Bluetooth-Produkte für jeden Einsatz

26.07.2000 von Wolfgang Hascher
Die drahtlose Verknüpfung von Mobiltelefonen, Organizern, Kameras, PCs und Druckern sowie verschiedenen Netzen stellt den wichtigsten Anwendungsbereich für Bluetooth dar. Viele Produkte haben das Prototypen-Stadium bereits verlassen.

Der Wegfall von Software-, Konfigurations- und "Zusammenspiel"-Problemen sowie von Verkabelungsarbeiten zwischen zum Teil grundverschiedenen PC-Peripheriegeräten schafft die Grundlage für das künftige Wachstum mobiler Datenübertragungsdienste.

Eine kürzlich von IDC in europäischen Unternehmen durchgeführte Umfrage ergab, dass mit einer starken Nachfrage nach mobilen Datenanwendungen zu rechnen wäre, wenn die vorhandenen Verbindungsprobleme auf ein Mindestmaß reduziert werden könnten. Laut einer weiteren Studie des in Cambridge ansässigen Marktforschungsunternehmens Analysis könnten bis zum Jahr 2005 in den entwickelten Ländern 70 Prozent aller Unternehmen, in denen bereits Mobilfunkdienste genutzt werden, neue Varianten von Datenübertragungsdiensten, wie den Zugang zum Internet oder zu unternehmenseigenen Intranets, einsetzen. Nach einer eher konservativen Analysis-Schätzung dürfte das Marktvolumen für mobile Datendienste weltweit von heute 1 Milliarde bis zum Jahr 2010 auf etwa 80 Milliarden US-Dollar ansteigen. Dieses Geschäftspotenzial hat laut Analysis bereits eine Vielzahl neuer Mitspieler auf den Markt für mobile Datenanwendungen gelockt. Hierzu gehören Internet-Unternehmen wie Netscape, Amazon und Excite, Hard- und Softwarefirmen wie Microsoft, IBM, Cisco und 3Com sowie Medienkonzerne wie CNN, Reuters und ITN. Auch von der GSM-Association wurde deutlich gemacht, dass der mobile Datenverkehr in den kommenden Jahren zu einer bedeutenden Umsatzquelle für die Netzbetreiber werden dürfte.

In Anbetracht des weltweiten Wachstums im Bereich der Mobiltelefonie, sind die Erfolgsaussichten für Bluetooth daher sehr hoch: Im Jahre 2002 sollen über 100 Millionen Mobiltelefone, Computer und andere elektronische Geräte Bluetooth-fähig sein. Hier ein Überblick über das, was uns erwartet.

Bluetooth-Telefonie

Da die Bluetooth SIG (Special Interest Group) zunächst an der Kommunikation zwischen verschiedenen Endgeräten arbeitet, werden sich die ersten Anwendungen zwischen PCs, Mobiltelefonen und Zugangspunkten wie LANs abspielen. Dies wird von der Industrie und von vielen Marktbeobachtern jedoch nur als Einstieg für diese kostengünstige Technik betrachtet.

Im Folgenden haben wir einige Anwendungen aufgeführt, die sich durch ihr besonderes Profil auszeichnen und voraussichtlich zu den ersten verfügbaren Produkten gehören. Derzeit handelt es sich dabei noch um viele Prototypen oder Designstudien.

Das Bluetooth-Headset

Mit dem Bluetooth-Headset, einer leichten Hör- und Sprechgarnitur, die demnächst bei Ericsson in Serienfertigung gehen soll, wird schnurloses Telefonieren möglich. Das eigentliche Handy verbleibt in der Jackentasche oder im Aktenkoffer. Zudem wird das Ohr nur 1 mW Sendeleistung ausgeliefert und nicht mehreren Watt. Ohne störende Kabel hat man beide Hände zum Schreiben, Tippen, Auto- oder Radfahren frei. Das Headset verfügt über einen eingebauten Vibrationsalarm, sodass eingehende Anrufe geräuschlos wahrgenommen werden können und die Umgebung nicht gestört wird. Gespräche nimmt man durch Tastendruck am Headset entgegen. Zusammen mit einem sprachgesteuerten Handy soll man künftig auch über das Headset durch einfaches Nennen eines Namens einen Anruf tätigen können.

