Blu-ray statt DVD: Alles blauer Dunst?

10.04.2002 von Michael Swaine
Bei den DVD-Standards herrscht Konfusion, die Speichertechnologie stößt an ihre Grenzen. Da verspricht das neue einheitliche Blu-ray-Format mit blauem Laser die Datenkapazität zu erhöhen. Alles blauer Dunst?

Am 19. Februar 2002 haben sich neun führende Unternehmen der Unterhaltungselektronik auf das neue Blu-ray-Format zur Video-Speicherung verständigt, das auf Laufwerke mit blauem Laser setzt. Mit ihrer einhelligen Erklärung für ein neues Format wollten sie frühzeitig jene Konfusion vermeiden, unter der die existierenden DVD-Formate seit ihrer Einführung 1996 leiden.

Das gegenwärtige Durcheinander resultiert daraus, dass der einflussreiche Industrieverband DVD-Forum zwei konkurrierende wieder beschreibbare DVD-Standards, DVD-RW und DVD-RAM, gefördert hat - ohne damit die Etablierung eines weiteren Formats und dritten Standards aufhalten zu können: DVD+RW.

Mit dem neuen Format hofften die Unternehmen, dieser Konfusion endlich Herr zu werden. Doch nun steht die Blu-ray Disc selbst im Zentrum einer stürmisch geführten Kontroverse.

Kürzere Wellenlänge, höhere Speicherdichte

Die aktuelle Video-Speichertechnologie stößt inzwischen an das physikalische Limit hinsichtlich der Speicherdichte: Die Bits sind heute bereits derart dicht gepackt, dass die weitere Erhöhung der Speicherdichte von der Wellenlänge des Lichts abhängen wird, das der Laser zum Lesen und Schreiben verwendet.

Die Technologie der Blu-ray Disc erhöht die Speicherdichte, indem sie sich eines einfachen Hilfsmittels bedient: eines Lasers mit kürzerer Wellenlänge. Statt des üblichen roten Lasers mit 635 oder 650 nm Wellenlänge nutzt diese Technologie einen blauen Laser mit 405 nm für die wieder beschreibbare 12-Zentimeter-Scheiben. Diese ermöglichen eine Datenkapazität von 27 GByte und bieten damit ausreichend Platz für vollständige Kinofilme in höchster Qualität. Blu-ray verwendet für die Speicherung zudem das Standardformat MPEG-2 .

Diese Neuerungen bringen jedoch auch den Einsatz anderer Laufwerke, anderer Medien und immenser Investitionen in die Technologie blauer Laser mit sich. Ihr einhelliges Statement haben die neun Unternehmen (Hitachi, LG, Matsushita, Pioneer, Philips, Samsung, Sharp, Sony, Thompson) nicht zuletzt deshalb abgegeben, um breite Akzeptanz für die neue Technologie zu schaffen.

Akzeptanzproblem Kopierschutz

Denn Probleme des neuen Formats zeichneten sich sehr bald ab, als nämlich User in Diskussionsforen nach der Durchsetzbarkeit der Blu-ray Disc zu fragen begannen. In den Spezifikationen stand zu lesen, dass diese Speichermedien mit strikten Kopierschutzverfahren ausgestattet sein werden inklusive einer "eindeutigen ID", die jede Blu-ray Disc einzeln kenntlich macht.

Ist die Stimmung unter den Verbrauchern dem Kopierschutz gegenüber momentan also zu feindselig, als dass die neue Technologie Blu-ray Erfolg haben könnte? Oder wird der Kopierschutz obligatorisch werden für alle digitalen Medien, wie vereinzelt in der amerikanischen Gesetzgebung verlautet?

Zumindest eines lässt sich an dieser Stelle festhalten: Das Thema Kopierschutz ist so brisant und kontrovers, dass es die Durchsetzbarkeit der Blu-ray-Technologie in jedem Fall kompliziert.

Inkompatibilität vorprogrammiert

Kürzlich erst wurde dem Blu-ray-Format ein weiterer Schlag versetzt. Das Steering Committee des DVD-Forums sprach sich dafür aus, am roten Laser festzuhalten, aber hochauflösende Videos Komprimierungsverfahren mit niedriger Bitrate zu benutzen. Der Konflikt innerhalb des DVD-Forums stellt sich grob skizziert dar als Streit zwischen Content-Produzenten wie Warner Brothers, die den roten Laser befürworten, und Hardware-Herstellern wie Philips, die im Lager der "Blauen" stehen.

Das Steering Committee beschrieb die Entscheidung dennoch als gütliche Einigung, die beiden Formaten ihren Platz zugestehe. Technisch betrachtet macht das sogar Sinn: Blu-ray ist für die Speicherung von hochauflösendem Fernsehen (HDTV) in Echtzeit besser geeignet, während ein Kodierungsverfahren mit niedriger Bitrate vorzuziehen ist für die Speicherung von Kinofilmen, die zeitversetzt abgespielt werden.

Für die Verbraucher heißt das allerdings: zwei nicht kompatible Technologien, für die zwei verschiedene Arten Player sowie zwei verschiedene Arten Medien benötigt werden. Und selbst das vom Steering Committee vorgeschlagene Kodierungsverfahren mit niedriger Bitrate ist keine wirkliche Lösung, denn das Committee hat nicht entschieden, welches Verfahren es nun sein soll. MPEG-4? Optimiertes MPEG-2? Da schweigen sie sich aus.

Die dritte Dimension

Und um die Dinge noch weiter zu komplizieren, handelt es sich bei den in Frage stehenden Speichermedien um Disc-Typen, die über kurz oder lang ohnehin obsolet sein werden. All diese Formate - die drei bestehenden DVD-Formate, die Verfahren mit niedriger Bitrate, die Blu-ray Disc - sind zweidimensionale Video-Speichertechnologien. Es ist jedoch bereits heute möglich, Informationen in drei Dimensionen zu speichern mit Hilfe fluoreszierender Discs, konventioneller roter Laser und MPEG-2.

Constellation 3D hat, wie es scheint, die entsprechenden Technologien dafür bereits patentieren lassen und hegt die Hoffnung, bald mit seiner Fluorescent Multi-layer Disc (TMD) auf den Markt zu kommen - zugegeben, der Zeitpunkt steht noch nicht fest. Doch mit der Unterstützung, die Dell und IBM dem Projekt zukommen lassen, könnte das eher früher denn später geschehen. Und der Dreh dieser 3D-Story: Um 1 Terabyte Daten auf einer 12-Zentimeter-Scheibe zu speichern, muss Constellation 3D für TMD - wie könnte es anders sein - blauen Laser verwenden.

Mit Kopierschutz-Gegnern hier, Content-Produzenten da und der nächsten Generation von 3D-Speichermedien schon im Rücken hat sich das Blu-ray-Format einer Menge Herausforderungen zu stellen. Was den Verbrauchern bleibt, ist nur eines: Konfusion. (bmu)

Über den Autor

Michael Swaine ist Redaktionsdirektor des Dr. Dobb's Journal. Er lebt im Silicon Valley und schreibt seit 1980 über PC-Technologie. Sie erreichen Michael Swaine über seine Webseite.