DSL-Alternative

Breitbandtechnik LTE im Praxistest mit AVM Fritzbox LTE

22.12.2010 von Jürgen Hill 
Viele Anwender ohne wirkliche Breitbandanbindung hoffen auf die Mobilfunktechnologie LTE. Der "Friendly User Test" von O2 bot die Möglichkeit, erste Praxistests mit der LTE-Technologie durchzuführen. Die Ergebnisse dürften auch manchen DSL-Nutzer aufhorchen lassen.

Bei der Breitbandversorgung herrscht hierzulande mehr oder minder eine Zweiklassengesellschaft. Denn nur mehr "drin" zu sein genügt nicht, für aktuelle Anwendungen sollte es schon eine relativ flinke Anbindung sein.

Dabei hat man naturgemäß als Bewohner eines Ballungsgebietes üblicherweise die besseren Chancen. Dort stehen häufig VDSL, Kabelanschluss oder gar Glasfaser zur flinken Datenübertragung bereit. Und auch die traditionellen DSL-Anschlüsse sind in Städten - meist - schnellerer Machart. Allerdings gibt es in Großstädten ebenfalls oft sehr regionale Unterschiede, mancherorts ist auch der Stadtbewohner auf einen DSL-6000-Anschluss limitiert.

Selbst davon können Bewohner schlecht versorgter Landstriche häufig nur träumen. So existieren immer noch genügend weiße Flecken, die mit "DSL Light" oder ganz ohne Breitbandversorgung auskommen müssen. Die Lage kann sich allerdings für einige Bewohner entsprechender Gebiete im Jahr 2011 nachhaltig ändern. Den nach Versteigerung der entsprechenden Frequenzen im April 2010 (siehe auch LTE - Breitbandinternet für alle per Mobilfunk) wird der Ausbau mit der Mobilfunktechnologie LTE 2011 voranschreiten.

LTE-Praxistest
Praxistest: LTE als DSL-Ersatz?
Im Rahmen eines "Friendly User Tests" von O2 konnte die COMPUTERWOCHE erste Praxiserfahrungen mit dem neuen Mobilfunkstandard LTE sammeln.
LTE Testaufbau
Der Testaufbau aus Rechner und LTE-Router sollte die Situation im Home Office simulieren.
LTE Antennenstandort
Die LTE-Antenne im Ebersberger Testnetz von O2 hat eine Reichweite von über zehn Kilometern.
LTE Fritzbox
Für den Pilotversuch hat AVM eine Fritzbox mit LTE-Modem entwickelt.
LTE Fritzbox 2
Noch ist unklar, in welcher Form die Fritzbox LTE später kommerziell auf den Markt kommt.
Huawei LTE Stick 2
Unterwegs können Anwender per USB-Stick surfen.
Huawei LTE Stick
Der LTE-Stick von Huawei unterstützt auch ältere Mobilfunkstandards.
LTE Router
Bei der stationären LTE-Anbindung setzt Huawei auf das klassische Router-Konzept.
LTE Fritzbox GUI
Die Benutzeroberfläche der Fritzbox LTE informiert über die aktuellen Transferraten.
LTE Fritzbox GUI 2
Über das Web-Interface der Fritzbox LTE sieht der User auch, mit welcher Funkzelle er verbunden ist.
LTE Fritzbox GUI 3
Ähnlich wie die DSL-Geräte informiert auch die Fritzbox DSL über die Verbindungsqualität.
LTE Speedtest
Im Speedtest überzeugte LTE mit Upload-Raten um die 12 Mbit/s.
LTE Multimediaübertragung
Multimedia-Anwendungen wie HDTV oder 3D.TV sind unter LTE kein Problem, wie wir in der Praxis testen konnten.
LTE Download Speed
Auf VDSL-Niveau lagen die Donwload-Raten bei unseren Versuchen.
LTE K4
Selbst mit Business-Anwendungen aus der Cloud - hier das COMPUTERWOCHE-Redaktionssystem - lässt sich unter LTE flüssig und ohne Unterbrechungen arbeiten.
LTE O2
Als neue Internet-Generation bewirbt Mobilfunker O2 sein LTE-Netz.

