CrossOver Office: Windows-Programme unter Linux

10.02.2005 von Jürgen Donauer
Zu vielen Windows-Programmen gibt es keine Linux-Alternative. Selbst wenn das Windows-Dateiformat verstanden wird, klappt nicht immer alles einwandfrei. Lassen Sie doch einfach Ihre Windows-Software unter Linux laufen.

Die Kompatibilität zu speziellen Dateiformaten von Windows-Anwendungsprogrammen ist immer noch ein Problem unter Linux. Außerdem wollen viele Linux-Anwender auf Software wie Adobe Photoshop nicht verzichten, die es unter Linux (noch) nicht gibt.

Die Brücke zu Windows schlägt CrossOver Office von Codeweavers. Das Programm basiert auf WINE und ist damit keine Emulation, sondern stellt Windows-Programmen die Systemaufrufe unter Linux zur Verfügung. Ein Geschwindigkeitsunterschied ist somit kaum feststellbar.

Eine Internet-Verbindung ist bei CrossOver Office von Vorteil. Es erspart zum Beispiel bei der Installation der Windows-Fonts lästige Kopierarbeit. Unser Workshop bezieht sich ausdrücklich auf eine bestehende Verbindung zum Internet.

Eine 30-Tage-Testversion von CrossOver Office können Sie bei Codeweavers downloaden. Die Demoversion lässt sich laut Codeweavers nach dem Kauf einer Lizenz ohne Neuinstallation zu einer Vollversion umfunktionieren. Hierfür dient das Registrierungsfenster, das bei jedem Start von Office Setup erscheint. Die bereits vorhandenen Installationen der Windows-Applikationen bleiben erhalten.

Grundinstallation

Wechseln Sie zunächst in das Verzeichnis, in dem die sh-Datei von CrossOver Office liegt. Interessanterweise ist zur Installation von CrossOver Office kein root-Zugriff erforderlich. Alle Dateien landen im Home-Verzeichnis des Benutzers.

Der Installationsvorgang startet mit dem Befehl

sh install-crossover-standard-demo-4.1.sh

Auftretende Gdk-Warnungen (beispielsweise zu fehlenden Fonts) können Sie ignorieren. Nach Akzeptieren der Lizenzbestimmungen lässt sich die Demoversion einspielen. Ist das Kopieren der notwendigen Dateien abgeschlossen, beginnt das Konfigurieren von CrossOver Office. Kurioserweise enthalten die Registerkarten teilweise einen Mischmasch aus Deutsch und Englisch. Diese Sprachenverwirrung kann sich später auch in einigen Windows-Applikationen fortsetzen, vor allem wenn CrossOver Office notwendige Dateien aus dem Internet selbst besorgt. Aber der Zweck heiligt bekanntlich die Mittel.

Solange Sie keine Lizenz für eine Vollversion besitzen, ist das Fenster mit dem Registrierhinweis einfach mit "Register Later" zu überspringen. Die ersten beiden Screens bestätigen Sie mit "Weiter", es sei denn, im System sind bereits Netscape/ Mozilla-Plug-ins installiert, oder der Pfad weicht ab.

Wichtiger ist das dritte Fenster mit den Proxy-Einstellungen. CrossOver Office beherrscht nun auch "authenticating proxies". Sollte einer im Einsatz sein, wird die Software bei Bedarf nach Login und Passwort fragen. Eine Konfiguration der Proxy-Einstellungen ist auch zu einem späteren Zeitpunkt unter "Settings" möglich. Um die Schaltfläche "Erweitert" sichtbar zu machen, ist eventuell ein Vergrößern des Fensters erforderlich, damit der Button nicht als unleserlicher Streifen erscheint.

In den erweiterten Einstellungen können Sie den Standardpfad der Binaries, die Proxy-Einstellungen und die DirectDraw-Konfiguration ändern. Weiterhin ist es möglich, Outlook daran zu hindern, Dateien mit bestimmten Endungen zu öffnen. Wenn Windows-Programme installiert sind, kann der Benutzer im Karteireiter "Zuordnungen" Reaktionen auf bestimmte Dateiendungen (de-)aktivieren.

Schriften und Handhabung

Sinn macht es, zuerst die Microsoft Standard-"True Type Fonts" zu installieren. In der Registerkarte "Fonts" haben wir die Möglichkeit, einzelne oder mit "Add all fonts" sofort alle Schriften auszuwählen. Bei einer schnellen Internet-Verbindung ist es erträglich, gleich sämtliche Schriftarten einzuspielen. Nach der üblichen EULA-Bestätigung ist dies in kurzer Zeit realisiert.

Codeweavers vergibt sechs Zustände der unterstützten Software. Known not to work, Untested, Honorable Mention, Bronze, Silver und Gold. Diese Auszeichnungen beschreiben, wie reibungslos mit der Software gearbeitet werden kann. Eine ausführliche Liste gibt es auf der Compatibility-Seite von Codeweavers.

