BKA-Sperrliste soll geheim bleiben.

Chaos Computer Club veröffentlicht Vertrag zur Internetzensur zwischen BKA und ISPs

16.02.2009
Dem Chaos Computer Club wurde ein unterschriftsreifer Vertrag zugespielt, der ein Abkommen zwischen dem BKA und den Internet Service Providern besiegeln soll. Die zensierten Adressen sollen dabei angeblich nicht veröffentlicht werden.

Die ursprünglich von Familienministerin von der Leyen vorgeschlagene Ausblendung beziehungsweise Sperrung von Webseiten soll durch einen Vertrag zwischen dem Bundeskriminalamt (BKA) und den Internet-Service-Providern (ISPs) als Zugangsanbieter zum Internet durchgeführt werden. Der dem CCC zugespielte Vertrag wurde den ISPs angeblich bereits unterschriftsreif zugestellt. Dieser verpflichtet die Internet-Anbieter laut CCC, ihren Kunden den Zugang zu einer geheimen und somit nicht rechtsmittelfähigen Liste von Domains zu verwehren.

Der Vertragsentwurf soll die ISPs verpflichten, die nur werktags vom BKA übermittelte Zensurlisten geheim zu halten. Somit sieht sich der CCC in seinen Befürchtungen bestätigt, dass Frau von der Leyen zusammen mit Innenminister Schäuble und dem BKA eine Vorzensur ohne gesetzliche Grundlage einzuführen versucht.

"Der hier vorliegende Versuch des Bundesinnenministers, eine ‚freiwillige’ Vorzensur ohne gesetzliche Grundlage zu schaffen, ist ungeheuerlich. Flankiert durch die Bundesfamilienministerin von der Leyen wird hier das Thema Kinderpornographie instrumentalisiert, um eine Zensurautomatik für Internetseiten einzuführen. Mit dem vorliegenden Vertragsentwurf wird nicht nur deutlich, dass das Bundesinnenministerium offenbar überhaupt kein Interesse an einer Strafverfolgung gegen die Täter hat, sondern eine geheime Infrastruktur für das Zensieren von Internetseiten plant", sagte CCC-Sprecher Andy Müller-Maguhn.

Technisch solle die "Erschwerung des Zugangs" durch die Umsetzung der Sperrlisten des BKA durch die ISPs vollzogen werden. Betroffene Domains sollen ISPs innerhalb von sechs Stunden sperren. Voraussetzung sei eine Feststellung des BKA, dass diese kinderpornographische Schriften im Sinne von § 184b des Strafgesetzbuches (StGB) beinhalten oder den Zugang hierzu vermitteln. Warum das BKA nicht sofort durch polizeiliche Ermittlungsarbeit gegen die auf der Zensurliste gelisteten Urheber derartiger Materialien vorgeht, bleibe unklar. Der CCC sehe sich dadurch bestätigt, dass nicht die tatsächliche Bekämpfung der Kinderpornographie und der Schutz der Kinder, sondern die Schaffung einer Zensurinfrastruktur im Vordergrund stehe.

"Es wird deutlich, dass das Bundesinnenministerium mit dem Thema Kinderpornographie und der Flankierung durch Familienministerin von der Leyen offenbar einen Bereich herausgesucht wurde, mit dem am ehesten gesellschaftliche Akzeptanz für Sperrmaßnahmen erreicht werden kann. Wenn aber eine solche Infrastruktur erst einmal vorhanden ist, wird eine Ausweitung auf andere Themenbereiche – seien es so genannte terroristische Propaganda oder Verstöße gegen Urheberrechtsbestimmungen – ein Leichtes sein", sagte CCC-Sprecher Andy Müller-Maguhn.

Die offensichtlich verfassungswidrige Planung soll dabei laut CCC nicht das Gesetzgebungsverfahren durchlaufen. Erreichen will man die Sperrungen durch zivilrechtliche Änderungen der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der ISPs. Diese Art der Umsetzung durch eine Änderung der AGB eröffne immerhin frustrierten Kunden ein Sonderkündigungsrecht und somit den Wechsel zu einem zensurfreien Internet-Anbieter.

Die im Vertrag scheinbar datenschutzrechtlich unbedenklich gehaltene Regelung, dass die ISPs das BKA lediglich über die Anzahl der Zugriffe auf die jeweils gesperrten Seiten informieren sollen, nicht aber über Personen, die einen Zugriffsversuch durchgeführt haben, seien zudem im Kontext der Vorratsdatenspeicherung (VDS) längst unterminiert. (jdo)