Coachin Petra Ulbrich

Chefs im Ausland scheitern an Privatem

25.02.2016 von Christiane Pütter
Sechs von zehn Managern, die einen Auslandsaufenthalt abbrechen, begründen das mit Problemen in der Familie. Unternehmen sollten Partnerinnen besser vorbereiten, fordert daher Petra Ulbrich, die ihren Mann drei Jahre lang nach Barcelona begleitet hatte. Die Wirtschaftswissenschaftlerin coacht heute Ehefrauen und weiß um deren Bedürfnisse vor, während und nach dem Auslandsaufenthalt.

Das quirlige Gewusel auf den Ramblas, der - zu Recht! - so berühmten Prachtstraße. Der Park mit den faszinierenden Bauwerken von Gaudi. Musik in den Straßencafés, schicke Leute, und immer der blaue Himmel. Und immer die Nähe zum Meer. Barcelona - ein Traum! Die ersten drei Monate lang. Dann kommt das Heimweh. Dann kommt die Sorge, ob es wirklich die richtige Entscheidung war, den Job zu Hause aufzugeben. Und noch immer weinen die Kinder wegen der fehlenden Freunde, wegen der Oma, wegen des Reitstalls.

Petra Ulbrich coacht die Partnerinnen von Führungskräften, die ins Ausland geschickt werden.
Foto: Andreas Greiner-Napp/Petra Ulbrich

Solche Szenarien kennt Petra Ulbrich aus eigener Erfahrung. Drei Jahre lang hatte sie ihren Mann, Manager bei einem großen deutschen Unternehmen, in die spanische Metropole begleitet. Heute kann sie nur den Kopf schütteln darüber, wie wenig sich deutsche Unternehmen der Rolle von Partnerin und Familie bei Auslandseinsätzen bewusst sind. Das sollten sie aber: Laut Cartus Mobility Report 2014 gehen 61 Prozent der Abbrüche auf Probleme mit der Familie zurück.

Ulbrich will das ändern. Nach vielen Gesprächen mit anderen Führungskräften und deren Frauen hat sie ein Coaching entwickelt, das die Partnerinnen in drei Stufen vorbereitet, begleitet und nach der Rückkehr wieder auffängt.

Dass viele Personaler die Problematik unterschätzen, liegt vermutlich daran, dass sie selbst noch nie beruflich im Ausland waren. "Insofern ist die Bedarfslage nicht bekannt", sagt Ulbrich. Hinzu komme das tradierte Rollenverständnis in vielen deutschen Firmen. Noch immer gingen ältere männliche Entscheider selbstverständlich davon aus, dass Ehefrauen den Mann in seiner beruflichen Entwicklung unterstützen und die eigene Tätigkeit hintenan stellen.

Die Rolle der Ehefrau

Und dieses Problem wird sich verschärfen, ist Ulbrich überzeugt. Die Werte wandeln sich. Einerseits sind Männer nicht mehr bereit, für die Karriere alles zu opfern. Frau und Kinder sind für sie mehr als nur nettes Beiwerk. Andererseits wird Frauen ihre Unabhängigkeit immer wichtiger. Ulbrichs Fazit: "Für international tätige Unternehmen stellt die Berufstätigkeit der Frau in zunehmendem Maße ein Problem in Bezug auf Auslandseinsätze dar, da Frauen nicht mehr - wie bis dahin von vielen Unternehmen erwartet - ihren Männern ohne Einspruch oder Widerspruch folgen und eine unterstützende Rolle einnehmen."

Ulbrich behauptet nicht, dass die Firmen ihre Manager nicht vorbereiten. Auf der "sachlich-strukturellen Ebene" gebe es Support, erkennt sie an. Das heißt konkret: Relocation Services, Hilfe bei der Schulanmeldung, administrative Unterstützung und durchaus auch finanzielle Anreize für die Partnerin. Alles wichtig und sinnvoll, weiß Ulbrich. "Dennoch vernachlässigen diese Angebote die emotional-psychologische Komponente." Die Vorbereitung dürfe eben nicht nur auf eine sachlich-intellektuelle Ebene zielen. "Das Thema ist ein emotionales Thema und muss aus meiner Sicht als solches entsprechend behandelt werden", sagt sie.

