TecChannel-Studie

Cloud Computing - der deutsche Mittelstand hinkt hinterher

10.03.2014 von Wolfgang Herrmann
Die Vorteile des Cloud Computing sind klar erkannt, doch deutsche Unternehmen aus dem Mittelstand bleiben skeptisch. Das belegt eine exklusive Studie der TecChannel-Redaktion. Schuld daran ist längst nicht nur die NSA-Affäre. Neben Zweifeln an der Datensicherheit treibt viele KMUs schlicht die Angst um, die Kontrolle über Daten und IT-Systeme zu verlieren.

Nur ein Drittel der kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) in Deutschland nutzt derzeit Dienstleistungen aus der Cloud. Zwar plant ein weiteres Fünftel einen Einsatz in den kommenden zwölf Monaten. Doch unterm Strich bleiben 42 Prozent, die keinerlei Cloud-Services in Anspruch nehmen und dies auch nicht vorhaben (siehe Grafik). Zu diesem Ergebnis kommt die TecChannel-Studie „Cloud Computing im Mittelstand“. Sie stützt sich auf eine Online-Befragung von mehr als 200 kleinen und mittelständischen Unternehmen. In der zum Vergleich ebenfalls herangezogenen Kontrollgruppe der Firmen mit mehr als 1000 Mitarbeitern liegt der Einsatzgrad immerhin bei 41 Prozent. Die Zahlen passen zu ähnlichen Studienergebnissen von Marktforschungs- und Beratungshäusern wie Techconsult oder KPMG aus dem vergangenen Jahr.

Deutsche Mittelständler hinken damit nicht nur den größeren Unternehmen hierzulande hinterher. Auch im internationalen Vergleich schneiden sie schlecht ab, wie etwa Frank Sempert vom Beratungshaus Saugatuck Technology beobachtet. Während die SMB (Small and medium-sized Businesses) international nach Einschätzung von Analysten bis 2016 das Cloud-Wachstum maßgeblich trieben, könne sich die Zurückhaltung deutscher KMUs sogar als Wachstumsbremse für die deutsche Wirtschaft erweisen, warnt der Experte.

Cloud Computing im Mittelstand
Cloud-Einsatz in deutschen KMUs
Nur gut ein Drittel der kleinen und mittelständischen Unternehmen nutzt derzeit schon Dienste aus der Cloud.
Cloud-Betriebsmodelle im Mittelstand
Ein Viertel der mittelständischen Cloud-Nutzer greift auf eine Public Cloud zurück.
Arten von Cloud-Diensten
Am häufigsten nutzen die Umfrageteilnehmer Rechenleistung oder Speicher aus der Cloud (IaaS = Infrastructure as a Service).
Anwendungsbereiche fuer Software as a Service
Geht es um SaaS, nutzen kleine und mittelständische Unternehmen am häufigsten Collaboration-Anwendungen und Programme für das Kundenbeziehungs-Management (Customer Relationship Management, CRM).
Akzeptanz von Cloud-Marktplätzen
Magere zehn Prozent der Cloud-Anwender aus dem Mittelstand nutzen einen Cloud-Marktplatz oder –Appstore.
Vorteile genutzter Cloud-Dienste
Mehr Flexibilität ist mittelständischen Cloud-Nutzern offenbar wichtiger als niedrigere IT-Kosten.
Gründe gegen einen Cloud-Einsatz
Datensicherheit ist auch für KMUs das wichtigste Argument gegen einen Einsatz von Cloud-Services. Doch auch die Angst vor einem Kontrollverlust spielt eine Rolle.
Auswirkungen der NSA-Affäre
Mehr als die Hälfte der Nutzer hat den geplanten Einsatz von Cloud-Services aufgrund der NSA-Affäre reduziert.
Speicherort von Cloud-Daten
Für die Mehrheit der Cloud-Nutzer ist es wichtig, dass der Cloud-Provider Daten ausschließlich in Deutschland speichert.
Speicherort und Art der Daten
Knapp die Hälfte der Cloud-Nutzer gibt an, der Speicherort Deutschland sei für alle Daten gleichermaßen wichtig.
Datensicherheit in der Cloud
Eine Mehrheit der KMUs glaubt an die Schutzwirkung von Verschlüsselungstechniken.
Cloud-Einsatz Entscheider
In den meisten kleinen und mittelständischen Unternehmen ist der Einsatz von Cloud-Diensten Chefsache.

Private Cloud dominiert auch im Mittelstand

Geht es um das Betriebsmodell für Cloud-Services, präferiert knapp die Hälfte derjenigen Mittelständler, die bereits Dienste aus der Wolke nutzen, eine Private Cloud. Nur knapp ein Viertel setzt laut der TecChannel-Erhebung auf eine Public Cloud. Etwa ein Drittel arbeitet mit einer Mischung aus Public- und Private-Cloud-Diensten (Hybrid Cloud). In den Großunternehmen liegt dieser Anteil bei 50 Prozent.