Windows-Installationen, die auf c:\\<Pfad> verweisen, liegen unter Linux im User-Verzeichnis unter

.cxoffice/dotwine/fake_windows/

Das Home-Verzeichnis unter Linux wird für die Windows-Anwendungen auf y:\\ gelegt.

Möchten Sie Ihr CrossOver-Office-Windows unter Linux "platt" machen, löschen Sie einfach das Verzeichnis .cxoffice/dotwine/fake_windows/ komplett. Allerdings sind danach auch sämtliche Anwendungen verschwunden. Eleganter ist es, die Uninstall-Option zu nutzen. Diese befindet sich in einem neu angelegten KDE-Menüpunkt. Weiterhin sind dort Dokumentation, Office Setup, Reset CrossOver Office und Simulate Windows Reboot zu finden.

Office Setup ist die Applikation, in der alle Einstellungen sowie De- und Installationen vorgenommen werden.

Es kommt vor, dass CrossOver Office zickig ist. Daher gibt es zwei Arten von Reset. Manche Programme verlangen einen Windows-Neustart. Dafür dient Simulate Windows Reboot. Die WINE-Prozesse laufen dabei weiter. Manchmal hängen Applikationen einfach, und es hilft nur die harte Variante. Reset CrossOver killt sämtliche WINE-Prozesse.

Bei Schwierigkeiten lohnt sich ein Blick in die Dokumentation. Diese ist lokal installiert und enthält eine gute, allerdings nur englische FAQ.

Software

Nun zur Installation der Windows-Applikationen: Die Schaltfläche "Hinzufügen/Entfernen" ist dafür da. Nach einem Klick erscheint zunächst eine Liste mit unterstützten Anwendungen.

Sollten Sie Microsoft-Produkte nutzen wollen, empfehlen wir Ihnen als Erstes eine Installation des Internet Explorer. Ohne IE bemängelt zum Beispiel Office XP den fehlenden Webbrowser-Support.

Wenn angeboten, empfiehlt sich bei Software wie dem Internet Explorer die Schnellinstallation. Bei dieser Variante wird alles Notwendige direkt aus dem Internet geladen. Ein möglicher Nachteil ist, dass der IE in englischer Sprache installiert wird. Eventuell auftretende Evaluierungshinweise von CrossOver Office ignorieren Sie mit einem Klick auf "Ok". Am Ende der IE-Installation spuckt CrossOver Office noch eine Warnmeldung aus, die Sie getrost außer Acht lassen können. Wer es dennoch genau wissen will, wirft einfach einen Blick in das Installations-Log, dessen Pfad in der Warnmeldung steht.

Microsoft Office

Bei lizenzpflichtiger Software wie Microsoft Office ist an eine Direktinstallation aus dem Internet selbstverständlich nicht zu denken. In den meisten Fällen ist aber eine CD-ROM vorhanden, oder die Installationsdateien liegen auf Grund einer Firmenlizenz irgendwo im Netz.

In unserer Testumgebung befanden sich die Setup-Files im Netzwerk. Die Installation von Office XP verlief ohne weitere Schwierigkeiten. Die Frage, ob Sie nach Installationsende Ihren Computer neu starten wollen, bezieht sich natürlich nur auf einen simulierten Windows-Reboot. Wann immer nach einem Computer-Neustart in Zusammenhang mit CrossOver-Office-Installationen gefragt wird, ist dies ein simulierter Neustart.

Nach Eingabe eines gültigen Microsoft-Lizenzschlüssels startet also die MS-Office-Installation, wie Sie es von Windows gewohnt sind. Bei einer Office-XP-Vollinstallation wird unter anderem Access XP eingespielt. Das Programm lässt sich auch starten, ist allerdings im Gegensatz zu Access 2000 (Status: Silver) in der Codeweavers-Datenbank als "Known not to work" eingestuft.

Eine potenzielle Stolperfalle ist ein Exchange-Server, wenn Sie Outlook daran anbinden möchten. Tragen Sie als root-User den Netbios-Namen des Exchange-Servers in die Datei hosts im Verzeichnis /etc/ ein. Andernfalls kann das Mail-Programm sonst unter Umständen keine Verbindung zum Server aufbauen. Konfigurieren Sie Outlook am besten sofort mit dem richtigen Server-Typ. Eine nachträgliche Bearbeitung der Mail-Konten ist in der Schaltfläche "Control Panel" von CrossOver Setup zu finden. Hier konfiguriert man zum Beispiel auch ODBC-Schnittstellen für Windows-Produkte.

Spezialfälle

Bei der Software-Installation besteht die Möglichkeit, direkt ein .exe-File anzugeben. Dies ist vor allen Dingen dann relevant, wenn ein nicht offiziell von CrossOver Office unterstütztes Programm installiert werden soll. Über die Schaltfläche "Nicht unterstützte Software installieren" lässt sich nach Belieben ausprobieren, was denn alles läuft und was nicht. Bei manchen Programmen funktioniert beispielsweise nur der Installationsvorgang nicht.

Ultraedit 10 ist so ein Kandidat. Mit einem Trick ist aber auch dieses Programm zu starten. Allerdings ist hierzu vorher eine Installation unter Windows erforderlich. Das installierte Verzeichnis wird dann auf den Linux-Rechner kopiert.

