Grundlagenserie Business Intelligence

Business Intelligence (Teil 5): Berichts- und konzeptorientierte Analysesysteme

27.02.2008 von Klaus Manhart
Berichtssysteme erlauben die einfache Auswertung von Unternehmensdaten und die Präsentation der Ergebnisse. Kennzahlen Cockpits oder integrierte Management Informations Systems helfen dabei. Eine umfassende. konzeptorientierte Perspektive nehmen Balanced Scorecards ein.

Versierte Poweruser können auf die Instrumente wie OLAP, Datamining oder auch die freie Datenbankrecherche zurückgreifen. Die meisten Mitarbeiter erwarten jedoch bequem handhabbare, speziell auf deren Bedürfnisse zugeschnittene Zugangssysteme. Diese sollen es erlauben, die generierten Auswertungen eines Anwendungsbereichs auf einfache Weise aufzurufen und zu nutzen. Eine solche Präsentation ist mit Berichtssystemen möglich.

Berichtssysteme bilden neben modellgestützten Systemen eine weitere große Gruppe von BI-Analyseinstrumenten. Sie helfen bei der Lösung von betriebswirtschaftlichen Aufgaben indem sie unternehmensrelevante Informationen auswerten und nutzerfreundlich bereitstellen.

Die Analyse-Werkzeuge erlauben auch die interaktive Navigation in Plan- und Ist-Daten sowie die Ad hoc-Anzeige von Auswertungen. Berichte lassen sich in Echtzeit, in unterschiedlichen Detaillierungsgraden und aus unterschiedlichen Perspektiven in übersichtlicher Form darstellen.

Software-Lösungen zur Erstellung und Gestaltung der Berichte gibt es eine ganze Menge. Graphische Oberflächen und Drag-and-Drop-Techniken unterstützen den Analysten dabei. Die Daten werden dabei oft mit OLAP bearbeitet. Technisch unerfahrenen Nutzern ist so eine einfache Datenauswahl und Analysedurchführung möglich.

Aktive und passive Berichtssysteme

Grob lassen sich Berichtssysteme in aktive und passive Systeme unterteilen. In Abhängigkeit von der Nutzerinteraktion lassen sich diese weiter differenzieren, so dass sich folgende Typen von Berichtssystemen ergeben:

Bei aktiven Berichtssystem muss der Nutzer nicht eingreifen, sie werden automatisiert erstellt. Erfolgt die Generierung in regelmäßigen, etwa monatlichen Abständen, spricht man von einem periodischen Berichtssystem. Aperiodische Systeme stellen Berichte in unregelmäßigen Abständen bereit, etwa bei unvorhergesehen Ereignissen oder Überschreitung von Grenzwerten durch Frühwarnsysteme.

Hinter passiven Berichtssystemen steckt kein Automatismus, hier muss der Nutzer den Bericht selbst explizit anfordern. In dieser Gruppe sind Ad-hoc Berichte sehr beliebt, welche der Benutzer an seine eigenen Bedürfnisse und Fragestellungen anpassen kann. Solche Ad-Hoc Berichte werden in der Praxis oft mit OLAP realisiert.

Scorecards und Dashboards

In Berichten werden eine Reihe aussagekräftiger Darstellungsmittel verwendet. Ein verbreitetes grafisches Präsentationsmittel sind so genannte „Scorecards“, auch „Dashboards“ oder „Cockpit-Charts“.

Diese Scorecards bieten eine Momentaufnahme entscheidungsrelevanter Daten auf einen Blick - ähnlich einem Armaturenbrett in Fahrzeugen. Zu Grunde liegen dabei in der Regel große Mengen von meist verteilten Informationen in verdichteter Form – zum Beispiel als Kennzahlen, Messpunkte oder Key Performance Indikatoren.

Key Performance Indikatoren (KPI) sind betriebswirtschaftliche Schlüsselkennziffern, die die Erreichung der strategischen Ziele repräsentieren. Bei Business-Websites wäre ein solcher Indikator etwa die durchschnittliche Verweildauer von Besuchern oder der über die Website generierte Umsatz.

Das Dashboard visualisiert nun diese Schlüsselkennzahlen aus unterschiedlichen Unternehmensbereichen in einer einheitlichen Bildschirmdarstellung mittels einfacher Geschäftsgrafiken und Tabellen.

Der Grad sowie die Visualisierungsform der Verdichtung ist ziel- und adressatenabhängig. Häufig zu finden ist die Darstellung von Kennzahlen als Ampel-, Tachometer- oder Thermometer-Darstellung. Die Grafik zeigt verschiedene, als Tachometer präsentierte Kennzahlen, die zusätzlich als Liniendiagramm dargestellt werden. Wird ein bestimmter Grenzwert unter- oder überschritten, so löst das Dashboard Alarm aus und versendet beispielsweise automatisch eine Email oder SMS.

