Das CE-Zeichen in Theorie und Praxis

20.12.2002 von Bernhard  Haluschak
Die CE-Kennzeichnung steht seit Beginn ihrer Einführung in der Kritik der IT-Branche. Doch was oberflächlich gesehen überflüssig erscheint, entpuppt sich bei genauem Betrachten als durchaus sinnvoll.

Elektromagnetische Wellen sind durch Verwendung von Handys, PCs, Radios und Fernsehgeräten allgegenwärtig. Problematisch kann diese zunehmende Dichte an elektromagnetischen Strahlen werden, wenn sie andere Komponenten stören. Aus diesem Grund ist etwa das Benutzen von Handys in Flugzeugen und Krankenhäusern untersagt.

Um die gegenseitige Beeinflussung von elektrischen Geräten gering zu halten, hat der Gesetzgeber genormte EMV-Messungen und die CE-Kennzeichnungspflicht eingeführt. Jeder, der elektronische Geräte herstellt beziehungsweise in den Verkehr bringt, muss ihnen eine elektromagnetische Verträglichkeit innerhalb der gesetzlichen Grenzwerte bescheinigen.

Allerdings lassen die Normen und Prüfvorschriften zur CE-Kennzeichnung verschiedene Interpretationsmöglichkeiten zu. Daher wird CE bei Industrie, Händlern und Verbrauchern oft kontrovers diskutiert, Rechtsstreitigkeiten sind keine Seltenheit. Unser Artikel klärt deshalb detailliert über die theoretische, praktische und rechtliche Umsetzung der CE-Kennzeichnungspflicht auf.

Was bedeutet CE-konform?

Die Abkürzung CE steht für Communauté Européenne und heißt übersetzt Europäische Gemeinschaft. CE signalisiert dem Käufer, dass der Hersteller alle relevanten Richtlinien der Europäischen Union (EU) erfüllt hat. In erster Linie sind das Schutzanforderungen, die eine Gefährdung des Anwenders sowie elektromagnetische Störungen von Funk- und Telekommunikationsgeräten ausschließen. Zusätzlich müssen die Produkte auch selbst eine bestimmte Störfestigkeit gegen elektromagnetische Einflüsse aufweisen. Dabei legen die vom Europäischen Komitee für Elektrotechnische Normung (CENELEC) und anderen Normungsgremien publizierten Normen fest, wie hoch diese Grenzwerte je nach Geräteklasse sein dürfen.

Erfüllt das Produkt alle geforderten Kriterien, darf es ohne Handelshemmnisse nach den Richtlinien des europäischen Binnenmarktes frei gehandelt werden. Somit ist das CE-Zeichen kein Qualitäts- oder Gütesiegel, sondern es kennzeichnet nur, dass der Hersteller alle entsprechenden gesetzlichen Anforderungen der EG an das Produkt einhält.

CE-Historie

Die Europäische Union hat 1989 erstmals die für alle Mitgliedsstaaten bindenden EMV-Richtlinien verabschiedet. Das Ziel war, die Gesetzeslage und die technischen Normen zu harmonisieren. Dies sollte Wettbewerbsbehinderungen, die durch unterschiedliche nationale Anforderungen an ein Produkt gestellt wurden, beseitigen. Die EMV-Richtlinie legte europaweit fest, welche Anforderungen ein elektrisches oder elektronisches Gerät hinsichtlich elektromagnetischer Verträglichkeit erfüllen musste.

Die EMV-Richtlinien zwangen alle Mitgliedsstaaten, die Grenzwerte in nationale Gesetze umzusetzen. Sie hatten somit noch keine rechtlichen Folgen für die Hersteller. Die erste Umsetzung der europaweiten EMV-Vorgaben erfolgte 1992 mit der Verabschiedung des EMV-Gesetzes (EMVG) durch das Bundesministerium für Post und Telekommunikation (BMPT). 1995 erfolgte eine erste Novellierung des EMVG, die festlegte, dass seit dem 01.01.1996 alle Geräte mit dem CE-Zeichen versehen sein müssen.