Am häufigsten nutzen die Umfrageteilnehmer Rechenleistung oder Speicher aus der Cloud (IaaS = Infrastructure as a Service). Fast ebenso viele greifen auf Cloud-basierte Anwendungssoftware zurück (Software as a Service, SaaS). Andere Dienste wie Entwicklungsplattformen (Platform as a Service, PaaS), Security as a Service oder komplette Geschäftsprozesse aus der Cloud spielen eine untergeordnete Rolle. Unter den offen abgefragten „anderen Cloud-Diensten“ finden sich beispielsweise Google-Angebote wie Gmail oder Microsoft-Produkte wie Azure und Office 365.

Im Segment SaaS dominieren Collaboration-Anwendungen und Programme für das Kundenbeziehungs-Management (Customer Relationship Management, CRM). Aber auch Systeme für Dokumentenmanagement (DMS) und Archivierung werden mit 37 Prozent noch relativ häufig aus der Cloud genutzt. Knapp ein Drittel derjenigen die Cloud-Services einsetzen, nutzt ein ERP-System inklusive Buchhaltung aus der Wolke. Noch geringer ist der Einsatzgrad von Business-Intelligence-, ECM- oder Personal-Anwendungen aus der Cloud.

Cloud-Computing-Marktplätze floppen

Die mit viel Marketing-Getöse gestarteten Cloud-Marktplätze oder B2B-Appstores erweisen sich im deutschen Mittelstand als Flop. Gerade einmal zehn Prozent der Cloud-Nutzer greifen auf solche Plattformen zurück. In der Kontrollgruppe der Großunternehmen ab 1000 Mitarbeiter liegt der Anteil mit knapp 19 Prozent deutlich höher.

Den kompletten Studienberichtsband plus Analysen und weiterführende Informationen erhalten Sie über den TecChannel-Shop.

Cloud-Vorteile: Flexibilität wichtiger als Kosten

Flexibilität ist für deutsche Mittelständler wichtiger als mögliche Kosteneinsparungen.

Eine kleine Überraschung bringen die Antworten auf die Frage, welche Vorteile sich die Unternehmen von Cloud-Services versprechen. Mehr Flexibilität ist den KMU-Teilnehmern mit 65 Prozent deutlich wichtiger als das Standardargument der niedrigeren IT-Kosten, das nur 56 Prozent nennen. In Großunternehmen sind beide Aspekte gleich wichtig. Den bedeutendsten Vorteil sehen sie jedoch in der schnelleren Bereitstellung von IT-Services (von 81 Prozent ausgewählt). Diesen Punkt nennen die kleinen und mittelständischen Betriebe nur zu 53 Prozent. Dicht dahinter rangieren im Ranking der KMUs eine höhere Ausfallsicherheit beziehungsweise Verfügbarkeit der IT und eine verbesserte Skalierbarkeit von IT-Diensten. In den Freitexten zu Cloud-Vorteilen nennen die Nutzer unter anderem den ortsunabhängigen Zugriff auf IT-Ressourcen, automatische Updates und Backups sowie das Replizieren von Daten in ein zweites Rechenzentrum.

Cloud-Hemmnisse: Datensicherheit und Angst vor Kontrollverlust

Ein klares Ergebnis liefert die Frage nach den Nachteilen von Cloud-Diensten. Gut 64 Prozent sehen hier das Thema Datensicherheit / Datenschutz. In den Großunternehmen liegt dieser Wert sogar bei 81 Prozent. Auffällig hoch ist der Anteil derjenigen mittelständischen Anwender, die die Option „Keine Kontrolle über den Speicherort ausgelagerter Daten“ gewählt haben (46 Prozent). Weitere 32 Prozent nannten die Option „Genereller Kontrollverlust über eingesetzte IT-Systeme“. Darüber hinaus fürchten 43 Prozent die Abhängigkeit von einem Anbieter. Fast 40 Prozent sehen zudem in der Netzwerkleistung und Netzverfügbarkeit einen Faktor, der gegen den Einsatz von Cloud-Services spricht.

Folgen der NSA-Affäre

Die NSA-Affäre hat sich unter denjenigen, die bereits Cloud-Dienste im Einsatz haben, offenbar nur gering ausgewirkt. 17 Prozent haben zwar laut eigenen Angaben den Einsatz reduziert, 74 Prozent sehen dagegen keine Auswirkungen. Ein anderes Bild ergibt sich bei der Frage, welche Folgen die geheimdienstlichen Ausspähaktionen auf den geplanten Einsatz von Cloud-Diensten haben. Mehr als die Hälfte der Umfrageteilnehmer berichtet von einem reduzierten Einsatz, eine Größenordnung die auch für die Großunternehmen gilt. 39 Prozent sehen in diesem Kontext keine Auswirkungen.

