Das Corporate Network spricht "Ethernet"

22.02.2002
Unternehmen, die mehrere Standorte über Weitverkehrsstrecken verbinden möchten, stehen vor einem altbekannten Problem: Es ist kompliziert, Wide Area Networks mit ihren unterschiedlichen Protokollen und Schnittstellen zu implementieren. Einige Serviceprovider gehen nun einen neuen Weg. Sie bauen Corporate Networks komplett auf der Basis von Ethernet auf.

Von: M. Zarka, J. Manrique, B. Reder

Die Kernnetze traditioneller Carrier wie der Deutschen Telekom oder British Telecom sind im Grunde noch immer primär für die Sprachkommunikation ausgelegt. In den vergangenen Jahren implementierten die Telekommunikationsfirmen zwar eine Fülle von Techniken, die sich besser für die Datenübertragung eignen, darunter Frame Relay, ATM, Virtuelle Private Netze auf Grundlage von IP oder Standleitungen. Jedes dieser Verfahren verwendet jedoch eigene Protokolle, Kompressionstechniken oder Mechanismen für das "Verpacken" von Informationen (Encapsulation) - ganz zu schweigen von unterschiedlichen physikalischen Schnittstellen. All das ergibt zusammen ein komplexes Gebilde, das sich nur schwer skalieren lässt.

Andererseits hat Internet die Art und Weise, wie Unternehmen ihre Netze gestalten und nutzen, völlig verändert. Was die Techniken betrifft, mit denen sie ihre Standorte verbinden, ist dagegen fast alles beim Alten geblieben. Ein Corpo-rate Network zu planen und zu installieren, ist immer noch eine schwierige Aufgabe. Üblicherweise beginnt dieser Prozess mit einer Analyse der Geschäftsabläufe des Unternehmens. Daraus leiten sich bestimmte Anforderungen an ein Firmennetz ab.

Ein Corporate Network "richtig" zu planen, ist auch deshalb so schwer, weil jeder Carrier oder Serviceprovider den IT-Verantwortlichen einer Firma nur eine begrenzte Zahl von Optionen anbieten kann. Nur selten ist ein Serviceprovider in der Lage, folgende Anforderungen in gleicher Weise zu erfüllen:

- Verbindung: Das Netzwerk muss die Standorte eines Unternehmens verbinden. Hier sind mehrere Varianten denkbar. So kann es beispielsweise notwendig sein, alle Außenstellen in das Netz einzubinden. Unter Umständen reicht es aber aus, nur einige Standorte anzuschließen. Außerdem ist zu klären, welche Verbindungen für eine längere Dauer oder nur zeitweise benötigt werden.

- Skalierbarkeit: Idealerweise sollte sich das Netzwerk möglichst einfach skalieren lassen. Dabei ist zu berücksichtigen, welche Bandbreite jetzt und künftig benötigt wird. Außerdem sollte die Planung berücksichtigen, dass eventuell neue Standorte hinzukommen. Die einzelnen Netzwerkabschnitte müssen sich unabhängig voneinander ausbauen lassen.

- Flexibilität: Ein Unternehmen, und damit seine IT-Infrastruktur, ist einem ständigen Wandel unterworfen. Das Netzwerk muss deshalb flexibel sein.

- Reaktionsschnelligkeit: Veränderungen des Corporate Network erfolgen oft kurzfristig. Je länger die Vorlaufzeit ist, die ein Serviceprovider benötigt, um Dienste aufzusetzen oder anzupassen, desto problematischer ist das für den Anwender.

- Qualität eines Dienstes: Der Wert eines Datennetzwerkes eines Unternehmens ist direkt proportional zu dessen Leistungsfähigkeit. Als Maßstab dienen hier der Grad der Verfügbarkeit, die durchschnittliche Laufzeit von Paketen sowie die Quote der Paketverluste. Diese Faktoren spielen vor allem bei Echtzeitdiensten eine wichtige Rolle, etwa Voice over IP oder Videokonferenzen.

- Redundanz: Die meisten Betriebe sind auf ihr Unternehmensnetzwerk angewiesen. Deshalb muss sichergestellt sein, dass technische Probleme beim Provider oder der Ausfall von Systemen nicht dazu führen, dass das Netz nicht mehr verfügbar ist.

- Verwaltungs- und Betriebskosten: Je komplexer ein Netzwerk, desto schwieriger ist der technische Support, weil unterschiedliche Protokolle und Schnittstellen vorhanden sind. Das wiederum bedeutet, dass gut ausgebildete und damit teure Fachkräfte benötigt werden. Der beste Weg, um die "Cost of Ownership" zu senken, besteht deshalb darin, die Netzwerkarchitektur so einfach wie möglich zu gestalten.