Mit dieser Kennzeichnung und einer beigefügten EU-Konformitätserklärung garantiert der Hersteller oder Importeur, dass das in den Handel gebrachte Gerät die Grenzwerte für Störemissionen und Störfestigkeit nicht überschreitet. In der zweiten Änderung des deutschen EMV-Gesetzes 1998 wurden vorerst die letzten Umsetzungen und Angleichungen an die europäischen EMV-Richtlinien vorgenommen.

Am 01.01.1998 haben sich auch die Zuständigkeiten für Einhaltung und Überwachung sowie Novellierung des EMV-Gesetzes geändert. So übernahm nach der Auflösung des Bundesministeriums für Post und Telekommunikation (BMPT) das Bundesministerium für Wirtschaft (BMWi) die weitere Überarbeitung der EMV-Vorschriften. Zusätzlich wurde das Bundesamt für Post und Telekommunikation (BAPT) restrukturiert und in die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP) umbenannt. Sie überwacht jetzt die gesetzlichen Vorgaben des EMV-Gesetzes und greift bei Verstößen regulierend ein.

EMV-relevante Bereiche von CE

Informationstechnische Einrichtungen (ITE) wie zum Beispiel PC-Systeme müssen innerhalb des europäischen Wirtschaftsraumes bestimmte technische Anforderungen hinsichtlich elektromagnetischer Verträglichkeit (EMV) und Produktsicherheit erfüllen. Auf Basis der europäischen Richtlinie 89/336 gilt für die EMV das EMV-Gesetz von 1998 als deutsches Pendant. In §3 Abs. 2 ist ein Verweis auf die anzuwendenden Normen.

Im Wesentlichen decken die Normen drei Bereiche ab:

Auf den folgenden Seiten sind die wichtigsten Punke der drei dafür zuständigen Normen EN 55022, 55024 und 61000 zusammengefasst.

Prüfungen der Störaussendung (EMI)

Die Funkstörspannung von Geräten muss so begrenzt sein, dass sie keine hochfrequenten Störungen im Bereich von 150 kHz bis 30 MHz auf Datenleitungen wie zum Beispiel LAN oder ISDN und Netzversorgungsanschlüssen verursacht. (Norm: EN 55022 A/B)

Das Messen der Funkstörfeldstärke von elektronischen Geräten soll verhindern, dass Funkdienste wie zum Beispiel Flugfunk, Mobilfunk, Radio und TV beeinträchtigt werden. Die Störstrahlung des Prüflings auf einem Drehtisch misst eine Antenne in einem Abstand von 10 m. Dabei muss sichergestellt werden, dass die Änderungen der Parameter wie Drehtischwinkel, Antennenhöhe, Antennenpolarisation und Messempfängerfrequenz den maximalen Störpegel ermitteln. Die Prüfungen erfolgen im Frequenzbereich von 30 MHz bis 1 GHz. (Norm: EN 55022 A/B)

Oberschwingungen der Stromversorgung werden vorwiegend durch asymmetrische Stromaufnahme in Schaltnetzteilen erzeugt und gelangen in das öffentliche Stromnetz. Nach EMV-Angaben dürfen sie festgelegte Grenzwerte nicht überschreiten. Die Messung erfolgt über ein Koppelnetzwerk, das die Höhe der störenden Oberwellenanteile des Stromes am Netzeingang ermittelt. (Norm: EN 61000-3-2)

Bei Ein- und Ausschaltvorgängen erzeugen elektrische Geräte hohe Lastwechsel, die zu Spannungsschwankungen im Versorgungsnetz führen. Sie können bei angeschlossenen elektrischen Verbrauchern wie Lampen Flackern verursachen. Das EMV-Gesetz schreibt vor, dass die verursachten Spannungsschwankungen durch ein Gerät auf dem Netz einen bestimmten Grenzwert nicht überschreiten dürfen. (Norm EN 61000-3-3)

Die Prüfungen der Störfestigkeit (EMS)