Aus ihrer eigenen Erfahrung und ihrer bisherigen Arbeit als Coachin nennt Ulbrich fünf Herausforderungen für mitreisende Partnerinnen:

1. Verlust der gewohnten sozialen Kontakte

Nicht nur die eigenen Kolleginnen und Kollegen fallen weg, auch die privaten Freunde. Für die gibt es zwar Skype. Moderne Kommunikationswege ersetzen aber nie den echten Kontakt. Zudem können und wollen die Freundinnen in der alten Heimat die Situation der mitgereisten Ehefrau nur bedingt nachvollziehen.

2. Anfängliche Isolation im Ausland

Natürlich gibt es oft mehrere deutsche Manager, die am selben ausländischen Standort arbeiten. Dadurch könnten die Ehefrauen Verbündete finden. Das stimmt aber nur für eine oberflächliche Ebene, weiß Ulbrich. Über ihre Ängste oder Sorgen wollen die Frauen miteinander nicht sprechen - schließlich sind ihre Männer Kollegen oder gegebenenfalls auch Konkurrenten. Bis die Frauen Freundinnen gefunden haben, mit denen sie offen reden können, dauert es.

3. Veränderung der eigenen Identität durch Verzicht auf Berufstätigkeit

Oft können die mitreisenden Frauen im Ausland ihren eigenen Job nicht mehr ausüben. Dann fehlen ihnen nicht nur Anerkennung, Erfolg und Geld, sondern auch ein strukturierter Tagesablauf.

4. Kulturschock

Während ihre Ehemänner im vertrauten Unternehmen bleiben, sind die Frauen dem Kulturschock stärker ausgesetzt. Sie haben ja keine berufliche Rückbindung an ihr bisheriges Leben und damit an die Heimat.

5. Verantwortung der Familienmanagerin für die Integration der gesamten Familie

Von der Mutter hängt es ab, wie die Kinder im Ausland zurechtkommen. "Eine Mutter, die sich selbst mit der Entsendung identifiziert, strahlt positiv auf die Kinder aus und erleichtert ihnen die Integration im Gastland", beobachtet Ulbrich. Laufen die Dinge schlecht, riskieren die Eltern, dass die Kinder in ihrer Entwicklung Rückschritte machen.

Wie Ulbrich beobachtet, sind viele begleitende Partnerinnen in den ersten drei Monaten am neuen Wohnort "beinahe euphorisch". Der Reiz des Neuen wirkt. Dann aber setzt die Ernüchterung ein. Im schlimmsten Fall muss der Auslandsaufenthalt abgebrochen werden.

Und wenn es gut läuft? Dann vollbringen alle Familienmitglieder auf vielen Ebenen eine große Adaptionsleistung. "Sie kommen in einer neuen Arbeitswelt zurecht, entwickeln die Fähigkeit, mit Menschen einer neuen Kultur zu agieren", zählt Ulbrich auf. Nicht zuletzt lernen sie, sich in Sachen Klima, Essen und Kleidung anzupassen.

Studie über die Vereinbarkeit von Familie und Beruf
Vereinbarkeit von Familie und Beruf
A.T. Kearney hat zum dritten Mal eine repräsentative Befragung von Arbeitnehmern zu den Möglichkeiten der Vereinbarkeit von Familie und Beruf in ihren Unternehmen durchgeführt. An der Studie haben sich 1013 Beschäftigte im Alter von 18 bis 67 beteiligt.
Maßnahmen arbeitender Väter
Die Berater wollten wissen, welche Maßnahmen Unternehmen Vätern anbieten und wie diese genutzt werden. Meist entscheiden sich die Männer für flexible Tages- und Wochenarbeitszeiten (51 Prozent der Nennungen). Außerdem vereinbaren sie Auszeiten oder Sonderurlaub (30 Prozent) oder richten ein Arbeitszeitkonto ein (19 Prozent).
Teilzeit bei Frauen stärker akzeptiert
Werden die Antworten aller Befragten – Männer wie Frauen – zusammengezählt, erklären 67 Prozent, dass Teilzeit für Frauen in den Unternehmen akzeptiert ist. So sehen das bei den Männern mit nur 36 Prozent sehr viel weniger. Zum besseren Verständnis: A.T. Kearney hat hier nach "vollzeitnaher Teilzeit" gefragt, damit ist eine Reduktion auf 80 bis 90 Prozent gemeint.
ElterngeldPlus-Gesetz
A.T. Kearney hat die Erwerbstätigen gefragt, ob das ElterngeldPlus-Gesetz die Akzeptanz für Teilzeit in der Wirtschaft steigert. Hier werden wiederum geschlechtsspezifische Unterschiede deutlich. 56 Prozent glauben, dass es die Akzeptanz für teilzeitarbeitende Frauen erhöht – bei den Männern sagen das nur 37 Prozent.
Erreichbarkeit
Ein weiteres Thema der Studie ist das der ständigen Erreichbarkeit. Faktisch erklären 40 Prozent der Studienteilnehmer, von ihnen würde "häufig bis sehr häufig" erwartet, außerhalb der Arbeitszeit erreichbar zu sein. Lediglich 24 Prozent sagen, sie würden nie angerufen oder per Mail kontaktiert.
Professorin Jutta Allmendinger
Professorin Jutta Allmendinger, Ph. D., ist Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB). Sie sagt: "Idealerweise haben wir in zehn Jahren das Hauptverdiener-Zuverdiener-Modell überwunden. Stattdessen wird die bezahlte und die unbezahlte Zeit zwischen Männern und Frauen gleich aufgeteilt. Um dies zu erreichen, müssen wir das Modell einer neuen Normalarbeitszeit von beispielsweise 32 Stunden in der Woche entwickeln, die aber für das ganze Arbeitsleben gesehen wird."

