Computex 2001: Chipsatz-Showdown in Taipei

08.06.2001 von NICO ERNST 
Jedes Jahr im Juni ist Taiwans Hauptstadt Taipei das Mekka der Hardware-Branche. Für 2001 heißen die Trends DDR-RAM und Chipsatz-Innovationen. Mitten im Tumult lieferten sich Intel und VIA noch einen belustigenden Marketing-Kleinkrieg.

Im Hightech-Zentrum Taipei sind sogar die grünen Männchen der Fußgängerampeln mit einer Computeranimation versehen. Sie laufen eilig vor sich hin, solange man die Strasse überqueren darf.

Auch sonst scheint es, als ob der Veranstaltungsort der größten asiatischen Computer-Messe niemals stillsteht. Zahlreiche Bars und auch Internet-Cafes haben rund um die Uhr geöffnet und von sechs Uhr früh bis zwei Uhr morgens sind die Hauptstraßen grundsätzlich verstopft.

Ein ähnliches Gedränge herrscht auch auf der Computex, die in diesem Jahr weiter gewachsen ist. Inzwischen sind neben den beiden Haupthallen auch das nebenan gelegene Hyatt-Hotel sowie das Convention Center komplett ausgebucht. Selbst namhafte Firmen wie NVIDIA weichen deshalb in andere Hotels in Taipei aus. In Suiten und Ballrooms kommen so eigene kleine Messen zu Stande.

Umso wichtiger ist es daher für die in den Hallen vertretenen Firmen, einen möglichst eindrucksvollen Auftritt hinzulegen. Das führte bereits am ersten Tag der Messe zu einem Eklat zwischen den Chipsatz-Konkurrenten VIA und Intel.

Intel lässt VIA die Luft raus

Intels Top-Management hatte für 12 Uhr am Montag einen Rundgang durch Halle 2 angekündigt. Dort stellen vor allem Mainboard-Hersteller ihre Produkte aus. Da inzwischen alle Board-Bastler auch VIA-Chipsätze verbauen, hatte das taiwanische Unternehmen jedem seiner Kunden einen großen rechteckigen Ballon gestellt. Darauf war auf der einen Seite ein großes VIA-Logo zu sehen, auf der anderen der Name des Board-Herstellers.

Dieser VIA-Himmel war Intel Taiwan natürlich ein Dorn im Auge. Immerhin hatte der Chipgigant mit immensem Aufwand versucht, die Messe wie eine reine Pentium-4-Show aussehen zu lassen. Intel-Mitarbeiter klapperten also am Morgen die Stände ab und baten nachdrücklich um Entfernung der Ballons, um die Chefs nicht zu verärgern. Nach unbestätigten Informationen wurde diese Bitte mit 35.000 US-Dollar je Mainboard-Hersteller unterstrichen.

Die spielten zum größten Teil auch mit, und zusammen mit den Intel-Mitarbeitern machte man sich ans Werk. Dumm nur, dass die mit Helium gefüllten Ballons so viel Auftrieb hatten, dass beim Abmontieren einige entkamen und unter dem Hallendach landeten. Bilder von dieser Aktion finden Sie bei unseren US-Kollegen von Anandtech.

VIAs Gegenoffensive

VIA freilich sah hier nicht tatenlos zu. Quellenangaben zufolge bot man 50.000 Dollar für jeden, der Punkt 11:30 Uhr die VIA-Flagge wieder hisste. Auch dieses Geld sollen einige Firmen gerne eingesteckt haben, so dass man Intels Aktion schnell als ungeschickten PR-Stunt abhaken hätte können.

Wären da nur nicht die Ballons unter der Decke gewesen, die man eine halbe Stunde lang nicht einfangen konnte. So stellte jeder Besucher der Halle 2 die richtigen Fragen, und die Geschichte verbreitete sich auf der Messe wie ein Lauffeuer.

Als dann am nächsten Tag noch die Tageszeitung Taipei Times über Intels peinliche Einlage berichtete, war der Prozessor-Primus endgültig der Lächerlichkeit preisgegeben. Sogar VIA-Chef Wenchi Chen erwähnte den Vorfall auf einer Pressekonferenz vor mehreren hundert Journalisten: "Es geht nicht darum, die Ballons von jemand anderem abzuschneiden, sondern darum, zusammenzuarbeiten", beklagte er sich.

Diese Bemerkung war jedoch auch als Anspielung auf die fehlende Bus-Lizenz für VIAs Pentium-4-Chipsatz zu werten, denn eine eventuelle Intel-Klage ist da noch nicht vom Tisch.

Nach der Ballon-Affäre ließ Intel dennoch nicht locker und reagierte zumindest im weiteren Verlauf der Messe mit Humor: Man überließ den Himmel VIA und freundliche Mitarbeiter bemühten sich an den Eingängen der Halle 2, jedem Besucher einen Luftballon mit "Intel inside" in die Hand zu drücken.