Die Prüfung gegen elektrostatische Entladung (ESD) ermittelt die Störfestigkeit von Geräten gegenüber Berührung von elektrostatisch aufgeladenen Personen. Die Messung erfolgt mit bis zu 8 kV Entladungen an zugänglichen Bedienelementen und kritischen Gehäuseteilen. Die Prüfung darf die Funktion des Geräts nicht beeinträchtigen. (Norm IEC 61000-4-2)

Ein elektrisches Gerät muss gegenüber elektromagnetischen Feldern störfest sein und auch in der Nähe von starken hochfrequenten Quellen wie Funkgeräten oder TV-Sendern störungsfrei arbeiten. Ermittelt wird diese Eigenschaft, indem Störsignale in einem Frequenzbereich von 80 MHz bis 1 GHz bei einer Feldstärke von bis zu 3 V/m auf den Prüfling einwirken. (Norm IEC61000-4-3)

Schnelle transiente Störspannungsimpulse auf der Netzzuleitung, so genannte Bursts, können zu Fehlfunktionen und zur Zerstörung des Geräts führen. Sie werden durch Schalten induktiver Lasten wie zum Beispiel Elektromotoren verursacht. Bei der EMV-Messung müssen die Testkandidaten eingekoppelte Spannungsspitzen auf Daten- und Netzleitungen bis zu einer Höhe von 2 kV ohne Störungen kompensieren. (Norm IEC 61000-4-4)

Energiereiche Störimpulse (Surge) auf Netz- und Datenleitungen entstehen, wenn ein Blitzschlag auf kapazitiv und induktiv gekoppelte Leitungen einwirkt. Diese leitungsgeführten Stoßspannungen dürfen das Gerät nicht beeinträchtigen. Die Norm schreibt auf Netzleitungen einen Störimpuls von maximal 2 kV vor. Auf Datenleitungen sind Impulsspitzen bis 1 kV zulässig. (Norm IEC 61000-4-5)

Geräte müssen gegenüber leitungsgeführten hochfrequenten Störspannungen eine bestimmte Störfestigkeit besitzen. Diese Störeinflüsse erzeugen durch Induktion einen hochfrequenten Wechselstrom auf Kabelabschirmungen und können zu Fehlfunktionen des Geräts führen. Wird eine solche Störung mit einer Frequenz zwischen 150 kHz und 80 MHz auf Daten- und Netzleitungen eingekoppelt, darf der Prüfling keine Beeinträchtigungen zeigen. (Norm IEC 61000-4-6)

Magnetfelder dürfen sich auf Geräte wie PCs, Monitore und Sensoren nicht negativ auswirken. Der Prüfling wird einem Magnetfeld bis 3 A/m mit energietechnischen Frequenzen von 50 Hz (Stromnetz) ausgesetzt und muss in dieser Umgebung störungsfrei arbeiten. (Norm IEC 6100-4-8)

Spannungsschwankungen, Einbrüche und kurze Unterbrechungen im Versorgungsnetz dürfen ein Gerät nicht beeinträchtigen. Im Prüflabor werden Geräte durch Netzsimulatoren mit definierten Spannungspegeln und Ausfalldauern ab 10 ms auf diese Eigenschaften untersucht. (Norm IEC 6100-4-11)

EMV bei großen Herstellern

Alle großen Hersteller wie IBM, HP oder Fujitsu Siemens beziehen sich bei der CE-Kennzeichnung ihrer Datenverarbeitungsanlagen auf die EMV-Richtlinie 89/336/EWG und über diese auf das nationale EMV-Gesetz. Sie führen Messungen in teilweise eigenen sowie in Fremdlaboren durch. Für HP sind das Labore wie UL (Underwriters Laboratories in den USA) und TÜV Rheinland. IBM und Fujitsu Siemens unterhalten eigene unabhängige EMV-Labore, die nach internationalen Beurteilungsrichtlinien akkreditiert sind.