Anschaulich: Dashboards visiualisieren Kennziffern, bei Über- oder Unterschreiten kann Alarm ausgelöst werden (Quelle: Insing GmbH).

Eine besondere Form der Kennzahlen-Cockpits sind die unten vorgestellten Balanced-Scorecards zur Unternehmenssteuerung.

Management Information Systems

Kennzahlen-Cockpits können als eigenständiges Informationssystem realisiert werden. Oft sind sie aber Bestandteil umfassenderer Systeme – etwa eines Management Information Systems (MIS). Die Tachometer der obigen Grafik sind beispielsweise Bestandteil des Management Information Systems MISinsign.

Management Information Systems sind berichtsorientierte Analysesysteme, die auf die Planung, Steuerung und Kontrolle der operativen Wertschöpfungskette ausgerichtet sind. Sie sollen es der Unternehmensleitung erleichtern, den Überblick über die in ihrem Unternehmen ablaufenden Geschäftsprozesse zu behalten - und so die erforderlichen unternehmerischen Entscheidungen zu treffen.

Plakativ formuliert, sollen MIS vor allem auf Knopfdruck alle relevanten Daten liefern, die Manager als Grundlage für ihre Entscheidungen brauchen. Sie bieten leistungsstarke Visualisierungs- und Analysetools und liefern attraktive Grafiken und Planungsinstrumente. Die Systeme sollen darüber hinaus auch Tendenzen visualisieren und Was-wäre-wenn-Analysen ermöglichen.

Dazu werden die Kennzahlen des Unternehmens und des Marktes zu den eben erwähnten Kennzahlen-Cockpits oder zu Berichten für bestimmte Anwendergruppen zusammengefasst. Anwendergruppen sind etwa die Marketing-Abteilung, der Einkauf oder der Vorstand. Die bereitgestellten Informationen sind weiter oft Basis für zusätzliche Analysen und Prognosen. Um Prognosen zu erstellen, kann ein MIS auch Daten enthalten, die durch statistische Verfahren gewonnen werden oder durch Schätzungen und Meinungen ermittelt werden.

Komprimiert: Management Information Systems liefern dem Entscheider die wichtigsten Daten auf einen Blick (Quelle: http://controllingthemes.wordpress.com/category/management-information-system/).

Executive Information Systems

MIS sind im allgemeinen auf nicht auf das Top-Management zugeschnitten, sondern auf das Middle- und Lower-Management. Im Gegensatz dazu sind die Executive Information Systems (EIS), im Deutschen manchmal als Chef- und Führungsinformationssysteme bezeichnet, konsequent auf das Top-Management ausgerichtet.

Über die reine Versorgung mit Informationen zu Selektion und Analyse hinaus versprechen diese Systeme auch innovative Präsentationen und Zugriffsformen auf Informationen, die auch IT-Laien ansprechen. In EIS sind beispielsweise die früher erwähnten OLAP-Technologien wie Drill-Down – Disaggregation auf Knopfdruck – und Exception Reporting – Ausnahme Bericht mit Kennzeichnung auffälliger Abweichungen – realisiert. EIS zeichnen sich auch durch einfach zu bedienende, meist grafische Benutzeroberflächen und durch ausgeprägte Kommunikationselemente aus.

MIS und EIS werden oft als synonym betrachtet, andere Autoren sehen MIS als Oberbegriff für EIS und Decision Support Systeme. Tatsächlich sind aber alle drei eigenständige Analysesysteme mit eigenem Schwerpunkt.

MIS und EIS ähneln sich zwar in der Form der Präsentation und der Nutzeroberfläche. Im Gegensatz zu MIS präsentieren EIS aber hoch verdichtete, steuerungsrelevante Daten. Hinzu kommt, dass auch unstrukturierte, weiche Informationen integriert sind.

Beide lassen sich auch klar von Decision Support Systemen abgrenzen. Während ein EIS oder ein MIS Informationen für die Überwachung und Fortschrittskontrolle der Geschäftsvorgänge liefern, ist ein DSS für die Daten-Analyse und die Entscheidungsfindung konzipiert.

Konzeptorientierte Systeme – Balanced Scorecards

Balanced Scorecards (BSC) sind eine spezielle Form der eingangs erwähnten Scorecards bzw. Cockpits. BSCs sind ursprünglich das Resultat eines Forschungs-projektes, das Anfang der neunziger Jahre unter der Leitung von Robert S. Kaplan und David P. Norton durchgeführt wurde.

Der Auslöser für das Projekt war die Unzufriedenheit mit der eindimensionalen, finanziell orientierten Beschreibung und Steuerung von Unternehmen. Die Verwendung nur einer Dimension, so die Kritik, wird der Realität nicht gerecht.

