Chancengleichheit ist oberstes Gebot

14.10.1998
Geht es nach den Vorstellungen der Industrie, dann sollte die Regulierungsbehörde für Post und Telekommunikation sofort errichtet werden, nicht erst zum 1. Januar 1998. Bei einer Anhörung im Bundespostministerium forderten Wirtschaftsvertreter und Verbände eine starke, kompetente und unabhängige Behörde, die für eine faire und zügige Marktöffnung sorgt.

Von: Claudia E. Petrik

Die Behörde muß von der Politik unabhängig sein", warnte Prof. Dr. Eberhard Witte von der Universität München, der als Vorsitzender der BMPT-Forschungskommission für Regulierung und Wettbewerb fungiert. Besonders schwierig sei, daß der Bund noch zu einem erdrückenden Teil (75 Prozent) Eigentümer der Telekom ist und damit nicht frei vom Einfluß des Finanzministeriums. Der Bund solle sich so schnell wie möglich von seinen Anteilen trennen, empfahl Witte. Um die fachliche Qualifikation des Personals für Aufgaben wie Interconnection-Vereinbarungen zu gewährleisten, riet er, das BMPT mit dem BAPT zu verschmelzen.

"Wettbewerb stellt sich nicht von selbst ein", erklärte Prof. Dr. Jürgen B. Donges, ein weiteres Mitglied der Kommission. "Es muß möglich sein, daß neue Wettbewerber am Markt der Telekom kratzen", sagte Donges. Im Zeitalter der Globalisierung sei eine volkswirtschaftliche Sicht unabdingbar.

Behörde muß Anfang 1998 sattelfest sein

Warum es der Industrie so eilig ist mit der Schaffung der Regulierungsbehörde (siehe dazu auch Editorial), konnte Bötsch anfangs nicht verstehen, da sie doch erst am 1. Januar tätig werden könne. Die Flut von Argumenten seitens der Teilnehmer überzeugte ihn dann doch. "Die Behörde muß am 1. Januar 1998 voll funktionsfähig sein, damit kein Vakuum entsteht", erklärte etwa Hans-Willi Hefekäuser von der Telekom. Die Spitze der Organisation müsse am Aufbau und an der Entwicklung beteiligt sein. Die Forderung nach einem reibungslosen Übergang (das BMPT ist bis 31. 12. 1997 Treuhänder für die Regulierungsbehörde) zog sich wie ein roter Faden durch die Stellungnahmen von DIHT (Deutscher Industrie- und Handelstag), BVB (Bundesverband Informations- und Kommunikationsindustrie), BDI (Bundesverband der Industrie) und denen der Wirtschaftsvertreter. Joachim Tresp vom BVB beklagte in diesem Zusammenhang, daß der BVB nicht eingeladen worden sei und erst knapp vor dem Termin von der Veranstaltung erfahren habe.

Vor einer falschen Weichenstellung warnte auch die Arbeitsgemeinschaft Telekommunikations-Mehrwertdienste des VDMA (Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau). "Die Regulierungsbehörde bestimmt weitgehend die Attraktivität des Standorts Deutschland im internationalen Vergleich des Telekommunikationsmarktes und entscheidet darüber, ob sich erwünschte Investitionen inländischer und ausländischer Anleger sowie erwartete Beschäftigungseffekte einstellen werden." Die Aufgaben der Behörde gingen weit über die des Kartellamtes hinaus: sie müsse Wettbewerb schaffen, während das Kartellamt im wesentlichen Wettbewerb bewahre. Wie im TKG formuliert, sei eine enge Zusammenarbeit beider essentiell.

Wettbewerb schaffen ist wichtigste Aufgabe

"Der Wettbewerb muß in Deutschland kommen, nicht nach Deutschland", betonte Stefan Schwarz, Sprecher des Verbandes für Telekommunikation und Mehrwertdienste in Bonn. Der VTM erstellte im Auftrag seiner 26 Mitglieder eine Studie zu diesem Thema, an der auch Vertreter der britischen (Oftel) und amerikanischen Regulierungsbehörden (FCC) mitwirkten. Zusammenfassend gelangt die Studie zu folgenden Ergebnissen (Auszug):

