Cyborgs: Wie nah sind wir dran?

15.07.2003 von Michael Swaine
Prothesen mit Bio-Feedback lassen den Träger nicht nur agieren, sondern auch fühlen. Mikro-Controller übernehmen dabei Aufgaben des Gehirns. Noch radikaler ist der Ansatz, echte Gehirnmasse zur Steuerung zu nutzen.

Seit Jahrzehnten wissen wir, wie sich neuronale Signale als treibende Kraft von Muskeln abfangen lassen und setzen sie zur Steuerung von Prothesen ein. Mit der Konstruktion von Hybridsystemen aus Silizium und lebendigem Material geht die Forschung jetzt allerdings einen Schritt weiter:

Per Feedback sind solche Systeme lernfähig. Zwei sehr unterschiedliche Ansätze klingen vielversprechend: Der Ersatz eines Teils des Gehirns mit Silizium und der Gebrauch von tatsächlicher Gehirnmasse in Silizium-basierten Robotersystemen.

Beide Verfahren wurden erfolgreich mit Tieren oder Tiermasse erprobt. Vielleicht ist es etwas untertrieben, wenn man behauptet, dass die Verschmelzung von lebendigen und nicht lebendigen Systemen einige gesellschaftliche, ethische und philosophische Fragen aufwirft.

Ist man wirklich man selbst, wenn ein Teil des Gehirns durch eine künstliche Komponente ersetzt worden ist? Vielleicht dauert es gar nicht so lange, bevor wir eine Antwort auf diese Frage bekommen.

Erster künstlicher Hippocampus

Forscher von der University of Southern California haben erfolgreich einen künstlichen Hippocampus (ein Teil des Gefühlszentrums) entwickelt, der in das Gehirn einer Ratte implementiert werden soll. Wenn alles glatt geht, sollen Versuche mit Menschen, die an Gehirnschäden leiden, folgen.

Der Hippocampus ist der ideale Teil des Gehirns, um einen Ersatz anzustreben. Er fungiert im Gehirn als eine Art Tor mit klaren Ein- und Ausgabeverbindungen. Und seine Funktion - die Kodierung von Erfahrungen, so dass diese als Langzeiterinnerung an anderer Stelle im Gehirn gespeichert werden können - ist offensichtlich völlig klar. Ein Gerät, das Erfahrungen in ähnlicher Weise kodiert und sich an die Ein- und Ausgabestellen des Hippocampus anbinden lässt, sollte in der Lage sein, diesen zu ersetzen.

Damit soll nicht angedeutet werden, dass Forscher wissen, wie der Hippocampus funktioniert. Sie wissen es nicht. Der künstliche Hippocampus ist einfach ein Gerät, das genau das gleiche Problem löst wie der Hippocampus selbst. Möglicherweise funktioniert es auf ganz andere Weise. Macht das aber einen Unterschied? Würde sich ein künstlicher Hippocampus anders anfühlen? Würde er Denkprozesse beeinflussen? Möglicherweise gibt es schon bald einige Antworten.

Roboter mit Rattenhirnen

In einem Experiment, das in gewisser Weise das Gegenteil zur Forschung an einem künstlichen Hippocampus darstellt, haben MIT-Forscher einen Roboter entwickelt, dessen Schaltkreise echte Neuronen von Rattenembryos enthalten. An der Georgia Tech and Emory University existiert sogar schon ein mobiler Roboter, den Rattenneuronen auf einem Siliziumchip steuern.

Das Verfahren zeigt ein interessantes mentales Bild. Forscher tröpfeln eine Lösung aus Rattenhirn direkt auf einen Siliziumchip. Die Neuronen senden Impulse, wie sie das gewöhnlich tun. Die Signale werden von Elektroden aufgenommen, durch einen Verstärker geschickt und dann drahtlos an den Roboter weitergeleitet.

Natürlich gibt es keinen Grund anzunehmen, dass zufällig erzeugte Impulse von Rattenneuronen in einer Pfütze auf einem Computerchip irgendetwas mit den Bewegungen eines Roboters zu tun hätten. Allerdings haben die MIT-Forscher eine Feedback-Funktion eingebaut. Der Roboter besitzt Sensoren, die Daten über seine Umgebung sammeln; diese Daten werden zu den Rattenneuronen zurückgeschickt.

Die Forscher hoffen, dass sich aus dieser Feedback-Schleife ein Lernprozess entwickelt. Was Rattenneuronen aus dieser Art von Feedback genau lernen könnten, ist nicht klar, aber die Resultate sollten interessant sein. (ala / übersetzt von Wolfgang Grüner)