Das mit BSC neu eingeführte Element besteht darin, dass nicht nur auf die Finanzperspektive fokussiert wird, sondern auch andere, „menschliche“ Aspekte betrachtet werden. Mit den Methoden der BSC soll das Blickfeld des Managements auf alle relevanten Teile von Unternehmenssichten gelenkt werden und so zu einem ausgewogenen („balanced“) Bild führen.

Um eine solch ausgeglichene Steuerung zu gewährleisten wird das Unternehmen durch die Balanced Scorecard aus vier verschiedenen Perspektiven betrachtet: Neben der Finanzperspektive sind dies die interne Geschäfts-(Przozess)perspektive, die Kundenperspektive und die Lern- und Wachstumsperspektive. Diese Perspektiven sind allerdings nur ein bewährtes Basisgerüst, das im Einzelfall durch unternehmensindividuelle Perspektiven ergänzt werden kann.

Die Grafik zeigt die Perspektiven im Überblick.

Balanced Scorecard: Ausgehend von der Unternehmensvision und –strategie werden vier verschieden Perspektiven betrachtet (Quelle: Hyperspace GmbH).

Strategy Map

Konstitutives Element einer Balanced Scorecard sind Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge. Die Verkürzung von Lieferzeiten führt zu mehr Umsatz, wäre ein einfacher Ursache-Wirkungszusammenhang. Durch solche Ursache-Wirkungs-Beziehungen wird die Unternehmensstrategie mit den verschiedenen Perspektiven verbunden - die Kundensicht etwa mit der Prozesslogik und diese wieder mit Maßnahmen auf Mitarbeiterebene. Die Logik der Abhängigkeiten führt also fast automatisch durch alle vier gewünschten Sichtweisen.

Die anschauliche Beschreibung der Strategie mit den vermuteten Ursache-Wirkungs-Zusammenhängen zwischen den Zielen wird dabei – ähnlich wie in einer Mind Map - grafisch in einer Strategy Map bzw. BSC Map dargestellt. Sie macht deutlich, welche strategischen Entscheidungen zu welchen messbaren Ergebnissen führen, sind aber nicht als mathematische Abbildung der Zusammenhänge gedacht.

Die folgende Grafik zeigt eine vollständige Strategy Map mit den vier Perspektiven links.

Strategy Map: Die Ursache-Wirkungszusammenhänge mit den vier eingenommenen Perspektiven links (Quelle: Cubeserv).

Um das Diagramm sinnvoll zu entwickeln, sollten Interessenvertreter aus allen Unternehmensbereichen einbezogen werden. Nachdem die Abhängigkeiten schematisch erarbeitet sind, kann die Strategy Map in eine BSC-Story ausformuliert, etwa: „Um ein besseres finanzielles Ergebnis zu erzielen, müssen mehr Premiumkunden angesprochen werden, die wiederum einen ausgefeilten Betreuungsprozess erwarten, der nur durch gut geschulte Mitarbeiter sichergestellt werden kann.“

Ziele, Indikatoren und Kennziffern

Für jede der einzelnen Perspektiven werden Ziele festgelegt, wobei die Strategy Map darüber Auskunft gibt, wie die Ziele ursächlich verbunden sind. In der Regel besteht eine Perspektive aus mehreren Zielen. In der Kunden-Perspektive könnte ein Ziel die Verbesserung der Kundenorientierung sein. Dieses Ziel lässt sich in einer BSC-Matrix operationalisieren und analysieren.

In der BSC-Matrix geht es darum, den Ist-Zustand von Zielen festzustellen, den Soll-Zustand zu definieren sowie Maßnahmen festzulegen, wie der Soll-Zustand, das Ziel, erreicht werden soll. Jedes Ziel wird hierzu mit mindestens einem Indikator und einer entsprechenden Kennzahl versehen, die den aktuellen Zustand beschreibt.

Um eine Kontrolle zu ermöglichen, werden Vorgaben für Ziel-Kennzahlen festgelegt. Für die Erreichung werden konkrete Maßnahmen definiert und in das BSC aufgenommen. Die folgende Kette verdeutlicht diesen Prozess:

Ziel -> Indikator -> (Ist-)Kennzahlen -> Vorgaben (Soll-Kennzahlen)-> Maßnahmen

Ein einfaches Beispiel

In einem Unternehmen soll als wesentliches Ziel die Kundenorientierung verbessert werden.

Erster Schritt: Als kritische Teilziele werden festgelegt (BSC-Matrix, linke Spalte):

Gleichzeitig sollen die Kosten nicht wesentlich erhöht werden.