Dazu passen die Einschätzungen zum Speicherort ausgelagerter Daten. Für 54 Prozent ist es „sehr wichtig“, dass der Cloud-Provider Daten ausschließlich in Deutschland speichert, für weitere 17 Prozent wichtig. Die Frage, ob der Speicherort Deutschland für alle Daten gleichermaßen wichtig sei, bejahen 48 Prozent der Cloud-Nutzer. 41 Prozent entscheiden sich für die Antwort: „Es kommt auf die Daten an“. Große Unternehmen beurteilen diesen Punkt offenbar differenzierter. In der Kontrollgruppe wählten 63 Prozent die letztgenannte Option.

Geteilter Meinung sind die Befragten auch beim Thema Verschlüsselung. Gut ein Drittel vertritt die Ansicht, auch eine korrekt implementierte Verschlüsselung beim Übertragen und Speichern in die Cloud biete keinen ausreichenden Schutz ihrer Daten. Große Unternehmen zeigen sich an diesem Punkt mit 19 Prozent weniger skeptisch. Immerhin glaubt eine Mehrheit von 59 Prozent der KMUs an die Schutzwirkung von Verschlüsselungstechniken.

Cloud Computing im Mittelstand ist Chefsache

Dass Cloud Computing in den meisten kleinen und mittelständischen Unternehmen Chefsache ist, zeigt ein weiteres Ergebnis. In 75 Prozent der Fälle entscheidet die Geschäftsführung final über den Einsatz von Cloud-Diensten, den IT-Leiter nennen nur 21 Prozent. In den Großunternehmen ergibt sich ein anderes Bild. Die Geschäftsleitung entscheidet dort in 60 Prozent der Fälle, die übrigen 40 Prozent entfallen auf den IT-Leiter.

Fachabteilungen entscheiden in deutschen KMUs eher selten über einen Cloud-Einsatz.

Noch klarer fallen die Antworten auf die Frage aus, welcher Personenkreis in den Entscheidungsprozess rund um den Einsatz von Cloud-Diensten eingebunden ist. Hier liegt die Geschäftsführung mit 83 Prozent vorn, gefolgt vom IT-Leiter (70 Prozent) und dem Fachabteilungsleiter mit 42 Prozent. Das oft beschriebene Problem der Schatten-IT, in der Fachabteilungen an der IT-Organisation vorbei IT-Ressourcen beschaffen, scheint zumindest in diesem Kontext keine bedeutende Rolle zu spielen. Die Antworten der Großunternehmen fallen auch hier anders aus: Fachabteilungsleiter sind demnach in 69 Prozent der Fälle eingebunden, weitere 30 Prozent nennen einzelne Mitarbeiter in Fachabteilungen. Dieser Wert liegt bei den KMUs nur bei 26 Prozent.

Eine Mehrheit der befragten Cloud-Nutzer aus dem Mittelstand greift auf zwei bis drei verschiedene Anbieter zurück. Ein gutes Drittel arbeitet mit nur einem Provider zusammen. Beim Einführen und Verwalten von Cloud-Diensten lässt sich gut die Hälfte von externen Dienstleistern wie etwa Systemhäusern helfen. 45 Prozent geben an, alles in Eigenregie zu machen.

Cloud Computing: Magerer Anteil am IT-Budget

Der Anteil von Cloud-Diensten an den gesamten IT-Ausgaben fällt noch bescheiden aus. Knapp 30 Prozent der mittelständischen Unternehmen mit Cloud-Erfahrung lassen weniger als fünf Prozent ihres Budgets in die Wolken-IT fließen. Ein weiteres Drittel gibt immerhin zwischen fünf und 25 Prozent für Cloud-Dienste aus. 25 bis 50 Prozent des IT-Budgets investieren nur knapp zehn Prozent der Nutzer. (wh)

Studiensteckbrief

Die Studie „Cloud Computing im Mittelstand“ wurde von IDG Business Research Services exklusiv im Auftrag der IDG-Medienmarke TecChannel durchgeführt. Die Online-Befragung fand im Zeitraum 10. Januar bis 17. Februar 2014 statt. Die Grundgesamtheit setzt sich aus IT-Entscheidern und IT-Spezialisten aus überwiegend kleinen und mittelständischen Unternehmen zusammen. Insgesamt beteiligten sich 254 Personen an der Befragung.