Für das weitere Vorgehen müssen wir uns den Systemaufruf eines Windows-Programmes genauer ansehen: Der Internet-Explorer wird zum Beispiel so gestartet

/home/"user"/cxoffice/bin/wine --check --cx-app "C:////Program Files////Internet Explorer////IEXPLORE.EXE"

Kopiert man nun die fertige Installation von Ultraedit 10 in das Verzeichnis

/home/"user"/.cxoffice/dotwine/fake_windows/Program\\ Files/

dann ist auch der beliebte Windows-Editor zu starten:

/home/"user"/cxoffice/bin/wine --check --cx-app "C:////Program Files////UltraEdit/uedit32.exe"

Die Syntax für den Aufruf eines Windows-Programms ist immer gleich:

<cxoffice-binary-verzeichnis>/wine --check --cx-app "<exe-Datei>"

Zu beachten ist hier, dass Leerzeichen nach --cx-app " nicht mehr mit einem Backslash maskiert werden müssen. Dies interpretiert CrossOver Office bereits richtig.

Sie können gefahrlos selbst ausprobieren, ob die gewünschte Windows-Software läuft. Bei Software, die nach der Installation sofort startet, schließt das CrossOver-Setup die Installation so lange nicht ab, bis das Programm wieder beendet ist. Beim Instant Messenger ist das beispielsweise der Fall.

Drucken

Da CrossOver Office die Cups-Schnittstelle nutzt, ist das Einrichten von Druckern einfach und komfortabel. Es gibt mehrere Möglichkeiten, einen Drucker einzurichten: über Yast, das KDE-Kontrollzentrum oder einen Browser.

Wir wählen die plattformunabhängigste Methode als Beispiel: Cups lässt sich über einen Browser via Port 631 ansprechen. Möchten Sie Drucker von einem anderen Rechner aus konfigurieren oder verwalten, muss eventuell eine Freischaltung von Port 631 an der Firewall erfolgen. Bevor wir loslegen, müssen wir Cups allerdings noch einen Admin hinzufügen. In einer root-shell geben Sie dazu ein

lppasswd -g sys -a root

Damit fügen Sie den Benutzer root der Systemadmingruppe hinzu. Mit dem Schalter -x können Sie Benutzer löschen. Das Passwort muss mindestens sechs Zeichen lang sein und wenigstens ein Zeichen und eine Zahl beinhalten.

Im Browser bringen http://localhost:631 oder http://<ip-adresse-des-Rechners>:631 die gewünschte Administrationsseite. Unter "Drucker verwalten" befindet sich der Button "Drucker hinzufügen". Der Druckername darf nicht länger als 127 Zeichen sein und soll keine Leerzeichen enthalten.

Nach einem Klick auf "Weiter" wählen Sie, auf welchem Weg mit dem Drucker kommuniziert wird. Wenn man über USB druckt, führt das direkt in das Treibermenü. Soll hingegen mit einem HP-Drucker über die AppSocket/HP-JetDirect-Schnittstelle kommuniziert werden, so ist ein Zwischenschritt notwendig. Da die Drucker von HP standardmäßig auf Port 9100 lauschen, ist in unserer Beispielkonfiguration

socket://<IP-Adresse>:9100

einzugeben. Nach der Auswahl des Treibers steht dem kompletten Linux-System ein neuer Drucker zur Verfügung. Auch auf Windows-Programme wartet das neue Gerät als Standarddrucker. Möchten Sie einen anderen Drucker als Standard definieren, dann ist das nicht ganz trivial. Werfen Sie dazu einen Blick in den lokalen CrossOver User Guide unter Punkt 6.3 "Advanced Printer Setup".

Fazit

CrossOver Office ist für die mit Gold und Silver zertifizierten Anwendungen auf jeden Fall eine gute Wahl. Das gilt besonders dann, wenn man unter Linux arbeiten und gleichzeitig die Interoperabilität zur Windows-Welt aufrechterhalten möchte.

Viele Anwender sind vielleicht auch gezwungen, mit Outlook oder Lotus Notes zu arbeiten. In vielen Firmen wird sicher sämtliche Korrespondenz über Microsoft-Office-Produkte abgewickelt. Anstatt eine Microsoft-Betriebssystem-Lizenz zu kaufen, ist CrossOver Office Standard mit zirka 40 US-Dollar eine überlegenswerte Alternative.

Von CrossOver Office existiert auch eine Professional-Version, die als Einzellizenz mit zirka 75 US-Dollar zu Buche schlägt. Hier gibt es aber volumenabhängige Preisnachlässe. Die Software-Unterstützung ist identisch. Allerdings bietet die erweiterte Version Multi-User-Installationen. Das interessanteste Feature der Professional-Variante ist die Möglichkeit, ein RPM inklusive aller Windows-Installationen zu generieren. Vor allen Dingen bei großflächigem Einsatz der Software dürfte das erheblich Zeit sparen. Alle Unterschiede und Preise finden Sie bei Codeweavers hier. (jdo)