"BSG-Urteil gefährdet Hunderttausende Arbeitsplätze!"

06.03.2006
Nach einem aktuellen Urteil des Bundessozialgerichts werden GmbH-Geschäftsführer verpflichtet, Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung zu zahlen. Rund einer Million Betroffenen drohen hohe Nachzahlungen.

Nach nunmehr vorliegender Begründung eines Urteils des Bundessozialgerichts (BSG) vom 24. November 2005 (Az: B 12 RA 1/04 R) sind die Konsequenzen für den Arbeitsmarkt und die Situation des Mittelstands in Deutschland noch gar nicht absehbar.

In dem vorliegenden Urteil werden Inhaber von klein- und mittelständischen Betrieben in Form der GmbH mit der Argumentation, sie seien scheinselbstständig, gegebenenfalls sogar rückwirkend zur Beitragszahlung in die Rentenversicherung verpflichtet. Aus vorläufigen Vermutungen wurde jetzt, nach Prüfung der Urteilsbegründung, Gewissheit:

Jeder GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführer kann hierdurch mit einem bis zu fünf Jahre rückwirkenden Rentenversicherungsbescheid in fünfstelliger Höhe rechnen.

So manche GmbH mag dies gegebenenfalls zur Anmeldung ihrer Insolvenz zwingen. Die Folge bei bis zu einer Million GmbHs in Deutschland: Hunderttausende Arbeitsplätze gehen verloren, die bisher auch Beitragszahler in der gesetzlichen Rentenversicherung waren. Ironischerweise treten an ihre Stelle dann die GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführer, die ihre neue Rentenversicherungspflichtigkeit finanziell überlebt haben.

Neue Verwaltungshürden

Die obsiegende Partei dieses Rechtsstreits, die Rentenversicherung des Bundes, wird dies sicherlich zum Anlass nehmen, ihre maroden Kassen zu füllen. Legitimiert durch höchstrichterliche Entscheidung. Sie sieht durch die Verbreiterung der Bemessungsgrundlage hierin wiederum eine langfristige Perspektive zur Lösung der finanziellen Probleme im seit Jahrzehnten nicht mehr funktionalen Umlageverfahren der gesetzlichen Rentenversicherung.

Sieht man jedoch genau hin, ist genau das Gegenteil der Fall: Die Konsequenz daraus ist eine weitere Verwaltungshürde, die wiederum dazu führt, dass Unternehmer am Standort Deutschland nur erschwert ihren Job machen können: nämlich Arbeitsplätze zu schaffen. Würde dies bei nur 20 Prozent von fünf Millionen bereits vorhandenen Arbeitslosen gelingen, hätte die Rentenversicherung eine Million Beitragszahler gewonnen! Nun sind Rechenspiele nicht Aufgaben unserer Gerichte, denn sie entscheiden nach Sachlage und vorhandener Gesetzgebung. Umso mehr ist nun die Politik gefragt, durch Änderung der betreffenden gesetzlichen Handlungsgrundlage solche Konsequenzen der Rechtsprechung zu revidieren. Und dies nicht zuletzt, um dem Mittelstand das Vertrauen in eine verlässliche Politik wiederzugeben.

Verfassungsbeschwerde geplant

Die wirtschaftpolitischen Folgen werden bereits heftig diskutiert: Einige Verbände überlegen schon, Verfassungsbeschwerde einzulegen. Die Prüfung der Grundlage hierfür ist im Gange. Man ist sich einig, dass solche Urteile zur Zwangsabstrafung von Personengruppen führt, die wir jetzt so nötig haben: Unternehmer, deren tägliche Überlegung es ist, mit Erweiterungen ihres Geschäfts Arbeitsplätze zu schaffen. Scheinselbstständigkeit versus Proklamat zur Eigenvorsorge. Solche Diskussionen fördern Standortpolitik weder im In- noch im Ausland. Man darf gespannt sein, wie sich der Dialog zwischen Verbänden, Gewerkschaften, Politik und deren Rentenexperten gestalten wird. Ein Blick über die Grenzen zu unseren Nachbarn hilft dabei:

Während in Deutschland trotz objektiver Kenntnis über den "Hirntod" der Rentenversicherung die nächste Reform der Reform geplant wird, hat man dort bereits vor Jahren passable Wege in kapitalgedeckte Verfahren gefunden. Eine Reform, die mittlerweile auch seitens einiger Abgeordneter für die Zahlung der die Steuerkassen belastenden Beamtenpensionen gefordert wird. Auch 100 Tage nach Amtsantritt bleibt die neue Regierung somit gefordert. (ComputerPartner/ala)

Über den Autor: Johannes Fiala arbeitet als Rechtsanwalt in der Kanzlei Fiala, Freiesleben und Weber in München. Kontakt: Frau Ingeborg Weiler, E-Mail: weiler@fiala.de

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