Streaming-Lösungen auf dem Prüfstand

Boxen-Vergleich: Apple TV, Google Chromcast oder Amazon Fire TV?

19.12.2014 von Klaus Hauptfleisch
Apple TV, Google Chromcast und Amazon Fire TV sind mehr als nur reine Streaming-Lösungen. Denn die Geräte eröffnen auch einen Zugang zu gigantischen Medienwelten. Welche der drei Streaming-Systeme kann überzeugen?

Die Glotze einschalten und sich berieseln lassen oder durch 100 Kanäle zappen hat manchmal auch etwas für sich. Aber je größer und unübersichtlicher das TV-Angebot, desto mehr wächst wieder der Wunsch, Gutes festzuhalten und bewusster fernzusehen. Doch der Videorecorder ist Schnee von gestern, die Aufnahme mit dem Stick am TV-Empfänger eher Glücksache. Non-lineares Fernsehen wie RTL Now & Co. steht in der Regel nur für Serien und Doku-Soaps zur Verfügung. Daher werden Streaming-Dienste wie Netflix oder Watchever immer beliebter.

Die meisten Zuspieler machen das Wohnzimmer entweder zur High-Tech-Hölle oder sind nur auf bestimmte Inhalte beschränkt. Amazon Fire TV, Apple TV und Google Chromecast sind dagegen als Streaming-Lösungen im Miniformat nicht nur sehr unaufdringlich, sondern versprechen auch eine unvergleichliche Angebotsvielfalt an Medieninhalten, wobei die Nutzer auch auf Youtube und bezahlpflichtige Mediatheken zugreifen können.

Das Tor zur Welt
Ein Mediaplayer der drei großen Anbieter verschafft Zugang zu unzähligen Filmen und anderen multimedialen Inhalten.
Eintauchen mit Apple TV
Die übersichtlich großen Kacheln von Apple TV für den schnellen Zugriff auf Filme und andere Medieninhalte sind Vorbild für viele moderne Bedienoberflächen. Auch Microsoft hat sich da für Windows 8 sicherlich so einiges abgeguckt.
Von wegen Apple TV ohne Spiele
In einer Vergleichstafel von Amazon gibt es für Apple TV keine Spiele. Von wegen, über Airplay ist Vieles möglich.
Apple TV
Das Apple TV Streaming-Set besteht aus einer Box und einer Fernbedienung.
Google Chromecast – ein Stick
Google Chromecast ist das einzige der drei Produkte im Test, das als reiner HDMI-Dongle angeboten wird und keine eigenen Inhalte zur Verfügung stellen kann. Unterstützt werden aber eine Vielzahl von Diensten.
Spiegeln mit Google Chromecast
Spiegeln unterstützen alle drei hier vorgestellten Produkte. Hier sieht man leicht versetzt, wie der Bildinhalt vom Tablet über Google Chromecast auf den Fernseher übertragen wird.
Amazon Fire TV im Paket
Amazon Fire TV gibt es auch als Stick, der aber leider bald vergriffen war. Landsläufig besteht das Angebot aus dieser kleinen Box mit einer Fernbedienung, in die ein Mikrofon für die Spracherkennung integriert ist.
Kommando an Fire TV
Amazon Fire TV ist der jüngste und einzige Mediaplayer im Test, der Spracherkennung zum Auswählen von Filmen bietet. Diese soll so gut sein, dass sie sogar mit Dialekten und unsauberer Aussprache klar kommt. Zum Steuern der Box muss man aber doch noch die Tasten der Fernbedienung drücken.

Die Mac-Company hat mit Apple TV den größten Erfahrungsvorsprung und wohl auch das größte Angebot an Filmen und Serien. Google Chromecast hat als Streaming-Stick erst Mitte 2013 das Licht der Welt erblickt, Amazon Fire HD sogar nochmal fast ein Jahr später. Doch heißt Erfahrungsvorsprung oder die späte Marktreife auch, dass die eine oder andere Set-top-Box besser ist? Das wollten wir im Blindtest herausfinden.

