Detroit Motor Show, Genfer Autosalon, Pariser Salon - das alles waren einmal internationale Leitmessen, auf denen nicht nur über die Zukunft des Automobils diskutiert wurde, sondern diese auch gezeigt wurde. Mittlerweile laufen Technikmessen wie die CES in Las Vegas oder Anfang März der Mobile World Congress in Barcelona den klassischen Auto-Events den Rang ab.
So werden zwar auf der Detroit Motor Show, die nur wenige Tage nach der CES stattfindet, etliche neue Modelle ihre Weltpremiere feiern, doch über die strategischen Zukunftsfragen der Autoentwicklung sprach man im Spielerparadies Las Vegas. So ist unter Herstellern und Analysten unstrittig, dass das "next big thing" im Autobau das "autonome Fahren" ist. Kaum ein Hersteller, der hierzu nicht in Las Vegas entsprechende Studien oder Visionen präsentierte.
Autonomes Fahren
Zwar dürfte es bis zur Realisierung des vollautomatisierten Fahrens noch einige Zeit dauern, doch das semi-autonome Fahren steht kurz vor der Markteinführung. So zeigte etwa Bosch auf dem Las Vegas Strip einen Stauassistenten, der bis Tempo 60 in dichtem Verkehr selbstständig bremst, Gas gibt und das Auto in der Spur hält. Gerüchten zufolge soll das System noch in diesem Jahr von einem europäischen Autohersteller eingeführt werden. Laut Bosch könnten mit einem solchen vorausschauenden Notbremssystem allein in Deutschland bis zu 72 Prozent aller Auffahrunfälle mit Personenschaden vermieden werden. "Mit der Fahrerassistenz wird Bosch 2016 eine Milliarde Euro umsetzen", blickt Bosch-Geschäftsführer Dirk Hoheisel in die Zukunft.
Die Zukunft war auch eines der Themen der Keynote vom Mercedes-Chef Dieter Zetsche. Während seiner Keynote feierte nämlich das Forschungsfahrzeug F 015 Luxury in Motion auf der CES seine Weltpremiere. Bei dem F 015 handelt es sich um ein autonom fahrendes Fahrzeug, das laut Zetsche gut für die rund 40 Mega-Cities geeignet ist. Eine zentrale Idee des F015 ist ein kontinuierlicher Informationsaustausch zwischen Fahrzeug, Passagieren und Außenwelt. Hierzu dienen sechs rundum installierte, in die Armaturentafel sowie die Rück- und Seitenwände integrierte Displays. Die Passagiere können über Gesten, Eye-Tracking oder Berührung der hochauflösenden Bildschirme intuitiv mit dem vernetzten Fahrzeug interagieren. Über Laserprojektion und LED-Anzeigen nimmt der elektrisch angetriebene F 015 Luxury in Motion außerdem Kontakt zu seiner Umwelt auf.
Audi fährt 550 Meilen per Computer
Weniger visionär war dagegen der Audi A7 piloted driving concept, den die Ingoldstädter zur CES zeigten. Allerdings konnte das Auto, von seinen Entwicklern Jack getauft, mit einer anderen Besonderheit glänzen: Es legte die rund 900 Kilometer lange Anreise vom kalifornischen Stanford nach Las Vegas autonom zurück. Jack entlastet dabei den Fahrer auf Autobahnen im Geschwindigkeitsbereich von 0 bis 70 mph, also bis rund 110 km/h. Das Forschungsauto führt selbständig Spurwechsel und Überholvorgänge aus und kann automatisiert beschleunigen und bremsen. Vor dem Ausscheren nach links oder - auf amerikanischen Highways - nach rechts gleicht er sein eigenes Tempo an die Geschwindigkeit der Autos im Umfeld an und nimmt den Spurwechsel zügig und präzise vor, wenn die Berechnung ergibt, dass Distanz und Zeit ausreichen.
In Stadtgebieten muss allerdings der Fahrer wieder die Regie übernahmen, das das System dort an seine heutigen Grenzen stößt. Allerdings dürfte dies nur eine Frage der Zeit sein, denn Jack ist lernfähig. Hierzu sammelt das zentrale Fahrerassistenzsteuergerät (zFAS) Informationen der Sensoren. Über die Online-Verbindung von Audi connect - sie verwendet die Mobilfunktechnik LTE - fließen diese Daten zukünftig zu einem IT-Backend in der Cloud. Dort werden sie mit Algorithmen des Machine Learning und der künstlichen Intelligenz aufbereitet und gelangen zurück ins Auto. Auf diese Weise lernt das Auto während der Fahrt permanent dazu, um seine Performance in komplexen Situationen permanent zu verbessern. Gleichzeitig können auch andere Nutzer dieser Technik von dieser Summierung des Wissens profitieren.
