Studie und Praxisbeispiel

Collaboration-Tools noch zu kompliziert

22.10.2009 von Johannes  Klostermeier
Erträge steigern, Kosten minimieren, Arbeitszeit einsparen: Das erhoffen sich Konzerne durch Collaboration. Doch noch dominiert die Skepsis. Vor dem Hintergrund zunehmender Arbeitsbelastung wird die Zusammenarbeit immer wichtiger. Das zeigt auch eine aktuelle Studie von Mindjet.

Die Möglichkeiten der virtuellen Zusammenarbeit sind vielfältig. Sie beginnt mit dem Gedankenaustausch per Telefon, via E-Mail und Instant-Messaging. Sie erstreckt sich über Postings, Blogs, Team-Workspaces, Wikis, Web-, Audio- und Videokonferenzen. Allerdings stellt sich heutzutage unter dem Begriff Collaboration nahezu jeder etwas anderer vor, wie eine Studie der Firma Mindjet zeigt.

Diese hat in einer Umfrage unter 186 Befragten geklärt, was diese mit dem Begriff „Online Collaboration“ verbinden. Das Ergebnis: 75,4 Prozent gaben an „Informationen und Wissen zu teilen und weiterzugeben“, 64 Prozent „gemeinsam an Dokumenten zu arbeiten“, 59,4 Prozent auf diese Art „neue Ideen zu finden“, 58,3 Prozent hoffen auf „verbesserte Teamarbeit“ und 44,6 Prozent „Web-Konferenzen (Sprache, Video) führen zu können“.

Bildergalerie: Die Mindjet-Studie zu Collaboration. (Quelle: Mindjet)
Mindjet Studie
Wo lauern in Ihrer täglichen Arbeit die größten Zeitfresser?
Mindjet Studie
Wie schätzen Sie, wird sich Ihre persönliche Arbeitsbelastung in den kommenden sechs Monaten verändern?
Mindjet Studie
Welchen Aussagen stimmen Sie am Ehesten zu?
Mindjet Studie
Welche Methoden setzen Sie ein, um produktiver zu arbeiten?
Mindjet Studie
Online Collaboration heißt für mich....

Autozulieferer Veritas zeigt, wie Collaboration in der Praxis aussehen kann. Der Autozulieferer aus dem hessischen Gelnhausen will „neue Wege gegen die Verschwendung bei Automobilprojekten“ gehen, wie der Leiter des Geschäftsfelds Kraftstoff Martin Ehret berichtet. In der „Veritas-Welt“ ist die Kommunikation während der Produktentwicklung zwischen dem Hersteller, den Kunden und den Lieferanten extrem wichtig.

Neben der Zentrale in Gelnhausen, wo rund 1500 Mitarbeiter beschäftigt sind, gibt es noch weitere Standorte, etwa in Österreich, Ungarn, Mexiko, Spanien und den USA. Um die Kommunikation zwischen diesen Standorten zu verbessern, beteiligte sich der Spezialist für Fluid-Handling-Systeme an einem Pilotprojekt eines IT-Dienstleisters. Dieser stellt für den Datenaustausch zwischen allen Beteiligten eine virtuelle Projektplattform zur Verfügung.

Videokonferenzen: „Als ob man sich gegenübersitzt“

„Die Idee ist letztlich, dass dadurch immer alle auf sämtliche Daten zugreifen können. Dabei geht es um Videokonferenzen, Voice-over-IP sowie Office-Anwendungen und den Austausch von CAD-Dateien. Alle sollen immer dasselbe Wissen haben“, sagt Ehret. Derzeit probt man die Zusammenarbeit nur intern zwischen dem Vertriebsstandort in Detroit in den USA und zwei Stellen in der Zentrale in Gelnhausen. „Die Videokonferenzen, bei der man auch einmal ein Bauteil hochhalten kann, bringen unheimlich viel“, sagt Martin Ehret von Veritas. „Es ist dabei fast so, als ob man sich wirklich gegenüber sitzt.“

Wie viele Kosten sich mit der Zusammenarbeits-Plattform einmal einsparen lassen, hat Ehret noch nicht untersucht. „Fest steht aber, dass alle Prozesse in der Automobilindustrie bereits mehrfach auf Möglichkeiten zur Kostensenkung durchleuchtet worden sind.“ Ehret ist sich mit anderen Automobilindustrieexperten aber einig: Der Einsatz von Collaboration-Tools biete noch viel Potenzial.

Bei drom Fragrances aus Baierbrunn produzieren rund 300 Mitarbeiter auf allen fünf Kontinenten Duftstoffe für über 400 Kunden. Durch virtuelle Riech-Sessions, in denen die gleichen Parfums an verschiedenen Orten zur Verfügung standen, konnten die Verantwortlichen die Anzahl der Geschäftsreisen reduzieren, die Reisekosten deutlich senken und ein schnelleres „time-to-market“ erreichen. Eine Beispielrechnung für Videokonferenzen eines fiktiven Unternehmens hat sie überzeugt. Bei 500 Mitarbeitern und zwei Meetings pro Woche kommt man auf 104 Besprechungen pro Mitarbeiter und Jahr. Die durchschnittlichen Reisezeiten im Auto pro Meeting liegen bei zwei Stunden, die Flugreisezeiten bei drei. Ergebnis: 130.000 Arbeitsstunden Einsparung im Jahr.

Für die die Hersteller von Collaboration-Tools hingegen ist es nicht einfach, konkrete Zahlen für mögliche Einsparungen anzugeben. Die Firma Mindjet, die ihr Programm Mindmapping mit einer umfangreichen Collaboration-Plattform verbindet, auf der alle Teammitglieder ihre Ideen und Informationen visuell strukturieren, miteinander diskutieren und gemeinsam weiterentwickeln können, kann „(noch) nicht mit genauen Zahlen aufwarten, was die Kosten/Nutzen-Ratio angeht“, teilte ein Sprecher mit.

Videokonferenzen: Kein Ersatz für Fluglust

Auch Russell Green ist noch skeptisch. Er berät in Hamburg als freiberuflicher Experte Unternehmen in Sachen Collaboration und Projektmanagement. Der Wert von E-Mail, Instant Messaging, Web- und Videokonferenzen liegt für ihn auf der Hand, „doch leider nutzen noch zu wenige die Möglichkeiten“, meint der Berater. Er vermutet: „Das ist auch ein kultureller Aspekt, der hier im Wege steht.“ Nach den Terroranschlägen des 11. September nahmen Videokonferenzen zwar kurzeitig zu. „Doch Reisen und Fliegen scheint für viele immer noch ein Privileg zu sein, egal wie viele Stunden dabei verloren gehen.“

Sichtbare Erfolge gibt es nur, wenn die Geschäftsführung anordnet, dass die Mitarbeiter Web-Konferenzen nutzen müssten und alle Geschäftsreisen geprüft werden. Dann würde sich diese Form der Kommunikation durchsetzen. Dazu müssten Collaboration-Tools allerdings so einfach, verfügbar und zugänglich werden wie das Telefon und ohne große Vorbereitungen und Hürden funktionieren.