Die Rückkehr nach Deutschland wiederum kann dann der nächste Schock sein. Das gilt zunächst einmal für den Manager selbst. "Im Arbeitskontext und auch in der gesellschaftlichen Rolle war man im Ausland 'a big fish in a little bowl'. Das äußert sich zum Beispiel in einer viel näheren Zusammenarbeit mit wichtigen Entscheidungsträgern", sagt Ulbrich. Bei der Rückkehr in die alte Heimat kehre sich dieses Bild dann häufig um. "Bei der Eingliederung ins alte Unternehmen erleben die Manager oft eine Degradierung ihrer Kompetenzen", sagt die Coachin. Die Erfahrungen und zugewonnenen Handlungskompetenzen des Expatriates würden nicht wertgeschätzt. "Auf einmal ist man wieder ,a little fish in a big bowl'", so Ulbrich.

Ganz ähnlich zeigt sich das im Privaten, beobachtet die Coachin. "Rückkehrer erleben oft, dass ihre zum Teil großartigen Erfahrungen von Freunden und Familie nicht gehört werden wollen, jedenfalls nicht so häufig, wie es selber als großartig empfunden wird", sagt sie. Das private Umfeld wünsche sich die "alten" Menschen zurück. Da sei es schwer, sich wieder einzufinden.

Auslandsentsendungen systematisch erfassen

"Es wird immer so getan, als ob jeder Mensch sich an jedem Ort zurechtfinden kann, so wie es an jeder Ecke der Welt Ikea oder Coca-Cola gibt", sinniert Ulbrich. "Es gehen aber Menschen mit ganz individuellen Bedürfnissen in eine fremde Welt und es gilt für mich anzuerkennen, dass das kein Kinderspiel ist."

Aus ihren eigenen Erfahrungen heraus hat Ulbrich ein dreistufiges Coaching entwickelt, das sich bewusst an Partnerinnen wendet. Stufe Eins setzt vor dem Wechsel ins Ausland an, Stufe zwei findet während des Auslandsaufenthalts online statt und Stufe drei fängt, wieder in Deutschland, den "Reentry-Kulturschock" ab.

Außerdem spricht sich Ulbrich für eine systematische Nachbereitung solcher Aufenthalte durch die Unternehmen aus. "Meiner Meinung nach sollten die Erfahrungen evaluiert werden und die neu erworbenen Kompetenzen nutzbar gemacht werden", sagt sie. "Eine Form der Nutzbarmachung liegt darin, zukünftigen Expats die bisherigen Erfahrung zur Verfügung zu stellen oder als Mentor zu fungieren. Das stellt die Entsendung in eine größere Sinnhaftigkeit."

Petra Ulbrich ist Betriebswirtin und hat unter anderem eine Erwachsenenbildungseinrichtung in Süddeutschland geleitet. In den Auslandsjahren mit ihrem Mann absolvierte sie eine Coaching-Ausbildung bei den Instituten Interact en Indialogo und ISCA in Barcelona und Wien nach den Qualitätsrichtlinien der Europaen Association of Supervision (EAS). Zusätzlich ließ sie sich zur Interkulturellen Trainerin beim Göttinger Institut für Interkulturelle Didaktik ausbilden.