Wer glaubt, die EMV-Untersuchungen beginnen erst beim fertigen PC-System, der irrt. Dazu Heinz Zenkner, EMV-Laborleiter bei Fujitsu Siemens und vereidigter Sachverständiger für EMV: "Da die Gehäuse und die System-Boards im Hause entwickelt werden, ist das Thema EMV bereits mit Beginn der Produktentwicklung im Prozess mit integriert. Schon Prototypen der neuen Produkte überprüfen wir auf Konformität und modifizieren sie bei Bedarf. Veränderungen fließen falls erforderlich sofort in Schaltungsdesign, Konstruktion und Fertigung ein. Während der Produktlaufzeit der Serienprodukte werden in Abhängigkeit der Stückzahlen Stichprobenmessungen durchgeführt."

Auch IBM und HP führen entwicklungsbegleitende Untersuchungen durch, wie uns Bernhard Fauser, Business Development Manager bei HP, und Thomas Jahn, zuständig für NIP Safety & EMC bei IBM versicherten. Obwohl diese Messungen zunächst Aufwand und Kosten bedeuten, rechnet sich dieses Verfahren für die Hersteller. Eine kleine Designänderung auf dem Mainboard während der Entwicklung ist allemal günstiger, als bei allen gefertigten Geräten nachträglich Abschirmungen anzubringen.

CE-Konformität bei Veränderungen am Gerät

Neue Geräte müssen CE-konform sein. Doch was passiert, wenn der Käufer daran Veränderungen vornimmt? Wenn etwa ein Systemadministrator PCs mit neuen Speichermodulen aufrüstet? Laut Gesetz trägt er dann die Verantwortung für eventuelle Störungen.

Dazu Bernhard Fauser, HP: "Alle angebotenen Konfigurationen eines HP-PCs sind CE-konform. Nach dem Kauf eines Produkts geht dieses in das Eigentum des Käufers über. Ändert dieser die ausgelieferte Konfiguration, so trägt er selbst die Verantwortung für die Einhaltung der Richtlinien/Normen". Allerdings kann man das in der Praxis nicht durch Messungen überprüfen. Deshalb lässt HP das Vermutungsprinzip gelten: "Wenn der Kunde in ein CE-konformes Produkt eine CE-konforme Erweiterung, wie etwa eine Festplatte, einbaut, ist davon auszugehen, dass die Endkonfiguration ebenfalls CE-konform ist. Voraussetzung ist, dass der Kunde den Einbau sachgemäß durchführt. Wenn HP explizit auf Fremderweiterungen hinweißt, so ist ebenfalls davon auszugehen, dass diese Erweiterungen mit dem HP-Produkt getestet wurden und CE-konform sind."

Heinz Zenkner von Fujitsu Siemens meint zu diesem Sachverhalt: "Veränderungen am Gerät führen immer zu einer Beeinflussung des EMV-Verhaltens. Die EMV-technische Wirkung kann unbedeutend, aber auch gewaltig sein. Der Kunde muss sich darauf verlassen, dass, je hochwertiger ein Produkt und je mehr EMV-Engineering in das Produkt hineinentwickelt ist, desto geringer wird die Wahrscheinlichkeit, dass das Produkt nach einem Umbau nicht mehr die Normen erfüllt."

Bei IBM sieht Thomas Jahn die Problematik folgendermaßen: "Unsere Produkte entsprechen in allen von uns angegebenen Konfigurationen den EMV-Normen der EMV-Direktive 89/336/EWG. Wenn der Kunde den PC durch eine Karte beziehungsweise einen Einschub verändert, dann muss er auf zweierlei achten: dass diese neue Einheit auch den EMV-Normen der Direktive entspricht und er die mitgelieferte Information befolgt, die eventuelle EMV-Maßnahmen beim Einbau beschreibt."