Pentium 4 für umsonst

Sollte Intel wirklich für das Entfernen der VIA-Ballons bezahlt haben, so sind die Kosten dafür wohl kaum ins Gewicht gefallen - der Computex-Auftritt des US-Unternehmens war nicht zu übersehen, zu überhören oder sonst wie zu ignorieren.

Alleine das New-York-Center, Teil des Computex-Geländes, hatte Intel mit einem rund dreißig Meter hohen P4-Logo tapeziert. An den Ständen seiner Kunden war der Prozessor-Primus natürlich auch stets vertreten, ebenfalls durch Ballons. Allerdings standen die, weil rechteckig, säulenförmig und mit Luft statt Helium gefüllt, auf dem Boden. Einen eigenen Stand im herkömmlichen Sinne leistete sich Intel nicht, wie übrigens auch AMD. Die wichtigsten Firmen der Branche beziehen auf der Computex lieber Showrooms und Hotelsuiten und empfangen dort ihre Kunden.

In Taipeis Convention Center hatte Intel gleich mehrere Bereiche gebucht, doch damit nicht genug. Den ganzen lieben langen Tag tingelten vier Intel-Hostessen mit einem Megaphon zum Umhängen durch das ansonsten eher ruhige Tagungszentrum und luden zur Teilnahme an der Verlosung von Pentium-4-Prozessoren ein. Jeder konnte mitmachen, die Ziehung der eingeworfenen Visitenkarten fand vor jedem der Showrooms statt - auch bei denen der Konkurrenz. Und als ob Intel das so geplant hätte, fischten die Hostessen gleich am ersten Tag den Namen eines VIA-Mitarbeiters aus der Box, der eigentlich nur zum Spaß teilgenommen hatte. Der Mann zog die Sache aber durch und ließ sich auch, wie alle anderen Gewinner, mit einem überdimensionalen Plastik-P4 fotografieren.

Nicht bekannt ist, ob sich Intel-Chef Craig Barrett die Fotos der P4-Gewinner in seinem Büro aufhängt. Dann könnte er seinen Besuchern jederzeit zufriedene und tatsächlich existierende Besitzer des Prozessors demonstrieren.

Powergrafik im DDR-Chipsatz

Neben solchem Marketing-Gedröhne gab es auf der Computex 2001 natürlich auch zahlreiche neue Produkte. Am Montag stellte NVIDIA seinen ersten Chipsatz namens nForce vor, der unter dem Codenamen "Crush" entwickelt worden war.

Die Architektur des nForce findet sich in einer früheren Meldung, tecChannel.de konnte auf der Messe auch schon eigene Benchmarks vornehmen.

Unter den Mainboard-Herstellern sorgte der nForce für reichlich Gesprächsstoff. Die von NVIDIA gezeigten Benchmarks fanden alle Firmen sehr beeindruckend. tecChannel.de hatte noch Gelegenheit zu eigenen Messungen, bei denen der nForce stabil lief.

Zweifel hat man jedoch an NVIDIAs Terminplan - frühestens im September rechnen die Mainboard-Macher mit großen Stückzahlen. Auch die Kosten des nForce waren ein viel diskutiertes Thema. NVIDIA schweigt dazu eisern, die Board-Hersteller gehen jedoch von rund 200 US-Dollar für die große Version nForce 240 aus. Ob sich solche Boards, die in Deutschland durch den anhaltend starken Dollar nur knapp unter 500 Mark kosten dürften, noch verkaufen lassen, muss sich zeigen.

Bei genauer Betrachtung stehen die Chancen dafür aber so schlecht nicht. Immerhin ist nForce der erste Chipsatz mit integrierter Grafik, der auch für moderne 3-D-Spiele taugt. Boards damit stellen jedoch eine neue Klasse dar, die man den Kunden erst einmal schmackhaft machen muss.

In: DDR-Speicher

Weniger Erklärungsbedarf besteht bei VIAs Chipsatz P4X266. Das am Dienstag den 5. Juni vorgestellte DDR-Chipset für den Pentium 4 bringt eine einfache Botschaft mit: Systeme damit sollen durch den Verzicht auf teuren Rambus-Speicher billiger und sogar noch schneller sein als Rechner mit Intels 850-Chipsatz. Wenn die merkwürdigen Benchmarks von VIA sich auch unter realistischeren Bedingungen von unabhängigen Testern wiederholen lassen, wäre dies eine echte Sensation.

Intel hält sich offiziell zum eigenen DDR-Chipsatz für den Pentium 4 noch bedeckt. Auf der Computex ging es für den Marktführer vor allem um Werbung für den Pentium 4 und seinen PC133-Chipsatz 845. Nach ersten Tests auf der Messe wird die Kombination aus dem neuen Pentium 4 (Northwood) und 845 aber deutlich langsamer werden als eine 850-Lösung mit Rambus-Speicher - dafür aber viel billiger.

