Aus der Vernetzung von Objekten ergeben sich scheinbar grenzenlose Möglichkeiten: Unternehmen verknüpfen Produktions- und Logistikprozesse, zusätzlich erhobene Daten erlauben neue Analyse- und Steuerungsoptionen. Auch Konsumenten greifen schon zu Wearables oder vernetzen ihre Haushalte. So können immer mehr "intelligente Objekte" über das Netz miteinander kommunizieren und interagieren. Im laufenden Jahr soll weltweit mehr als eine Milliarde solcher vernetzter Gegenstände abgesetzt werden. Das bedeutet im Vergleich zum Vorjahr eine Zunahme von zehn bis 20 Prozent. Noch ausgeprägter dürfte das Wachstum bei IoT-bezogenen Diensten ausfallen; hier ist ein Umsatzanstieg um 40 bis 50 Prozent zu erwarten.
Wie bei vielen Hypes der vergangenen Jahre muss sich nach der Euphorie über das tech-nisch Machbare nun die Erkenntnis des praktisch Sinnvollen durchsetzen. Dabei zeigen sich im Consumer- und Enterprise-Segment jeweils unterschiedliche Entwicklungen. Eine Bestandsaufnahme des Internets of Things erfordert daher eine differenzierte Betrachtung beider Bereiche.
Rund 60 Prozent der Hardware für das IoT wird derzeit von Unternehmen gekauft und genutzt. Diese Popularität erklärt sich aus dem unmittelbaren Mehrwert, den IoT-Lösungen im B2B-Bereich bereits bieten. Deutlich wird dies am Beispiel des intelligenten Stromzählers. Dessen Nutzen beschränkt sich nicht allein auf das automatische Ablesen von Zählerständen. Die "Smart Meters" erlauben den Energieversorgern auch eine Fehlerdiagnose in Echtzeit sowie die Lokalisierung von Stromausfällen. Mindestens ebenso attraktiv sind zusätzliche Möglichkeiten im Analytics-Bereich: Durch das Monitoring des Stromverbrauchs können die Anbieter das Nutzungsverhalten ihrer Kunden sowie etwaige Lastspitzen genauer vorhersagen, was gerade im Zusammenhang mit der Energiewende von erheblichem Wert ist.
Ähnliche Fallbeispiele haben sich auch für andere Branchen entwickelt. Nicht zuletzt der Manufacturing-Bereich profitiert von einer intelligenten Vernetzung der Produktionstechnik mit anderen Systemen. Im Fertigungsprozess und der Logistik ergeben sich daraus deutliche Optimierungspotenziale.
Paradigmenwechsel: Weg vom Kostenaspekt
Im Mittelpunkt der bisherigen IoT-Aktivitäten von Unternehmen überwog der Wunsch nach einer spürbaren Kostenreduzierung und/oder einem besseren Risiko-Management. In den vergangenen Monaten zeichnete sich jedoch ein Paradigmenwechsel ab: Immer mehr Unternehmen begreifen das Internet der Dinge als Chance, zusätzliche Umsätze zu generieren oder gar völlig neue Produkte und Dienste zu entwickeln.
Sichtbar wird dies am Beispiel von Wearable Devices. Sie bieten Innovationspotenzial, das über reine Hardwareangebote deutlich hinausgeht. So können Unternehmen mit smarten Brillen im technischen Außendienst selbst komplexe Reparatur- und Wartungsarbeiten ohne Spezialisten vor Ort leisten: Der Mitarbeiter erhält genaue Instruktionen über die Brille. Und er kann mittels der integrierten Kamera einen Experten per Ferndiagnose zurate ziehen. Für technische Dienstleister ergeben sich daraus neue Umsatzquellen. Die Außendienstmitarbeiter werden flexibler und effizienter.
Der technischen Faszination erlegen
Während also die Unternehmen bereits heute vom Internet der Dinge profitieren, lassen sich die Konsumenten von den bisherigen Angeboten noch nicht so recht überzeugen. Die intelligente Haushaltsautomatisierung nimmt erst langsam Fahrt auf. Und jüngste Produktneuheiten befremden die Endverbraucher vielfach: Vernetzte Blumenvasen oder Gabeln bieten für sich genommen nur einen geringen Mehrwert.
Darin liegt wohl das größte Problem vieler Consumer-Angebote: Die Vorteile sind entweder nicht klar erkennbar oder zu spezifisch. Anbieter und Entwickler lassen sich zu oft vom technischen Potenzial des IoT inspirieren, verlieren über dieser Faszination aber den Nutzen für die Konsumenten aus den Augen.
Die Fokussierung auf sinnvolle Anwendungsbeispiele ist daher einer der wesentlichen Erfolgsfaktoren für Consumer-IoT-Lösungen. Dazu gehören neben durchdachten Use Cases auch ein attraktives Gerätedesign sowie intelligente Bündelangebote aus Hardware, Installation und Diensten.
Die Bedeutung offener Plattformen ist auch nicht zu unterschätzen. Sie ermöglichen uneingeschränkte Kommunikation über Geräte- und Systemgrenzen hinweg. So entsteht zusätzlicher Nutzen: Einzellösungen mit individuell beschränktem Mehrwert können Teil eines Applikationsverbunds sein, der übergreifend Daten auswertet und unmittelbare Folgeaktionen auslöst. Beispielsweise kann eine zentrale Smart-Home-Steuerung unterschiedliche Anwendungskomponenten - von der Jalousiebedienung bis zur vernetzten Unterhaltungselektronik - zu einem integrierten Management von Gebäudefunktionen zusammenführen. Generell verzeichnen vor allem solche Consumer-Lösungen Markterfolge, die die vier Erfolgsfaktoren unmittelbar berücksichtigen.