Unterschiede bei Business- und Consumer-PCs

Die Installationsorte von Business- und Consumer-PCs sind unterschiedlich. So kommen Business-Systeme vorwiegend im Office-Bereich in einer gewerblich industriellen Umgebung zum Einsatz. Dagegen werden Consumer-PCs hauptsächlich in dicht besiedelten Wohnumgebungen betrieben. Diese verschiedenen Aufstellungskriterien für PCs versuchen, die EMV-Richtlinien bei der EMV-Messung und somit bei der CE-Kennzeichnung durch verschiedene Kategorien zu berücksichtigen. Die Hersteller setzten diese aber unterschiedlich in die Praxis um.

Bei der Auswahl der EMV-Prüfparameter bei IBM und Fujitsu Siemens kommen über die genannten, gesetzlich geforderten Normen hinaus auch zusätzliche interne Normen zur Anwendung. Sie berücksichtigen ebenfalls Einsatzbedingungen der Geräte. Business-PCs bei IBM unterliegen in punkto Störfestigkeit höheren Prüfkriterien, so dass der Hersteller höhere Surge-Werte bei der Messung der Produkte einsetzt.

Auf den ersten Blick erstaunlich, testet IBM die Aussendung von Störstrahlung für Consumer-PCs nach der verschärften Klassifikation B und Business-PCs nur nach Klassifikation A. Der Grund: In Wohnbereichen machen sich Störungen eher bemerkbar als in einer Industrie- und Büroumgebung, da in Wohnhäusern mehr und vielfältigere Empfangsgeräte wie Funk, Radio und TV auf engem Raum vorhanden sind.

Auch Fujitsu Siemens fordert bei der Messung der Business-PCs eine höhere Störfestigkeit gegen ESD-Kontakt und Bursts auf Netzleitungen als in der Norm vorgeschrieben. Bei den restlichen Messungen wird nicht zwischen Business- und Consumer-PCs unterschieden, das heißt bei Business-PCs kommen ebenfalls die verschärften Störstrahlungsgrenzwerte nach Klassifikation B zum Einsatz.

HP testet auch Business-PCs nach der verschärften Klassifikation B, obwohl für die Produkte nur die Klassifikation A verpflichtend ist. Die entsprechenden Klassenangaben befinden sich auf der Konformitätserklärung der Produkte.

CE in der Kritik

Trotz definierten EMV-Vorschriften kommt es bei der Auslegung der Normen zu Differenzen bei den ermittelten Ergebnissen. Hier gibt es bei den Experten kontrovers diskutierte Meinungsunterschiede zwischen der üblichen Praxis und dem theoretischen Regelwerk. So kann es zum Beispiel von einem PC-System Messreports unterschiedlichen Inhalts geben. Die Ursache liegt häufig in der differierenden Auslegung der Prüfvorschriften, die einen gewissen Interpretationsspielraum zulassen. Mehr dazu auf der nächsten Seite.

Zu dieser Thematik befragt, erläuterte Heinz Zenkner von Fujitsu Siemens: "Normen beziehungsweise Prüfvorschriften sind allgemein gehalten und dienen dem Anwender als Leitfaden, da sie für viele verschiedene Produkte anwendbar sein müssen. Dennoch sollten Normen nicht unterschiedlich ausgelegt werden (können). Natürlich bedeutet das Einhalten von Normen immer technischen Aufwand, der in ein Produkt einfließt und es verteuert. Deshalb wird es immer in Abhängigkeit der Prüfergebnisse und der Umsetzbarkeit von Nachbesserungsmaßnahmen bei Nichteinhaltung der Normen unterschiedliche Auslegungen verschiedener Hersteller geben."

Treten zwischen Hersteller und Kunde Streitigkeiten in punkto EMV oder CE-Konformität auf, ist als Anlaufstelle für solche Auseinandersetzungen die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP) zuständig. Diese Behörde hat im Rahmen ihrer Marktbeobachtung die gesetzliche Pflicht, Geräte auf die Einhaltung der EMV-Vorgaben und CE-Konformität zu überprüfen. Stellt sie fest, dass ein Produkt die Schutzanforderungen nicht erfüllt oder über keinen oder nur einen unzureichenden Konformitätsnachweis verfügt, kann sie alle erforderlichen gesetzlichen Maßnahmen ausschöpfen, um das Inverkehrbringen oder das Betreiben dieses Geräts zu verhindern oder zu beschränken.