Ein neuer Ansatz: ein Weitverkehrs-LAN

Auf den ersten Blick scheint es keine Netzwerktechnik zu geben, welche die oben genannten Forderungen erfüllt. Eine Reihe von Serviceprovidern, darunter Storm Communications, hat nun in Ethernet ein solches Verfahren ausgemacht. Spätestens seit Gigabit-Ethernet und 10-Gigabit-Ethernet zur Verfügung stehen, ist diese Technik auch für den Einsatz jenseits des lokalen Netzes interessant.

Mit "Switched Ethernet" im Wide Area Network lassen sich Unternehmensnetze aufbauen, die komplett auf Ethernet basieren. Solche Strukturen, das versprechen zumindest die Betreiber, sind im Vergleich zu klassischen WANs einfacher aufzubauen, lassen sich besser skalieren und sind zudem billiger. Ein Ethernet-WAN besteht aus zwei Grundkomponenten: Zum einen Layer-2/3-Switches, die für die Übermittlung von Echtzeitdaten ausgelegt sind, also über Quality-of-Service-Funktionen verfügen. Zum anderen ist ein Serviceprovider vonnöten, der die Kunden-standorte via Ethernet verbindet. Für den Anwender heißt das, der Provider stellt ihm eine Ethernet-Schnittstelle zur Verfügung, an die er seine Geräte anschließt: Router, Switches, Server oder auch einzelne Arbeitsstationen.

Eine solche Ethernetverbindung im Vollduplex-Modus bietet folgende Vorteile:

- Investitionen in neue Infrastruktur sind nicht erforderlich, weil sich vorhandene Geräte, etwa ein Backbone-VLAN-Switch, an die Ethernet-Schnittstelle anschließen lassen.

- Die Spezialisten, die das unternehmensweite Netz konfigurieren und verwalten, müssen sich nicht mit unterschiedlichen Protokollen, Hardware-Komponenten und Managementsystemen auseinandersetzen.

- Die Datenrate lässt sich in Schritten von 1 MBit/s bis auf 1 GBit/s erhöhen. Der Nutzer zahlt somit nur für diejenige Bandbreite, die er auch wirklich benötigt. Die "großen Sprünge", die etwa bei Standleitungen üblich sind, gehören der Vergangenheit an.

- Die Kapazität von WAN-Verbindungen lässt sich innerhalb von 48 Stunden anpassen. Das ist vor allem dann ein Vorteil, wenn der Bedarf kurzfristig ansteigt.

- Ethernet-WANs lassen sich ebenso absichern wie Standleitungen oder Frame-Relay- und ATM-Verbindungen.

- Der Service ist für den Nutzer völlig transparent, das gilt auch für den Fall, dass dieser Virtuelle LANs (VLANs) oder das Spanning Tree Protocol (STP) einsetzt.

- Die einzelnen lokalen Netze innerhalb des Corporate Network lassen sich quasi zu einem "Super-LAN" zusammenschließen, das der Netzwerkadministrator nach Belieben strukturieren, konfigurieren und organisieren kann.

Beispiel eines Ethernet-WAN

Wie ein Unternehmensnetz auf Basis von Ethernet aussehen könnte, das Standorte in drei Städten miteinander verbindet, ist in der Grafik zu sehen. Eine Voraussetzung für den Aufbau eines solches Corporate Network ist ein internationaler Serviceprovider, der die Ethernet-Verbindungen zu den einzelnen Niederlassungen bereitstellt.

Zu dieser Kategorie von Providern gehört Storm Communications. Das amerikanische Unternehmen bietet zwei Dienste an: MAN (Metro Area Network) stellt Ethernet-Verbindungen innerhalb einer Stadt zur Verfügung, SIEN (Storm International Ethernet Network) zwischen unterschiedlichen Ländern. Beide Services kann der Nutzer nach Belieben kombinieren, wobei alle LAN-Verbindungen auf Ethernet aufsetzen. Im Beispiel dient SIEN dazu, die drei Standorte über Ethernet zu koppeln. Der Anwender kann dabei jedes beliebige Layer-3-Protokoll einsetzen, etwa IP, IPX oder Appletalk. Als Routing-Protokolle kommen Open Shortest Path First (OSPF) oder das Enhanced Interior Gateway Routing Protocol (EIGRP) infrage.

Soll nun das Unternehmensnetz einen Zugang zum öffentlichen Internet erhalten, lässt sich das relativ einfach bewerkstelligen. Der Anwender bezieht in diesem Fall das Internet in seine vorhandene Infrastruktur mit ein, indem er sein privates Ethernet-WAN mit dem Netz eines Internet-Serviceproviders seiner Wahl verbindet. Das hat für den User den Vorteil, dass er nur einen Internetzugang verwalten muss.

Dies ist nur ein Beispiel dafür, wie ein Unternehmen mit einem "Wide Area Ethernet" homogene und transparente Netzwerkstrukturen aufbauen kann, die sich zudem an wechselnde Anforderungen anpassen lassen. Der Nutzer muss also nicht seine Geschäftsprozesse "umbauen", sondern kann das Netz darauf abstimmen.