Bluetooth im Mobiltelefon

Mit einem aufsteckbaren Adapter lassen sich demnächst auch noch nicht Bluetooth-fähige Handys aufrüsten. Ericsson bringt solche Adapter für die Modelle der neuen 3-Volt-Baureihe heraus. Besser als diese Nachrüstung erscheint allerdings noch zu warten, bis komplett integrierte Bluetooth-Handys erhältlich sind. Ein entsprechendes Modell (das T36) hat Ericsson im Juni als Prototyp präsentiert.

Auch Motorola ist bereits dabei, Bluetooth-Handys zu entwickeln. Das Unternehmen führte beispielsweise das Smart Phone PC1088 vor, dessen Gehäuse groß genug ist, ein zusätzliches Bluetooth-Modul aufzunehmen. Ein aufsteckbares Bluetooth-Zusatzprodukt für bestimmte Motorola-Mobiltelefone soll ebenfalls noch in diesem Jahr auf den Markt kommen. Anzunehmen ist, dass sich auch Nokia nicht zurückhält und bald Mobiltelefone mit Bluetooth vorstellt.

Kopfhörer mit Gehörschutz

Viele Menschen müssen in lauter Umgebung einen Gehörschutz tragen. Um ihnen das mobile Telefonieren zu ermöglichen, entwickelt das schwedische Unternehmen Sordin spezielle gehörschützende Kopfhörer, die per Bluetooth mit einem Mobiltelefon verbunden sein können. Der Benutzer spricht in ein Mikrofon, das an einem Bügel an den Ohrhörern hängt und nach dem Gespräch wieder weggeklappt werden kann, und hört in seinen schalldichten Hörmuscheln.

Bluetooth-PC-Kommunikation

Speziell für den PC macht Bluetooth-fähiges Zubehör Sinn, wenn man Kabelverhaue vermeiden und einen schnellen Abgleich von Daten sicherstellen will. Neben diversen Nachrüst-Kits in Form von PC-Cards, USB- und Parallelport-Adaptern für PC, Notebooks und Peripheriegeräte sind auch portable Massenspeicher geplant.

PC-Zubehör für kleine Funknetze

Bluetooth-PC-Karten, wie sie beispielsweise von Ericsson, Sphinx-Electronic (Pico-Card) und RFI (Anycom-Serie) herauskommen, werden wie jede andere PC-Card (im PCMCIA-Standard) in den entsprechenden Steckplatz des Notebooks eingeschoben. So können die Rechner mit anderen Bluetooth-Geräten kommunizieren.

Auch Motorola wird eine PCMCIA-Karte und ein USB-Modem herausbringen. Kleinere Module, die noch stromsparender arbeiten, sollen zum Jahreswechsel 2001 vorgestellt werden.

Ein MicroLink-USB-Bluetooth-Adapter in den Angeboten von ELSA und RFI stellen eine Erweiterung für Notebooks und PCs mit USB-Ports dar. Die Auslieferung will ELSA ebenso wie die des MicroLink-ISDN-Bluetooth, eines externen ISDN-Modems mit integrierter Bluetooth-Schnittstelle, im Herbst 2000 beginnen.

Weitere Erweiterungen für den USB-Port und die parallele Schnittstelle zur nachträglichen Aufrüstung von PCs bieten Sphinx-Electronic mit dem Pico-Plug-Adapter und RFI mit der Anycom-Serie.

Bluetooth-PC-Peripherie

Eine von Ericsson vorgestellte kompakte, tragbare Bluetooth-Festplatte könnte es erübrigen, sein Notebook immer mitnehmen zu müssen. Vielreisende können so ihre wichtigsten Daten immer bei sich haben. Im Büro werden die Daten des Computers über Bluetooth auf die portable Festplatte kopiert. Wo immer man unterwegs ist, kann man die Daten auf einen anderen Bluetooth-fähigen PC überspielen und weiterbearbeiten.