Normgerechter EMV-Messaufbau in der Theorie

Zur Ermittlung der Störaussendung nach der Norm EN 55022 muss ein PC-System mit einer festgelegten Konfiguration gemessen werden. Dieser vorgeschriebene Prüfaufbau führt häufig zu Missverständnissen, da er unterschiedlich interpretiert werden kann. Die Richtlinien in Absatz 8.1 Konfiguration des Prüflings schreiben Folgendes vor (Auszüge):

Abschließend und teils in Wiederspruch zu obiger Anordnung fordert die Norm:

EMV-Messaufbau in der Praxis

Um allen Missverständnissen bei der Interpretation der Norm EN 55022 hinsichtlich der Konfiguration des Prüflings aus dem Wege zu gehen, wendet Fujitsu Siemens etwa den Worst-Case-Fall an. Bei allen PC-Systemen werden sämtliche Schnittstellen belegt, anschließend werden die Messungen in einer dafür ausgelegten Absorberkammer durchgeführt. Dies gewährleistet maximale Sicherheit bei der Einhaltung der EMV-Vorschriften. Liegen die Messwerte über den festgelegten Grenzwerten, so wird die Ursache ermittelt und das PC-System entsprechend überarbeitet. Zusätzlich garantieren Tendenz- und Stichprobenmessungen während der Entwicklungsphasen und der Produktion weitere Sicherheit.

Auch der PC-Hersteller IBM berücksichtigt bei der EMV-Messung zur CE-Konformität indirekt den Worst-Case. In entwicklungsbegleitenden Messungen untersucht der Hersteller, welche Schnittstellen Störaussendungen begünstigen und wirkt dem durch geeignete konstruktive Maßnahmen wie zum Beispiel dem Einsetzen eines Filters entgegen. Bei der Messung der Störstrahlung bestückt der Laboringenieur jede typenspezifische Schnittstelle. Besondere Aufmerksamkeit erfahren dabei Schnittstellen, die durch Voruntersuchungen und praktische Erfahrung die meisten Probleme verursachen.

Gefahren bei nicht CE-konformen Geräten

Ist ein Gerät mit dem CE-Zeichen versehen, kann der Käufer davon ausgehen, dass es andere Geräte nicht beeinflusst und eine bestimmte Störfestigkeit hat. Biologische und gesundheitliche Aspekte werden vom EMV-relevanten Teil der CE nicht betrachtet. So sind die Feldstärken von aktiven Strahlern wie Handys oder die erlaubten Grenzwerte am Arbeitsplatz mindestens 1000 Mal höher als die CE-Normen es fordern - umgerechnet auf wenige Zentimeter Abstand vom PC. Selbst wenn ein PC bei der Funkfeldstärke den CE-Grenzwert um einige Dezibel überschreitet, ist daher ein Schluss auf eine Gesundheitsgefährdung nicht zulässig.

Weitaus kritischer für eine Gesundheitsgefährdung ist jedoch der Produktsicherheits-Aspekt, der ebenfalls für die CE-Konformitätserklärung gefordert wird. Typische Prüfpunkte sind dabei die Isolation und der Berührungsschutz von spannungsführenden Teilen.

Verstöße und Bußgelder

Als zuständiges Organ hat die RegTP im Jahre 2001 insgesamt 18.820 Geräte auf die Einhaltung der festgelegten Richtlinien überprüft. Bei 445 Produkten, das entspricht zirka 2,4 Prozent, wurden Mängel hinsichtlich der CE-Kennzeichnung beziehungsweise der Konformitätserklärung festgestellt. Die messtechnischen Untersuchungen bei 1.144 Serien mit insgesamt 5.070 Geräten ergaben, dass 307 Serien die Normen nicht erfüllten. Von 214 Einzelgeräten erfüllten 47 die vorgeschriebenen Anforderungen nicht. Somit trägt rund ein Viertel der überprüften Geräte das CE-Zeichen zu Unrecht.