Zweiter Schritt: Diese Teilziele können mit folgenden Indikatoren operationalisiert werden (BSC-Matrix, 2. Spalte): Termintreue kann beispielsweise mit dem Anteil nicht eingehaltener Terminzusagen gemessen werden, Beanstandungen mit dem Anteil beanstandeter Produkte nach Auslieferung usw. (siehe BSC-Matrix).

Dritter Schritt: Im nächsten Schritt werden die Ist-Kennzahlen ermittelt. So könnte sich zum Beispiel herausstellen, dass Terminzusagen in 20 Prozent aller Fälle nicht eingehalten werden (3. Spalte).

Vierter Schritt. Nun werden die Vorgaben für die Zielwerte festgelegt. Im kommenden Jahr sollen beispielsweise nur noch weniger als zehn Prozent der Termine nicht eingehalten werden, die Anzahl der Beanstandungen soll auf sieben Prozent verringert werden und die Verweildauer im Schnitt nur noch drei Wochen betragen (4. Spalte).

BSC-Matrix: Das (Ober-)Ziel „Verbesserung der Kundenorientierung“ wird in Teilziele zerlegt

Ziel

Indikator

Akt. Kennzahl 2007

Soll-Kennzahl 2008

Termintreue

Anteil nicht eingehaltener Terminzusagen

20 Prozent

10 Prozent

Beanstandungen

Anteil beanstandeter Produkte nach Auslieferung

10 Prozent

8 Prozent

Service

Durchschnittliche Verweildauer bei Kundendienst

4 Wochen

3 Wochen

Reparatur

Durchschnittliche Verweildauer bei Reparatur

4 Wochen

3 Wochen

Kosten

Kosten pro Produkt

35 Euro

35 Euro

Maßnahmen zur Zielverbesserung

Schließlich müssen zuletzt Maßnahmen definiert werden, die die einzelnen Ziele verbessern, wobei eine bestimmte Maßnahme auch mehrere Ziele verbessern können. Als Maßnahmen kommen bei der Verbesserung der Termintreue beispielsweise eine verbesserte Terminplanung in Frage, bei den Beanstandungen eine Verbesserung des Qualitätsmanagements, bei Service und Reparatur eine Vergrößerung der Anzahl der Mitarbeiter.

Da die letzte Maßnahme die Kosten wesentlich erhöhen würde, kann auch versucht werden, die Effizienz der Abteilung zu verbessern. Ein hoher Krankenstand spricht für eine geringe Mitarbeiterzufriedenheit. Auch Schulungsmaßnahmen sind in den letzten Jahren nicht durchgeführt worden. Als weitere Kennzahlen könnten deshalb die durchschnittliche Anzahl Krankheitstage und die durchschnittlichen Schulungstage pro Mitarbeiter herangezogen werden.

Die Herausforderung liegt in der Auswahl weniger und zugleich relevanter Kennzahlen, die sich idealerweise in den verschiedenen Sichtweisen auch direkt beeinflussen. Beispielsweise sollte ein Kundenindikator so gewählt werden, dass seine Erreichung einen positiven Beitrag auf den übergeordneten Finanzindikator hat.

Für die Erstellung von Balanced Scorecards stehen zahlreiche, spezialisierte Programme zur Verfügung. Für die Visualisierung der Kennzahlen kommen oft Kennzahlen-Cockpits zum Einsatz. Auch für die vielfältigen Aufgaben der Dokumentation, Maßnahmenplanung, Kommunikation und Überwachung von Kennzahlen spielen Softwarewerkzeuge eine wesentliche Rolle. Sie erhöhen die Produktivität bei Aufbau und Betrieb einer Balanced Scorecard.

Fazit

Berichtssysteme erlauben eine einfache, übersichtliche Auswertung und Präsentation von Unternehmensdaten. Sie lassen sich entweder automatisiert erstellen oder müssen vom Nutzer angefordert werden.

Einfache Auswertungs- und Darstellungsmittel sind Kennziffern und Scorecards. Sie sind oft Teil umfassender Analysewerkzeuge wie Management Informations Systems. Diese stellen dem Entscheider die benötigten Informationen bequem zum richtigen Zeitpunkt in der gewünschten Form zur Verfügung. Die dahinter stehende Technologie ist oft OLAP.

Balanced Scorecards sind eine Ausweitung rein betriebswirtschaftlicher Kennziffern auf eine umfassende Unternehmenssicht, in der auch die Belange von Mitarbeitern und Kunden berücksichtigt werden. Dieser Ansatz definiert für alle Bereiche Ziele mit Kennziffern und versucht, diese durch konkrete Maßnahmen zu verbessern.

Zu Management Information Systems und Varianten sowie Balanced Scorecards finden Sie ausführlichere Informationen im entsprechenden Sub-Channel. (ala)