Schnurlose Digitalkamera

Zusammen mit Casio hat Ericsson eine Bluetooth-fähige Digitalkamera entwickelt. Die Kamera stellt ohne Kabel beispielsweise die Verbindung zum PC oder einem Handy her. Mit dem Handy kann man den Fotos zusätzlich Texte beifügen. Bebilderte Urlaubsgrüße als "Sofort-Schnappschuss" per Mail sind damit ebenso möglich wie viele professionelle Anwendungen, beispielsweise bei einer Tatortaufnahme der Polizei.

Ähnliches haben auch Fuji Photo Film und Nokia vor. Zusätzlich soll neben der Datenübertragung von Kamera zu Handy eine auf Bluetooth basierende Infrastruktur für den Fujifilm Digital Imaging Service etabliert werden. Dieser Dienst soll die Anwender in die Lage versetzen, ihre digitalen Fotos per Bluetooth zu übertragen und von entsprechenden Servicelabors hochauflösend ausdrucken zu lassen.

Bluetooth-Lesestifte

Der vom schwedischen Unternehmen C Technologies (Firmenanteile hält unter anderem Ericsson) entwickelte Bluetooth-Scanner-Stift "C-Pen" hat eine kleine Digitalkamera samt OCR-Software (Optical Character Recognition) eingebaut: Die Kamera "liest" gedruckten Text, während man mit dem Stift über das Blatt fährt. Die Software erkennt die jeweiligen Buchstaben und erzeugt daraus eine Textdatei.

Prototyp des C-Pen: Eine eingebaute Mini-Kamera erkennt gedruckte Texte. Diese werden als Datenfiles per Bluetooth an einen PC übertragen.
Foto:

Der Stift kann bis zu 8 MByte speichern, was fast 3000 Schreibmaschinenseiten entspricht. Über Bluetooth werden die Daten dann ohne Kabel- oder Sichtverbindung an den Computer auf dem Schreibtisch oder ins Nachbarzimmer übertragen.

Ein weiterer Prototyp dieser Kategorie ist der Anoto-Stift. An der gleichnamigen Firma hält Ericsson ebenfalls Anteile. Der Stift erkennt mit der integrierten Mine auf speziellem Papier geschriebene Handschrifttexte durch eine Mini-Kamera und Drucksensoren, und digitalisiert diese.

Per Bluetooth gelangen die Daten dann in den PC, wo sie dann in Word oder einem E-Mail-Programm weiterverarbeitet werden können.

Bluetooth im Auto

Weltweit wird in Automobilkonzernen, bei Elektronik-Zulieferfirmen und in Forschungseinrichtungen (zum Beispiel beim MIT in den USA) daran gearbeitet, den Kabelbaum im Kfz durch Funkverbindungen zu ersetzen. Um dieses Thema herum hat sich mittlerweile ein Wissenspool aufgebaut, der die Zukunft für den digitalen Kurzstrecken-Funk zur Datenübertragung positiv aussehen lässt. Denn letztlich liegen alle Informationen, die in einem Automobil weitergeleitet beziehungsweise übertragen werden sollen, in irgendeiner Form digital vor oder lassen sich digital verarbeiten. Die Digitalübertragung ist wegen der sehr hohen Sicherheit gegenüber Störungen zudem ein geeignetes Medium.

Bluetooth muss allerdings, so die Meinung von Fachleuten, unter anderem bei Bosch in Deutschland, noch kraftfahrzeugtauglich gemacht werden. Die jeweilige Integration hängt wiederum von der Anwendung ab. Denn bei sicherheitsrelevanten Datenübertragungen wie Status-Informationen der Kfz-Elektronik müssen höhere Anforderungen an die Übertragungs-Sicherheit und -Geschwindigkeit gestellt werden, als bei relativ unkritischen Anwendungen wie Rundfunk-Audio-Informationen oder drahtlosem Internetzugang für die Passagiere.

Zurzeit sind zunächst drahtlos gekoppelte Auto-Freisprecheinrichtungen im Gespräch: Man lässt das Handy in der Tasche und telefoniert einfach über die Freisprecheinrichtung. Zudem stören beim Ein- und Aussteigen keine Kabel.