Stellt die RegTP Verstöße gegen das EMV-Gesetz fest, kann die Behörde Geldbußen bis zu einer Höhe von 50.000 Euro verhängen. Dies erfolgt nach einer Anhörung und einer umfassenden Prüfung der Unterlagen. In 95 Fällen wurden im Jahr 2001 sogar Vertriebsverbote nach EMVG ausgesprochen und zusätzlich Schutzklauselverfahren eingeleitet. Bei diesen Verfahren informiert die RegTP die EG-Kommission über die Vertriebseinschränkung des Produkts. Diese Kommission benachrichtigt alle EWR-Mitgliedsstaaten über die verhängte Sanktion.

Doch bis zum Vertriebsverbot muss es nicht kommen. Je nach Umfang des Mangels erhält der Hersteller einen Bußgeldbescheid. Zusätzlich muss er den Mangel durch entsprechende Maßnahmen beheben. Im Rahmen des Produkthaftungsgesetzes hat der Käufer eine Rückgabemöglichkeit, vorausgesetzt, der Hersteller kann den Mangel nicht durch Gegenmaßnahmen beseitigen. Besonders bei geschäftlicher Nutzung können auch Schadenersatzforderungen geltend gemacht werden.

In der Praxis besteht die "Gegenmaßnahme" im einfachsten Fall aus einer Änderung der Bedienungsanleitung. Erfüllt ein PC-System etwa an einer Schnittstelle die gesetzlichen Vorgaben an die Störabstrahlung nicht, so genügt eventuell schon der Hinweis, dass diese Schnittstelle nur mit einem handelsüblichen abgeschirmten Kabel zu betreiben ist. Dadurch wird die Verantwortung im Störungsfall an den Kunden weitergereicht.

Fazit

In erster Linie bedeutet die CE-Kennzeichnung, dass ein Produkt ohne nationale Einschränkungen ungehindert auf dem europäischen Markt gehandelt werden darf. Ein einheitliches Qualitätsmerkmal stellt sie nicht dar. Die Hersteller garantieren eigenverantwortlich, dass ihr Produkt gesetzlich vorgeschriebene Mindestanforderungen, etwa in punkto EMV, erfüllt.

Allerdings prallen gerade bei der EMV formale, juristische Regeln und die praktischen Unwägbarkeiten der Hochfrequenzmesstechnik aufeinander. Dies führt zu einem breiten Übergangsbereich, in dem je nach Messumgebung ein Gerät als konform oder nicht konform geprüft werden kann. Dennoch sind die EMV-Richtlinien sinnvoll und notwendig, da sie die maximalen Störfelder und die nötige Störfestigkeit so festlegen, dass auch bei zunehmender Elektrifizierung eine Beeinflussung der Geräte untereinander vermieden wird.

Großhersteller von PCs wie Fujitsu Siemens, HP oder IBM betreiben einen hohen Aufwand, um ihre PC-Systeme EMV-gerecht zu fertigen. Auf Grund der großen Stückzahlen tragen sie eine größere Verantwortung gegenüber dem Kunden - und ein hohes Risiko im Falle eines nicht normgerechten Produkts.

Wer selbst Hand an den PC legt, braucht sich bei fachgerechter Ausführung keine Sorgen zu machen. Nach dem Vermutungsprinzip bleibt ein CE-konformer "Marken-PC" auch nach einem kleinen Umbau innerhalb der Grenzwerte.

Über eine eventuelle Gesundheitsgefährdung durch Strahlen sagt ein CE-Zeichen nichts aus. Die EMV-Grenzwerte sind rein nach technischen Aspekten festgelegt und in keinster Weise biologisch gewichtet. In der Praxis liegen zudem selbst die Feldstärken durchgefallener Testkandidaten um viele Größenordnungen unterhalb der maximal zulässigen Feldstärken am Arbeitsplatz. Wie und ob aber auch kleinste Felder biologische Auswirkungen haben können, wird trotz CE ein Streitthema bleiben. (hal)