Grundlagenserie Business Intelligence

Business Intelligence (Teil 7): Erfolgreiche Strategien für die Einführung

07.03.2008 von Klaus Manhart
In der Praxis werden BI-Systeme oft ad hoc ohne große Planung eingeführt. Die eigentlichen Ziele der BI werden dabei verfehlt. Nur die Entwicklung und Umsetzung einer unternehmensweiten BI-Strategie verspricht langfristig Erfolg.

Viele BI-Projekte sind ungesteuert und nicht an den Unternehmensinteressen ausgerichtet. Sie sind abteilungsbezogen, entstehen aus einer Reihe von Einzelprojekten und werden nur von ausgewählten Nutzern bedient. Die Gefahr besteht, dass jede Gruppe ihre eigenen Interessen verfolgt und die ganzheitliche Sicht verloren geht.

So wollen CIOs beispielsweise mit BI vor allem eine Infrastruktur schaffen, die die Organisation und das Geschäftsmodell unterstützt. Finanzvorstände verlangen hingegen Instrumente und Funktionen zur Unternehmenssteuerung. Fachabteilungen wiederum interessierten sich in erster Linie für analytische Anwendungen, die ihnen bei ihrer täglichen Arbeit helfen. Im Extremfall dienen BI-Lösungen gar nur dem Kennzahlen-Reporting, aber nicht als Grundlage strategischer Entscheidungen.

Als Folge dieses Interessenkonflikts entstanden die oft bemängelten Insellösungen, die wenig Transparenz in unternehmensweite Zusammenhänge bringen und als Kostentreiber gelten. Dies berichteten Analysten auf dem Business Intelligence Summit 2006 in London. Danach ist BI nach vielen Jahren der Nutzung immer noch stark Bottom-Up getrieben. Eine grundlegende strategische Ausrichtung fehlt in vielen Unternehmen. Dadurch gehe ein Großteil des Potenzials entsprechender Produkte für die Unternehmenssteuerung und zur Entwicklung von Wettbewerbsvorteilen verloren.

Dabei sollte es gerade das Ziel von BI sein, die wirtschaftlichen Unternehmensziele und das laufende Geschäft aufeinander abzustimmen. Entsprechend mahnen die Analysten, BI strategisch und nicht punktuell anzugehen. Von einer konsistenten und von allen involvierten Mitarbeitern getragenen BI-Strategie profitiert langfristig jedes Unternehmen.

Typische BI-Lebenszyklen

Viele Unternehmen machen mit Business Intelligence ähnliche Erfahrungsmuster. Die Projekte und Abläufe entsprechen sich oft, so dass sich ein regelrechter Lebenszyklus für BI identifizieren lässt.

So fängt BI in vielen Firmen mit einfachen Management-Berichtslösungen an, die direkt auf operativen Systemen beruhen. Eine zusammenhängende Analyse der Daten ist damit nicht möglich. Typischerweise beginnt man in der zweiten Phase die verschiedenen Berichte über Excel-Tabellen miteinander zu verknüpfen. Die Tabellen sind meist sehr groß und komplex miteinander verbunden. Das geschieht meist im Bereich und mit dem Know-how eines einzelnen Mitarbeiters.

Oft setzt ein gewisser Leidensdruck diesen Ad-hoc-Lösungen ein Ende. Unternehmen beginnen dann in einer dritten Phase mit Standardisierungsbestrebungen und stellen entsprechende finanzielle Mittel bereit. Diese dritte Phase mündet dann in einem vierten Abschnitt in den Aufbau eines Data Warehouses, das verschiedene Themengebiete umfasst. Einzelne Fachabteilungen führen Data Marts ein. In diesen Phasen dürften sich viele Unternehmen derzeit befinden.

Die weiteren Phasen sind gekennzeichnet durch Konsolidierung und Standardisierung. Verschiedenen Data Warehouses bzw. Data Marts werden im Idealfall in ein unternehmensweites Data Warehouse zusammengeführt. Das kann aufwändig werden, so dass viele Unternehmen diesen Schritt zur zögerlich wagen.

In der letzten Phase erfolgt dann der Sprung hin zu flexiblen BI-Services, die das ganze Unternehmen steuern. In dieser Endphase sind BI-Systeme in der Lage, nicht nur das Business sondern auch den Markt zu steuern.

Ist-Analyse und Reifegrad-Modelle

Schmerzliche Erfahrungen und ineffiziente BI-Lösungen lassen sich nur vermeiden, wenn eine klare BI-Strategie ausgearbeitet wird. Ganz allgemein hat sich eine BI-Strategie streng an den umfassenden Unternehmenszielen auszurichten. In einer Unternehmensstrategie werden der Unternehmenszweck, Möglichkeiten und Risiken sowie Ziele und Wege zur Erreichung der Ziele beschrieben. Sie bildet die Grundlage, aus der Top-down die BI-Strategie entwickelt werden sollte.