Weitere Herausforderungen
Die starke Präsenz des IoT in der öffentlichen Diskussion täuscht darüber hinweg, dass sich dessen Entwicklung noch in einem frühen Stadium befindet. Nach wie vor experimentieren Unternehmen mit innovativen Konzepten und Geschäftsmodellen. Neue Teilnehmer bringen Bewegung in den Markt, gleichzeitig brechen etablierte Strukturen entlang der Wertschöpfungskette auf. Auch Datenschutz und Datensicherheit müssen sich mitentwickeln.
Komplexes IoT-Ökosystem
An der Beantwortung der vielen offenen Fragen arbeiten derzeit Akteure aus den unterschiedlichsten Bereichen. Dazu zählen Gerätehersteller, Softwareanbieter, Gesetzgeber sowie Regulierer, Verbände und Gremien, Netzbetreiber und Cloud-Service-Provider. Es existiert quasi ein in sich vernetztes IoT-Ökosystem. Nicht zuletzt die Vielzahl heterogener Stakeholder sorgt für hohe Komplexität, beispielsweise bei der Entwicklung spezifischer Geschäftsmodelle für das Internet der Dinge.
Die Technologie-Geschäftsmodelle verändern sich derzeit elementar: Stand in der Vergangenheit die Hardware im Mittelpunkt der Vermarktungsstrategien, so kommt mittlerweile ein steigender Stellenwert den begleitenden Dienstleistungen zu. Inzwischen verknüpfen die komplexeren IoT-Fälle gleich vier relevante Dimensionen miteinander: Hardware, Access, Service und Analytics.
Etablierte Marktteilnehmer sehen sich mit großen Herausforderungen konfrontiert. Der Übergang von transaktionsbasierenden Geschäftsmodellen zu dauerhaften Kundenbeziehungen erfordert völlig neue Kompetenzen, beispielsweise wo es um Abrechnungslösungen für Serviceabonnements geht.
Mit der Evolution der Geschäftsmodelle wird auch die Bedeutung von Kooperationen zunehmen. Dabei sind unterschiedliche Partnerschaften denkbar: Gerätehersteller können mit Netzbetreibern vorkonfigurierte Connectivity-Services vermarkten. Im Smart-Home-Bereich sind gemeinsame Angebote mit Installationsdienstleistern oder Sicherheitsdiensten denkbar. Das Einbeziehen von Analytics-Anbietern erlaubt die Entwicklung sinnvoller Anwendungen aus den anfallenden IoT-Daten.
Attraktive Use Cases erfordern also die Zusammenarbeit spezialisierter Anbieter. Damit wiederum steigt die Bedeutung offener Plattformen, denn möglichst unbeschränkte Kooperationsmöglichkeiten beschleunigen die Entwicklung der IoT-Angebote erheblich.
Datenschutz und -sicherheit
Neben sinnvollen Fallbeispielen sind Sicherheitsaspekte derzeit die kritischsten Faktoren für den Erfolg des IoT. Konsumenten und Unternehmen erwarten Schutz und Sicherheit ihrer Daten auf maximal möglichem Niveau. Darüber hinaus wünschen sie sich ein hohes Maß an Transparenz über die Verwendung der Daten. Die zunehmende Sensibilität der Verbraucher für dieses Thema zeigt sich am Beispiel der Smart Glasses: Entgegen allen Voraussagen haben sich die intelligenten Brillen bislang nicht richtig durchgesetzt. Einer der Gründe liegt darin, dass die Konsumenten ihre Privatsphäre gefährdet sehen.
Aus der Vernetzung von Objekten ergeben sich unterschiedlichste Bedrohungsszenarien: Angriffe auf das unzureichend geschützte Smart Home können Alarmsysteme deaktivieren oder sogar Einbrechern die Rollos öffnen. Denkbar ist auch der Missbrauch von Daten aus Enterprise-IoT-Lösungen zur Wirtschaftsspionage. Die größten Bedrohungsszenarien liegen gegenwärtig jedoch in Hacker-Angriffen auf die Steuerung kritischer Infrastrukturen wie Energie- oder Wassernetze.
Schon bei der Entwicklung berücksichtigen
Diese Beispiele zeigen: Das Internet der Dinge erfordert spezifische Sicherheitsvorkehrungen. Insbesondere bei umfangreicheren Vernetzungslösungen müssen die Anbieter ihre Cybersecurity-Strategie anpassen und entsprechende Richtlinien implementieren. Im Idealfall sollte das Thema Sicherheit bereits bei der Entwicklung von IoT-Angeboten berücksichtigt werden. Doch wie die innovativen IoT-Geschäftsmodelle selbst stecken die Security-Maßnahmen häufig noch im Entwicklungsstadium.
Unterschiedliche Reifegrade
Bei aller Euphorie um das Internet der Dinge sind derzeit noch viele Fragen unbeantwortet. Entwicklungen befinden sich häufig allenfalls im Anfangsstadium, neue Geschäftsmodelle müssen erst entwickelt werden. Auch hinsichtlich Datenschutz und Datensicherheit gibt es viele Fragezeichen. Dabei zeigen Enterprise- und Consumer-Segment unterschiedliche Reifegerade: Konsumenten sind derzeit von den neuen Diensten weit weniger überzeugt als Unternehmen.