Sehr aktiv auf diesem Gebiet ist Motorola. Der Konzern kündigte ein Bluetooth-Kit für Kraftfahrzeuge an und will damit die Bluetooth in die Automobiltechnik einführen. Das hierzu von Motorola angebotene Kit besteht zunächst aus einem Modul, das die Möglichkeit bietet, Gespräche von der Freisprecheinrichtung des Autos zu einem Telefon außerhalb des Autos weiterzuleiten.

Bluetooth soll später auch die Interaktion mit Fahrzeugfunktionen erlauben, zum Beispiel zum Entriegeln der Türen und für die Kommunikation mit bordeigenen Diagnosesystemen. Für die Zukunft ist auch die Datensynchronisation mit Handhelds, Fahrzeug-Navigationssystemen und Multimedia-Systemen geplant. Das Bluetooth-Kit für Kraftfahrzeuge ist ab sofort lieferbar und kann von den Herstellern in ihre Produktlinien eingebaut werden.

Sonstige Anwendungen

Neben klassischen Anwendungen im Bereich der PC-Kommunikation und der Telefonie machen sich zahlreiche Hersteller auch Gedanken um die Integration von Bluetooth in Gegenstände des täglichen Lebens.

Bluetooth-Uhr

Die Bluetooth-Uhr ist ein Organizer oder PDA (Personal Digital Assistant) in Form einer Armbanduhr. Die Uhr ist mit einem Kalender, Adressbuch, Agenda , E-Mail-Speicher oder Ähnlichem ausgerüstet. Kommt man ins Büro, werden die Daten der Uhr automatisch mit den Daten zum Beispiel in Microsoft Outlook abgeglichen, alte Daten gelöscht, neue aufgenommen und der Kalender aktualisiert. Mit den vier Knöpfen der Armbanduhr kann man den Kalender einsehen, Terminvorschläge annehmen oder ablehnen, gespeicherte E-Mails lesen, erledigte Aufgaben streichen und vieles mehr.

Ein manueller Abgleich der Daten oder eine Kabelverbindung sind nicht mehr erforderlich. All das findet automatisch statt, wenn man in Reichweite des eigenen Computers kommt.

Die elektronische Geldbörse

Zukunftsmusik, aber durchaus denkbar ist die Bluetooth-Geldbörse. Mit ihr kann man bezahlen, ohne eine EC- oder Kreditkarte in ein Lesegerät stecken zu müssen. Dazu nimmt beispielsweise das in einem Handy untergebrachte "Geldkonto" einerseits per Bluetooth mit der Kasse Kontakt auf und übergibt andererseits über Mobilfunk die Transaktionen an die Bank weiter.

Gerätesteuerung im Haushalt

Bluetooth kann auch dazu genutzt werden, um Haushaltsgeräte, die Heizung oder die Alarmanlage mit einer zentralen Kommunikationsstelle zu verbinden. Diese ruft beispielsweise auf dem Handy an, wenn die Tiefkühltruhe ausfällt oder die Alarmanlage ausgelöst wurde. Oder man wählt sich umgekehrt zu Hause ein und kann so den Herd fernsteuern ("E-Cooking"), die Heizung hoch drehen oder die Klimaanlage einschalten.

Fazit

Die aufgezählten Anwendungsbeispiele zeigen nur einen Ausschnitt der zukünftigen Einsatzmöglichkeiten von Bluetooth. So ist eine portable Freisprecheinrichtung denkbar, die man im Büro für die Telefonanlage benutzt, unterwegs als Verbindung zu seinem Handy, und die einen zu Hause mit dem Festnetzanschluss verbindet. Automatisch erkennt diese Freisprecheinrichtung, wo man sich befindet, und welche Verbindung zum Telefonieren genutzt werden soll.

Bluetooth wird insbesondere von drei weiteren Telekommunikationsverfahren profitieren, die derzeit von verschiedenen Herstellern nach offenen Standards entwickelt werden. So erscheinen derzeit die Kombination aus Bluetooth, dem Wireless Application Protocol (WAP), dem von Symbian (eine Kooperation von Ericsson, Nokia und der britischen Firma Psion) entwickelten EPOC-Betriebssystem und von Mobilfunksystemen der nächsten Generation mit mobilen Multimediadiensten als sehr Erfolg versprechend. (fkh)