Ein erster Schritt bei der Konzeption der BI-Strategie ist die Ist-Analyse - der Stand der Dinge, mit dem festgehalten wird, wie es gegenwärtig um die BI im Unternehmen steht. Schließlich lassen sich die strategischen Maßnahmen nur auf Grundlage einer gesicherten Informationsbasis ableiten.

Jedes Unternehmen, das den Aufbau einer BI-Strategie ins Auge fasst, sollte eine Ist-Analyse durchführen und seine Position im BI-Lebenszyklus verorten. So ergibt sich ein Gesamtbild, das die Basis für die weitere Planung bilden sollte.

In dieser Phase der Analyse kann ein Reifegradmodell helfen, den Stand genauer zu bestimmen. Ein bekanntes, speziell auf BI zugeschnittenes Reifegradmodell ist das „Business Intelligence Maturity Model“, kurz biMM von Steria Mummert Consulting.

Das Consulting-Unternehmen hat das Modell zusammen mit den Universitäten Duisburg und Düsseldorf und der Hochschule St.Gallen entwickelt, um den Reifegrad der BI-Lösumgen eines Unternehmens zu bestimmen. Das Modell propagiert eine systematische Aufnahme der BI-Systeme nach den Dimensionen Fachlichkeit, Technik und Organisation. Die spezifischen Handlungsfelder der BI-Systeme können in der internen Analyse über Audits erfasst werden. In der externen Ansicht erfolgt eine Darstellung der Marktsicht. Abgeschlossen wird die Analyse mit einer Bewertung des Befundes.

biMM unterscheidet fünf Reifegrade, die in etwa den eben erwähnten Zyklen entsprechen. Die erste Stufe besteht in einem vordefinierten Berichtswesen, das in der Regel keine automatisierten weiterführenden Auswertungen zulässt. Die höchste Ausprägung von BI-Systemen liegt dem Modell zufolge im aktiven Wissensmanagement. Allein diese fünfte Stufe liefert dem Management eine aktive Entscheidungsunterstützung.

Den BI-Reifegrad feststellen: Die Untersuchungsfelder des biMM-Modells (Quelle: Steria Mummert Consulting)

Zielentwicklung und Informationsbedarf

Auf Basis der Ist-Analyse können strategische Visionen und ein Leitbild entwickelt werden. Die Vision ist ein erster Orientierungsrahmen, beschreibt das Zukunftsbild und charakterisiert die angestrebte Entwicklung. Sie beantwortet die Frage: Was soll mit BI in den nächsten fünf bis zehn Jahren erreicht werden?

Im nächsten Schritt werden konkret die strategischen Ziele definiert, die mit BI umgesetzt werden sollen. Dabei sollten wie erwähnt die übergeordneten Unternehmensziele die Leitziele sein. Die BI-Ziele sollten bereits während der Formulierung um Key Performance Indicators angereichert werden, so dass klar ist, inwieweit sie umgesetzt wurden. Hilfreich ist es oft, strategische Ziele über Strategy Maps zu visualisieren, wie sie im Artikel über Analyseverfahren vorgestellt wurden. Mit ihnen lässt sich das Wesentliche darstellen und leicht kommunizieren.

In seiner endgültigen Form beinhaltet das Zielsystem alle Forderungen, die an BI im Unternehmen gestellt werden. Im nächsten Schritt werden die beschriebenen Ziele in geeignete strategische Maßnahmen umgesetzt.

Zunächst sollten die im Unternehmen angewendeten betriebswirtschaftlichen Verfahren und Methoden unter die Lupe genommen werden. Einige davon werden massive Auswirkungen auf die BI-Systeme haben, andere sind dafür nicht relevant.

Anschließend wird bestimmt, welche Informationen zur Unterstützung der Management-Prozesse notwendig sind. Jeder Informationsnachfrager sollte seinen Bedarf erläutern und den Nutzen darstellen. Die unterschiedlichen Informationen sollten zu Themenblöcken zusammen gefasst werden. Hierzu sind Experten mit einem breiten Überblick über das Unternehmens-Know-How zu Rate zu ziehen.

Die folgende Tabelle zeigt ein Beispiel, wie die Informationsbedürfnisse beschaffen sein könnten und wie sie zweckmäßigerweise dokumentiert werden.