Dann dürfte auch der eine oder andere Stadtbewohner neidvoll auf die LTE-Nutzer blicken, wenn diese mit 40 Mbit/s und mehr online unterwegs sind. Die Kollegen der Computerwoche haben die Mobilfunktechnik einem Praxistest unterzogen - und die Ergebnisse sind durchaus bemerkenswert.

LTE-Router von AVM und Huawei

Unsere Erfahrungen sammelten wir im bayerischen Ebersberg im Rahmen eines "Friendly User Tests" von O2.

Funker: Die LTE-Antenne im Ebersberger Testnetz von O2 hat eine Reichweite von über zehn Kilometern.

Der Mobilfunker testet dort die neue Technik im 800-Mhz-Frequenzband, um die bisherigen weißen Flecken ohne Breitbandanschluss mit schnellem Internet zu versorgen. Um die typische Einsatzsituation in kleinen Unternehmen, Außenstellen oder im Home Office zu simulieren, kamen keine Datensticks zum Einsatz, sondern neue LTE-Router.

Im Test stellten diese Geräte AVM mit der Fritzbox LTE und Huawei mit dem LTE Router "B390" zur Verfügung. Als Gerät der LTE-Kategorie 3 beherrscht die Fritzbox im Download via Mobilfunk bis zu 100 Mbit/s und bis zu 50 Mbit/s im Upload.

AVM Fritz!box LTE

Im Rahmen des Friendly User Tests setzt O2 derzeit Endgeräte von AVM und Huawei ein. Von AVM kommt dabei die FritzBox LTE zum Einsatz, bei der es sich um ein Vorserienmodell handelt, das für den Pilotversuch entwickelt wurde. Deshalb ist es derzeit noch offen, inwieweit Features dann später in ein kommerzielles Produkt übernommen werden.

Frischling: Bei der Fritzbox LTE handelt es sich um ein Vorserienmodell.

Die FritzBox LTE ist als Integrated Access Device (IAD) konzipiert, das LTE-Modem, LAN-Switch, WLAN Access Point, TK-Anschluss für analoges und schnurloses Telefon (DECT) sowie USB-Host-Controller mit NAS-Funktionalität in einem Gerät vereint. Der Switch verfügt dabei über vier Ports und unterstützt Gigabit Ethernet.

Auf der WLAN-Seite funkt die Box mit 2,4 und 5 GHz nach dem IEEE-Standard 802.11n mit bis zu 450 Mbit/s, wobei 3x3 MIMO für stabile WLAN-Performance sorgen soll. Branchenkenner gehen davon aus, dass sich eine LTE-Box preislich auf dem Niveau ihre DSL-Pendants bewegen dürfte, denn AVM spart sich zwar ein DSL-Modem, muss dafür aber die LTE-Technik in das Gerät integrieren.

Huawei: Router und USB-Stick

Huawei steuert zu dem Test zwei Endgeräte bei. Für das 800-MHz-Frequenzband hat Huawei den stationären LTE Router Huawei B390 DD800 entwickelt.

Basiseinheit: Bei der stationären LTE-Anbindung setzt Huawei auf das klassische Router-Konzept.

Im Gegensatz zur LTE-Fritzbox dient er nicht als IAD-Gerät, sondern ist als klassischer Router konzipiert. Via WLAN können sich bis zu 32 Nutzer verbinden. Ferner finden sich auf der Rückseite vier Fast-Ethernet.Ports. Eine integrierte Firewall sowie Sicherheitseinstellungen zu Ports und MAC-Adressen runden den Funktionsumfang ab.