Smartwatch holt das Auto
Angesichts der Fortschritte, die Mercedes und Audi sowie andere Hersteller in Las Vegas in Sachen autonomes Fahren zeigten, war eher enttäuschend, was BMW und VW in Las Vegas zeigten - beide Hersteller scheinen die aktuelle Entwicklung verschlafen zu haben. Konzepte zum fahrerlosen Parken, wie etwa von BMW, rissen die Besucher nicht mehr vom Hocker, zumal diese von anderen Herstellern schon auf früheren CES-Messen präsentiert wurden. Und über das Konzept, Fahrzeuge per Touch- oder Gestensteuerung zu bedienen, wie es neben BMW auch VW mit dem Golf Touch zeigte, streiten Experten zurecht. Führt das Rumgehampel hinter dem Lenkrad, um etwa das Schiebedach zu öffnen oder einen Gang hoch- oder runterzuschalten wirklich zu mehr Verkehrssicherheit und Komfort?
Ebenso lässt sich über die Unsitte, immer mehr Touchscreens als Innovation im Auto zu verbauen trefflich streiten. Dient es wirklich der Sicherheit, wenn der Fahrer nicht auf die Straße blickt, sondern auf den Touchscreen, um etwa den Scheibenwischer einzuschalten? Hier mag zwar die Flut an Knöpfen in manchem Mittel- und Oberklassenwagen verwirrend sein, aber sie lenkt den Fahrer nicht von seiner primären Tätigkeit, dem Steuern des Fahrzeugs ab - solange dies noch nicht autonom fährt, wie die Versuchsfahrzeuge auf der CES.
Auto trifft Big Data
Ganz andere Themen neben dem autonomen Fahren sprach Ford-CEO Mark Fields in seiner Keynote an. Fields stellte dabei den "Smart Mobility Plan" vor, bei dem es um Themen wie intelligente Mobilität, die Nutzung von Kunden-Feedback und die Anwendung von "Big Data" geht. Fields erklärte in seiner Grundsatzrede, dass Ford weltweit 25 Mobilitäts-Pilotprojekte realisiert, darunter sieben in Europa, und davon wiederum eines in Deutschland (Ford Carsharing), um innovative Technologien zu fördern und um einen Mehrwert für die Menschen im Verkehrsalltag zu schaffen. Ein ähnliches Sharing-Angebot verfolgt Ford in London mit City-Driving-on-Demand. Und eine "Digitale Datenbox" analysiert das individuelle Fahrverhalten, um so spezifische Versicherungsangebote zu erstellen. Dank der App "Painless Parking" soll künftig die Parkplatzsuche in Großstädten ihren Schrecken verlieren. Ein Plug-in-Device soll dabei Daten auf Basis des Verkehrs und der freien Parkplätze verarbeiten und den Fahrer so zum nächsten Parkplatz lotsen, den er dann per Smartphone bezahlt. Einen ähnlichen Ansatz verfolgt das System Parking Spotter, das Ford in Atlanta testet. Hier misst das Fahrzeug im Vorbeifahren freie Parklücken aus und meldet diese in die Cloud. Aus der Cloud erhalten dann andere suchende Fahrer Informationen über passende Parkplätze. Ein weiteres Beispiel für die Vernetzung von IT und Fahrzeug ist das Dynamic Social Shuttle. Hier können die Kunden individuell per Smartphone Mini-Busse anfordern und selbst spezifische Haltepunkte festlegen. In der Cloud werden dann die optimalen Routen für die Busse berechnet.
Die 25 Experimente, die Ford-Chef Fields auf der CES vorstellte, strahlen sicher nicht die Faszination aus, die vom autonomen Fahren ausgeht, aber sie zeigen welche neuen Services sich aus der Verknüpfung von Auto, Big Data und Cloud generieren lassen. Und dass dies auch fernab von Google Android Auto oder Apple Car Play möglich ist.
Kontakt und Vernetzung der Fahrzeuge unter einander ist auch ein Thema von NXP. Die Niederländer, die auch zu den Miterfinder der NFC-Technologie zählen, haben eine Kommunikationstechnologie entwickelt, bei der Fahrzeuge über Entfernungen von über zwei Kilometern noch bei relativen Geschwindigkeiten von mehr als 500 km/h zuverlässig miteinander kommunizieren können. (mje)