Erhebung des Informationsbedarfs (Beispiel)

ID

Informationsbedarf

Beschreibung

Nutzen

Typ

Priorität

IB 5.2.2

Kundenprofil

Kunden nach Eigenschaften segmentieren und Profile erstellen

Steigerung von Kundenzufriedenheit z.B. durch individuelle Ansprache

CRM

5

IB 5.1.1

Reklamationsquote

Statistik nach Reklamationsgründen pro Kunde

Aufdeckung von Qualitätsmängeln

Qualitätsmanagement

4

IB 7.1.1

Profit-Center-Rechnung nach Produkten

Detaillierte Ergebnisrechnung pro PC nach Produkten

Verbesserte Produktplanung

Ergebnisrechnung

3

Quelle: Andreas Totok: Entwicklung einer BI-Strategie in: Chamoni / Gluchowksi, Analytische Informationssysteme, Springer

BI-Architektur

Die Festlegung einer geeigneten BI-Architektur zählt zu den Kernaufgaben bei der Ausarbeitung einer BI-Strategie. In dieser Phase ist beispielsweise zu entscheiden, ob alle Daten integriert in einem zentralen Data Warehouses oder auf mehrere Data Marts verteilt gespeichert werden sollen.

Hier ein paar Beispiele für Entscheidungen, die bei der Architekturwahl getroffen werden müssen:

Welche Entscheidung auch getroffen wird: Die gewählte BI-Architektur sollte für alle Einsatzzwecke passen und gleichzeitig ausreichend flexibel sein. Wichtig ist vor allem die Konsolidierung und Standardisierung. Dieser Prozess beginnt mit der Vereinheitlichung der fachspezifischen Inhalte, der Einigung auf ein Software-Produkt und der Bestimmung einer gemeinsamen Hardware-Plattform.

Als Best-Practice für eine Standardisierung des Data Warehouses hat sich die Hub-and-Spoke-Architektur erwiesen. Hub and Spoke (Nabe und Speiche) steht für eine Data-Warehouse-Architektur, bei der die zur Verfügung stehenden Datenquellen im Data Warehouse aus einzelnen Datenquellen zusammengeführt, bereinigt und historisiert werden. Aus dem konsistenten Datenbestand (Hub) werden in der Regel dann abteilungsbezogene Data Marts erzeugt.

Künftig werden wohl Serviceorientierte Architekturen im BI-Bereich eine große Rolle spielen. Dies hätte den Vorteil, dass sich Entwickler nicht mehr mit immer wiederkehrenden Implementierungen wie parametergesteuerten Reports beschäftigen müssen. Vielmehr können diese dann direkt als BI-Services in die Applikationen eingebunden werden.

Data-Warehouse-Architektur: Hub and Spoke führt Daten aus einzelnen Quellen zusammen

Der Masterplan als BI-Fahrplan

In der Summe gehen die strategischen Maßnahmen in einen BI-Masterplan auf. Er beschreibt konkret und detailliert die stategische Ausrichtung und bildet die Roadmap für den weiteren Weg.

Der Masterplan legt unternehmensweite Standards fest. Es werden alle Projekte beschrieben, die im Strategieprozess definiert wurden. Dabei sind alle Projekte so zu definieren, dass sie einen klar beschriebenen Anteil an der gesamten Zielerfüllung haben. Zudem sollte zu jedem Projekt erfasst werden, wie wichtig die Umsetzung ist.

Weiter sollten in der Roadmap Abhängigkeiten zwischen den strategischen Maßnahmen beschrieben werden. Hier sollte vor allem nachvollziehbar sein, welche Projekte unmittelbare Voraussetzung für Folgeprojekte sind. Beispielsweise macht es wenig Sinn, eine BI-Produkt-Strategie zu verabschieden, wenn noch Fragen der BI-Architektur offen sind.

Diese Auflistung der Projekte zusammen mit ihren Abhängigkeiten und ihrer Priorisierung bildet das komplette Projekt-Portfolio. Im Ergebnis sollten die einzelnen Etappenziele auf einem Zeitstrahl sichtbar sein. Zu beachten ist allerdings, dass eine BI-Strategie nicht statisch ist, sondern Veränderungen und Anpassungen unterliegt. Das heißt, Masterplan und Roadmap müssen nachträglich jederzeit geändert werden können.

Das Projektteam

Für Planung und Umsetzung der BI-Strategie sollte ein Projektteam verantwortlich zeichnen. Diesem sollten kompetente Mitarbeiter aus den Fachabteilungen und der IT angehören. Bei mangelnden Fachkräften sollte auf externe Ressourcen zurückgegriffen werden. Das höhere Management kann als Inputgeber und im Rahmen eines Lenkungsausschusses eingebunden werden.