Mobilfunker: Unterwegs können Anwender per USB-Stick surfen.
Foto: Huawei

Für den Einsatz in den 2,6-Gigahertz-Netzen - etwa in Halle und München - eignet sich der Multimode LTE-USB-Stick Huawei E398. Der Stick erlaubt im LTE-Netz Geschwindigkeiten von bis zu 100 Mbit/s im Downlink und 50 Mbit/s im Uplink. Darüber hinaus kann er auch mit HSPA+ (Down: 21 Mbit/s, Up: 5,76 Mbit/s) sowie HSPA (Down: 7,2 Mbit/s, Up: 5,76 Mbit/s) genutzt werden. Ferner beherrscht er die mobilen Übertragungstechniken GPRS und EDGE der zweiten Mobilfunkgeneration.

Mehr als nur höhere Geschwindigkeit

Doch unser erstes Testinteresse galt weniger der maximalen Transferrate als der Frage, ob sich mit LTE nun vernünftig aus der Ferne arbeiten lässt - ein Punkt, der im Cloud-Zeitalter mit Applikationen und Services aus dem Netz immer wichtiger wird. Hier bremsten in der Vergangenheit HSDPA und besonders UMTS mit Latenzzeiten im Bereich von mehreren hundert Millisekunden den mobilen Mitarbeiter immer wieder aus. Als Testanwendung diente uns das Redaktionssystem der COMPUTERWOCHE, das als Cloud-Service genutzt wird.

Geht doch: Selbst mit Business-Anwendungen aus der Cloud - hier das COMPUTERWOCHE-Redaktionssystem - lässt sich unter LTE flüssig und ohne Unterbrechungen arbeiten.

Der Zugriff erfolgt dabei via Citrix. Die ersten Eindrücke waren über jeden Zweifel erhaben: Via LTE ließ sich mit dem Redaktionssystem schneller arbeiten als im Büro - und deutlich schneller als vom Home Office mit DSL 18.000. Dabei lag die Latenzzeit meist um die 30 Millisekunden - ein Spitzenwert im Vergleich zu den bisherigen Mobilfunktechniken.

Wie im richtigen Leben: Der Testaufbau aus Rechner und LTE-Router sollte die Situation im Home Office simulieren.

Zudem lief das Redaktionssystem äußerst stabil. Unterbrechungen, wie sie etwa bei DSL in Form von sehr kurzen Pausen vorkommen, bis das System auf User-Eingaben reagiert, traten hier nicht auf. Skeptiker mögen jetzt einwenden, dass es sich hier um ein Testnetz ohne echte Last handelt und erst einmal abzuwarten bleibt, bis LTE als Shared Medium mit mehreren gleichzeitigen Nutzern seine erste richtige Bewährungsprobe besteht. Dem kann entgegengehalten werden, dass LTE durchaus seinen Stresstest bestand, denn im Rahmen des Pilotversuches surften zahlreiche andere Journalisten zeitgleich und hörten Musik, übertrugen Dateien, streamten Video oder waren live mit Videoreportern verbunden und schauten 3D-TV via LTE.

Über 12 Mbit/s im Upload

Trotz dieser Auslastung ermittelten Internet-Speedtests wie der DSL-Speedtest Download-Raten um die 40 MBit/s.

Flott: Im Speedtest überzeugte LTE mit Upload-Raten um die 12 Mbit/s.

Im Upload lag die Geschwindigkeit mit über 12 Mbit/s in Bereichen, von denen DSL-Nutzer nur träumen können. Im Schnitt erreichten wir im Test Geschwindigkeiten zwischen 35 und 58 Mbit/s, wobei gelegentlich sogar Spitzenwerte von fast 100 Mbit/s erreicht wurden. Eine rund 1 GByte große Datei wurde aus dem Internet laut Firefox mit 5,7 MByte/s heruntergeladen. Ein Wert, der dreimal höher ist als beim Download mit DSL 18.000.

Unterhaltung: Multimedia-Anwendungen wie HDTV oder 3D.TV sind unter LTE kein Problem, wie wir in der Praxis testen konnten.
Foto: Nokia Siemens Networks

Welches Potenzial die neue Technik noch hat, demonstrierte der O2-Netzpartner Nokia Siemens Networks: In Halle, einem weiteren LTE-Testnetz, fuhr ein zum Kamerawagen umgebauter Segway über den Weihnachtsmarkt und lieferte TV-Bilder via LTE in Echtzeit. Der Clou dabei: Es handelte sich nicht um einfache HDTV-Fernsehbilder, sondern um 3D-Fernsehen, das live per Mobilfunk übertragen wurde. Angesichts dieser Kür, erscheint VoIP bei LTE nur noch zum Pflichtprogramm zu zählen, über das man nicht mehr viele Worte verlieren muss.