Apple TV, die Dritte

Die Namen Apple TV und iTV verwirren immer wieder, weil sie auch mit mehr oder weniger konkreten Plänen für den Launch einer eigenen TV-Marke in Verbindung gesetzt werden. Aber noch steht Apple TV für den eben zunächst als iTV vorgestellten handlich kleinen Mediaplayer. Mit der zweiten Generation kamen im Herbst 2010 einfache HD-Auflösung und die Übertragung über Airplay vom iPhone, iPad oder iPod hinzu. Seit März 2012 ist Apple TV mit Full-HD-Auflösung in der dritten Generation unter dem Codenamen Hero auf dem Markt. Voraussetzung für die Nutzung ist Breitbandinternet mit mindestens 2,5 Megabit pro Sekunde.

Bedienung und Einrichtung: Wenige Monate vorher ist das iPhone 4s bereits mit Siri eingeführt worden, aber bei der Set-top-Box hat man auf den Sprachassistenten vielleicht auch verzichtet, um den anvisierten und immer noch aktuellen Preis von 99 Dollar (respektive Euro) einhalten zu können. Insofern ist die wesentlich Box von Amazon mit der Spracheingabe eindeutig im Vorteil. Rein über die mitgelieferte Fernbedienung gestaltet sich die Texteingabe noch etwas umständlich. Lobenswert ist aber die leicht zu bedienende Benutzeroberfläche mit den großen Kacheln, um mit wenigen Klicks an das gewünschte Kauf- oder Leihangebot zu kommen.

Eintauchen mit Apple TV: Die übersichtlich großen Kacheln von Apple TV für den schnellen Zugriff auf Filme und andere Medieninhalte sind Vorbild für viele moderne Bedienoberflächen. Auch Microsoft hat sich da für Windows 8 sicherlich so einiges abgeguckt.
Foto: Apple

Die Einrichtung gestaltet sich relativ einfach. Das dafür benötigte HDMI-Kabel zum Fernseher ist jedoch nicht im Lieferumfang. Beim ersten Einschalten wird man aufgefordert, die Sprache und das Netzwerk auszuwählen. Bei einer LAN-Verbindung findet Apple TV das Netzwerk selbst, bei WLAN wird der Nutzer bei der Auswahl und Konfiguration unterstützt. Apple TV der dritten Generation kann man auch über ein iPhone oder iPad mit mindestens iOS 7 vornehmen. Bei einem Windows-PC muss man zunächst die aktuelle Version von iTunes herunterladen und installieren. Ist die Netzwerkverbindung eingerichtet, wird auf dem Fernsehbildschirm ein fünfstelliger Zahlencode angezeigt, den man nun in iTunes einträgt, um die Inhalte mit Apple TV zu synchronisieren.

Riesiges Ökosystem: Über iTunes erhält der Nutzer zum Kaufen oder Mieten Zugang zu über 85.000 Filme, 300.000 TV-Sendungen und 43 Millionen Musikstücke aus aller Welt und Zugriff auf bereits erworbene Titel aus der iCloud. Außerdem stehen auch Inhalte von Online-Mediatheken wie Netflix und Watchever sowie von Youtube und anderen Videoplattformen zur Verfügung. Darüber hinaus versteht sich Apple TV auch mit einer großen Zahl von Unterhaltungselektronik, weil das eigene Airplay bei netzwerkfähigen Receivern fast schon zum guten Ton gehört. Im selben (WLAN-) Netz lassen sich so Filme, Fotos und Musikstücke vom iPhone, iPad, Mac oder PC über Apple TV auf die Anlage beziehungsweise den Fernseher übertragen und umgekehrt. Spiegeln von Bildschirminhalten wird auch unterstützt. Für iOS-Geräte ist die Nutzung von Airplay kostenlos, nicht jedoch für Android oder Windows Phone.

Fazit Apple TV: Die Mac-Company bietet mit Apple TV und Airplay wohl das größte Ökosystem, allerdings nützt das vornehmlich Apple-Bestandskunden. In der lange erwarteten und längst überfälligen vierten Generation darf die in neuen iPhones verankerte Spracherkennung keineswegs fehlen. Eine etwas großzügigere Unterstützung anderer Systeme wäre auch nicht verkehrt.