Projektziele und Vorgehensweise werden in einem Kick-off-Meeting konkretisiert. In nachfolgenden Workshops und Interviews werden die Informationsbedürfnisse einzelner Abteilungen und Schlüsselpersonen erhoben. Geeignete Instrumente für die Workshops sind beispielsweise Metaplan-Karten oder die Dokumentation in Form von Mind Maps. Anschließend sollte untersucht werden, welche Auswirkungen auf das Reporting und die Analyse die erhobenen Daten haben und wie die bestehenden IT-Systeme angepasst werden müssen.

In der Praxis haben sich BI-Projekte dann als besonders erfolgreich erwiesen, wenn möglichst alle Betroffenen eingebunden werden können. Bei BI-Projekten stellt dies ein besonderes Problem dar, da für die entscheidungsrelevante Informationsversorgung stark verteilte Verantwortlichkeiten vorliegen. Im Idealfall werden alle BI-Maßnahmen über eine übergeordnete BI-Governance gesteuert, die alle Vorhaben an der Unternehmensstrategie ausrichtet.

Größere Unternehmen können, wie es die Analysten von Gartner fordern, „Business Intelligence Competence Center“ installieren, die die konzernweiten Planungen koordinieren. So steuert bei Nike Europe ein Kernteam sämtliche BI-Aktivitäten in den Ländern und koordiniert diese mit der Konzernzentrale in den USA. Um eine weitere Standardisierung zu erzielen, arbeitet der Sportartikelhersteller an einheitlichen Vorgaben in Form von "BI Blueprints".

Software auswählen

Es verbleibt noch die Software-Auswahl. Das breite Angebot an BI-Software macht die Selektion schwierig. Grundlage der Entscheidung für ein bestimmtes Software-Portfolio sollten dabei immer die fachlichen, technischen und architektonischen Anforderungen sein. Weiter sollte das Portfolio von der geforderten Funktionalität bestimmt werden. Planung, Analyse, Berichtwesen oder ETL verlangen ganz unterschiedliche Systeme.

Einzelne relevante Themenbereiche, zu denen bereits Software vorhanden ist, werden in das Portfolio eingeordnet und die eingesetzte Software zugewiesen. Anschließend wird das Plan-Portfolio auf Basis der Anforderungen aufgestellt, die bei der Strategiefindung expliziert wurden. Ziel sollte es sein, für jeden Themenbereich ein führendes Software-Werkzeug zu ermitteln. Noch besser ist es, eine relevante BI-Suite über alle Themenbereiche zu bestimmen. Wichtig ist in jedem Fall, die Anzahl der eingesetzten Programme möglichst minimal zu halten.

Oberstes Ziel bei der Software-Auswahl ist es, ein möglichst einheitliches Software-Portfolio zusammenzustellen. In der Praxis wird dies dadurch erreicht, dass man entweder eine BI-Suite auswählt oder zumindest Software-Produkte eines Herstellers bezieht. Software-Anbieter wie SAP, IBM oder Oracle bieten in diesem Segment Programme an, die operative Anwendungen und analytische Informationssysteme optimal verknüpfen.

Auch finanziell rechnet es sich, alles von einem Anbieter zu beziehen, da dieser meist satte Rabatte einräumt. Doch nur auf den Preis zu schauen kann riskant sein. So besteht die Gefahr, mehr Lizenzen und Produkte als benötigt zu erwerben und dadurch "Shelfware" anzuhäufen - ein altes Problem im BI-Markt. Entsprechende BI-Software stellen wir in einem eigenen Beitrag vor.

Alles aus einer Hand: Ein möglichst einheitliches Software-Portfolio lässt sich über die Oracle BI Suite zusammenstellen

Fazit

Eine BI-Strategie sollte immer aus den Unternehmenszielen abgeleitet werden. Die Umsetzung einer BI-Strategie beginnt mit einer Ist-Analyse. Auf Basis einer Zielvorstellung werden anschließend von allen Beteiligten Informationen erhoben und in strategische Maßnahmen gegossen. Alle Anforderungen sollten priorisiert sein.

In der Summe gehen die strategischen Maßnahmen in einen Masterplan auf. Dieser legt Standards fest, das Produktportfolio und den Fahrplan für die kommenden Jahre. Das Software-Portfolio sollte verpflichtend im Unternehmen eingeführt werden. Planung und Umsetzung übernimmt ein Team, das fachliche Nutzer und IT eng verzahnt.

Eine derartig strukturiertes Vorgehen legt die Basis für eine planvolle, von allen Beteiligten akzeptierte BI, erhöht die Effizienz und letztendlich den Wettbewerbsvorteil für das Unternehmen.