Das zählt bei den Mainboard-Herstellern, und so gaben sich alle einigermaßen zufrieden mit Intels Produktpolitik. Jetzt endlich, nach den massiven Preissenkungen des Prozessors und einem bezahlbaren Chipsatz für bezahlbaren Speicher soll der Pentium 4 den Massenmarkt erobern. Wenn es dann doch Rambus-Speicher sein muss, sollen zumindest die Boards dafür billiger werden. Sie lassen sich inzwischen mit nur mehr vier statt bisher sechs Layern herstellen.

Intel machte auf der Messe zwar keinen großen Wind um DDR-Speicher - dennoch war Intels erste Chipsatz dafür in Taipei zu finden. Die DDR-Version des 845 ist schon recht weit gediehen.

Und AMD? Diese stellten auf der Computex die Server-Version des Athlon und eine Desktop-Variante mit 1,4 GHz sowie den Duron mit 950 MHz vor. All das konnte tecChannel.de im eigenen Labor bereits ausführlich testen. Die Beiträge finden sich in unserem Hardware-Channel.

Wie im obigen Bild zu sehen ist, hatte AMD auch sein eigenes Mainboard-Mahnmal errichtet. Das jedoch soweit wie möglich von Intel entfernt, nämlich im Hyatt-Hotel - es liegt genau an der Intels Convention Center gegenüberliegenden Ecke des Messegeländes.

Out: USB 2.0, Bluetooth

Die taiwanischen Hardware-Hersteller werden sich allmählich bewusst, dass auch sie eine beträchtliche Marktmacht besitzen. Also versucht man die Trends aktiv mitzubestimmen.

Dabei lässt sich das taiwanische soziale Networking prima gegen ungeliebte Technologien einsetzen. Nicht anders ist zu erklären, dass gleich mehrere Firmen und Konsortien 1394-Produkte auf der Computex beworben haben - und VIA-Chef Wenchi Chen fleißig mithalf. Der erzählte nämlich jedem Journalisten, auch denen, die gar nicht gefragt hatten, beim Interview-Termin, dass VIA 1394 jederzeit dem USB 2.0 vorziehen würde. Warum, ist klar: USB 2.0 gehört (noch) der eh schon zu mächtigen Firma Intel, und dafür nimmt man schon mal die Lizenzgebühren für 1394 in Kauf.

Auf seiner Pressekonferenz wurde Chen sogar noch deutlicher und machte Intel ein eher heiter zu nehmendes Angebot zu USB 2.0: "Ich hoffe, dass wir beide zusammenarbeiten können, um das loszuwerden." Nach Wenchi Chens Meinung braucht der PC der Zukunft als externe Busse nur USB 1.0 und 1394, sonst nichts. Mehr dazu finden Sie in einem großen Interview mit dem VIA-Chef , das in der nächsten Woche bei tecChannel.de erscheint.

Eine weitere Technologie, die die Taiwaner einfach nicht lieb gewinnen wollen, ist Bluetooth. Zu teuer, zu kompliziert - und für Daten angesichts von 802.11b sowieso viel zu langsam. Dass es für manche Anwendungen auch ohne Bluetooth geht, beweisen die in Taipei gezeigten drahtlosen Headsets. Eine so deutliche Front wie gegen USB 2.0 war bei Bluetooth aber auf der Computex 2001 nicht auszumachen.

Fazit

Die Ballon-Affäre zwischen Intel und VIA zeigt, wie weit die Ellenbogen im Chipsatz-Markt inzwischen ausgefahren werden. Den Board-Herstellern ist das recht, sie profitieren in jedem Fall. Zudem zeigen die taiwanischen Unternehmen - zu Recht - immer mehr Selbstbewusstsein im Markt.

Mit NVIDIAS nForce ist ein völlig neuer Ansatz im Chipsatz-Design gefunden, der auch als Prototyp bereits funktioniert. Nur VIA kann hier, was DDR-Chipsätze betrifft, noch mithalten. Hier droht aber noch eine Klage von Intel. Beide Chipsätze sollen noch 2001 auf den Markt kommen, sodass die Karten dann völlig neu gemischt werden können.

Der Pentium 4 kann durch die fertigen 845-Boards endlich Einzug in Lowcost-Systeme halten - wenn auch bei geringerer Leistung als bei Rambus-Rechnern. Hier macht bisher AMD das Rennen. Anders als noch vor zwei Jahren hat sich der Intel-Konkurrent mittlerweile als ernsthafter Gegenspieler etabliert. Anders als noch vor zwei Jahren hat sich der Intel-Konkurrent mittlerweile vollends als wichtiger Player etabliert, dessen Produkte auf der Computex nicht mehr versteckt werden müssen.

Die Zeit läuft also für Intel - wie auch auf Taipeis Ampeln. Dort teilt nämlich neben der Animation des grünen Männchens auch ein Countdown mit, wie viele Sekunden man noch die Strasse betreten darf. Den Spruch "Wir haben doch keine Zeit!" hat Stefan Raab wohl in Taiwan aufgeschnappt. (nie)