Auslastung, Vermarktung, Testurteil

Unbeantwortet bleiben indes Fragen zur künftigen kommerziellen Vermarktung von LTE. Hierzu waren von O2 keine konkreten Aussagen zu erhalten.

Zukunftsmusik: Noch ist unklar, in welcher Form die Fritzbox LTE später kommerziell auf den Markt kommt.

So blieb auch die für Business-Kunden interessante Frage, ob es künftig ein Consumer-LTE und ein Geschäftskunden-LTE mit Quality of Services (QoS) und garantierten Bandbreiten gibt, leider offen. Lediglich die vor Ort anwesenden Techniker bestätigten, dass dies mit LTE grundsätzlich realisierbar sei. Ebenso wie sich mit LTE aus technischer Sicht ein analoger Telefonanschluss durch VoIP ersetzen lasse. Das letzte Wort scheinen hier die Marketiers zu haben, die derzeit entsprechende Tarifmodelle kalkulieren.

Zügig: Auf VDSL-Niveau lagen die Download-Raten bei unseren Versuchen.

Die Skalierbarkeit von LTE ist nach Aussagen der Techniker ebenfalls kein Thema. Falls die Nutzerzahl in einer Zelle schnell wachse, könne man mit einer Verkleinerung der Sektoren schnell auf den Ansturm reagieren, zumal man die Auslastung der Zellen ständig überwache. An das Backbone war die Ebersberger LTE-Zelle über Richtfunk angebunden. Befürchtungen, dass hier die Leistung bei widrigen Wetterumständen wie etwa dichtem Schneetreiben massiv einbrechen können, erteilte Netzausrüster Huawei eine klare Absage: Die auf 100 Mbit/s ausgelegte Verbindung werde zwar gestört, doch 80 Mbit/s seien immer noch realisierbar.

Vor- und Nachteile - LTE

Plus:

+ Transferraten auf VDSL50-Niveau;

+ hoher Upstream von über 10 Mbit/s;

+ niedrige Latenzzeiten;

+ stabile Technik im Pilotversuch;

+ erste Mobilfunktechnik, die sich wirklich für Echtzeit-Anwendungen eignet;

+ Arbeiten in der Cloud möglich

Minus:

- Shared Medium;

- keine endgültigen Erfahrungen über Verhalten mit vielen Nutzern;

- noch keine konkreten Preismodelle;

- offen, ob Geschäftskunden QoS erhalten.

Noch im Testbetrieb

Derzeit betreibt O2 in Ebersberg drei Basisstationen. Auch am zweiten LTE800- Standort in Teutschentahl sind drei Stationen in Betrieb.

Next Generation: Als neue Internet-Generation bewirbt Mobilfunker O2 sein LTE-Netz.
Foto: O2

Neben LTE800, das mit Reichweiten von zehn Kilometern besonders für den ländlichen Raum geeignet ist, betreibt O2 noch zwei LTE-Piloten im Frequenzbereich 2600 Mhz in Halle und München. Hier sind derzeit 17 beziehungsweise 15 Basisstationen aktiv.

An diesen Standorten können die Teilnehmer am Friendly User Test LTE sechs Monate kostenlos auf Herz und Nieren prüfen. Der kommerzielle Start von LTE ist bei O2 dann in ländlichen Gegenden wie Klein Wanzleben und Alsleben in Sachsen-Anhalt geplant.Im Süden setzt der Mobilfunker dabei auf Netztechnik von Huawei, während im Norden Nokia Siemens Networks (NSN) zum Zuge kommt. (mje)

Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag unserer Schwesterpublikation Computerwoche.