Google Chromecast

Google Chromecast ist mit 35 Euro nicht nur der günstigste der drei Medienplayer, sondern auch der einzige, der ausschließlich in Form eines HDMI-Dongles erhältlich ist. Ende Juli 2013 hat Google das Produkt samt einem dreimonatigen Probe-Abo für Netflix für netto 35 Dollar zunächst auf den US-Markt gebracht. Im Dezember wurde Chromecast auch für Drittanbieter geöffnet. Anfang Februar folgte das Software Development Kit (SDK) für eine Vielzahl weiterer Anwendungen, darunter "unter 70" Spiele (laut Amazon). Nach Deutschland ist Chromecast zusammen mit dem Video-on-Demand-Bezahldienst Watchever erst Mitte März 2014 gekommen mit.

Spiegeln mit Google Chromecast: Spiegeln unterstützen alle drei hier vorgestellten Produkte. Hier sieht man leicht versetzt, wie der Bildinhalt vom Tablet über Google Chromecast auf den Fernseher übertragen wird.
Foto: Google Inc.

Ausstattung und Einrichtung: Mit nur 34 g bringt der Chromecast-Stick keinen Netzwerkanschluss mit und ist er zum Streamen von Inhalten ganz auf WLAN angewiesen. Die maximale 720p-Auflösung ist ein Wermutstropfen, den man für den geringen Preis hinnehmen muss. Für den Fall, dass der direkte Anschluss am Fernseher schwierig ist, ist ein HDMI-Verlängerungskabel im Lieferumfang, ebenso ein USB-Kabel, das entweder den Stick entweder über den USB-Port des Fernsehers oder über ein optionales Netzteil mit Strom versorgt. Sobald alle Verbindungen einschließlich WLAN stehen und die richtige HDMI-Quelle gewählt ist, erscheint auf dem Fernseher das Chromecast-Eröffnungsbild mit Anzeige eines Codes für die Einrichtung über einen Zuspieler mit der passenden Chromecast-App. Als Zuspieler eignet sich ein Android- oder iOS-Gerät ebenso sein wie ein Windows-PC oder Macbook. Man muss dann nur noch die App installieren, den passenden Code eingeben sowie das Kennwort des WLAN-Netzes, um gleich loslegen zu können.

Anwendungen und unterstützte Dienste: Google Chromecast bringt wie gesagt keine eigenen Inhalte mit. Unterstützt werden aber Google Play Music und Google Play Movie sowie Youtube, Snap und länderspezifische Angebote von Online-Videotheken, in Deutschland ist es neben Watchever unter anderem Maxdome, Netflix und snap by sky. Außerdem kann man über den Stick den Bildschirminhalt des Smartphones, Tablets oder Computers auch spiegeln. Dass der Zuspieler zugleich auch Fernbedienung ist, kann von Vorteil sein.

Fazit Google Chromecast: Schnelles WLAN vorausgesetzt, ist Google Chromecast eine einfache, günstige Lösung, um Bildschirminhalte vom Smartphone oder Tablet auf den Fernseher zu bringen. Die einfache HD-Auflösung ist bei dem geringen Preis verzeihlich, zumal die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten HD auch nur in 720p und nicht in Full-HD (1080p) ausstrahlen.

Amazon Fire TV

Amazon Fire TV ist zwar Anfang April schon in den USA eingeführt worden, in Deutschland aber erst seit Ende September 21014 auf dem Markt. Der Online-Versandriese hatte da bereits 200.000 Filme und TV-Serien im Katalog, 40.000 allein im Fundus des Abo-Services Amazon Prime. Neben der Box zum Preis von 99 Euro inklusive Fernbedienung, um die es hier gehen soll, gibt es seit dem 19. November auch einen Amazon Fire TV Stick.

Die Ausstattung und Einrichtung: Die Fernbedienung liegt zwar laut Neue OZ (Osnabrücker Zeitung) gut in der Hand, könnte von der Verarbeitung her aber etwas hochwertiger sein. Vielfach kritisiert wird, dass die versprochene Full-HD-Auflösung oft nicht eingehalten werde. Die Einrichtung soll dagegen ein Kinderspiel sein, was besonders für Amazon-Bestandskunden der Fall ist. Denn schon vor dem Versand wird die Box (oder der Stick) mit den jeweiligen Daten des Nutzers verknüpft, der dann wie beim Kindle überrascht sein dürfte, über den angeschlossenen Fernseher gleich mit richtigem Namen begrüßt zu werden. Man muss dann nur noch bestätigen, dass man es selbst ist und Fire TV mit dem Amazon-Konto nutzen will. Ein HDMI-Kabel ist wie bei Apple TV nicht im Lieferumfang.