Die Regulierungsbehörde muß sich auf wettbewerbsrelevante Aufgaben konzentrieren. Die Schaffung von Wettbewerb und die Beseitigung von Marktzutrittsschranken ist dabei die wichtigste Aufgabe der Behörde. Viele Aufgaben der bisherigen Behörden können haushaltsentlastend durch industrielle Selbstverwaltung wahrgenommen oder privatisiert werden. Die Behörde muß eine aktive Mißbrauchsaufsicht betreiben und auf Beschwerden der Marktteilnehmer reagieren. Die Verfahrensmaximen müssen Effizienz, Transparenz und Beteiligungsmöglichkeiten sein und sich aus dem Gesetz entwickeln. Die Grundsatzentscheidungen für den Aufbau der Behörde - insbesondere über die personelle Besetzung der Leitungsebene - müssen noch im ersten Quartal getroffen werden. Beschlußkammern für alle Sachgebiete sind bis zum Sommer 1997 kompetent zu besetzen und müssen ihre Aufgaben sogleich vorbereiten. Neben den für Einzelfälle zuständigen Beschlußkammern sind zugleich Abteilungen zu schaffen, die Regulierungsgrundsätze entwickeln.

Die Autoren der Studie leiteten die Anforderungen unter anderem aus Erfahrungen ab, die ausländische Kommunikationsunternehmen in bereits liberalisierten Märkten bei dem Aufbau von Wettbewerb im Verhältnis zum marktbeherrschenden Unternehmen und den Regulierungsbehörden gesammelt haben. Laut VTM zeigt der internationale Vergleich, daß die Regulierungsbehörde in Ausfüllung der gesetzlichen Vorgaben einen abstrakten und gleichzeitig pragmatischen Katalog von Zielen, Handlungsmaximen und Entscheidungsrichtlinien braucht. Außerdem verlange der im Telekommunikationsgesetz verankerte Auftrag zur Marktöffnung ein proaktives und aggressives Selbstverständnis. Zögerliches und reaktives Verhalten von Regulierungsbehörden habe im Ausland dazu geführt, daß die Monopolstellung des historisch marktbeherrschenden Anbieters praktisch unangetastet blieb.

International erfahrene Experten einbeziehen

Was die Mitarbeiterauswahl angeht, sehen ausländische Unternehmen und auch die EU-Kommission die Personalübernahme vom früheren Monopolisten als kritisch an. Der VTM rät deshalb, international erfahrene Mitarbeiter durch Personalaustausch mit ausländischen Regulierungsbehörden zu gewinnen. Um das Erfahrungs- und Informationsdefizit auszugleichen, empfiehlt der BVB, international erfahrene Experten aus Wirtschaft und Wissenschaft sowie Praktiker aus deregulierten Ländern einzubeziehen.

In diesem Zusammenhang bezeichnete es Dr. Joachim Scherer von der Anwaltskanzlei Döser, Amareller, Noak als völlig unzulänglich, daß es nur zwei bis drei Planstellen für die Themen Netzzugang und Netzzusammenschaltung gebe. Dies seien die wichtigsten Aufgaben der Regulierungsbehörde. Kritik kam auch von dem Bündelfunknetzbetreiber Regiokom Berlin. Dr. Dietmar Gollnick bemängelte, daß die Lizenzerteilung inzwischen fünf Monate dauert, statt wie früher einen Monat. Er verlangte, daß betriebswirtschaftliches Denken stärker im BMPT und BAPT abgebildet werde.

Was die Besoldung des Personals der Regulierungsbehörde angeht, hatte Dr. Bernd Jäger vom Verband Privater Netzbetreiber, Satelliten- und Kabelkommunikation (ANGA) einen interessanten Vorschlag parat: "Bezahlen Sie die Mitarbeiter doch erfolgsabhängig nach den tatsächlich erreichten Marktanteilen der Wettbewerber oder nach den in den TK-Markt getätigten Investitionen." Das war durchaus ernst gemeint, wurde von Bötsch aber sofort vom Tisch gewischt.

Auch zur Verordnung über die Lizenzgebühren äußerte sich Jäger: "Die Lizenzgebühren sind ein Investitionshindernis ersten Ranges." Was von den Vorschlägen der 150 Teilnehner in die Gestaltung der Regulierungsbehörde einfließt, wird sich zeigen. Bötsch zufolge soll bis April über die organisatorische und personelle Ausstattung entschieden werden.