zu verbinden. Diese Strukturen wollen wir mit unseren APIs bieten.
Gleichzeitig sind wir für viele Kunden auch ein Beratungsunternehmen. Wir agieren also nicht nur als Enabler, sondern auch als Ideengeber. In diesem Zusammenhang sehe ich auch unsere Wertschöpfung. Dazu brauchen wir Partner - und zwar nicht nur die Klassischen, sondern auch Neue, die sich etwa in der Produktionsstraße auskennen. Und zu guter Letzt will ich Deutschland groß machen. Wenn das Internet of Things in Deutschland kein Knaller wird, dann versäumen wir die größte Chance der letzten 30 bis 40 Jahre. Wenn es uns gelingt, dann haben wir gute Chancen, die nächsten 20 bis 30 Jahre weiter an der Weltspitze zu stehen. Gelingt es uns nicht, dann werden uns andere gnadenlos überholen - vielleicht nicht in der Qualität aber bei den Produktionskennzahlen. Deshalb veranstalten wir auch die Cisco Connect in Berlin. Hier laden wir nicht einfach Kunden ein, um ihnen neue Produkte zu zeigen, sondern um mit ihnen zu diskutieren, wie sich ihre Unternehmen gerade verändern.
Und wie verändert das die klassischen IT-Berufe?
Oliver Tuszik: Ehrlich gesagt, es wird enorme Veränderungen geben, aber auch neue Berufe. Wir werden immer Admins etc. brauchen, aber wir erleben gerade das Abwandern von IT-Know-how in andere Abteilungen. Hinzu kommt, dass standardisierte Leistungen immer mehr aus der Cloud aus aller Welt geliefert werden und leider nicht nur aus Deutschland. Schließlich baue ich mein Rechenzentrum nicht da, wo der Strom am Teuersten ist, sondern dort, wo ich am Wenigsten dafür zahle und eventuell Eisblöcke zur Kühlung kostenlos vor der Türe bekomme. Aber das ist ein ganz normaler Prozess. Alles was Commodity wird, wandert aus Deutschland ab - das war schon immer so. Nur so können wir uns eigentlich unseren Wirtschaftsstandort und Lebensstil leisten. Dazu brauchen wir aber Software-affine Menschen, die übersetzen können, um die IT und das Kerngeschäft zusammenzubringen. Wir alle müssen dafür sorgen, dass diese Welten zusammengeführt werden und dafür kämpfen, dass CIO und IT an dieser Welt beteiligt sind. Ich glaube hier entstehen ganz neue Berufsbilder. Und es ändert sich viel. Nehmen Sie nur einen Bauernhof. Bei Mähen messen die Bauern bereits heute die Feuchtigkeit des Grases, um zu wissen, wo sie im nächsten Jahr mehr aussähen oder düngen müssen. Ist das Big Data beim Bauern? Angesichts der großen Veränderungen, die fast alle Bereiche betreffen werden, stehen wir vor der großen Herausforderung, dass wir wieder eine Berufsfähigkeit herstellen müssen. Fragen Sie doch beispielsweise mal einen Elektriker zu Home Automatisation oder Smart Grid.
Ihre Euphorie erinnert etwas an den dotcom-Hype.
Oliver Tuszik: Nein, wir erleben eine ganz andere Zeit. Ich finde, es ist eine Super-Zeit, um in der IT zu sein. Denn es ist keine künstliche Blase wie damals, sondern wir bauen auf soliden Business-Modellen auf. Wir sind jetzt raus aus der Phase, wo ein Mitarbeiter einen neuen PC bekam, mit dem er dann E-Mails etwas schneller verschicken konnte oder Word etwas schneller lief. Jetzt leben wir in einer Zeit, wo die IT direkt Einfluss auf das Kerngeschäft hat. Wir sind heute in einer Situation, wo wir nicht zum Kunden gehen und ihm neue Produkte vorstellen, sondern heute kommen Kunden mit konkreten Fragen zu uns. Etwa, wie können sie ihr Werk in 20 Jahren mit der Hälfte der Mannschaft betreiben und dabei die Produktivität noch verdoppeln?
Könnte ich das mit der KFZ-Branche vergleichen, wo wir den Wandel vom Mechaniker zum Mechatroniker hatten?
Oliver Tuszik: Ja, aber Sie sollten beachten, dass Sie das alte Wissen immer noch brauchen. Sie müssen noch immer wissen, wie man eine Kurbelwelle sauber lagert. Gleichzeitig müssen Sie aber wissen, wie die ABS-Informationen von 50 Sensoren verarbeitet werden. Die Anforderungen an die Mitarbeiter steigen. Wenn wir diese Veränderungen vor Augen haben, dann kann man in der Tat von einer neuen Revolution sprechen, denn die Veränderungen sind radikal. Es wird nicht mehr genügen, dass jemand nur IT versteht, er braucht auch das Wissen der anderen Bereiche und umgekehrt. Interessant daran ist, dass hierzulande kaum jemand an diesen Wandel glaubt, während die Amerikaner von diesem Wandel überzeugt sind und fest daran glauben, dass er sich zuerst in Deutschland vollzieht. Deshalb machen wir Veranstaltungen wie die Cisco Connect, um dafür zu sorgen, dass sich die Menschen mit diesem Wandel beschäftigen. Und wir müssen die deutsche Software-Industrie stärken, um für diese Veränderungen fit zu sein.