Amazon Fire TV im Paket: Amazon Fire TV gibt es auch als Stick, der aber leider bald vergriffen war. Landsläufig besteht das Angebot aus dieser kleinen Box mit einer Fernbedienung, in die ein Mikrofon für die Spracherkennung integriert ist.
Foto: Amazon.com, Inc.

Viel gelobt wird die selbst bei Dialekten noch sehr verständige Spracheingabe für die Eingabe von Filmtiteln, Schauspielern und Regisseuren. Das Mikrofon befindet sich in der Fernbedienung, weshalb sich gesprochene Steuerungsbefehle wohl erübrigen. Apropos Sprache: Anders als Netflix bietet Amazon für Fire TV bisher noch keine unterschiedlichen Tonspuren mit Untertitelfunktion, was die Freude für manchen Nutzer etwas trüben könnte. Allerdings soll sich das bald ändern. Positiv dürften sich die starken Leistungsdaten wie der 1,7 GHz schnelle Quad-Core-Prozessor, die 2 GB Arbeitsspeicher (statt der 512 MB bei den anderen beiden Streaming-Lösungen) und der 8 GB Flash-Speicher bemerkbar machen. Eine Speichererweiterung ist jedoch nicht möglich, auch nicht über den USB-Port.

Anwendungen und Inhalte: Auf der Positiv-Seite ist, dass Amazons Fire TV über 300 Spiele unterstützt - mit der Fernbedienung als Steuerknüppel. Amazon-Bestandskunden brauchen dabei einmal gekaufte Titel nicht zweimal kaufen, wovon vor allem Amazon-Prime-Kunden profitieren. Überhaupt ist Amazon Fire TV sehr stark auf die Prime-Kunden zugeschnitten. Viele Nutzer klagen, dass beim Durchstöbern der angebotenen Videos nur schwer erkennbar ist, ob diese Teil des Prime-Abo-Services für 49 Euro pro Jahr sind oder bezahlpflichtig im Rahmen des normalen Instant-Video-Angebots. Ohne Prime-Abo ist der Spaßfaktor etwas eingeschränkt, zumal bestimmte Dienste noch fehlen, wird vielfach bemängelt. Einen anderen häufig vorgebrachten Kritikpunkt kennt man schon vom Kindle Fire HD: Zum Schutz eigener Bezahlangebote erschwert Amazon den Zugang mancher Inhalte oder Dateiformate, wenn er aus technischen Gründen nicht ganz verwehrt werden kann. Das Tor zu Netflix ist zwar mittlerweile offen, die versprochenen Apps von Maxdome und Watchever stehen aber noch aus. Sky wartet dem Vernehmen nach ab, wie sich Fire TV bewährt, bevor der mögliche Startschuss für Sky Go und Sky Snap fällt. Abgesehen davon bietet sich aber bereits eine breite Palette von kostenlosen und bezahlpflichtigen Angeboten, inklusive der "Öffentlich-Rechtlichen", Youtube, Berliner Philharmoniker und vieles mehr.

Fazit Amazon Fire TV: Neue Besen kehren gut, heißt es so schön. Als jüngstes Produkt im Reigen profitiert die Amazon-Lösung durch den rasanten technologischen Fortschritt. Die recht gute Spracheingabe und Leistungsdaten wie die 2 GB Arbeitsspeicher zeigen es deutlich. Damit kann Apple TV, in der dritten Generation seit fast drei Jahren auf dem Markt, noch nicht mithalten, auch wenn das Medienangebot weit größer ist.

Fazit

Google Chromecast stellt zum kleinen Preis manche Inhalte zur Verfügung, die Fire TV nicht oder noch nicht bietet. Apple TV überzeugt durch das nach wie vor größte Ökosystem, von dem jedoch hauptsächlich Apple-Bestandskunden profitieren. Gleiches lässt sich aber auch von Amazon Fire TV sagen. Für welche der drei Lösungen man sich entscheiden soll, hängt insofern nicht nur von Ausstattung und Leistung ab, sondern auch davon, wo man für sich das beste Ökosystem gefunden hat. (hal)